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Hallo meine Süßen, einen wunderschönen Sonntag wünsche ich euch allen! Nun folgt das erste richtige Kapitel und ich bin sehr gespannt, wie es euch gefallen wird! Viel Spaß! <3

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* Bella *

„Wir beide gegen die ganze Welt. Für immer. Roman"

Sehnsüchtig lasse ich meinen Blick über die Dächer der Stadt schweifen und mein Handy sinken. Ich wäre jetzt gern an einem anderen Ort. Der strahlend blaue Himmel unterstreicht die Ankunft des Hochsommers, in dessen brütend heißen Sonnenstrahlen wir ächzen. Unnötigerweise fächle ich mir mit der Hand Luft zu, wenn ich auch weiß, dass es nichts nützt. In meinem hellblauen OP-Kasack staut sich die Wärme und ich puste mir eine Strähne meines braunen Haars aus der Stirn, bevor ich mich von der großen Glasfront abwende.

Es ist Zeit, meine Pause ist vorüber und ich muss zurück an die Arbeit. Zurück zu meinen Patienten. Schnell werfe ich mir meinen weißen Kittel über, schütte den letzten Schluck Kaffee in meinen Mund und verlasse das Assistentenzimmer.

Während ich den langen Gang hinuntergehe, erneut durch die gläsernen Begrenzungen desselben blicke, schweifen meine Gedanken ab. Es sind nur noch wenige Stunden, dann ist dieser Abschnitt meines Lebens beendet und ich stehe wortwörtlich vor dem Nichts. Anstatt meine Weiterbildung zu vollenden, somit meine Zukunft wenigstens grob abzustecken, werde ich ab morgen keinen Job und keine Perspektive mehr haben. Mein Leben geht den Bach runter und ich bin nicht mehr in der Lage es zu retten.

Seufzend stecke ich mir die Haarsträhne von gerade eben hinters Ohr und wappne mich innerlich vor den Anfeindungen meines Oberarztes, der mich erfolgreich davon überzeugt hat, dass ich für diesen Beruf nicht geschaffen bin, dass aus mir niemals eine gute Chirurgin werden wird. Aufgrund seiner Anschuldigungen wurde mir gekündigt. Ich hatte keine Kraft und Lust mehr dagegen vorzugehen und nahm es hin. Es war die Spitze des Eisbergs und ich war schon längst beim Überwinden der Hürden abgestürzt und trieb hilflos in dem unendlich weiten Ozean des Lebens umher.

In dem Jahr in der fremden Stadt hatte ich nur gearbeitet, keinen Anschluss gefunden und nur wenige neue Bekanntschaften gemacht. Andere in meinem Alter gehen jedes Wochenende feiern, scharen etliche Freunde um sich und genießen ihr Leben. Ich kann mein Leben nicht sonderlich leiden, vermisse meine Freunde und verkümmere sozial mehr und mehr. Wie man das Leben genießt, weiß ich nicht mehr.

„Wozu sind Sie überhaupt zu gebrauchen? Hören Sie mir zu? Frau Dr. Mahler!"

Erschrocken zucke ich zusammen, als mich eine Hand an meinem Oberarm berührt. Der Kotzbrocken von Oberarzt, Dr. Seeger, keift mich an, wobei ich seinem Sprühnebel aus Speichel nicht ausweichen kann, und nur die Augen leicht zusammenkneife, angewidert den Mund verziehe.

„Ob Sie mir zugehört haben, will ich wissen!", wiederholt er erneut, dabei läuft sein Kopf tiefrot an, eine große Ader zeichnet sich an seinem Hals ab, seine klobige Nase wirkt noch größer und unpassender als sonst in seinem unattraktiven Gesicht. Seine grauen Haare sind kurz geschnitten, die Augenbrauen buschig und die Augen eisblau. Eine Schönheit ist mein Vorgesetzter nicht. Sonderlich anziehend ist seine Kaffee- und Zigarettenrauchaura nicht und es fiel mir nie schwer mich von ihm fern zu halten. Das Klischee des gutaussehenden Oberarztes, dem die Assistenzärztinnen zu Füßen liegen, gibt es scheinbar nur in amerikanischen Krankenhauserien. Oder eben nur nicht dort, wo ich arbeite.

Fuchsteufelswild fuchtelt Dr. Seeger mit einem Ausdruck irgendwelcher Blutwerte vor meiner Nase herum, ich höre nicht genau zu, was er mir an den Kopf wirft. Es ist sowieso irrelevant, weil es nichts mit meiner Arbeit zu tun hat. Er kann mich schlichtweg nicht leiden und lässt keine Gelegenheit aus, mich das spüren zu lassen. Ihn werde ich nicht vermissen, wenn ich dem Unfallklinikum dem Rücken kehre - ihn nicht. Dennoch steigt mein Puls bei seinem Gemecker und ich trotte nach seinem Ausbruch mit verklärtem Blick hinter ihm her, um die Abendvisite zu machen und anschließend meine Sachen endgültig zu packen. Wenigstens ist ein Ende dieses Albtraums absehbar.

