Kapitel 3
Eine unangenehme, von Stille geführte Autofahrt später fuhren wir die Einfahrt des Hauses meiner Tante hoch. Der knall rote Porsche meiner Tante Lydia stand schon in der Einfahrt. Ihr Logo, ihre Anfangsbuchstaben in geschwungener Schrift geschrieben, bedeckte die linke Autotür. Mein Vater parkte neben ihr und stieg als erster, gefolgt von meiner Mum und meinen Geschwistern aus. Ich, die wie jede Autofahrt in der Mitte saß, gequetscht zwischen den breiten Beinen meines Bruder und mit der Gefahr von Sarahs High Heels getreten zu werden, stieg als letzte aus und folgte mit schweren Herzschlägen meiner Familie. Das Haus erstreckte sich in seiner eingefallenen Pracht, wirkte Leblos als hätte nie jemand hier gewohnt. Die Vorhänge, weiß und schlicht, verdeckten jeden Einblick ins Haus Innere. Die alte, morsche Holztür demonstrierte den Eingang, den Eingang in ihr Leben. Tante Lydia steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn, ein Klicken war zu hören und die Tür wurde geöffnet. Langsam traten wir alle nach einander ein, ich bildete wie immer, in jeder Situation das Schlusslicht. Im Türrahmen blieb ich noch einmal stehen, atmete tief ein und aus, mit den Gedanken, dass ich gleich den ersten richtigen Eindruck des Leben meiner Tante außerhalb des Familientreffen kennen lernen würde, und trat dann anschließend ein. Die Tür fiel zurück in ihre Angeln, schloss den Eingang. Das Haus war wie sie: verschlossen und leblos.
Meine Augen wanderten von links nach rechts, von oben nach unten, erforschten jeden Winkel, jede Ecke des Eingangsbereiches. Die Wände waren kahl, in einem matten Weiß bestrichen, eine braune Kommode stand links an der Wand. Die Lampe flatterte auf, in einem gleichmäßigen Rhythmus. kurz-kurz-lang
Meine Füßen liefen wie gebannt weiter, brachten mich ins Wohnzimmer. Graue Farbe zierte die alte Tapete. Eine hellblaue Couch erstreckte sich in der Mitte des Raumes. Davor stand ein antiker Tisch, eine Zeitschrift schmückte ihn. Sarah, die gerade den Tisch umrundete nahm die Zeitschrift in die Hand, durch forschte mit ihre Augen alles genau, zog dann die Augenbraue hoch und ließ sie unsanft los. Die Zeitschrift knallte zurück auf den Tisch. ,,Die Zeitschrift ist von vor 7 Jahren'' spottete sie und wanderte weiter durch den Raum, bedacht darauf nichts anzufassen. Mein Bruder, ließ sich in seiner vollen Masse auf die Couch fallen, nichts ahnend was passierte. Alles passierte in Sekunden schnelle. Ein Geräusch ertönte, was einen ähnlich Klang hatte, wie wenn etwas durch bricht, und mein Bruder lag auf dem Boden. Die Couch war zusammen gebrochen und mein Bruder lag verwirrt auf halben Boden. Meine Vater stürzte sich auf ihn, stotterte etwas, half ihm auf, schloss ihn seine kräftigen Arme. ,,Ist dir was passiert? Hast du dir weh getan? Müssen wir ins Krankenhaus'' fragte er ihn panisch während er in Haar genau durch checkte. ,,Papa mir geht es gut. Schieb nicht so schnell Panik'' antwortete mein Bruder gelassen. Mein Vater betrachtete ihn noch mal genau, entfernte sich aber dann langsam und klopfte ihn nochmal auf die Schulter nach den Worten 'dann bin ich aber froh'. Mein Bruder verdrehte nur die Augen, er kannte diese Geste zu genau. Verabscheute sie glaub ich schon regelrecht, während ich sie mir wünschte. Mir wünschte, dass man sich Sorgen um mich machte, dass man mal stolz auf mich sei. Das man mir mal sagte, dass man mich lieb habe. Das man mir einmal das Gefühl gab, gebraucht zu werden, nicht egal zu sein.
