[4] Mit Kevin allein zu Haus

„Was geht da vor sich in deinem kleinen haarigen Köpfchen?"

Kevin sitzt am anderen Ende der Couch auf einer Decke und starrt mich an. Es ist eine skurrile Situation im Hause Rodgers, seit meine Eltern sich gestern in den Urlaub verdrückt haben. Ich, Gemma Rodgers, bin mit Kevin allein zu Haus. Haha. Und es ist nicht mal Weihnachten.

Der Hund legt den Kopf schief, als ich ihm diese Frage stelle. Er macht das immer. Sicher denkt er, ich würde es süß finden, genau wie meine Mum. 

Dabei fände ich ihn viel spannender, wenn er einfach mal mit mir reden würde, statt mich dauerhaft ausdruckslos anzuhecheln. Auch der Film, 101 Dalmatiner, scheint ihm nicht zu gefallen, obwohl ich ihn extra für ihn laufen lassen. Kevin bellt immer nur, wenn einer der Dalmatiner ein Kläffen von sich gibt, aber sonst schaut er nie hin. 

Frustriert lege ich die Überreste meiner Schokoladen-Tafel auf den Tisch und pilgere in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen. Während die Maschine rattert, hole ich mein Handy aus der Tasche und starre die Nachricht an, die Sawyer mir vor ein paar Tagen geschrieben hat.

[17:23 Uhr, Sawyer]
Hey Gemma, Sawyer hier. Wenn du in Schwierigkeiten steckst, kannst du dich gern bei mir melden. Auch was den Hund angeht ;-)

Nicht mal eine halbe Stunde, nachdem er gegangen ist, hat er mir diese Nachricht geschrieben. Und ich? Ich überlege seither am laufenden Band, wie ich mich wohl am besten in Schwierigkeiten bringen könnte. Ich meine... Was zur Hölle? Der junge Gott mit den himmlischen Augen flirtet mit mir. Wer so eine Gelegenheit verstreichen lässt, trauert noch als Großmutter darum.

Tief in Gedanken schnappe ich mir meinen Kaffee, schütte ordentlich Milch und Zucker dazu und gehe zurück ins Wohnzimmer. Die beste Kombination ist doch immer noch Kaffee und ein Stückchen Schokola-- 

„Kevin! Spinnst du?!" 

Meine Schokolade ist weg, das Papier liegt auf dem Boden und mein Geburtstagsgeschenk hat eine verdächtig braune Schnauze. Verfluchter Mist! Ich bin das Gegenteil von einem Hunde-Experten, aber selbst ich weiß, dass man Vierbeinern keine Schokolade geben darf. Panisch konsultiere ich Google und bin hinterher noch ratloser als zuvor.

Wie viel Gramm hat er gefressen? Wie viel wiegt Kevin überhaupt? Hat er schon erste Vergiftungsanzeichen? Noch wirkt er quietschfidel mit seinen Knopfaugen und den aufmerksamen Ohren, aber was, wenn er gleich Schmerzen bekommt? Was, wenn er einen Zuckerschock erleidet und wahnsinnig durchs Haus rennt? Geht das überhaupt?

Bevor mir all diese Fragen das Hirn sprengen, öffne ich die Kontaktdaten auf meinem Handy und suche Sawyers Namen. Ich hätte mir wohl besser keinen Notfall herbeisehnen sollen. Denn als ich seine Stimme am anderen Ende der Leitung höre, freue ich mich zwar, doch das schlechte Gewissen wird übermächtig, als ich meine Beichte ablege.

„Sawyer, kannst du kommen? Kevin hat meine Schokolade gefressen."

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