Vielleicht

Reshoys Name war das erste Problem. Hatte der Name schon immer so unheimlich mädchenhaft geklungen?
Es war ein komisches Gefühl, darüber nachzudenken.
Warum spielte das überhaupt eine Rolle? Wann hatte das angefangen, so eine große Rolle zu spielen, und warum? Es war kein spezifischer Mädchenname, und Resh – Resh klang irgendwie wesentlich angenehmer für die Ohren des Hybrid-Kindes – fühlte sich schon schlecht dabei, überhaupt darüber nachzudenken. Das Kind stand seinen Eltern schließlich unheimlich nah, und das absolut Letzte, was Resh wollte, war, dass sie durch Kritik an dem Namen, den sie so liebevoll ausgesucht hatten, verletzt wurden... Aber andererseits hatten sie ohnehin fast alle Spitznamen – Macht bewahre, Reshs Vater oder irgendeiner von dessen Brüdern hätte die Nummern als Bezeichnungen für sich selbst benutzt, die die Kaminoaner ihnen verpasst hatten...
Also vielleicht war das einfach normal, wenn nicht generell, dann eben für Reshs Familie. Reshs Wunsch bezüglich des Namens wurde gewürdigt, und weder Reshs Eltern noch der Rest der Familie störte sich daran.
Viele Mädchen hatten Spitznamen. Und nicht jeder mochte seinen eigenen Namen. Manche änderten ihn sogar ganz, wenn sie sich entschieden, Mandalorianer zu werden. Das war nicht allzu ungewöhnlich.
Resh hatte es auch nie gemocht, Röcke oder mädchenhafte Klamotten zu tragen.
Da aber die wenigsten Mandalorianer im Alltag ihre Rüstung gegen ein Kleid ausgetauscht hätten – höchstens vielleicht mal für die ein oder andere Undercover-Mission, von denen die Skirata-Kinder allerdings in ihrer Kindheit noch fern blieben –, stellte das kein allzu großes Problem dar.
Außerdem war das auch nicht allzu ungewöhnlich.
Es gab Mädchen, die nicht gern Kleider oder Röcke trugen. Vielleicht war Resh einfach so ein Mädchen.
Resh mochte es auch nicht, lange Haare zu haben, aber wieder gab die mandalorianische Kultur Abhilfe. Kurze Haare passten besser unter den Helm, und man musste sie nicht binden, damit sie einem nicht während Missionen ins Gesicht fielen und die freie Sicht auf den Visor und das HUD verdeckten.
Das war auch nicht allzu ungewöhnlich. Es gab auch Mädchen, die ungern die Haare lang trugen. Vielleicht war Resh einfach so ein Mädchen.
Resh raufte sich auch gern mit den anderen Kindern im Clan. Aber so waren Mandalorianer eben, ganz egal, ob sie Jungs oder Mädchen waren.
Resh verstand andere Mädchen nicht. Zumindest nicht die in den HoloSoaps, die abends manchmal liefen. Sie waren fürchterlich pingelig und schreckhaft und weinten viel. So wollte Resh nicht sein. Und wer verbrachte schon so viel Zeit damit, sein Gesicht mit Farbe zu bemalen? Resh hatte das einmal gemacht, in einem kläglichen Versuch, diese Mädchen mehr zu verstehen, hatte sich aber anschließend nur abstoßend und komisch gefühlt, nicht schön... auch wenn die Schminke größtenteils mit der in der Vorlage übereingestimmt hatte.
Aber viele Mädchen schminkten sich nicht, besonders in der mandalorianischen Kultur, weil sie es für Zeitverschwendung hielten. Und nicht jedes Mädchen mochte Schminke oder fand sich hübsch damit.
Vielleicht war Resh einfach so ein Mädchen.
Resh mochte ihren Körper nicht. Je älter Resh wurde, desto stärker wurde das Gefühl des Unwohlseins in der eigenen Haut. Resh fand weibliche Körper irgendwie attraktiv... aber nicht ihren eigenen.
Die Mädchen in den HoloSoaps... Sie waren hübsch, das vielleicht, aber der Gedanke, selbst mal so auszusehen, wenn Resh älter war, war kaum auszuhalten. Die Vorstellung, dass ihre Brüste wachsen würden und Resh für jeden sichtbar ein Mädchen sein würde, war vollkommen abstoßen.
Es gab Mädchen, die sich unwohl in ihren Körpern fühlten, weil sie sich nicht hübsch genug fanden, oder sonst irgendwie nicht in ein bestimmtes Bild passten, dem sie entsprechen wollte... aber Resh hatte eine vage Ahnung, dass das hier anders war.
Resh verstand die Jungs in den HoloSoaps besser als die Mädchen. Vielleicht, weil sie sich nicht schminkten, oder weil sie eher dem Bild von Leuten entsprachen, mit dem Resh aufgewachsen war, das auf Mandalore für alle gleichermaßen galt, unabhängig vom Geschlecht. Aber Resh fand Männer nicht attraktiv. Resh schaute sich diese Männer an, und dachte, dass es toll wäre, so auszusehen.
Es gab doch Mädchen, die sich wünschte, den Körper eines Jungen zu haben... oder nicht?
Resh mochte die mandalorianische Sprache lieber als Basic. War das für Mandalorianer ungewöhnlich? Wahrscheinlich eher nicht.
Resh brauchte eine Weile, um zu realisieren, dass das daran lag, dass alle Mando'a-Begriffe geschlechtsneutral waren. Resh wuchs auf Mandalore auf und war deshalb nur wenig mit Leuten konfrontiert, die ausschließlich Basic sprechen.

