Epilog


Der Gesang der Vögel erfüllte die Luft und übertönte beinahe das leise Plätschern des Baches, dessen klares Wasser munter durch ein Flussbett aus bunten Steinen sprudelte. Es sah aus, als wäre hier einmal viel mehr Wasser geflossen, doch selbst Nacht behauptete, den Bach nur als den kleinen Rinnsal, der er heute war, zu kennen. Zu beiden Seiten des Bachbettes ragten zerklüftete Felswände aus leicht rötlichem und sandfarbenem Gestein auf, mit Felsvorsprüngen, groß genug, dass dort Bäume und Büsche wurzeln konnten. Ihr saftiges Grün erfüllte die Ränder der Schlucht. Leises Rascheln und der Duft nach Beute wehte von dort zu dem Schüler neben dem Bach hinüber, der in eine Pfütze hinab starrte. Verschwommen war darin sein Spiegelbild zu sehen, das schwarze Fell mit dem weißen Flecken im Gesicht, umgeben vom blau des Himmels.

Eine Maus flitzte kaum eine Schwanzlänge entfernt über die Steine, doch der junge Kater hatte nicht mehr als einen kurzen Seitenblick für sie übrig. Er würde noch genug Zeit für die Jagd haben, im SternenClan hungerte niemand und im Moment hatte er sowieso keinen Appetit. Wissen ist wie Glut in deinen Pfoten, hatte Nacht zu ihm gesagt. Es kann unglaublich faszinierend sein, doch gib acht, dass du nichts damit verbrennst! Allmählich begann Dachspfote zu verstehen, was sie damit gemeint hatte. Rankensee wusste beispielsweise weitaus weniger als er, der als SternenClan-Kater schon so einiges in Erfahrung gebracht hatte. Allerdings beschlich ihn in einigen Momenten das Gefühl, er würde ebenfalls noch nicht die ganze Wahrheit kennen.

Seit seiner Begegnung mit Hagelsturm, als diese während ihrer Reise mit den anderen beiden am Ahnenbaum halt gemacht hatte, hatte er dazugelernt. Er hatte versucht die NachtClan-Kätzin zu warnen, doch hatte er damit nur bewirkt, dass sie beleidigt und wütend davon gerannt war. Als hätte ich Glut in meinen Pfoten gehabt und versucht, sie damit zu verbrennen...

Vorsichtiger und überlegter müsste er vorgehen, da war er sich sicher. Warum hat Nacht eigentlich in so vielem, was sie sagt, Recht?, fragte er sich, bevor ihm einfiel, dass sich auch die alte NachtClan-Gründerin auf dem falschen Weg befand. Wie kam sie nur auf die Idee, es wäre schlau, den lieben langen Tag auf ihrem Stein neben dem Teich zu hocken und nachzudenken? Das brachte den Katzen der inzwischen drei Clans ebenso wenig wie seine überstürzte Aktion damals bei seiner Begegnung mit Hagelsturm.

Kopfschüttelnd wandte er sich wieder der Pfütze zu. So wie es aussah, würde es an ihm, Dachspfote, hängen bleiben, dafür zu sorgen, dass der SternenClan endlich etwas unternahm. Bleib nur zu hoffen, dass ihm das diesmal besser gelang.

Vor seinen Pfoten kräuselte ein Windstoß das Wasser. Sein eigenes Spiegelbild und das des Himmels verschwammen und als sich die Wasseroberfläche wieder beruhigt hatte, war ein anderes aufgetaucht. Katzen waren zu sehen, ihre Augen leuchteten inmitten des Halbdunkel im hellen Vollmondlicht. Sie erfüllten bereits den gesamten Versammlungsplatz um den Haufen großer Felsbrocken herum, doch in dieser Nacht waren sie zum ersten Mal mit zwei anwesenden Clans noch nicht vollständig. Der BlattClan steuerte gerade erst auf die Lichtung zu. An der Spitze der Patrouille ging Blattstern, gefolgt von ihrem zweiten Anführer, der Heilerin und einigen Kriegern und Schülern. Obwohl die Patrouille klein war, gab es kaum Katzen, die daheim im Lager geblieben waren.

