15. KAPITEL
Mehrere Sonnenaufgänge voll von hartem Training lagen hinter Rankensee. Nicht, dass es in ihrem Clan anders gewesen wäre, als sie noch Schülerin gewesen war, dennoch schmerzten ihre Muskeln vom letzten Training. Dabei lag es schon eine ganze Nacht zurück. Sie hatte mit dem schwarz-weißen Kater Orion gekämpft, dem sie kläglich unterlegen gewesen war. Er war der stärkste Kämpfer der Streuner und die Kampftechniken des Clans gaben ihm einen weiteren Vorteil. Die NachtClan-Kriegerin hatte den riesigen Kater als einen mürrischen, nur kurze Sätze sprechenden Zeitgenossen kennengelernt, doch um so länger sie sich kannten, desto freundlicher behandelte er Rankensee, fast schon fürsorglich, als wäre sie sein eigenes Junges. Aber sobald das Kampftraining anfing, nahm er keine Rücksicht mehr darauf, ob jemand kleiner, oder schwächer als er war, natürlich ohne je seinen Gegner ernsthaft zu verletzen.
»Die Stammeskatzen werden dich auch nicht schonen«, pflegte er immer zu sagen.
Im Moment kämpfte der riesenhafte Kater gegen Sam, der ihm beinahe ebenbürtig war. Auch einige andere Katzen umkreisten sich mit zusammengekniffenen Augen, gesträubtem Fell, aber auch mit eingezogenen Krallen auf dem Trainingsplatz unweit des Lagers. Es war eine kleine Lichtung inmitten der Bäume, auf der kaum mehr wuchs, als einige vereinzelte Grasbüschel am Rand des Platzes. Die übrige Fläche war mittlerweile kahl und die Erde aufgewühlt vom Training.
Die Streunerkatzen nutzten die letzte Gelegenheit, die Kampftricks zu wiederholen, die sie in so kurzer Zeit hatten lernen müssen. Wer nicht trainierte, hatte sich im Schatten einer großen Buche versammelt, um die Taktik zu besprechen. Bisher sah der einzige Plan vor, ihre schnellsten Läufer zum Stamm zu schicken, die die Stammeskatzen dann zu einem Ort locken sollten, den die anderen »Müllplatz« nannten. Dort gab es angeblich genügend Verstecke für Hinterhalte und verborgene Fallen, die die Stammeskatzen nicht kennen würden. Rankensee fand, dass der Plan gar nicht mal so schlecht war, nur Klippenfall hatte ständig etwas daran auszusetzen.
Aber Wenigstens war Klippenfall zur Vernunft gekommen und hatte irgendwann doch beschlossen Rankensee beim Training zu helfen. Sogar zum Kampf wollte er nun mitkommen. Rankensee war froh um seine Unterstützung gewesen. Der beste Kämpfer mochte Klippenfall zwar nicht sein, aber er erinnerte sich an weitaus mehr Kampftricks aus seiner Schülerzeit als Rankensee und hatte diese den Streunerkatzen bis ins kleinste Detail erklärt. Sicher würde er einmal ein großartiger Mentor werden.
Am selben Abend, an dem er sich auch dazu entschieden hatte, doch mitzukämpfen, hatte er ihr von seiner gescheiterten Mission erzählt, auf der er Hagelsturm aus den Klauen des Stammes hatte befreien wollen. Sogar jetzt noch fühlte sich Rankensee schuldig, weil sie nicht geholfen hatte. Wir müssen darauf vertrauen, dass der SternenClan sie beschützt und uns erst einmal auf den Kampf konzentrieren. Allein können wir gegen den Stamm ohnehin nichts ausrichten, hatte sie sich einzureden versucht, doch tief in ihrem Inneren kannte sie den wahren Grund. Ich war einfach zu feige, hatte Angst allein, nur mit Klippenfall an meiner Seite in das Territorium des Stammes einzudringen und dort Biene, Rauch und den anderen Stammeskatzen gegenüber zu stehen.
Sie schüttelte die Gedanken ab und riss ihren Mund zu einem Gähnen auf. Etwas abseits von den Kämpfenden und den den Schlachtplan ausarbeitenden Katzen hatte sich die Kriegerin ein sonniges Plätzchen gesucht, denn sie wollte sich noch etwas ausruhen. Um sich zu einer der anderen Katzengruppen zu gesellen, war sie viel zu erschöpft. Hauptsache, ich bin später beim Kampf nicht so müde, das wird mir den Kopf kosten!, dachte sie und zitterte vor Angst. In der letzten Nacht hatte sie kein Auge zutun können, denn jedes Mal, wenn sie gerade einschlief, hatten sie schreckliche, blutige Bilder von einem grausamen Kampf heimgesucht. Dem Kampf, der ihr heute bevorstand.
