Epilog - Teil 2
Epilog
Teil zwei
Bis zum Sonnenuntergang wurde Hagelsturms Laune nicht besser. Sie und Klippenfall saßen nebeneinander, verspeisten ein Eichhörnchen und die Kriegerin hatte noch kein Wort gesagt. Während sie sonst immer voller Energie steckte, ließ sie nun ihre Schultern hängen und kaute schweigend.
Klippenfall hatte es aufgegeben, sie aufmuntern zu wollen und beobachtete stattdessen die Krieger, die gerade die Reparaturen am Heilerbau für den heutigen Tag beendeten. Es war ein ziemliches Loch in eine der Seitenwände gerissen und Heilkräuter über den Platz unter der großen Linde verteilt worden, doch inzwischen waren die meisten Schäden behoben. Tropfenwolke und Mückenpfote waren seit Sonnenaufgang damit beschäftigt gewesen, die Kräuter wieder zu verstauen und die Krieger hatten Äste und Brombeerranken heran geschleppt, um sie mit den Resten der Seitenwand zu verflechten und das Loch so zu stopfen.
Rufe aus Richtung Lagereingang ließen Klippenfall herumfahren.
»Rankensee!« Hagelsturm sprang auf, in dem Moment, in dem auch Klippenfall die Kriegerin erkannte, die gerade das Lager betrat. »Hast du dich doch noch entschieden, zu uns zurück zu kommen?«
Rankensee kam auf Klippenfall zu gelaufen, während Hagelsturm auf sie zu stürmte und sie beinahe umgerannt hätte.
»Ja«, miaute die Kriegerin. »Was du gesagt hast, stimmt, Hagelsturm. Ich bin hier aufgewachsen. Ihr seid meine Familie, auch wenn ich nicht hier geboren wurde.«
***
Es war ein ungewöhnlich warmer Tag für die Blattleere. Nach wie vor lag Schnee, doch er schmolz und verwandelte sich in Matschpfützen. Nur im Schatten der Bäume des Waldes, der vor Beere lag, leuchtete er noch unverändert weiß.
Angeführt wurde die Gruppe von Mücke, Weides Bruder. Ihn hatten die Katzen zu ihrem neuen Anführer gewählt, eine Entscheidung, die bisher wohl noch niemand bereut hatte. Mücke hatte sofort beschlossen, in den Wald zurückzukehren, aus dem sie damals in die Berge aufgebrochen waren. Es war eine längere Reise geworden als gedacht, da niemand den direkten Weg von den Territorien der Clans in ihr altes -und neues- Zuhause gekannt hatte. Doch nun hatten sie es überstanden.
Biene, sowie ihre Freunde Schimmer, Qualm und Dohle hatten den Stamm vor einigen Sonnenaufgängen verlassen, um eine eigene Gruppe zu gründen, wie sie sagten. Beere konnte nur hoffen, dass keine Katze flohhirnig genug war, um sich ihnen anzuschließen. Vor allem aber war er froh, seine Mentorin nun endgültig los zu sein.
Flamme und Weide liefen dicht hinter Mücke. Die beiden waren im Stamm zu Außenseitern geworden, man vertraute ihnen nicht mehr, doch man war bereit, ihnen eine zweite Chance zu geben.
Die Katzen folgten einem Bach, der sie ein ganzes Stück durch die Felder der Zweibeiner geführt hatte und der nun zwischen den Bäumen verschwand. Irgendwo an seinem Ufer sollte der Ort liegen, der einmal das Lager des Stammes gewesen war.
Mit eigenen Augen hatte Beere diesen Ort natürlich noch nie gesehen, schließlich war er erst in den Bergen geboren. Ebenso wie Esche, die neben ihm her trottete. Doch er hatte inzwischen vieles über das alte Territorium gehört, so viel, dass er sich fast fühlte, als würde er tatsächlich in ein Zuhause zurückkehren, das er kannte und vermisst hatte. Er war gespannt, wie es dort wohl aussah und ob es so sein würde, wie er es sich vorstellte.
»Beere?« Esche hatte ihn mit dem Schweif angetippt. »Lust auf ein Wettrennen zum Lager?«
»Wir wissen doch gar nicht genau, wo es sich befindet.«
Esche schnurrte. »Aber das hat Dunst uns doch erzählt: Der Bach fließt dort um ein kleines Felsplateau herum, gut zwei Fuchslängen hoch. An seiner oberen Kante wachsen Sträucher und umgeben den Platz, der das Lager ist! Wir werden es bestimmt finden.«
Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern rannte einfach los. Beere zögerte nicht, ihr zu folgen. Er war einfach nur froh, dass Esche ihm scheinbar verziehen hatte, nachdem er sich dagegen gewehrt hatte, dass Biene zur Anführerin wurde.
