Siebter Moment

Vor siebzehn Jahren

Alexander

Ich betrachte mich selbst im Spiegel. Der schwarze Anzug ist etwas zu groß. Ich fühle mich overdressed. Allerdings war das der Sommerball meiner Schwester. Jeder Junge würde heute einen Anzug tragen, die Mädchen machten sich voller Vorfreude fertig. Die Haare wurden gerichtet, der Lippenstift zum ersten Mal aufgetragen, die Wimpern getuscht. Jeder hatte eine Begleitung, wobei die Jungs versuchten ganz lässig und Interessen los zu tun, aber das Herz trotzdem ein Marathon lief. Heute fanden die ersten Dates statt. Interessen am anderen Geschlecht wurden ausgetauscht.

Meine eigene Schwester wurde heute von einem Jungen namens Raphael ausgeführt. Trotzdem hat sie mich gebeten ebenfalls zu diesem Ball zu erscheinen. Auch wenn ich schon seit längere Zeit nicht mehr auf diese Schule gehe. Clary ist extra mit angereist, um mich selbst zu begleiten. Eigentlich hatte ich gar keine Lust. Ich mochte solche Großveranstaltungen nicht.

Ich hatte schlecht geschlafen. Mir gingen so unendlich viele Sachen durch den Kopf. Bald würden die ersten Prüfungen in meiner Schule anstehen. Prüfungen die darüber entscheiden würden, ob man die High School Zeit immer noch dort verbringen dürfte. Die meisten Jugendlichen wechselten bereits jetzt schon auf "normale" Schulen, da es ihnen doch zu stressig wurde. Ich selbst hatte gar keine Lust mehr hier her zurück zu kehren. Izzy hatte sich in dem letztem Jahr irgendwie entfernt von mir. Jace blieb ein treuer Freund. Er besuchte mich jetzt auch regelmäßig, worüber ich mich immer sehr freute.

Zudem verstand er sich unheimlich gut mit Clary. Ich ließ mich auf mein Bett sinken und zog aus meiner Hosentasche den Springer Schlüsselanhänger. Seitdem Magnus ihn mir gegeben hatte, trug ich ihn bei mir, wie das Herz welches in meiner Brust ruhig schlug. Wir hatten uns wieder Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Dabei schien ich jeden Tag darauf zu hoffen. Obwohl es eigentlich vollkommen absurd war. Wir wohnten zwei Autostunden voneinander entfernt. Aber er begleitete mich, wie das Wissen über Physik und Quanten Theorien. Erst wie ein Schatten, welcher auf meinen Rücken saß. Manchmal lachte er mir hämisch in das Ohr, weil er wusste das die Entfernung beständig war. Und manchmal da fuhr er mir sanft über meine Hals, weil die Momente die wir hatten, wirklich passiert sind. Zudem wusste ich nicht mal warum ich genau ihn wieder sehen wollte.

"Es steht fest, Isabelle mag mich überhaupt nicht. Dabei sind wir Cousinen, sollte man sich..." Clary tritt mit ihrem Kobaltblauen Kleid in mein Zimmer. Sie verstummt als sie mich auf dem Bett sitzend sieht. Vorsichtig setzt sie sich neben mich. "Du hast mir nie erzählt von wem du das bekommen hast." Immer wieder fahre ich über den schwarzen Springer. Er hat ein paar Gebrauchsspuren. Magnus muss ihn schon lange haben. Das ich jetzt auf seinen Schlüsselanhänger aufpassen darf, bedeutet mir viel. "Von niemanden." Ich räuspere mich und stecke dieses Geschenk schnell wieder ein. "Was war jetzt mit Izzy?"

Noch während Clary darüber erzählt das sie mit Izzy über den heutigen Tag diskutiert hat, schweife ich wieder ab. Ich bin froh das Gedanken zollfrei sind. Sonst hätte ich in den letzten Tagen viel bezahlen müssen. "Ich warte schon mal unten." Damit unterbreche ich Clary in ihren Erzählungen und Vermutungen. Im Flur treffe ich auf meine Mum. "Weißt du schon ob Izzy fertig ist?" Ich kann nur mit den Kopf schütteln und meinen Weg weiter fortsetzen.

An der frischen Luft atme ich durch, mit zitternden Händen lockere ich meine Krawatte etwas. In dem Raum war es plötzlich so beklemmend und wahrscheinlich waren das auch meine Gedanken. Seit kurzem fühlte ich mich so unendlich einsam auf dieser Welt und auch in der Schule, fühlte ich mich zunehmend unwohl. Ich konnte nicht mal erklären warum. Da war einfach eine Leere. Etwas was mich weiter durcheinander brachte, denn wenn man sich so leer fühlt, warum spürt man diese dann. Bei einer Leere sollte da gar nichts sein und trotzdem war da etwas.