Ich bin so ein Mäusehirn! Kurz verfluchte sie sich dafür, dass sie sich überhaupt dazu bereiterklärt hatte, in diese Schlacht zu ziehen, ja die Streuner sogar erst von diesem Vorhaben überzeugt hatte! Zu dem Zeitpunkt hatte es sich noch angefühlt, als sei der Kampf Blattwechsel entfernt und sie hatte nur an das Unrecht gedacht, das der Stamm den Streunern antat, indem er ihnen das Territorium geklaut hatte. Doch mit jedem Sonnenaufgang, der verging, stieg ihre Anspannung und Furcht weiter an.
Es würde ihr erster richtiger Kampf werden. Im FederClan und im NachtClan hatte es nie Streitereien um Territorium gegeben, denn zwischen den beiden Territorien lag ein ungenutztes Stück Land, auf dem die Zweibeiner neben dem verlassenen Zweibeinernest noch allerlei andere Spuren hinterlassen hatten. Allerdings war es unter den Clankatzen verpönt, dort zu jagen. Auch wenn die Zweibeiner sich in dem schmalen Waldstreifen schon lange nicht mehr hatten blicken lassen und ihre seltsamen Zweibeinerdinge schon zerfielen und von Gestrüpp überwuchert wurden, war es ein ungeschriebenes Gesetz dieses Territorium zu meiden. Würde man dort eine Maus fangen, wäre es, als hätte man sie direkt in einem Zweibeinernest gefangen.
Aber heute werde ich kämpfen, für meinen Bruder, meine für Großmutter, für Storm und all die anderen Katzen hier. Eigentlich hatte auch Rankensee überlegt, ebenfalls noch einmal zu trainieren, bevor sie aufbrechen würden, doch Klippenfall hatte sie überzeugt, dass das nach den vielen Monden des Trainings kaum noch etwas ausmachen würde und sie sich besser noch ausruhen sollte.
***
»Alle Katzen herhören!«, riss Sams lauter Ruf Rankensee aus ihren Gedanken. Sie hatte im Gras gelegen und vor sich hin gedöst. Jetzt spitzte sie die Ohren und rappelte sich auf, um zu den anderen hinüber zu trotten.
Sam und Orion standen neben den anderen Katzen, die die Taktik besprochen hatten. Ihren Trainingskampf mussten sie wohl irgendwann abgebrochen haben.
»Heute ist es so weit, wir werden den Stamm vertreiben und uns das Territorium zurückholen, das uns gehört!«, rief Rankensees Bruder und die versammelten Katzen jaulten wild durcheinander.
»Wir haben jetzt einen Plan« Orions laute Stimme übertönte die alle anderen. Er wirkte im Gegensatz zu Sam todernst und brachte die anderen Katzen so schnell zum Schweigen. Mit einem Schwanzschnippen überließ er Klippenfall den Vortritt.
Als ihr Clangefährte den Plan erläutert hatte, starrte Rankensee ihn erstaunt an. Während sie in der Sonne gelegen hatte, hatten die anderen einiges an Arbeit geleistet und so wie Klippenfall alles erläutert hatte, klang es, als hätten sie wirklich eine Chance.
Auf einmal erregte eine Bewegung am Rand des Trainingsplatzes die Aufmerksamkeit der Katzen. Ein Kater und eine Kätzin waren dort aus dem Unterholz aufgetaucht. Im Gegensatz zu den meisten anderen Streunern sahen sie so wohlgenährt aus wie die Hauskätzchen, die einem im Zweibeinerort ab und zu über den Weg liefen. Verwunderlich war das nicht, denn Blue und Cloud gingen nicht jagen und suchten sich auch keine Nahrung aus dem, was die Zweibeiner wegwarfen. Ein Zweibeiner, von dem sie sagten, man müsse ihn nur genug anschnurren, gab ihnen in seinem Nest immer Futter, das sie sich dann mit seinem Hauskätzchen teilten. Dennoch gehörten die beiden zu den der Streunergruppe. Hier gab es kein Gesetz der Krieger, das einem vorschrieb, das verweichlichte Leben eines Hauskätzchens zu verachten, im Gegenteil: Es war vollkommen normal, dass jeder sich selbst und manchmal auch die engsten Freunde mit Essbarem versorgte, wie er es wollte. Rankensee akzeptierte das und hatte sich mittlerweile sogar schon daran gewöhnt, aber sie wusste, dass Klippenfall die beiden beinahe-Hauskätzchen nicht besonders mochte.