Dicht hinter der jungen Kätzin sprintete er an seinen Stammesgefährten vorbei, spürte den Wind in seinem Pelz. Zum ersten Mal seit langem fühlte er sich wirklich frei. Frei von seiner Mentorin, frei von einer Verantwortung, der er nicht gerecht werden konnte, frei von den Sorgen, die die Reise dem Stamm bereitet hatte.
Für einige Herzschläge begleitete die schwache Wärme der Sonne die beiden jungen Katzen noch auf ihrem Lauf, dann tauchten sie ein in die kühlen Schatten der Bäume, preschten über das zum Teil trocken liegende Kiesbett des Baches und durch den Schnee und das Laub des letzten Blattfalls. Beere holte zu Esche auf, sodass sie nun nebeneinander am Ufer entlang preschten.
Der Wasserlauf wand sich mal hierhin, mal dorthin und wann immer Esche und Beere durch die Kurven schlidderten, wirbelten sie den Schnee auf, rutschten beinahe aus, fingen sich wieder und rasten weiter. Nichts konnte sie aufhalten, kein umgefallener Baum, kein Dornengebüsch, das sie umqueren mussten und kein Steinhaufen am Ufer.
Obwohl Beere bald außer Atem war -wäre dies Bienes Training gewesen, hätte er schon lange keine Motivation mehr gehabt, weiter zu machen- fühlte er sich, als könnte er ewig neben seiner besten Freundin weiter rennen, nur, damit dieser Moment nicht endete. Irgendwann verließen ihn seine Kräfte aber doch und er wurde langsamer, blieb stehen.
»Esche!«, rief er hinter der jungen Kätzin her. »Ich kann nicht mehr, können wir langsamer weiter gehen?«
Esche kam schnurrend zu ihm zurück getappt. »Sieht so aus, als hätte ich unser Rennen gewonnen.«
»Ja, das hast du.«
Gemeinsam wanderten sie weiter am Bach entlang, betrachteten ihre neue Heimat, prüften hier und da mal die Luft, um Hinweise auf Beute, oder andere Katzen, die sich in der Zwischenzeit hier niedergelassen haben könnten, nicht zu verpassen. Doch sie fanden weder das eine, noch das andere.
Je weiter sie gingen, desto höher wurde der Anteil an Nadelbäumen am Wald. Das Unterholz lichtete sich, bis es beinahe völlig verschwand und der Boden nur noch von einem Muster aus braunen Nadeln und Flecken hellen Schnees bedeckt war. Zwischen den Stämmen hindurch war der Verlauf des Baches leicht zu erkennen und es dauerte nicht lange, bis Beere eine Erhebung an seinem Ufer auffiel.
Er stupste Esche an und zeigte mit dem Schweif auf seine Entdeckung. »Was meinst du, könnte das das Lager sein?«
»Könnte sein, so langsam müssen wir es ja mal erreichen.« Esche bog in den Wald ab, schlug den direkten Weg ein, anstatt dem in einem Bogen fließenden Bach weiter zu folgen. »Lass uns nachsehen.«
Beere sprang hinter ihr her.
Es schien, als hätten sie das alte Lager wirklich erreicht. Ganz wie Dunst es beschrieben hatte, erhob sich hier ein Felsmassiv aus dunklem, grauen Schiefergestein aus dem Waldboden. Dort, wo der Bach in einem Halbkreis darum herum floss, waren die Wände steil, boten kaum eine Möglichkeit, empor zu klettern. Auf der anderen Seite jedoch bildeten lediglich einige Sträucher ein Hindernis. Hier verlief die Böschung recht flach, selbst ein Ältester hätte kein Problem gehabt, das Felsplateau zu erklimmen.
Insgesamt schien der Felsen nicht besonders hoch zu sein, knappe zwei Fuchslängen, sodass die umstehenden Nadelbäume noch genügend vor stärkerem Wind schützen würden. Auch schien er in der Fläche locker groß genug zu sein, dass darauf die Baue der Katzen, Frischbeutehaufen und eine Lichtung für Versammlungen Platz hatten.