Auf der Lichtung sprang Hagelsturm, die neben Klippenfall gesessen hatte, auf. Sie musste etwas gerochen haben, denn als sie sich aufgeregt durch die Menge schob - wobei sie den anderen Kriegern auf die Pfoten und Schweife trampelte - glühten ihre Augen vor Freude.

»Rankensee kommt!«, schrie sie Klippenfall über die Köpfe der anderen hinweg zu.

Irgendwo in der Menge der Katzen verdrehte ihr Bruder die Augen, doch Dachspfote sah ihm an, dass auch er sich freute, die Katzen des BlattClans wiederzusehen.

Dann tauchten auch schon die Gestalten der Heilerin Moon und des zweiten Anführers Eagle am Rande des Unterholzes auf. Dachspfote hatte sich gewundert, als Blattstern ihn anstelle von ihrer Halbschwester Rankensee als ihren Stellvertreter gewählt hatte. Dann aber hatte der SternenClan-Kater gesehen, dass die Katzen der ehemaligen Streunerbande es nicht gewohnt waren, ständig Befehle anderer entgegennehmen zu müssen. Aber das mussten sie, wenn sie als Clan leben wollten und am ehesten hörten sie auf die Katzen, die sie bereits kannten. Rankensee waren sie erst vor einem knappen Mond zum ersten Mal begegnet.

Eine Gestalt tappte lautlos über das Gestein in der Mitte der Lichtung und setzte sich neben die beiden bereits anwesenden Anführer. Einen Moment betrachtete Dachspfote sie irritiert, er hatte gar nicht mitbekommen, wie Blattstern aus der Menge der Clankatzen herausgetreten und den Felsen hinauf geklettert war. Viel Zeit, darüber nachzudenken blieb ihm nicht, denn in diesem Moment verkündete Wasserstern mit einem Jaulen den Beginn der Großen Versammlung.

***

Lange hatte Hagelsturm schon durchgehalten, doch jetzt, als in der Ferne der Donnerweg zwischen den Baumstämmen, den Sträuchern, Farnen und Brombeerranken hindurch schimmerte, konnte die junge Kriegerin es nicht mehr abwarten. Es war ihr ein Rätsel, wie all die anderen es schafften, so langsam und träge zu gehen, als hätten sie tagelang nicht geschlafen.

Beinahe meinte sie Klippenfalls amüsierten Blick im Rücken zu spüren, als sie an ihren Clangefährten vorüber preschte und sogar Regenstern, Sichelblatt und Tropfenwolke an der Spitze der Patrouille überholte. Jeder einzelne Herzschlag der Großen Versammlung war wertvoll für Hagelsturm, selbst wenn diese noch gar nicht richtig angefangen hatte.
Ich werde Rankensee wiedersehen! Bestimmt war der BlattClan schon da. Er musste schon da sein. Schließlich trödelten ihre eigenen Clangefährten so sehr, dass Hagelsturm fürchtete, erst bei Sonnenaufgang am Ziel anzukommen und so alles zu verpassen. Nun gut, vielleicht nicht alles, gestand sie sich ein. Dennoch konnte sie es kaum erwarten, endlich wieder mit Rankensee reden zu können. Es gab noch immer Momente, in denen sie bereute, ihrem Bruder nachgegeben zu haben. Wäre er nicht gewesen, hätte sie sich gemeinsam mit Rankensee dem BlattClan angeschlossen. Und dies war ein solcher Moment.