Tränen sammelten sich in meinen Augen, drohten zu laufen. Den Kopf legte ich in den Nacken, drückten meine Augen fest zusammen in der Hoffnung sie würden verschwinden. Ich weiß nicht wie lange ich so dort stand, doch war es mir egal. Es war mir egal, das mich meine Familie wahrscheinlich verwirrt anstarrt und sich fragt was bei mir falsch ist. Ich spürte diese Blicke schon förmlich auf mir. Meine Augen öffnen tat ich erst, als mich wer an der Schulter antippte. Mein Bruder stand vor mir, sah mich mit seinen Haselnuss braunen Augen, die er von meinem Vater geerbt hatte, an. Seine Stirn lag in Falten, seine rechte Augenbraue war hoch gezogen. Ohne Reaktion zu zeigen, drehte ich mich um und lief ins nächste Zimmer.
Die Küche. Ein kahler Raum. Graue beschädigte Fließen, abgefallene Tapete, ein alter Holztisch mit genau einem Stuhl. Ein großes Kuchenfenster, was den Ausblick auf den großen Garten zeigt. Davor eine lange Küchenzeile. Spüle, Herd, Ofen alles eingebaut. Der Kühlschrank stand in der hintersten Ecke, im Schatten von sich selbst. Meine Tante und meine Mutter waren ebenfalls in der Küche, durch wühlten sämtliche Schränke, rücksichtslos. Ich konnte es mir nicht länger mit ansehen. Nicht mit ansehen, wie sie alles durch einander bringen, ihre Ordnung. Wie sie alles mit hämischen Augen betrachten, als wäre es nichts wert. Wie sie sich nach jedem berühren die Hände säubern, als wäre alles Abschaum. Als wäre meine Tante Abschaum. Ich verstand sie nicht, besonders Lydia und meinen Vater nicht. Wie konnten sie als große Geschwister so sein, wie konnte sie das alles kalt lasen, die Art wie sie war, die Tat die sie began. Sie verbrachten ihre gesamte Kindheit zusammen, wuchsen zusammen auf, spielten mit einander. Wenn es meine Mutter nicht so mit nahm konnte ich es verstehen. Das gab es ja öfter dass sich die Frau mit den Geschwistern des Mannes oder anders herum nicht verstand, aber bei meinen Vater oder Lydia gab es keine Ausrede. Gab es nichts zu berücksichtigen. Die Gedanken tauchten auf, unvermeidbar. Was wäre wenn ich sterben würde? Würde es Sarah und Mike auch so kalt lassen, würden sie auch keine Träne verlieren, würden sie so gar froh sein mich endlich los zu werden?
Ich wollte es nicht wissen, nicht denken, denn tief in mir drinnen wusste ich die Antwort, die Wahrheit. Sie schmerzte, zog mich wieder in die Realität zurück, dass ich keinem Genug war, dass keiner mit mir zufrieden war.
Mit schnelle Schritten verließ ich die Küche, flüchtete schon fast aus diesem Raum. Die Wände zerdrückten mich, zeigten mir immer mehr was Wahr und was falsch war. Ich spürte die Blicke in meinem Rücken, während ich weg lief. Raus aus der Küche, durch Wohnzimmer, dass noch von meinem Bruder und meinem Vater durch forscht wird, zurück in den Eingangsbereich. Tränen flossen, mein Herz schmerzte. Alles kam wieder hoch. Das Gespräch dass ich mit meiner Tante führte bevor sie starb. Es handelte genau von diesem Thema. Das Thema dass mich seit Jahren plagt, die Gefühle die mich erdrücken. Die Wörter die sie mir sagte, die mich noch mehr verwirrte, als alle anderen. Die Tatsache, dass sie sich umbrachte, ohne sich in jeglicher Hinsicht zu verabschieden. Wieso tat sie es? Wieso war sie so? Was versteckte sie hinter ihrer Fassade? Ich würde nie eine Antwort bekommen, nie die Wahrheit heraus finden und dies zuwissen, schmerzte mehr als alles andere.
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