Die beiden jungen Katzen liefen an den Sträuchern entlang, einem dichten Geflecht aus dornenbesetzten Ästen, suchten nach einem Durchgang. Tatsächlich fanden sie etwas wie einen Tunnel, in den nur wenige, junge Äste hineinragten. Dies musste früher der Eingang zum Lager gewesen sein. Nacheinander tappten sie hindurch und fanden sich wenig später auf dem Felsen wieder.
Hinter ihnen bildeten die Sträucher einen Halbkreis, während vor ihnen das Gelände leicht anstieg und an der Felskante einen freien Blick auf den Bach und den Wald bot. Am höchsten Punkt des Lagers lagen Steine aufgetürmt, unter denen sich anscheinend eine Höhle befand, nicht unähnlich der, die den Wolkenkriegern auch im Territorium der Clans als Bau gedient hatte. Möglicherweise war dies der Anführerbau gewesen.
Als Beere sich umdrehte, erkannte er unter den Sträuchern weitere Höhlen, die zwar etwas zerfallen wirkten, jedoch sicherlich nicht schwer zu reparieren waren. Esche war bereits in dem ersten davon verschwunden, wuselte darin herum, hüpfte wieder hinaus, widmete sich dem nächsten Bau. Beere ließ sich noch immer etwas erschöpft von dem Sprint an der Felskante neben dem Steinhaufen nieder, betrachtete das satte dunkelgrün der Tannen und lauschte dem leisen Plätschern des Baches unter ihm. Das dunkle Felsgestein strahlte eine angenehme Wärme ab, obwohl die Schatten der Bäume bereits so lang waren, dass sie das gesamte Lager bedeckten. Die Sonne stand bereits dicht über den Baumkronen, doch möglicherweise würde, sobald die anderen ankamen, noch Zeit für eine kurze Jagd sein, um den Stamm etwas zu stärken.
Schritte näherten sich und kurz darauf spürte Beere einen warmen Pelz an seiner Seite. Esche hatte sich neben ihn gesetzt. »Scheint, als hätten wir ein Zuhause gefunden.«
***
Vom SternenClan aus beobachtete Dachspfote seine Wurfgefährten Eismond und Lärchenflamme. Den beiden ging es gut, ebenso wie dem gesamten NachtClan, was letztendlich sein Verdienst gewesen war. Es war knapp gewesen und beinahe hätte Dachspfote gedacht, Hagelsturm hätte seine Prophezeiung vergessen, oder würde sie absichtlich ignorieren, da sie ihren Sinn nicht verstand. Doch dann hatte Klippenfall das Rätsel gelöst.
Dachspfote konnte nur mit dem Kopf schütteln. Der SternenClan war blind gewesen, hatte Storms Einfluss auf die Clans einfach übersehen. Ja, damals, als sie ihre Tochter Blattschatten losgeschickt hatte, damit sie Sam in die Berge brachte, hatte man sich schon gewundert, was nur in die junge Kätzin gefahren war. Doch man hatte es einfach als eine Art schräger Versuch einer Familienzusammenführung abgetan und hatte sich nicht weiter darum gekümmert.
Den SternenClan-Katzen ging es hier oben in den Jagdgründen am Silbervlies einfach zu gut. Sie beschäftigten sich nur zum Spaß mit der Jagd und damit, zu Fressen und lagen den restlichen Tag herum, um zu tratschen. Die meisten von ihnen schienen völlig vergessen zu haben, wozu sie überhaupt hier oben verweilten. Das ansonsten so sorglose Leben -da war sich Dachspfote inzwischen sicher- war ihnen doch nur geschenkt worden, damit sie genügend Energie darauf verwenden konnten, über die Clans zu wachen. Und doch war Dachspfote der einzige gewesen, der Storm durchschaut hatte. Diese Kätzin war böse, das hätten die anderen doch erkennen müssen, nachdem sie Dachspfote damals bei der Schlacht gegen die Streunerbande getötet hatte. Aber nein, abgesehen von ihm hatte sich natürlich niemand Storm in den Weg gestellt.
Dachspfote folgte einem mittlerweile ausgetretenen Pfad am See entlang, der von Tag zu Tag mehr an Gras einbüßte. Um ihn herum streifte eine sanfte Brise durch das hohe Gras, Vögel zwitscherten und Beute raschelte ganz in der Nähe. Libellen segelten durch die Luft am Seeufer, sowie Schmetterlinge, die immer wieder die kleinen Blüten diverser Wildblumen ansteuerten.