Weit vor den anderen kam Hagelsturm am Donnerweg an und wäre geradewegs hinüber geprescht, wären die Bäume nicht bereits in das Licht der Monsteraugen getaucht gewesen. Auch das laute Röhren des Ungetüms war schon zu hören und so hielt Hagelsturm eine Schnurrhaarbreite vor dem tödlichen Pfad doch noch an. Einen Herzschlag später erkannte die Kriegerin auch schon etwas großes, dunkles, das auf sie zu raste. Am Rand des Donnerweges reflektierten kleine Runde, an weißen Stämmen befestigte Scheiben das Licht des Monsters. Wären die weißen, von Zweibeinerhand geschaffenen Pfähle nicht so leicht zu erkennen gewesen, so fand Hagelsturm, hätte es ausgesehen, als ob Tag und Nacht stille Beobachter im Wald schlummern würden, die ihre Augen nur aufrissen, um den vorbeirauschenden Monstern entgegen zu starren.

Obwohl das Ungetüm schneller war als jede Katze im Clan, kam es Hagelsturm wie eine Ewigkeit vor, bis es endlich auf seinen runden, schwarzen Pfoten an ihr vorbei donnerte und ihr seinen stinkenden Atem ins Gesicht blies. Gerade wollte sie los laufen, da erblickte sie in der Ferne auch schon das nächste Monster. Frustriert trat die Kriegerin einen Schritt zurück und wartete. Gleich hätte die Patrouille sie wieder eingeholt. In einem Moment von wildem Übermut sprang Hagelsturm auf und fauchte das herannahende Monster an - das davon einfach gar keine Notiz nahm.

»Was sollte das denn werden? Wolltest du die Aufmerksamkeit des Monsters bekommen, sodass es von seinem Donnerweg kommt und dich auffrisst?«, hörte Hagelsturm Klippenfalls amüsiertes Miauen. Bei all dem Lärm, den die Monster verursachten, hatte sie ihn und den Rest der Patrouille gar nicht kommen hören.

»Natürlich nicht!« Hagelsturm hatte erst von einem einzigen Fall gehört, in dem ein Monster den Donnerweg verlassen hatte. Das war noch in den alten Territorien gewesen, die sie nie zu Gesicht bekommen hatte. Nadelschatten hatte erzählt, das Monster sei gegen einen Baum gerannt und es hätte ausgesehen als ob selbst der beste Heiler nichts gegen seine Verletzungen hätte machen können. Nicht viel später hatte es von Zweibeinern nur so gewimmelt, doch das Monster war nie mehr zum Leben erwacht.

»Hagelsturm?«, miaute Lärchenflamme, der neben der Kriegerin stehen geblieben war. »Hattest du es nicht eben noch so eilig, zur Großen Versammlung zu kommen?«

Hagelsturm richtete ihren Blick wieder auf ihre Clangefährten, von denen einige den Donnerweg schon überquert hatten.

»Ich habe es immer noch eilig!«, miaute die Kriegerin und preschte los, über den Donnerweg und auf der anderen Seite hinein ins Unterholz.

Von hier aus waren es nur noch ein paar Baumlängen, die sie sich durchs Gestrüpp kämpfen musste, bis sie die Lichtung endlich erreichte. Auf dem einzigen Trampelpfad liefen schließlich ihre viel zu langsamen Clangefährten. Hagelsturms Pelz war ganz durcheinander und einige Fetzen mussten unterwegs an den Brombeerranken hängen geblieben sein, als sie endlich angekommen war.

Vor ihren Pfoten fiel der Boden leicht ab, etwa zwei Fuchslängen ging es nach unten bis in die Mitte der Lichtung. Dennoch überragten die großen Felsen dort unten Hagelsturm um einiges. Am Fuß der Steine hatte sich Wasser gesammelt und bildete wie so oft eine kleine mit Gras durchwachsene Pfütze, nicht tiefer als eine Mauselänge. Bevor sie die gesamte Lichtung überflutet hätte, wäre das Wasser schön längst in den Graben am gegenüberliegenden Ende der Lichtung abgeflossen.

Wohin Hagelsturm auch blickte, die einzigen Katzen, die sie entdecken konnte, waren die des FederClans. Und auf ein Wiedersehen mit Apfelschatten und Hummelschatten legte sie eher weniger Wert.

