✒️~Dornrösschen~🖋

🗓 Date: 3rd January 2010 🗓

🕒 Time: 2:00 pm 🕒

Ich saß umschlungen von einer Decke auf meinem Bett. Ich tat nichts, außer meinen Gedanken nachzugehen.
Heute war der Tag, an dem Sugawara vor einem Jahr beerdigt wurde.
Sollte ich vielleicht wenigstens Heute an sein Grab gehen?
Dass mich dieser Gedanke heute das erste mal wirklich dazu gebracht hat, langsam aufzustehen und den Lichtschalter zu betätigen war etwas außergewöhnliches. Sonst hatte dieser Gedanke es nie geschafft, mich zu motivieren. Irgendwie schon traurig, wenn man mal genauer drüber nachdachte.
Heute würde ich das erste Mal sein Grab besuchen. Nach seiner Beerdigung war ich dort nie wieder hingegangen, ich hatte Angst.
Angst hatte ich aber auch, seitdem er gestorben war. Ich traute mich nicht mehr raus. Hatte Angst davor, Leute zu sehen, die mich an ihn erinnerten. Angst davor, in Gegenden rumzulaufen, in denen wir oft waren.
Angst davor, dem gleichen Schicksal zu widerfahren wie er. Ich hatte Angst, Auto zu fahren oder auch nur ansatzweise in die Nähe eines Autos oder einer Straße zu gehen.
Zu viel könnte mich an ihn erinnern und ich würde wieder dem Gleichen Ereignis widerfahren wie vor vier Tagen.

Ich suchte mir dennoch Sachen aus meinem Schrank, auch, wenn ich noch immer meine Augen aufgrund der plötzlichen Helligkeit, zugekniffen hatte. Als ich alles hatte, verließ ich das erste mal seit langem wieder mein Zimmer, weil ich mich tatsächlich umziehen wollte und dann auch etwas sinnvolles machen wollte.
Meine Mutter begegnete mir auf dem Weg ins Bad.
,,Wieder umziehen, nur um dann wieder in dein Zimmer zu gehen?", fragte sie etwas besorgt uns sah mich fragend an. ,,Nein", meine Stimme war heiser, ich hatte ewig nicht mehr gesprochen, ,,Ich gehe raus."
Ihre Augen weiteten sich, was durchaus nachvollziehbar war.
,,Gehst du ihn endlich besuchen?", fragte sie hoffnungsvoll und versuchte sich kläglich an einem Lächeln. Man sah, dass sie es nur versuchte, um mir ein besseres Gefühl zu geben.
,,Ja, irgendwann muss ich ja oder? Er hätte das gleiche für mich gemacht", erwiderte ich, senkte meinen Blick und ging ins Bad. Seit langem warf ich wieder einen Blick in den Spiegel. ,,Gut siehst du aus Dachi, wirklich sehr schöne Augenringe hast du unter den Augen. Deine Haare sind auch fettig bis zum geht nicht mehr. Und deine Augen erst- meine Güte, siehst du uninteressiert und depressiv aus", flüsterte ich leise, mich selbst betrachtend und legte vorsichtig meine Fingerkuppen an meinen hervorragenden Wangenknochen. Ich bekam kaum noch was runter, aß nur noch so viel, dass ich gerade mal so genug Energie hatte, um meinen Tag sitzend auf meinem Bett in Gedanken zu überleben und hatte dementsprechend viel abgenommen. Ich wog bei circa 1,68 Meter Körpergröße gerade mal 27 Kilo. Viel zu untergewichtig, magersüchtig. Ich griff nach der Zahnbürste, trug die Zahncreme auf die Borsten auf und schrubbte meine Zähne.
Und das nur wegen einem kleinen Fehler.
Hätte Sugawara damals einfach nur geguckt, anstatt über die Straße zu rennen, als gäbe es keine Autos, wäre es nie passiert! Er würde bei mir sein, mit mir Sachen unternehmen und wir hätten einfach eine tolle Zeit! Er würde noch leben und mir würde es nicht so verdammt schlecht gehen!
Als ich bemerkte, was ich eigentlich dachte, ließ ich vor Schock beinahe meine Zahnbürste auf den Boden fallen, fing sie allerdings auf.

Hatte ich gerade ernsthaft meinem besten Freund die Schuld gegeben? War es nun wirklich so dermaßen ausgeartet, dass ich anfing, ihm die Schuld für das alles zu geben? Er trug nicht die Schuld an dem, was passiert war. Keiner trug die Schuld daran, außer vielleicht der Autofahrer. Doch ich beschloss, mich erstmal fertig zu machen und dem nachzugehen, weshalb ich mich überhaupt ins Bad begeben hatte und danach weiter darüber nachzudenken, wem ich jetzt die Schuld geben sollte und warum.
Ich spuckte das weiße Zeug aus den Mund, welches, wenn man es sich genauer überlegte, ein wenig wie Tollwut aussah, wenn man es noch im Mund hatte. Nachdem ich kurz über diesen Gedanken nachgedacht hatte kam ich mir unnormal kindisch vor. Als wäre ich auf einmal um sieben Jahre jünger geworden. Fast schon nah zu einer Zeitreise, existierend innerhalb meines Körpers.
Ob sowas wohl irgendwann möglich sein würde?, fragte ich mich und entledigte mich meiner Kleidung.
Mein Körper war blass. Nicht leichenblass, das ist ein komplett falscher Begriff. Solange das Blut durch den Körper eines Menschen floss, konnte man nicht ,,leichenblass" sein. Ich wusste, wovon ich sprach, schließlich hatte ich schon mal eine Leiche gesehen. Friedlich lag sie da, in einem Anzug in einem offenen Sarg. Sugawara sah so aus, als würde er eingeschlafen sein, doch seine ungesunde Hautfarbe und diverse andere untersuchte Fakten sprachen dagegen. Wenn man es so sah war er eingeschlafen, dachte ich erneut, allerdings für immer. Ähnlich wie Dornröschen.

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