Wenig enthusiastisch stelle ich meine Patienten vor, wenn ich an der Reihe bin. Wie erwartet werde ich auch bei meiner letzten Visite hier vom Oberarzt vorgeführt und muss etliche Sprüche über mich ergehen lassen. Eine meiner Mitstreiterinnen, Sarah, lächelt mir aufmunternd zu. Sie ist viel zu hübsch, um sich den ganzen Tag im OP zu verstecken. Mit ihren langen blonden Haaren, der reinen Haut, den großen blauen Augen könnte sie eher für Wäsche modeln, anstatt Tag und Nacht Leute aufzuschneiden. Leider ist sie auch nicht sehr strebsam. Ihr reichen die Vorschusslorbeeren, die ihr Aussehen ihr einbringen. Mehr Anerkennung braucht sie nicht. Auf ihr Mitleid kann ich getrost verzichten. Im Gegensatz zu ihr, wollte ich es zu etwas bringen. Ich wollte Chirurgin werden, egal wie schwer es auch werden würde. Allerdings habe ich meine Selbstachtung und meinen Selbsterhaltungstrieb überschätzt – ob ich jemals wieder einen Operationssaal von innen sehen werde, bleibt abzuwarten. Ich tippe auf Nein. Vermutlich werde ich mich doch auf Allgemeinmedizin spezialisieren und irgendwo in einer Hausarztpraxis vor mich hin bröseln – zum Chirurgen wird man geboren und ich bin dafür laut Dr. Seeger einfach nicht gemacht. Mittlerweile glaube ich ihm das sogar. Ich werde niemals zu den Göttern in Weiß gehören.

Ein letztes Mal räume ich die Patientenakten in die dafür vorgesehenen Schränke, verabschiede mich von denen, die mir noch über den Weg laufen, tausche anschließend meine Arbeitskleidung gegen meine eigenen Sachen. Zehn Minuten später schließt sich die elektronische Tür hinter mir und ich stehe auf dem gepflasterten Weg der Einfahrt zum Klinikum. Die Sonne geht bereits unter, die Laternen erhellen den Weg zum Parkplatz. Kurz bleibe ich stehen, drehe mich noch einmal um und schlucke schwer. Das war's.

Erleichterung und das Gefühl versagt zu haben, vermischen sich miteinander und meine Augen füllen sich gegen meinen Willen mit Tränen. Fest presse ich die Lider aufeinander, ich will nicht weinen. Es gibt keinen Grund dafür. Es wird weitergehen. Es geht immer irgendwie weiter.

Die Vibration meines Handys macht mich darauf aufmerksam, dass ich eine Nachricht erhalten habe. Trotz meiner merkwürdigen Stimmung, beginne ich beim Lesen zu schmunzeln.

„Hoffentlich hast du dem Arschloch ordentlich Abführmittel in den Kaffee gerührt zum Abschied! Trink heut Abend ein Bier für mich mit, Püppi. Mein Angebot steht noch – überleg es dir. Komm mich einfach besuchen, du kannst solange bleiben, wie du willst. Du fehlst mir. Roman"

Typisch für meinen besten Freund, eine solche Idee. Verdient hätte es Dr. Kotzbrocken allerdings tatsächlich. Roman lebt leider schrecklich weit weg. Wieso es mich in den tiefsten Norden und ihn nach Dortmund verschlagen hat, verstehen wir beide nicht. Es gleicht Folter, weil wir uns so selten sehen, seitdem ich so weit weggezogen bin und gefühlt nur arbeite.

Mit hängenden Schultern stapfe ich zu meinem kleinen Opel, der am Ende des Parkplatzes auf mich wartet. Quietschend schwingt die Fahrertür auf, ich lasse mich auf den Sitz fallen und starte den Motor, ohne weiter darüber nachzudenken, dass es das allerletzte Mal sein wird, dass ich diesen Weg hinter mich bringen muss. In meinem Kopf herrscht mit einem Mal gähnende Leere und ich verspüre nur noch den Drang mich in meinem Bett zu verkriechen und nichts mehr von dieser Welt sehen zu müssen.

Sobald ich die Wohnungstür ins Schloss fallen lasse, wird mein Herz ein weiteres Mal an diesem Tag schwer. Vor mir türmen sich gepackte Koffer und Kisten, es riecht nach frischer Wandfarbe und mir wird klar – ich habe auf ganzer Linie versagt. Meine Kündigung ist nicht das einzige Hindernis in letzter Zeit gewesen. Zusätzlich hat mein Vermieter Eigenbedarf für seine hübsch geschnittene Zweizimmerwohnung angemeldet, weshalb ich mit Sack und Pack innerhalb der nächsten Woche hier verschwunden sein muss. Obwohl ich nicht weiß, wohin. Ohne Anstellung findet man keine neue Wohnung, meine Sachen werden morgen eingelagert und ich werde dann endgültig entscheiden müssen, wohin ich fahren werde. Ob in die Heimat, in den Süden oder in den Urlaub. Ich weiß es immer noch nicht. Ich wollte es nicht entscheiden müssen.