***

Klippenfall stand am oberen Rand der Böschung, noch halb verborgen im Schatten der Bäume und ließ seinen Blick über die Lichtung schweifen. Hagelsturm, die es eben noch kaum hatte abwarten können, endlich hier anzukommen, war stehengeblieben und musterte die Senke vor ihnen, als sähe sie sie zum ersten Mal.

»Rankensee ist noch nicht da.« Ihr enttäuschtes Miauen wäre beinahe im Lärm untergegangen, als der Rest der NachtClan-Patrouille durchs Unterholz brach und auf die Lichtung strömte.

Darum war es also die ganze Zeit über gegangen. Es wunderte Klippenfall nicht, dass seine Schwester dem Wiedersehen mit Rankensee so sehr entgegenfieberte. Er selbst freute sich ja auch, sie und den restlichen… BlattClan wiederzusehen. An den Gedanken, dass es nun drei Clans geben sollte, hatte Klippenfall sich noch immer nicht so recht gewöhnt. Vielleicht wäre das einfacher gewesen, wenn nicht Blattschatten die Anführerin geworden wäre, die immer viel zu schweigsam gewesen war, als dass Klippenfall sie vernünftig hätte einschätzen können. Er hatte sich schon immer unbehaglich in ihrer Nähe gefühlt. Wenn es um Katzen wie Rankensee ging, kam es ihm oft vor, als könnte er schon einen Herzschlag vorher voraussagen, was sie als nächstes tun würden. Aber Blattschatten? Dass sie und Rankensee dieselbe Mutter haben sollten, kam Klippenfall noch immer wie ein schlechter Scherz vor.

Blattstern, nicht Blattschatten!, ermahnte er sich. Wenn der SternenClan ihr ihren Anführernamen denn gegeben hat.

Es war sowieso seltsam. Blattstern war im NachtClan geboren, soviel wusste Klippenfall. Rankensee und ihr Bruder aber waren als Streuner zur Welt gekommen und von FederClan und NachtClan am Donnerweg gefunden worden, nachdem ihre Mutter von einem Monster getötet worden war. Nicht zum ersten Mal fragte sich Klippenfall, was bei den heiligen Ahnen Storm dazu bewogen hatte, den NachtClan erst zu verlassen, nur um einige Monde später zurückzukehren.

Und nicht nur das. Kurz darauf war Blattstern zur Geisterkatze gereist, hatte Sam aus dem FederClan entführt und zu den Streunern - die jetzt ihren eigenen Clan bildeten und bei denen Storm aufgewachsen war - in die Berge gebracht. Warum?

So langsam kam Klippenfall zu der Überzeugung, dass ihm eine Information fehlte. Eine ganz entscheidende. Ansonsten ergab doch alles keinen Sinn! Wie er es auch drehte und wendete, an jeder Ecke lauerten neue Widersprüche. Und bis er die nicht aus dem Weg geräumt hatte, würde er Blattstern nicht trauen.

Das Trommeln von Pfoten auf dem Waldboden, das Knacken von Ästen und das Rascheln von altem Laub, das aufgewirbelt wurde, ließen Klippenfall aufsehen. Der Geruch, den der junge Krieger noch immer nur mit der alten  Streunerbande aus den Bergen und nicht mit dem neuen BlattClan verband, wehte zu ihm hinüber.

»Rankensee kommt!« Hagelsturm übertönte jedes noch so laut geführte Gespräch auf der Lichtung und zog für einen Herzschlag sämtliche Aufmerksamkeit auf sich. Das schien sie jedoch gar nicht zu merken, denn sie war schon dabei die Böschung hoch zu rennen, dem BlattClan entgegen, was Klippenfall die Augen verdrehen ließ. Auch Hagelsturm war leichter einzuschätzen, als Blattstern, selbst wenn Klippenfall sich in Momenten wie diesen fragte, was in seiner Schwester eigentlich vorging.