Auf einem Einkaufstrip mit Laseema wird Resh im Alter von zwölf von einer Twi'lek als „hübsches Mädchen" bezeichnet. Resh ist für einen Moment wie auf der Stelle festgefroren, und in dem Moment wurde Resh klar, warum Mando'a besser ist als Basic.
Resh realisiert, vielleicht zum ersten Mal, oder zumindest zum ersten Mal bewusst, dass es kaum etwas schlimmeres gibt, als als »sie« bezeichnet zu werden.
Vielleicht wollte Resh kein Mädchen sein.
Vielleicht war er auch nie wirklich eines gewesen.
Und... vielleicht war das okay.

Als Reshoy wie jeder Mandalorianer im Alter von dreizehn mit Bestehen der verd'goten erwachsen wird, ist sein Name Ca'tra, und sein Körper ist endlich so sehr der eines Jungen, wie er es eigentlich schon immer hätte sein sollen.


A/N: Eigentlich hatte ich vor, das hier noch eine ganze Weile nicht zu posten, obwohl ich es schon länger fertig hatte, weil ich euch den Charakter auf eine andere Weise zuerst vorstellen wollte – auch, weil die Tatsache, dass er Trans ist, nicht seine komplette Persönlichkeit ist (was es auch nicht sein sollte, weil wir mehr sind als unser Geschlecht und unsere Sexualität).
Aber da es leider immer noch so unglaublich viele Idioten da draußen gibt und einer davon den wundervollsten Menschen der Welt verletzt hat, und mich das wahnsinnig sauer macht, scheiß drauf, ich poste es jetzt.
Das hier steht erst mal für sich, auch wenn Ca'tra in weiteren Geschichten noch auftreten und deutlich wichtiger werden wird.
Er ist mir als Charakter unglaublich wichtig, und ich hatte das große Glück, den fantastischsten Menschen der Galaxis an meiner Seite zu haben, der mir mit dem Charakter unglaublich geholfen hat.
Unglaublich vielen Dank dafür, du bedeutest mir die Welt❤️

Disclaimer: Das „Vielleicht" ist ausschließlich aus Ca'tras Perspektive ein vielleicht. Selbstverständlich ist es natürlich für jeden vollkommen okay und richtig, die Person zu sein, die man ist, ganz ohne wenn und aber.
Trans-Frauen sind Frauen und Trans-Männer sind Männer. Und nicht-binäre Menschen sind nicht binär. Und sie alle haben das Recht, zu sein wer sie sind und glücklich zu sein.
Punkt.
Darüber werde ich auch nicht diskutieren.

Ja, den Leuten steht ihre eigene Meinung zu, wie eigentlich zu jedem Thema, aber manche Meinungen machen Leute einfach, Entschuldigung, zu Arschlöchern.
Niemand hat die Wahl, sich auszusuchen wer er ist. Man kann sich die eigene Hautfarbe nicht aussuchen, und auch nicht die eigene Sexualität, und auch nicht, in welchem Körper man geboren wird, unabhängig davon, ob der eigene mit dem übereinstimmt, wie man sich im Inneren fühlt.
Leute, die nicht in das Weltbild von Rassisten oder heteronormativen Menschen passen, werden nicht plötzlich verschwinden, nur weil sie ihnen nicht passen. Und diese Leute haben kein Recht, zu bestimmen, wie irgendjemand sonst zu sein hat oder wer es verdient zu leben oder nicht. Das ist lächerlich und traurig und abstoßend. Es ist unser Leben, und nicht eures. Und dass wir glücklich sind, wird euer Leben auch nicht zerstören.
Also lebt mit unserer Existenz. Eine andere Wahl habt ihr nicht.

In manchen Punkten habe ich schon Glück gehabt, als weiße Cis-Frau. Es gibt natürlich nach wie vor Diskriminierung gegenüber Frauen, und das allein ist schon ätzend. Und die Tatsache, dass ich nicht heterosexuell bin, macht mir bestimmte Dinge auch schwerer. Aber ich werde nie empfinden müssen, wie es ist, sich in seinem eigenen Körper so unwohl zu fühlen, dass ich es kaum aushalte. Und ich werde auch nie wissen, wie es ist, Angst haben zu müssen, nur wegen meiner Hautfarbe umgebracht zu werden, auch wenn ich in meinem Leben nie etwas falsch gemacht habe.
Verglichen mit anderen Menschen habe ich es noch leicht. Und das ist ätzend. Besonders, weil es nicht sein müsste.
Wir leben in einer Zeit, in der ich mir wirklich wünschen würde, dass wir diese Diskussion nicht mehr führen müssten.
Wir sind alle Menschen, und all unsere Leben sind gleich viel wert, unabhängig von Sexualität, Geschlecht und Hautfarbe. Ich wünschte, niemand müsste mehr um das eigene Recht kämpfen, zu leben, weil es selbstverständlich sein sollte, dass das jeder von uns hat.
Aber so ist die Welt momentan nicht.
Und das ist total bescheuert und macht mich unglaublich traurig.
Tun wir unser bestes, damit die Welt sich verändert, Stück für Stück, damit unsere Kinder eines Tages in einer besseren aufwachsen können.
Heute, und an jedem anderen Tag.

Mando'a:
Reshoy (von shereshoy) ~ Lebenslust und noch sehr viel darüber hinaus
verd'goten ~ Kriegergeburt, Mandalorianischer Initiationsritus
Ca'tra ~ Nachthimmel

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