73.

Hallöchen ihr Lieben, schon wieder Freitag! :) Viel Spaß beim Lesen <3

------------

* Lilly *

Schweigend legt Papa seinen Arm um mich und geleitet mich hinaus. „Wir gehen in mein Büro", erklärt er knapp, wir nicken und folgen ihm.

„Habt ihr Victor angerufen?", fällt mir da ein, Mutter schüttelt den Kopf. „In der Aufregung habe ich das vergessen. Oh Gott!" „Schon gut, ich mach das!", wehre ich ab, weil sie schon ihr Telefon gezückt hat. Ich bin froh, wenn ich wenigstens einen Augenblick von hier wegkann. Nur einen Moment an die frische Luft, um durchzuatmen.

Dementsprechend verlasse ich den Flur und ziehe mich auf einen der Balkone zurück, die durch große Glastüren erreichbar sind. Tief inhaliere ich die kühle Nachtluft, kämpfe gegen die Tränen an, die mir sofort wieder in die Augen treten, wenn ich an Bellas Schicksal denke, das in den Händen von Papas Kollegen liegt.

Dennoch wähle ich Victors Nummer. Er muss Bescheid wissen.

„Lilly? Ist was passiert? Es ist voll spät!", jammert mein Bruder, ich schlucke schwer. Es wird ihn schwer treffen. Er liebt unser Nesthäkchen genauso sehr, wie ich es tue.

„Du solltest hierherkommen, Bruderherz. Ins Klinikum. Bella hatte einen Unfall und ist im OP." Die Worte purzeln so aus meinem Mund, ich kann es nicht aufhalten. Ebenso wenig wie die Tränen, die nun über meine Wangen rinnen. Es tut so weh.

„Bella hatte was? Einen Unfall? Wie schlimm ist es? Was ist passiert? Ich komme!", brüllt er aufgescheucht in den Hörer und ich kann mir bildlich vorstellen, wie er aus dem Bett hechtet, mit müden Knochen von den langen Diensten, die er selbst zuvor gemacht hat. Die ihm noch in den Gliedern stecken.

„Ich weiß nicht viel. Ich hab sie gefunden. Da war so viel Blut, Victor. So unfassbar viel Blut. Als hätte jemand versucht sie abzuschlachten." Erneut wird meine Stimme von meinem Schluchzen verdrängt. Schwach füge ich hinzu: „Komm hierher. Wir sind bei Papa im Büro und warten auf Neuigkeiten. Sie suchen den Kerl noch."

„Ich bin unterwegs!", höre ich ihn sagen, dann kappt er die Verbindung. Im Hintergrund glaube ich das Aufheulen eines Motors vernommen zu haben. Er wird keine Zeit verlieren.

Unentschlossen starre ich auf das Handy in meiner Hand. Es gibt einen Menschen, der ebenfalls wissen sollte, wie es um Bella steht. Auch wenn die Situation mehr als angespannt ist momentan. Zögerlich wähle ich die entsprechende Nummer und halte mir das Telefon ans Ohr. Es läutet mehrere Male, bis abgehoben wird.

„Bürki, wer ist da?", knurrt eine müde Stimme. Ein Wunder, dass er überhaupt rangegangen ist. Ich nehme all meinen Mut zusammen und antworte: „Hier ist Lilly. Bellas Schwester."

Seufzend erwidert er gereizt: „Denkst du nicht, es hat gereicht, wie du bei mir reinmarschiert bist, mich angepampt hast? Jetzt musst du mich auch noch mitten in der Nacht anrufen? Geht's eigentlich noch?!"

Mit bebenden Lippen, weil ich schon wieder kurz davor bin, in Tränen auszubrechen, presse ich hervor: „Es geht um Bella, Roman. Sie sollte heute einen ihrer Nachtdienste nachholen, die sie verpasst hatte. Sie, sie ist heute Nacht angegriffen worden in der Notaufnahme. Sie wird momentan noch operiert. Sie..." Einen Augenblick lang halte ich die Luft an, um gleich weitersprechen zu können. Meine Kehle wird förmlich zugeschnürt von dem Schmerz, der dieses Grauen über mich bringt. „Sie hat sehr viel Blut verloren. Ich weiß nicht, ob sie es schafft."

Stille. Es knackt in der Leitung. Dann glaube ich einen unterdrückten Schrei zu hören. Etwas Dumpfes, Ersticktes. Aber voller Schmerz.

„Sag, dass das nicht wahr ist", fleht Roman mich gebrochen an, ich schüttle instinktiv den Kopf. Was würde ich dafür tun, dass wir alle aus diesem Albtraum aufwachen könnten. Alles würde ich dafür geben.

„Doch, es ist wahr", entgegne ich schweren Herzens.

„Das ist ein schlechter Scherz", höre ich ihn sagen, mein Herz stolpert förmlich und ich fauche ihn hysterisch an: „Glaubst du wirklich, ich würde darüber Witze machen?! Meine kleine Schwester liegt im OP, hat mehrere Stichwunden, ihr Herz hat zwischenzeitlich fast aufgehört zu schlagen und du unterstellst mir, ich würde scherzen?! Ich dachte nur, es würde dich interessieren!" Er schweigt kurz, murmelt dann aber: „Entschuldige, so meinte ich das nicht."

Noch immer bin ich unsicher, ob ich Roman überbringen soll, worum Bella mich vorhin gebeten hat.