***

Drei Silhouetten vor dem hellen Vollmondhimmel thronten auf dem massiven, von Schatten überzogenen Felsgestein. Die letzten Jubelrufe für Erdschweif und Apfelschatten waren soeben verklungen, nachdem Wasserstern ihre Ernennung zu Kriegern und die erfolgreiche Prüfung zumindest von einem der beiden verkündet hatte. Er war der erste gewesen, der bis an den Rand des Steines vorgetreten war, um die Neuigkeiten seines Clans zu verkünden. Nun stand er da und wartete, bis Stille eingetreten war, mit den Gestalten der beiden übrigen Anführer im Rücken. Regenstern saß mit ordentlich um die Pfoten geschlungenem Schweif nur wenige Mauselängen weiter hinten und rührte sich kaum. Hinter ihnen schlich Blattstern langsam hin und her. Es war, als wäre sie nur ein weiterer Schatten eines Astes im Mondlicht, der wegen des Windes über die Lichtung huschte wie etwas Lebendiges.

Längst war wieder Ruhe eingekehrt, als Wasserstern weiter redete. »Ich habe ansonsten nicht viel zu sagen.« Seine Stimme zerriss die Stille wie ein Dorn die zarten Ballen eines Jungen. »Nur, dass mein Clan den BlattClan voller Argwohn beobachtet. Es hat immer nur zwei Clans gegeben. Es ist hier kein Platz für einen dritten. Wir beobachten euch. Wir bemerken jede Schnurrhaarbreite, die ihr euch zu sehr unseren Jagdgründen nähert. Alles war friedlich bevor ihr kamt. Sorgt dafür, dass das auch in Zukunft so bleibt, jetzt, da die Territoriumsgrenzen nicht mehr durch ein ungenutztes Gebiet voneinander getrennt werden!«

»Keine Sorge, es wird nichts geschehen.« Das war Eagles Stimme gewesen, der mit den anderen Zweiten Anführern am Rand der Pfütze um den Stein herum saß.

»Überlasse deiner Anführerin das Reden, Streuner!«, miaute Wasserstern barsch und Rankensee fragte sich, warum der Anführer Eagle als Streuner bezeichnete. Das ist er doch gar nicht mehr! Wasserstern fuhr unterdessen fort: »Du musst wissen, dass alles in der Blattleere anders aussehen wird als jetzt. Du bist alt genug, dass du schon genügend Blattleeren erlebt hast.«

»Eagle hat Recht«, kam es leise von Blattstern. Sie war stehen geblieben und nickte Regenstern zu.

»Ich teile die Sorgen des FederClans«, miaute Regenstern. »Auch der NachtClan fürchtet neue Konflikte. Seit wir vor Blattwechseln diese Territorien erreicht haben, lagen unsere Territorien nicht mehr direkt nebeneinander, sodass niemand mehr irgendwelche Grenzen übertrat. Jetzt aber sind wir auf einmal mehr geworden und in der Blattleere wird die Beute wieder knapp werden. Auch der NachtClan behält euch im Auge, Blattstern. Erlaubt euch keine Fehler. Wir sind die größeren Clans, ihr hättet keine Chance gegen uns.«

Eine Weile schwieg Regenstern. Vielleicht wartete sie darauf, dass Blattstern sich verteidigen wollte, doch von der Anführerin kam kein Wort.

Schließlich begann Regenstern von neuem: »Aber auch der NachtClan hat erfreuliche Nachrichten. Hagelpfote und Klippenpfote heißen nun Hagelsturm und Klippenfall. Beide haben die Prüfung erfolgreich überstanden. Auch Rankensee hat ihren Kriegernamen erhalten, uns aber kurz darauf verlassen, gemeinsam mit Blattstern.«

Jubelrufe ertönten auf der Lichtung, angeführt von Rankensees Großmutter Moon und Klippenfalls und Hagelsturms Mutter Pfützenschimmer. Die übrigen Katzen stimmten mit ein und Rankensee hob ihren Blick zum Sternenflies, von wo aus ihre Mutter sie bestimmt beobachtete, genauso wie sie es bei ihrer Schülerernennung getan hatte.