Ein Stück weiter am Seeufer entlang erkannte Dachspfote die Trauerweide mit ihren langen, zum Boden herabhängenden Ästen, die dort auf einem Hügel thronte und dem Ahnenbaum im FederClan Territorium zum Verwechseln ähnlich sah. Dort war Hagelsturm in ihrem Traum aufgewacht, als er, Feder, Flockenpfote und Nacht ihr die Prophezeiung überbracht hatten.
Bevor er den Baum allerdings erreichte, bog der Trampelpfad in einen lichten Mischwald ab. Dachspfote beschleunigte seine Schritte, während er zwischen den Baumstämmen hindurch wanderte, war bald schon an dem kleinen Teich angekommen, den er nun schon so oft besucht hatte.
Das wenige durch das Blätterdach scheinende Sonnenlicht malte hier helle Flecken auf den Waldboden und die winzigen, ans Ufer plätschernden Wellen. Der Teich lag ruhig und friedlich im Wald, hier in seinem Kiesbett zwischen dem Grün der Pflanzen. Zu ruhig.
Dachspfote sah sich um, starrte angestrengt in die Schatten, musterte die Lichtflecken, in der Hoffnung seine Augen hätten ihn bei einem von ihnen getäuscht und es wäre überhaupt kein Fleck von hellem Sonnenlicht, sondern Nachts durchscheinende Gestalt. Doch umso näher er kam, desto sicherer wurde er, dass dieser Ort verlassen war.
Nacht war nicht da. Das vermutlich erste mal seit…
Dachspfote hielt am rande des Teiches inne und starrte die Wellen an, die sanft ans Ufer plätcherten.
Ja, seit…
Er setzte sich auf den Stein, auf dem Nacht immer gesessen hatte, in derselben Haltung, wie er Nacht meist angetroffen hatte und dachte nach. Er dachte an den Augenblick, in dem er sie das erste Mal getroffen hatte, völlig begeistert von der Tatsache die Gründerin seines Clans persönlich vor sich zu haben und gleichzeitig schockiert, als er herausgefunden hatte, dass der SternenClan doch nicht so mächtig war, wie er immer geglaubt hatte. Seine Kriegerahnen lebten ebensowenig ewig wie jedes andere Wesen auf dieser Welt. Er dachte daran, wie er sich an diesen Gedanken hatte gewöhnen müssen und es doch nie wirklich geschafft hatte. Und er dachte daran, wie wirr ihm Nachts Worte immer erschienen waren. Wie er sich aufgeregt hatte, dass sie einfach normal mit ihm reden sollte, wie sie das nie getan hatte und wie sie sich doch irgendwie angefreundet hatten. Wie er immer öfter gekommen war, um sich mit dieser seltsamen, alten Kätzin zu unterhalten. Wie sie stets hier gesessen hatte, auf diesem Stein und in die Wellen schauend.
Er hatte sich immer gefragt, worüber sie wohl die ganze Zeit nachgrübelte, hatte erst nach und nach von ihrer Geschichte erfahren -ihrer wahren Geschichte und nicht der Version, die man ihm in der Kinderstube erzählt hatte- von ihren Fehlern damals und den Zweifeln, die sie seitdem plagten. Was ihn dann letztendlich auf seinen Plan gebracht hatte, wie er sie davon überzeugen konnte, ihm bei der Sache mit der Prophezeiung zu helfen. Ihre Schwester Feder und deren Tochter Flockenpfote zu finden, war allerdings alles andere als leicht gewesen. Nicht viele Katzen hatten den Aufenthaltsort der FederClan-Gründerin gekannt, ebenso, wie auch nicht viele wussten, wo sich Nacht aufhielt. Und doch hatte alles geklappt. Zum Glück, denn ansonsten hätte Dachspfote die Clans wohl nicht retten können.
Immer hatte er darauf vertrauen können, Nacht hier anzutreffen. Je länger er darüber nachdachte, desto sicherer war er sich, dass er noch nie erlebt hatte, dass dieser Teich verlassen gewesen war.
Heute war Nacht zum ersten Mal nicht da. Eine schlimme Vorahnung beschlich Dachspfote, wurde von Herzschlag zu Herzschlag mehr zur Gewissheit: Nacht war so weit verblasst, dass sie sich am Ende einfach aufgelöst hatte. Er würde seine alte Freundin nie wiedersehen. Er würde ihre Gespräche vermissen, die Abwechslung in den irgendwie eintönigen Alltag im SternenClan gebracht hatten. Hier oben ließen es sich die Katzen so gut gehen, als wären sie nach ihrem Tod alle zu Hauskätzchen geworden. Was, wenn er mal wieder der einzige sein sollte, der eine herannahende Gefahr für die Clans erkannte? Woher sollte er dann bloß eine passende Prophezeiung bekommen? Dachspfote kannte niemanden, der sich ebenso verwirrend ausdrücken konnte wie Nacht. Und wie es endete, wenn er selbst versuchte, eine Prophezeiung zu erfinden, das hatte man ja schon gesehen.