„Ich komme ins Krankenhaus!", ruft er mir zu, da reagiere ich endlich wieder und stoppe ihn schnell: „Nein! Roman, bitte! Komm nicht hierher! Noch nicht! Meine Eltern sind hier und das würde absolut eskalieren! Bitte! Ich informiere dich, sobald ich mehr weiß! Ich verspreche es dir!"  Hastig erwidert er: „Aber ich kann doch nicht hier rumsitzen, wenn du mir sagst, dass Bella stirbt! Lilly!" 

„Es tut mir leid!", jaule ich verzweifelt, „Aber mach den Kummer nicht noch größer! Bitte! Sie würde das doch auch nicht wollen!" Schnaufend antwortet er mir etwas gefasster: „I-ich kann nicht glauben, dass das alles passiert. Ich hab das Gefühl, das ist alles meine Schuld." Ich ignoriere diesen Einwurf. Ich kann dazu nichts sagen. Nichts, was an der Situation etwas verbessern würde.

„Roman, Bella war vorhin ganz kurz bei Bewusstsein, ehe sie in den OP gebracht wurde. Ich soll dir etwas von ihr ausrichten." Nun halte ich inne. Ist das richtig? Oder besiegle ich damit nur ihr Schicksal? Nehme ich ihr damit die Chance zurückzukehren? Was, wenn sie nicht mehr aufwacht? „Was sollst du mir sagen?", flüstert Roman atemlos, ich schließe kurz die Augen und meine dann leise: „Ich soll dir sagen, dass sie dich liebt."

Nach einer langen Pause gibt er erschöpft zu: „Ich pack das nicht, falls sie das nicht überlebt, Lilly. Dann geh ich kaputt." „Nicht nur du", stimme ich ihm mit rauer Stimme und einem tonnenschweren Herzen in der Brust zu, „Ich rufe dich wieder an. Denk an sie. Vielleicht hilft es. Bis dann, Roman."

„Bis dann. Ach und Lilly?"

„Ja?"

„Danke, dass du angerufen hast", fügt er hinzu, ich nicke nur. „Schon gut", murmle ich und lege auf.

Schwer stoße ich die Luft aus meinen Lungen, blicke in den sternenklaren Nachthimmel. Bella hat in ihrem Leben schon einiges aushalten müssen, wieso nun auch noch das? Es bricht mir das Herz, dass ich nichts für sie tun kann. Außer für sie beten. Auch wenn ich eigentlich sonst nie in die Kirche gehe. Aber Gott ist doch gerade dann für einen da, oder? Oder wer, oder was auch immer da oben ist.

Nachdenklich kehre ich in das Büro meines Vaters zurück. Kurz nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen habe, klopft es. „Herein!", ruft mein Vater resolut, obwohl er in dieser Nacht um etliche Jahre gealtert zu sein scheint. Aufgrund der Sorge um seine jüngste Tochter. Der Polizist, der meine Aussage aufgenommen hat, öffnet die Tür.

„Pascal Rehberg", stellt er sich kurz vor, „Ich leite den Einsatz. Wir haben ihn. Wir haben ihn im Keller des Gebäudes festgenommen."

Wir alle drei springen auf, er hebt beschwichtigend eine Hand. „Aktuell kann ich Ihnen noch nicht sehr viel mehr sagen. Er hat die Tat allerdings gestanden und wird nun erstmal in Verwahrung genommen. Alles Weitere leitet die Rechtsanwaltschaft ein."

„Ich will ihn sehen!", platzt es aus meinem Vater heraus. Mit einem Mal ist wieder Spannung in seinen Muskeln, seine Augen leuchten beängstigend vor Zorn. „Er soll mir sagen, warum er das getan hat! Wenn meine Tochter sterben sollte, bring ich den Scheißkerl um!", poltert Papa hitzig. Herr Rehberg nickt. „Ich verstehe Ihre Wut, Herr Mahler. Aber Sie wissen, wie der deutsche Staat zu Selbstjustiz steht. Es wäre nicht ratsam, wenn Sie sich vergessen und etwas Unüberlegtes tun. Glauben Sie mir bitte." An mich gewandt fügt er noch hinzu: „Und Sie bitte ich noch einmal, falls Ihnen noch etwas einfällt, zögern Sie nicht und melden Sie sich bei mir. Meine Karte haben Sie ja." Abschließend meint er: „Alles Gute für Isabella. Ich wünsche Ihnen allen viel Kraft." Dann verabschiedet er sich und lässt uns mit diesen Nachrichten zurück, die wir erstmal verdauen müssen.

Pascal Rehberg hat sein Versprechen gehalten, er hat nicht aufgegeben, bis er Bellas Angreifer gefasst hat. Ich danke ihm im Stillen dafür. 

-------------------

Roman weiß Bescheid... Und muss sich nun auch mit der Frage rumschlagen, wie diese Nacht ausgeht. Keine schöne Vorstellung.

Bellas Angreifer wurde festgenommen! (Pascal fand ich dann doch schöner^^ @Melania_Delfina3692  )

Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen?

Wie könnte es nun weitergehen? Wird Roman tatsächlich warten und nicht ins Krankenhaus stürmen? Wie läuft Bellas OP? Viele offene Fragen mal wieder ^^

Ich wünsche euch ein schönes WE!

Knutscha,

eure Mercy <3

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top