Dann erstarben die Jubelrufe und Blattstern trat vor. Rankensee blickte zu ihr auf, stolz darauf, dass es ihre Halbschwester war, die von dort oben zu den Clans sprach.

»Ich habe einiges zu berichten, aber ich werde mich kurzfassen.« Die Anführerin sprach leiser, als ihre Vorgänger. Nun erstarben auch die wenigen Gespräche, die noch im Flüsterton geführt worden waren, als Regenstern und Wasserstern ihre Rede gehalten hatten. Niemand wollte verpassen, was die junge Anführerin des noch jüngeren Clans zu berichten hatte und so wurde es stiller als je zuvor auf einer Großen Versammlung.
»Mein Clan, der BlattClan, wurde erst im letzten Mond gegründet. Wir waren eine einfache Streunerbande, doch nun werden wir stärker und stärker. Wir werden ein Clan wie dein Clan, Regenstern, oder wie eurer, Wasserstern. Mit einem Unterschied: Keiner unserer Schüler wird die Reise zur Geisterkatze unternehmen müssen und ein Schatten im Namen wird ebenso gut sein wie ein Herz, oder eine Feder. Niemand wird mehr nur wegen einer einzigen Prüfung kein Mentor, zweiter Anführer oder Clananführer sein dürfen. Das ist Unrecht.«

Sie war nicht lauter geworden, während sie sprach und nun durchbrach die angespannte Stille nur vereinzelter Protest. Die meisten Katzen blieben still, Blattsterns Nachricht hatte sich schon kurz nach der Gründung des BlattClans rasend schnell unter den Katzen verbreitet.

Die Anführerin wartete geduldig, dass wieder Ruhe einkehrte und fuhr dann, ohne auf die Zwischenrufe einzugehen, fort: »Dennoch beglückwünsche auch ich die drei Krieger zu ihrer bestandenen Prüfung, besonders Rankensee, die nun eine von uns ist. Wir haben unser Lager neben dem alten, verlassenen Zweibeinernest errichtet…«

»Was sind sie? Ein Clan von Hauskätzchen?«, schnaubte Apfelschatten, die vor Rankensee saß.

»Still!«, fuhr sie ein Krieger an, der ebenfalls aus dem FederClan stammte. »Wenn du so laut bist, verstehe ich nicht, was Blattstern sagt!«

»Man wird ja wohl noch seine Meinung sagen dürfen!«, murmelte Apfelschatten und kassierte dafür einen weiteren bösen Blick seitens ihres Clangefährten.

Rankensee spitzte die Ohren, um die Rede ihrer Halbschwester nicht zu verpassen. »Zudem bin ich zum Ahnenbaum gereist, um meinen Anführernamen zu erhalten. Ihr könnt mich jetzt Blattstern nennen.«

Neben ihr hörte Rankensee Klippenfall schnauben, dachte sich aber nichts dabei. Anscheinend mochte der junge Krieger die Anführerin nicht besonders. Während sich Klippenfall abwandte, trat Blattstern auf dem Felsbrocken zurück und Wasserstern signalisierte mit einem Zucken seines Schweifes, dass er noch etwas zu sagen hatte.

»Die Große Versammlung ist hiermit beendet«, miaute der FederClan-Anführer. »Bis zur Nächsten lasst euch gesagt sein, BlattClan, dass wir euch im Auge behalten.« Mit diesen Worten sprang er auf den Boden herab, versammelte seine Katzen um sich und stürmte voran, in Richtung seines Territoriums.

***

Die Wasseroberfläche kräuselte sich leicht, als der FederClan, und kurz darauf auch der BlattClan die Lichtung verließen und ihre Pfoten in einem schnellen Lauf über den Boden trommelten. Beinahe kam es Dachspfote so vor, als wäre die Erschütterung des Bodens selbst hier oben im SternenClan noch zu spüren. Trotzdem blieb das Bild klar genug und Dachspfote konnte beobachten, wie Rankensee sich eilig von Klippenfall und Hagesturm verabschiedete, um den Anschluss zu ihrem Clan nicht zu verlieren. Dann flitzte auch sie zum Rand der Lichtung und verschwand, während sie noch einen letzten Blick zurück warf, im Unterholz.