Seufzend hob er seinen Blick von den Wellen vor ihm, ließ ihn über die Bäume am Waldrand schweifen… Die drei Gestalten, die am gegenüberliegenden Ufer standen, hätte er fast übersehen. Nur ganz schwach hoben sich ihre Körper von den Schatten unter den Bäumen ab. Man konnte so leicht durch sie hindurch schauen wie durch einen Wassertropfen.
Feder und Nacht standen dicht nebeneinander, man konnte jedoch kaum noch erkennen, dass die beiden unterschiedliche Fellfarben hatten, so durchsichtig schienen sie. Flockenpfote hockte etwas abseits. Die drei sahen zu ihm hinüber, zumindest meinte Dachspfote das. Es fehlte wirklich nicht mehr viel, bis sie sich vollständig auflösen würden. Dachspfote hatte sich nicht vorstellen können, dass das ging, doch seit seinem letzten Treffen war Nacht noch weiter verblasst. Vielleicht war dies sogar das letzte mal, dass er die Gründerin des NachtClans sah. Noch immer war dieser Gedanke erschreckend, doch im Moment überwog die Freude, ihr zumindest noch einmal zu begegnen und vor allem, sie gemeinsam mit ihrer Familie zu sehen.
»Na, versuchst du meinen Platz einzunehmen?«, drang der Hauch einer Stimme zu Dachspfote hinüber. Fast hätte er sie überhaupt nicht gehört.
»Ich glaube nicht, dass ich dich so einfach ersetzen kann«, miaute Dachspfote. »Ich drücke mich nicht so seltsam umständlich aus wie du, als wäre jeder meiner Sätze eine dieser Prophezeiungen.«
»Noch«, Nacht wandte sich zum Gehen. »Noch redest du nicht so. Wir werden sehen, wie das aussieht, wenn du erst einmal so lange im SternenClan verweilst wie ich.«
Dachspfote beobachtete, wie die drei durchscheinenden Gestalten zwischen den Bäumen verschwanden. Nein, dachte er traurig, Nacht würde das nicht mehr sehen. Nacht geriet unten bei den Clans immer weiter in Vergessenheit und verschwand nun aus dem SternenClan. Bald wird es neue Geschichten zu erzählen geben, hatte sie einmal zu ihm gesagt. Und es stimmte: Es gab neue Geschichten. Die Geschichte der Gründung des BlattClans, der Reise des Stammes, und von Storm, die versucht hatte, den NachtClan zu vernichten, die Geschichte dreier Krieger aus dem NachtClan, die sie aufgehalten hatten, und nicht zuletzt die Geschichte von ihm, Dachspfote, der vom SternenClan aus dafür gesorgt hatte, dass die Rettung seines Clans gelingen würde. Ja, nun war auch er ein Held, würdig, dass man sich noch in Monden von ihm und seiner Prophezeiung erzählte.
Unwillkürlich musste er Schnurren, als er sich vorstellte, wie er eines Tages tatsächlich hier an diesem Teich saß, als alter SternenClan-Kater, der zu viel grübelte und wie ihn ein junger Schüler finden würde, ganz erstaunt und beeindruckt von der Rolle, die er in den Geschichten gespielt hatte, die er aus seiner Zeit in der Kinderstube kannte. Und wie Dachspfote ihm dann half, eine Prophezeiung zu erfinden, die die Clans vor irgendeinem schlimmen Schicksal bewahren würden.
Er saß noch lange so da, dachte an Nacht, an ihre weisen Sprüche und daran, wie sie sich dennoch geirrt hatte. Es war gut gewesen, etwas zu unternehmen, statt zu lange darüber nachzudenken, was alles schiefgehen könnte.
Irgendwann jedoch -seine Beine fühlten sich vom ganzen herumsitzen ganz steif an und das sollte was heißen, schließlich war er jung und befand er sich im SternenClan, wo es so etwas wie schmerzende Knochen eigentlich gar nicht zu geben schien- rappelte er sich auf, streckte sich ausgiebig und verabschiedete sich in Gedanken von dem kleinen Teich und seinen stetig ans Ufer platschenden Wellen. Er würde sicher zurückkehren, wenn er mal Zeit zum Nachdenken brauchte.
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