Bis zum Hals klopft mein Herz, mein Brustkorb zieht unangenehm dabei und ich schniefe. Nun rinnen die Tränen doch über meine Wangen. Immerhin beobachtet mich hier niemand dabei, wie ich keine Kraft mehr aufbringen kann, um so zu tun, als würde mich dieser abrupte Abschluss meines Traums mich nicht kümmern. Ein bitterliches Schluchzen mischt sich in mein Wimmern und wird lauter, auch wenn ich mir krampfhaft die Hand auf den Mund lege, um es zu unterdrücken.

Ausgerechnet jetzt klingelt mein Telefon. Verschwommen erkenne ich Romans Foto auf dem Display, drücke ihn aber weg. In diesem Zustand kann ich nicht mit ihm sprechen. Das geht nicht. Allerdings erweist sich mein bester Freund als hartnäckig, beim vierten Versuch nehme ich seufzend ab.

„Püppi, wieso drückt du mich weg?", dringt seine Stimme an mein Ohr und ich beiße mir auf die Unterlippe, um mich nicht zu verraten.

„Ich konnte nicht rangehen", lüge ich gepresst und schließe die Augen, während weitere heiße Tränen von meinem Kinn auf meinen Handrücken tropfen.

„Weinst du?" Sicherlich gleicht mein Gesicht nun einer hässlichen Fratze, weil ich bemüht bin, mich so zusammenzureißen, dass es fast wehtut. Stumm schüttle ich den Kopf und antworte nicht.

„Bella, was hast du? Sag doch was!", versucht er es wieder, aber ich bekomme nur ein jämmerliches Winseln zustande. Wir kennen uns zwar schon ewig, dennoch ist mir das unangenehm.

„Na gut, dann sprich eben nicht mit mir. Dann rede ich. Wie du willst", beharrt Roman auf der Verbindung und beginnt tatsächlich zu erzählen.

Ihm zuzuhören ist beinah unmöglich, dafür geht mir viel zu viel durch den Kopf. Schließlich höre ich ihn leise sagen: „Ich vermisse dich, Püppi. Weißt du das?" Trotz der Traurigkeit schleicht sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen und ich erwidere heiser: „Du fehlst mir auch, Großer." Die sich anschließende Stille empfinde ich nicht als unangenehm, es ist fast so, als wären Roman und ich im selben Raum.

„Setz dich morgen in deine Klapperkiste und fahr hierher", bittet er mich dann, ich lache laut auf und entgegne: „Ob der Corsa das noch schafft, bezweifle ich aber!"

„Fahr los, im Zweifel sammle ich dich dort ein, wo er verreckt ist. Ich ertrage es nicht, dass es dir so schlecht geht. Komm endlich her, wir haben uns so lange nicht gesehen!", versucht er es wieder. Seufzend fahre ich mir durch die Haare und entgegne: „Ich weiß nicht, was das bringen soll. Du musst doch sowieso arbeiten."

Dabei wische ich mir mit dem Handrücken über die Nase und fange mich allmählich.

„In knapp einer Woche hab ich Urlaub, wie wär's?", erwidert er ruhig, ich ziehe die Augenbrauen hoch.

„Du hast Urlaub? Du?" Ich kann es kaum glauben.

„Quälst du deine Schrottkiste morgen hierher und wir überlegen uns dann gemeinsam, was ich in meinen zwei Wochen Urlaub so anstellen soll?", lacht er und mir kriecht ein warmer Schauer über den Nacken. Wie sehr vermisse ich es ihm dabei ins Gesicht zu sehen. Wenn er so lacht. Da ich begreife, was das bedeutet, stimme ich kurzentschlossen zu: „Okay, ich mach's. Aber sag meinen Eltern bitte nichts davon. Vorerst will ich mir das nicht anhören müssen, von wegen, ich hätte es lassen sollen. Dass sie alles vorher gewusst hätten. Dafür habe ich momentan gar keinen Nerv."

„Du übertreibst, aber geht klar", behauptet er, aber ich muss sicher sein.

„Roman, versprich es mir!", dränge ich ihn und er stöhnt auf.

„Ist ja gut! Ich verrate es keinem, aber bitte komm endlich hierher!", wiederholt er seine Bitte und ich beginne tatsächlich zu grinsen – weil ich mich freue. Auf das Wiedersehen mit meinem besten Freund. Mit Roman.

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Na da ist ja unser Roman schon ;) Was habt ihr für einen ersten Eindruck?

Wie wird das Wiedersehen der beiden wohl ablaufen? Es scheint ja eine zeitlang her zu sein, dass sie sich gesehen haben.

Lasst mich gerne wissen, wie es euch gefallen hat!

Knutscha,

eure Mercy <3

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