»Wir haben gehört, ihr wollt gleich zu dem Kampf aufbrechen«, miaute Cloud, während sie sich an ihren Gefährten schmiegte.
Dieser fuhr fort: »Wir sind hier, um euch viel Glück zu wünschen.«
Jede Katze wusste bereits, dass die beiden nicht mitkämpfen wollten und alle hatten es ohne Wiederspruch hingenommen. Nur Klippenfall hatte die Augen verdreht und etwas gemurmelt, was klang wie: »So wird das nie was mit eurem Kampf!«
Eine dritte Katze tauchte neben ihnen auf und hüpfte munter zu Eagle hinüber.
»Ich will auch mitkämpfen!«, rief Jade und jagte Eagles Schwanzspitze hinterher.
Der Kater schnurrte belustigt, scheuchte Jade dann aber zu Cloud und Blue zurück, die auf sie aufpassen würden, solange alle anderen weg waren. Außer den dreien würde nur Moon, Rankensees Großmutter, zurückbleiben.
Cloud zog Jade mit dem Schweif zu sich heran, ließ ihren Blick über die versammelten Katzen schweifen und miaute dann: »Whisper? Winter? Ihr werdet doch nicht auch mitkämpfen?«
Die beiden knapp neun Monde Katzen waren ihre Jungen. Während der kleine Kater Whisper aufgeregt nickte, schaute seine Schwester unschlüssig zwischen der eigentlich zum Aufbruch bereiten Kampfpatrouille und ihren Eltern hin und her. Wir brauchen sie, sie ist eine gute Kämpferin, auch wenn sie noch jung ist!
Schließlich erhob sich Winter und tappte zu Cloud, Blue und Jade hinüber.
»Ich werde bei meinen Eltern bleiben«, verkündete sie und wiedermal protestierte niemand. Einige der Katzen nickten, andere blieben still.
»Wir können dich zu keinem Kampf zwingen.« Eagle war vorgetreten, neigte den Kopf vor Winter und ihren Eltern und wandte sich dann an die übrigen Katzen. »Aber für uns ist es nun Zeit, endlich aufzubrechen.«
***
Die Angriffspatrouille kam nur langsam voran, was größtenteils Rankensees Angst verschuldet war. Mit jedem Pfotenschritt, dem sie sich dem Lager des Stammes näherten, wuchs ihre Anspannung und am liebsten wäre sie gleich wieder umgekehrt. Dennoch zwang sie sich, weiter zu gehen.
Das schlimmste aber waren die Donnerwege. Auch nach langer Zeit im Lager der Streuner, das direkt am Zweibeinerort lag, hatte sie sich noch nicht an die nach Monstern stinkenden Pfade gewöhnt. Selbst wenn sie auf der Jagd hier im Tal öfter auf Donnerwege gestoßen wäre, anstatt beim Lager zu bleiben und das Kampftraining zu leiten, hätte sie jetzt sicher nicht weniger Angst gehabt. Zum Glück waren Klippenfall, Eagle und seine Gefährtin Flamme bei ihr und sprachen ihr immer wieder Mut zu.
Im ersten Moment hatte sich Rankensee gewundert, dass die rotorangene Kätzin in einen Kampf ziehen wollte, obwohl ihr Junges erst zwei Monde alt war. Was, wenn sie starb? Dann hätte Jade keine Mutter mehr, genauso wie es Rankensee ergangen war, als ein Monster Storm auf einem Donnerweg erwischt hatte. Die Bilder dieses Unfalls hatten sich in den Kopf der Kriegerin gebrannt und die Tatsache, dass sie nun lauter Donnerwege überqueren musste, ließ die Erinnerungen gespenstisch real wirken. Sie wollte nicht, dass Jade etwas Ähnliches zustoßen würde. Aber dann war Rankensee klar geworden, dass sie jeden einzigen Kämpfer brauchen würden.