"Verdammt!" Ich sah auf und erblickte auf dem Nachbargrundstück Magnus. Ich erkannte nicht genau was er da machte aber er schien damit nicht glücklich zu sein. Meine zitternden Hände vergrub ich in meine Hosentasche bevor ich zu ihm herüber ging. "Glaubst du das fluche etwas bringt?" Er sieht verärgert auf. "Diese doofe Krawatte will nicht so aussehen, wie sie eigentlich soll." Aufgebracht wirft er seine Hände nach oben. "Manchmal muss man von der Norm abweichen. Darf ich?"

Magnus regt sich nicht und so trete ich an ihn heran. "Du bist nur noch selten da." Ich sehe in seine grünen Augen. Dabei erkenne ich die Milchstraße. Ich schwimme durch sie hindurch und versuche soviel wie möglich dabei zu sehen. "Ich weiß. Meistens besuchen mich meine Eltern." Er scheint irgendetwas zu suchen. "Was ist mit deiner Schwester?" Ich schlage den Kragen seines weißen Hemdes nach oben. "Was soll mit ihr sein? Sie scheint irgendetwas zu haben. Aber reden möchte sie auch nicht."

Ein weiteres Thema was mich unheimlich belastet. Izzy und ich haben uns immer gut verstanden. Aber seitdem bei ihr die Pubertät angefangen hat, scheint jedes Gespräch zu viel zu sein. Ich weiß nicht, woran es liegt. Ich vermisse nur das, was wir früher mal waren. "Ich würde ja sagen, das sie eifersüchtig ist." Ich stoppe meine Bewegung. Uns beiden scheint nicht bewusst zu sein, wie nah wir uns stehen. Das beben meiner Hände ist verstummt. Hinterlassen nur einen bitteren Beigeschmack.

"Du bist seit längerer Zeit woanders und so viel wie ich mitbekomme habe, wohnst du mit einem anderen Mädchen zusammen. Die kleine rothaarige.. weißt du?" Ich schüttle nur den Kopf. So richtig verstehe ich es noch nicht. "Isabelle könnte eifersüchtig sein. Oder sich vielleicht ersetzt fühlen. Damit es nicht so weh tut, kapselt sie sich liebe selber ab." Ich knote seine Krawatte richtig. Dabei lasse ich mir ganz viel Zeit.

"Ich würde einfach mit ihr reden. Ihr solltet darüber froh sein, das ihr den anderen habt." Ich versuche zu lächeln. "Dankeschön... so fertig." Magnus sieht an sich herab und hebt dann die Krawatte leicht an. "Das muss ich wahrscheinlich nochmal üben." Er grinst mich an. "Ja das solltest du wahrscheinlich tun. Ich weiß zwar nicht was du getan hast, aber das war nicht mal annähernd ein Knoten."

Magnus schnaubt und versucht irgendwie wütend auszusehen aber mein grinsen, was anscheinend ansteckend ist, scheint sich auf ihn zu übertragen. "Wenn wir aus unseren Fehlern lernen, warum haben wir dann Angst Fehler zu machen?"  Wir beide bleiben voreinander stehen, sehen dem anderen in die Augen und genießen diesen kurzen Moment des Beieinander seins. "Der Moment wenn man einen Fehler macht und es dann bemerkt, ist glaube ich erniedrigend. Außerdem ist diese Welt so verurteilend. Nicht jeder versteht, das Fehler in Ordnung sind."

Er hebt seine Hand und richtet meine eigene Krawatte wieder richtig. "Man wird nicht besser, wenn man andere schlecht macht. Das müssen viele Menschen noch verstehen." Mit seiner Hand fährt er über meine Schulter, glättet meinen Anzug und streicht die nicht vorhandenen Falten weg. "Die Welt hat eine vollkommen falsche Einstellung. Nicht höher, schneller, weiter sondern.." antwortet Magnus auf mein gesagtes und ich ergänze seine fehlenden Worte "...langsamer, bewusster, menschlicher." Er löst seine Hände von mir und betrachtet mich dann nochmal. Dabei holt er etwas aus seiner Hosentasche.

Es ist mein Zauberwürfel Anhänger. Er hat ihn immer noch. "Es ist mein Wegbegleiter, ein Glücksbringer, ein Schutzengel." Erstaunt und gleichzeitig über seine Worte, wende ich meinen Blick ab. "Auf das nächste mal, Alec." Damit geht er und ich sehe ihm hinter her. Wie jedes mal. Solange betrachte ich den Punkt. Selbst als ich ihn schon gar nicht mehr sehen kann. Ich kann das nächste mal kaum erwarten.

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