Prolog
Der Wind zog schneidend durch die Ruine, in der die Siegerin zu hausen pflegte. Leidenschaftlich zog er an den Blättern der stämmigen Eiche, die in der Mitte des runden Rudiments gepflanzt worden war. Es schien, als würden das prächtige Grün und der wilde Luftstrom einen Tanz unter den prachtvollen Strahlen Sols tanzen. Sein Licht erleuchtete das Wrack eines Gebäudes, als wolle er ein Zeichen setzen. Keine Tat der stolzen Frau würde ihm entgehen, teilte er ihr schweigend mit. Und ja, das konnte sie ihm glauben. Der gebündelte Schein traf exakt in der Mitte der Halle ohne Dach auf, als wäre die einst prächtige Anlage genau deswegen an diesem Ort gebaut worden. Plötzlich hörte die Bewohnerin des verfallenen Tempels Schritte von dem, was Zeit und Natur von den Wänden übrig gelassen hatten, widerhallen. Seufzend betrachtete sie ein letztes Mal den Ausblick, den der Blick über die Brüstung des direkt an einem Abgrund errichteten Gebäudes bot, und drehte sich seufzend zu der zweiten Person.
"Redet!", forderte sie die elegante Frau, die soeben ihr Heim betreten hatte, mit harschem Tonfall auf. Als sie sich umdrehte, bemerkte die Siegerin, wie das Gesicht der naiven Schönheit für wenige Sekunden seine steinerne, strenge Fassung verlor und ihre Angst hinter der Maske hervorblitzen ließ. „Ach seht doch, wer aus der Hölle zurückkehrte! Macht der kalte Winter Euch doch keine Angst?", fuhr die größere der beiden Damen fort. Ein höhnisches Lachen huschte über ihre zarten, blassen Lippen und ließ ihr Gegenüber erschauern. Trotzdem rang dieses sich zu der Frage durch, wegen der sie erschienen war: „Würdet Ihr mir helfen?" „Gebt mir einen Grund, Flammenbraut!", antwortete die andere. Die Elegante erwiderte: „Soweit ich mich an Euch erinnern kann, wart Ihr, als ich Euch an jenem Sommertag begegnete, hungrig nach dem süßen Nektar der Macht. Deshalb kam ich zu Euch." Die Angesprochene neigte ihren Kopf zur Seite und fuhr sich mit der Zunge über den Mund. Dann schritt sie einige Meter durch den Raum. „Macht. Das klingt gut", antwortete die Frau mit abwesendem Blick und grässlich verzerrtem Gelächter. Wieder stolzierte sie einige Schritte über den glatten Boden. Der Marmor streichelte sanft ihre zarten Füße und die angenehme Kälte, die von ihm ausging, ließ ihre Gedanken klar werden. „Würdet Ihr mir helfen?", wiederholte die Schöne. Der Blick ihrer Partnerin wanderte langsam wieder zurück zu ihrer anmutigen Silhouette. „Wenn Ihr mir dafür Macht schenkt, liege ich Euch zu Füßen, Flammenbraut", stellte sie überraschend nüchtern fest. Mit ernstem Blick hob sie eine ihrer markanten, dunkelbraunen Augenbrauen. Nun jedoch begann die Andere, einen amüsierten Ausdruck zu zeigen. „In all den Jahren habt Ihr Euch nicht verändert. Ich sehe denselben Wahnsinn, der von jeher Euer Kennzeichen gewesen war, immer noch durch Eure Augen ziehen. Doch heute bin ich nicht hier, um über Euch zu klagen. Nein, Ihr sollt mir und Euch selbst einen Gefallen erweisen", sprach die Elegante versöhnlich. „Welchen Gefallen kann ich mir denn erweisen?", fragte sie perplex. „Ihr meintet, ich bekäme Macht durch Euer Vorhaben. Und denkt Ihr denn nicht, dass ich alles in meiner Macht Stehende tue, um diese zu erlangen? Denkt Ihr denn nicht, dass all meine Pläne nur auf das Ziel ausgerichtet waren, deinen Vater von seinem Thron zu stoßen? Ich plane und ich plane gut. Denn mein ist der Sieg über jede Schlacht die ich führe und jeden Kampf, den man mir aufzwingt. Doch trotz all der Siege, bin ich trotzdem machtlos. Deshalb redet! Sagt mir, was ich in meinen Plänen übersehen haben soll!", entgegnete die Kriegerin der Verzweiflung nahe. Die zweite antwortete: „Ich kann Euch sagen, was Ihr vergessen habt. Es sind die Menschen, meine Liebe, die schwachen, dummen Menschen, die Euch geben können, was Ihr so krankhaft begehrt." „Weshalb erzählst du mir das alles?", sprach die Siegende. „Ihr handelt niemals ohne Grund. Wieso redet Ihr so viel? Es muss eine Falle sein!" „Nein, keine Falle. Ich tue das alleine für die Menschen. Also wenn Ihr es so sehen möchtet, gibt es einen Haken. Die Menschen, die Euch bei Eurem Kampf unterstützen werden, werde ich erwählen. Das ist meine Bedingung. Als Gegenleistung dafür erzähle ich Vater nicht von Euren Plänen und halte mich bedeckt. Ist das ein Plan, der Euch zumutet?", rief die Schönheit hoffnungsvoll.
Der Wind zog schneidend durch die Ruine, in der die Siegerin zu hausen pflegte und zerzauste ihr blondes Haar. Unter Sols Strahlen wog eine hochgewachsene Frau, bestimmt zu kämpfen und zu gewinnen, die Vorteile und Nachteile der vagen Bitte der anderen ab. Der kühle Stein unter ihren Füßen schien ihren Geist zu kühlen und ehe die Dame sich versah, hatte sie eine Entscheidung gefällt. Endlich lag es an ihr, richtig zu wählen und somit über Leben und Tod, Sieg und Niederlage aber auch über das Schicksal ihrer Welt zu entscheiden.
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