Sie ließ ihren Blick über die anderen Katzen schweifen, die mit ihr unterwegs waren. Ein Stück weiter vorn machte Whisper irgendwelche Scherze, die eine einige Monde ältere Kätzin neben ihm amüsiert schnurren ließen. Außer Eagle, Flamme und Klippenfall, die neben Rankensee liefen, waren ansonsten nur noch Sam und Orion dabei. Die beiden Kater unterhielten sich über ihre erlernten Kampftricks und blieben ab und zu stehen, um dem jeweils anderen eine kurze Bewegungsabfolge zu demonstrieren. Zeit genug dazu hatten sie, solange Rankensee mal wieder an einem Donnerweg stand und sich nicht überwinden konnte, ihn zu betreten.
Erst als die Gerüche der Stammeskatzen auftauchten, wurden die Katzen ernst. So leise wie möglich schlichen sie unter Hecken entlang und durch die Schatten der Zweibeinernester, nur Whisper flüsterte den anderen Katzen manchmal etwas zu.
***
Tatsächlich hatten sie es geschafft, unbemerkt bis zum Lager zu kommen. Ein kleiner Teil der Anspannung war von Rankensee abgefallen, bis hierhin hatte Klippenfalls Plan funktioniert. Nun konnte sie nur noch hoffen, dass alles andere auch so lief wie geplant, denn ihre Gegner waren deutlich in der Überzahl.
Die stärksten Kämpfer Sam, Orion und Flamme gehörten zu einer Gruppe, die Klippenfall einige Fuchslängen vom Eingang des Lagers entfernt positioniert hatte. Sie sollten die Stammeskatzen nach draußen locken und in einen Kampf verwickeln. Sobald Flamme das Angriffssignal gegeben hatte, sollten die übrigen fünf um das Lager herum verteilt stehenden Katzen durch die Löcher in der Wand in das hölzerne Zweibeinernest schlüpfen. Dort sollten sie dann die möglicherweise im Lager gebliebenen Stammeskatzen angreifen, um danach Sam, Orion und Flamme zur Hilfe zu kommen. Sicher rechneten die Stammeskatzen nicht damit, aus der Richtung ihres eigenen Lagers angegriffen zu werden.
»Du zitterst ja«, miaute Klippenfall leise, der neben Rankensee stand.
Die Kriegerin merkte das erst jetzt, nickte aber. Die Angst nagte an ihr und sie hoffte bei jedem Atemzug, dass es still bleiben würde und nicht Flammes Signal zum Angriff zu hören sein würde.
Die beiden NachtClan -Krieger waren die einzigen, die einmal ganz um das Stammeslager herum geschlichen waren und nun an der Rückseite des des hölzernen Zweibeinernestes standen.
»Hör zu«, flüsterte Klippenfall.
Rankensee nickte wieder, nahm aber kaum etwas von dem wahr, was ihr Clangefährte sagte, die Furcht vor dem Kampf schien sie zu betäuben.
»Rankensee!«, zischte Klippenfall. »Es ist wichtig!«
Nun hörte Rankensee doch auf einem Ohr zu.
»Du musst mir helfen. Es ist nicht am wichtigsten, diesen Kampf zu gewinnen, nein, wir müssen Hagelsturm retten. Schaue durch einen der Spalten in der Mauer, dann wirst du sehen, dass ihre Wunden noch aussehen, als könnte sie sich auf keinen Fall selbst verteidigen.«
Auf einmal verstand Rankensee. Wie hat Klippenfall uns alle nur so hintergehen können? Es gab nur einen einzigen Grund, weshalb er sich den ganzen Plan ausgedacht hatte und darauf bestanden hatte, dass die beiden Clankatzen beim Angriff genau hier stehen würden: Auf der Rückseite des Lagers waren sie Hagelsturm am nächsten. Ihn hat es nie interessiert, was mit meiner Familie und meinen neuen Freunden geschieht!