Nun setzten sich auch nach und nach die Katzen des NachtClans in Bewegung und strömten bald darauf wie eine einzige Masse auf die Bäume und den dahinterliegenden Donneweg zu, der sie von ihrem Territorium trennte. Nur der Heiler Tropfenwolke schlug eine andere Richtung ein. Sein Schüler Mückenpfote folgte ihm, sah jedoch ein wenig verwirrt aus, als würde er sich fragen, was sein Mentor plötzlich vorhatte. Dachspfote hatte Tropfenwokes Ziel bereits entdeckt. Der Heiler steuerte auf Hagesturm und Klippenfall zu. Als er bei ihnen ankam, waren die vier Katzen bereits allein auf der Lichtung.

»Kommt ihr auch?«, fragte Tropfenwolke die beiden Krieger.

Klippenfall nickte, doch Hagelsturm blieb stehen und starrte auf die Stelle, an der Rankensee eben unter den Ästen hindurch getaucht und von den Schatten verschluckt worden war.

»Es ist schade, dass sie uns verlassen hat«, miaute Tropfenwolke.

»Wer?«, hakte Mückenpfote nach. »Rankensee?«

Der Heiler nickte. »Ja. Sie wäre eine gute Kriegerin geworden. Anders als ihre Mutter.«

Die letzten Worte hatte er nur leise vor sich hin gemurmelt, doch Klippenfall musste sie gehört haben, denn Dachspfote sah einen Schatten über sein Gesicht huschen. Dennoch sagte der junge Krieger nichts.

»Rankensee ist eine Heldin!«, protestierte Hagelsturm. »Sie hat mit dem SternenClan gesprochen und uns so in die Berge geführt, um dem BlattClan zu helfen. Wenn sie nicht gewesen wäre, würde der BlattClan noch immer eine Streunerbande sein, die wegen dem Stamm beinahe verhungert!«

Darüber konnte Dachspfote nur den Kopf schütteln. Hatte Hagelsturm ihm am Anfang ihrer Reise zur Geisterkatze denn gar nicht zugehört? Klar, er hatte sich auch nicht besonders gut ausgedrückt, doch Dachspfote hatte gedacht, dass sie wenigstens etwas über seine Warnung nachdenken würde. Was sie offensichtlich nicht tat. Oder versuchte sie sich nur selbst von dem zu überzeugen, was sie sagte? Dachspfote hoffte es.

»Für den BlattClan vielleicht«, miaute Tropfenwolke. »Aber für einen Großteil des NachtClans ist sie inzwischen nichts weiter als eine Verräterin.«

Klippenfall nickte nachdenklich. »Und der FederClan wird sie, nein uns alle drei, höchstens dafür verantwortlich machen, dass wir in Zukunft wieder mit Kämpfen um Beute rechnen dürften.«

Ein paar Herzschläge lang wartete Dachspfote noch, aber es geschah nichts weiter. Die vier letzten NachtClan-Katzen verließen die Lichtung, die sie erst in einem Mond wieder betreten würden. Bis dahin konnte alles Mögliche geschehen.

Es juckte Dachspfote in den Pfoten, irgendetwas zu tun. Denn zu tun gab es genug. Alles hatte gerade erst angefangen. Klippenfall und Tropfenwolke hatten in gewisser Weise Recht. Zwar hatte Rankensee immer nur ihrem Bruder helfen wollen und war keineswegs eine Heldin, oder für irgendwelches Übel verantwortlich, doch das änderte nichts an dem, was die Clans über sie dachten. NachtClan, FederClan und BlattClan. Tropfenwolke und Klippenfall hatten eine Gruppe vergessen. Dachspfote hatte bei seinen Nachforschungen gehört, wie über den Stamm geredet worden war, auch wenn er nicht alles verstanden hatte. Aber wer wusste schon, was in dem Kopf dieses verrückten Stammesanführers vor sich ging?

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top