»Es ist beides wichtig, dass wir gewinnen und dass es Hagelsturm gut gehen wird!«, protestierte Rankensee. »Wir sollten uns auf den Kampf konzentrieren und darauf vertrauen, dass niemand deiner Schwester etwas antut. Bisher ist das ja auch nicht geschehen. Wenn wir gewonnen haben, werden wir sie doch mit nach Hause nehmen können.«
Doch Klippenfall wiedersprach sofort, ohne lange nachdenken zu müssen: »Rankensee, Hagelsturm mag eine mutige Katze sein, die niemals aufgibt und zudem eine gute Kämpferin, aber trete einen einzigen Pfotenschritt vor und werfe einen Blick in das Lager und du wirst sehen, dass ihre Wunden noch nicht verheilt sind. Sie wird zu schwach sein, um sich zu wehren und der Stamm weiß genau wie wichtig sie uns beiden ist. Willst du etwa, dass unsere Gegner sie als Geisel nehmen und uns drohen, sie zu töten, wenn wir nicht aufgeben und uns zurückziehen? Wir müssen Hagelsturm erst in Sicherheit bringen! Das bist du ihr schuldig.«
»Nun gut. So machen wir es. Erst retten wir Hagelsturm, dann kommen wir zurück und kämpfen für die Streuner.« Rankensee war sofort überzeugt, auch ohne dass sie nachsah, wie schlimm Hagelsturms Wunden wirklich noch waren. Sie wollte zwar nicht, dass sie den Kampf verloren, aber ebenso wenig wollte sie, dass ihrer Clangefährtin etwas zustieß. Natürlich hätte Rankensee trotzdem nach Hagelsturm geschaut, wenn sich ihre Pfoten vor lauter Angst nicht anfühlen würden, als seien sie am Boden festgefroren.
Gerade als Klippenfall das Maul öffnete, um noch etwas zu sagen, unterbrach ihn ein Schrei. Sam? Sollte nicht Flamme das Angriffssignal geben?, fragte sich Rankensee, dachte sich aber nichts besonderes dabei. Es dauerte nur wenige Herzschläge, da war die Luft von dem Jaulen kämpfender Katzen erfüllt. Der Kampf hat begonnen! Am liebsten wäre Rankensee jetzt ganz woanders. In ihrem alten Nest im Schülerbau des NachtClans zum Beispiel. Es fühlte sich so an, als sei es ein ganzes Katzenleben her, dass sie dort das letzte Mal aufgewacht war.
»Rankensee, nicht einschlafen!«, miaute Klippenfall. Er war schon durch ein Loch in der Wand ins Lager geklettert.
Los, Rankensee, bewege dich, ermahnte die Kriegerin sich selbst. Du musst deine Freundin retten und dann für deine Familie kämpfen! Hagelsturm würde niemals zögern, dir zu helfen, egal wie groß die Gefahr ist, in der du steckst. Wieso also schaffst du das nicht auch? Einmal noch holte sie noch tief Luft, dann folgte sie Klippenfall.
Wie erwartet hatten sich alle Stammeskatzen in den Kampf gestürzt und niemand achtete darauf, dass Hagelsturm nicht entkam, denn genau wie Klippenfall gesagt hatte, konnte sie sowieso nur langsam humpeln. Zudem wurden sie durch den großen Heuhaufen im Lager vor den Blicken der anderen Katzen abgeschirmt, sodass niemand bemerkte, wie Klippenfall und Rankensee Hagelsturm auf die Pfoten halfen.
»Wir werden dich jetzt hier raus bringen und dich ein Stück begleiten, bis wir weit genug weg sind, dass wir dir ein Versteck suchen können, solange Rankensee und ich den Streunern im Kampf helfen«, erklärte Klippenfall und senkte seine Stimme zu einem leisen Flüstern, obwohl das Jaulen der Katzen vor dem Lager laut genug war, um das Gespräch zu übertönen. Unterdessen hielt Rankensee den Heuhaufen im Auge und fürchtete jeden Augenblick, dass dort eine Katze des Stammes auftauchen und sie angreifen würde.
»Ihr braucht mich nicht wegzubringen! Ich kann mich auch genauso gut selbst verteidigen«, protestierte Hagelsturm, doch Klippenfall brauchte sie nur vorsichtig an ihrer Wunde am Kopf berühren, um sie vom Gegenteil zu überzeugen.
Die Kriegerin verzog das Gesicht und fauchte: »Au! Was soll das?!«
»Du kannst nicht einmal deine eine Pfote richtig aufsetzen, und deine Wunde am Kopf ist noch viel zu empfindlich«, erklärte Klippenfall in ruhigem Tonfall, wirkte aber trotzdem etwas ungeduldig auf Rankensee. »Du weißt genau, dass du so nicht kämpfen kannst.«
Endlich gab Hagelsturm nach und ließ sich von den anderen beiden, wenn auch mit deutlich schlechter Laune, zu der hölzernen Wand des Zweibeinernests führen, wo sie durch ein Loch im Holz zurück ins Freie gelangen würden.
»Hagelsturm!« Die Stimme ließ Klippenfall und Rankensee herum wirbeln und auch Hagelsturm drehte sich vorsichtig um.
Eine cremefarbene Kätzin war neben dem Heuhaufen aufgetaucht und musterte die drei Clankatzen. Rankensee wappnete sich bereits für einen Angriff, da miaute die Cremefarbene: »Beeilt euch, Biene hat Frosch und Farn hierher geschickt, damit sie dich bewachen, Hagelsturm!« Sie sprang zu Hagelsturm hinüber, berührte sie mit der Nase am Ohr und fügte hinzu: »Auf Wiedersehen, Hagelsturm, vielleicht sehen wir uns ja eines Tages wieder.«
Die weiße Kriegerin schnurrte. »Hoffentlich. Auf Wiedersehen, Lilie!«
»Beeilt euch!«, miaute Lilie noch einmal und verschwand dann, wahrscheinlich um sich jenseits des Heuhaufens erneut in den Kampf zu stürzen.
In der Wand des von den Zweibeinern schon lange verlassenen Zweibeinernestes befanden sich genug große Lücken, dass die drei NachtClan-Katzen gleichzeitig hinaus gelangen konnten. Während Rankensee schon draußen stand, half Klippenfall seiner Schwester noch über ein Holzbrett, weil sich das Loch in der Wand ein paar Pfotenbreiten über dem Boden befand. Hagelsturm fauchte frustriert, als ihre verletzte Pfote an dem Hindernis hängen blieb, schaffte es aber dann doch ins Freie zu klettern.
Erleichtert atmete Rankensee auf und warf einen letzten Blick zurück. Frosch und Farn waren noch immer nicht zu sehen. Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn das so bleibt!
Schnell eilte Rankensee auf die Seite ihrer Freundin und stützte Hagelsturm gemeinsam mit Klippenfall, als sie sich vom Lager des Stammes entfernten.
Ein paar Fuchslängen weit waren sie gekommen, da ertönten hinter ihnen im alten Zweibeinernest Stimmen.
»Sie ist nicht mehr hier!«, rief die eine.
»Was?!« Die zweite klang aufgebracht und wütend. »Weit kann sie nicht sein!«
»Wofür brauchen wir sie überhaupt noch, wir gewinnen diesen Kampf so oder so, auch ohne eine Geisel, die wir in unserer Gewalt haben!«, miaute die erste Stimme, weitaus gelassener.
»Ich an deiner Stelle würde Bienes Befehl ja gehorchen! Hilf mir sie zu suchen!«
Offensichtlich hatten auch Hagelsturm und Klippenfall das Gespräch gehört, denn sie brauchten sich nicht einmal abzusprechen, um noch schneller durch das lichte Wäldchen zu hetzen, das hinter dem Lager lag. Hagelsturms Gewicht lastete schwer auf Rankensees Schultern, doch das beachtete die Kriegerin nicht, alles was zählte, war nun so schnell wie möglich von hier weg zu kommen. Nicht mehr lange und sie werden uns entdecken!
»Da!«, rief plötzlich eine der Stimmen im Lager und gleich darauf donnerten die Schritte zweier Katzen auf sie zu.
»Bring Hagelsturm in Sicherheit!« Klippenfall wich so schnell von der Seite seiner Schwester und machte kehrt, um sich den Stammeskatzen entgegen zu stellen, dass Hagelsturm fast umkippte.
Als sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, zischte Hagelsturm Rankensee zu: »Du solltest Klippenfall helfen, ich komm schon allein klar!«
Hagelsturm ist meine Freundin, kann ich sie jetzt so einfach allein lassen? Es reicht ja schon, dass ich Klippenfall bei seiner ersten Befreiungsaktion nicht helfen wollte!, zweifelte Rankensee, musste sich aber auch eingestehen, dass es mal wieder hauptsächlich die Angst vor dem Kampf war, die sie zögern ließ. Erst als sie einen Blick zurück warf und sah, dass Klippenfall bereits von Frosch und Farn überwältigt worden war, atmete sie einmal tief durch und rannte zurück, um ihm zu helfen. Was sie nicht bemerkte war Hagelsturm, die ebenfalls umdrehte und hinter ihr her humpelte.
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