5. Kapitel
Kalter Wind fuhr durch Klippenfalls Pelz, als er sich mit einer Wühlmaus und einem Kaninchen im Maul einen Weg durch die Schilfrohre am Rand des Flusses bahnte. Beide Tiere waren leichte Beute gewesen, die Maus war mager und das Kaninchen hatte eine Verletzung am Bein. Klippenfall hatte Glück gehabt, die Jagd schnell beenden zu können. Bei seinem Aufbruch zur Jagd hatte Wolfsfeuer noch tief geschlafen und er wollte den anderen Krieger nicht allzu lange allein lassen.
Achtsam behielt er seine Umgebung im Auge und verfluchte in Gedanken das Rauschen des Schilfes im Wind, das die Schritte eines möglichen Verfolgers übertönen könnte. Oder eher die einer Verfolgerin.
Er wäre wohl kaum so verunsichert gewesen, wenn Wolfsfeuer und er auf ihrer Rückreise von den Bergen nicht immer und immer wieder Hinweise gefunden hätten, dass sie verfolgt wurden. Wäre es nur ein Augenpaar gewesen, das sie aus einem Strauch heraus beobachtete, oder ein Flecken von plattgetrampeltem Gras, an dem nicht einmal der Hauch eines Geruches hing, wäre Klippenfall natürlich sofort klar gewesen, dass sie es sich bei dem Beobachter lediglich um die Geisterkatze handelte. Das alles kannte er schließlich schon von der Reise zu seiner eigenen Kriegerprüfung.
Aber diesmal war es anders.
Einmal war Wolfsfeuer beim Versuch, ein Eichhörnchen zu fangen, in einen Weißdornstrauch gesprungen und hatte sich an einem spitzen Ast einen tiefen Kratzer im Gesicht zugezogen, weshalb er darauf bestanden hatte, Kräuter gegen eine drohende Entzündung zu suchen. Sie waren ein Stück zurück zu provisorischen Lager der letzten Nacht gegangen, denn Klippenfall hatte sich daran erinnert, dass dort ein Büschel Ringelblume wuchs - eines der Kräuter, die Wolfsfeuer auf Hagelsturms schmerzende Pfote aufgetragen hatte, bevor sich ihre Wege getrennt hatten.
Dort angekommen, hatten sie jedoch feststellen müssen, dass die Ringelblume nicht mehr am Rand des Lagers stand. Wo sie gestanden hatte, war nur noch aufgewühlte Erde und einige dünne Wurzeln, die an die Oberfläche ragten. Das Heilkraut entdeckten sie ein paar Fuchslängen weiter unter dem Zweigen eines umgestürzten Naselbaumes, wo Klippenfall und Wolfsfeuer in der Nacht geschlafen hatten. Zu ihren zwei alten Nestern war nun noch ein weiteres dazugekommen, eines, das aus kreuz und quer übereinandergeworfenen Ringelblumen und Farnwedeln geschaffen worden war. Und das, obwohl sie diesen Ort erst vor kurzer Zeit verlassen hatten. Trotzdem gab es inmitten des Pflanzenhaufens eine kleine Mulde als hätte eine Katze darin geschlafen.
Das dritte Nest war jedoch noch längst nicht alles. Neben den Überresten von Wolfsfeuers und Klippenfalls Beute, die irgendjemand wieder ausgegraben hatte, lagen nun auch noch die Reste einer Drossel. Den Vogel hatte bestimmt keiner der beiden NachtClan-Krieger gefangen. Über all dem hing der Geruch einer Kätzin, doch ein leichter Nieselregen hatte ihn bereits so weit abgeschwächt, dass Klippenfall nicht mehr hatte sagen können, ob er ihn irgendwoher kannte…
Es war ihm vorgekommen, als hätte hier eine Katze versucht, den Anschein zu erwecken, dass sie nicht zu zweit, sondern zu dritt unterwegs wären. Wozu das gut sein sollte, war ihm jedoch ein Rätsel. Nur eines wusste Klippenfall sicher: Ihr Verfolger war diesmal nicht der Geisterkater.
Zwar war ihnen seit ganzen drei Sonnenaufgängen kein Hinweis auf die Verfolgerin mehr aufgefallen, doch das musste nicht bedeuten, dass sie das Interesse an den NachtClan-Katern verloren hatte.
Vielleicht, dachte sich Kilppenfall, hat sie auch einfach dazu gelernt… Solange er keine Gewissheit hatte, würden sie mit allem rechnen und vorsichtig sein müssen.
Klippenfall kroch unter dem Stamm einer umgekippten Weide hindurch und betrat die kleine Lichtung, die er und Wolfsfeuer bei Sonnenuntergang zu ihrem Lager erklärt hatten. Es war die letzte Möglichkeit dafür gewesen, bevor sie die Zweibeinerfelder überqueren und die Clans erreichen würden. Schließlich wollten sie nicht unter freiem Himmel schlafen, denn das taten nur FederClan-Katzen.
Zwischen einigen flachen Felsen hatten sie sich ihre Nester gebaut und Wolfsfeuer schlummerte noch immer in einem von ihnen. Dahinter, halb vom dichten Unterholz verdeckt, war die Stelle zu sehen, an der Hagelsturm vor einigen Monden fast in die Schlucht gestürzt wäre.
»Wolfsfeuer!«, rief Klippenfall den jungen Krieger, der blinzelnd seine Augen aufschlug.
»Beute?«, miaute Wolfsfeuer schläfrig.
Klippenfall nickte, trug seinen Fang zu Wolfsfeuers Nest und legte sie neben ihm ab.
Wolfsfeuer. Der Geisterkater hatte ihm seinen Namen für seine Kraft, aber auch für seine Reizbarkeit gegeben. Hagelsturm hatte Klippenfall auf dem Weg in die Berge immer wieder voller Genugtuung erzählt, der junge Kater würde ganz bestimmt den Namen Wolfsschatten erhalten. Der Geisterkater hingegen hatte erkannt, dass der junge Krieger zwar ein streitlustiger Zeitgenosse war, der vor keiner Beleidigung zurückschreckte, aber auch eine andere Seite in ihm steckte. Eine Seite, die seinem Clan treu ergeben war und die seinen harschen Worten keine Taten folgen lassen würde.
Schweigend teilten die beiden Kater sich die Maus und das Kaninchen, während sich die Wolkendecke über ihnen weiter zuzog.
»Wir sollten uns beeilen«, knurrte Wolfsfeuer. »Es sieht aus als könnte es Regen geben, ich will vorher im NachtClan-Lager ankommen.«
Klippenfall bezweifelte, dass sie so schnell sein würden. Eine halbe Tagesreise hatten sie sicherlich noch vor sich und bis dahin würde es entweder regnen, oder die Wolken wären an ihnen vorbei gezogen. Dennoch schlang er schnell den letzten Bissen der Beute hinunter und machte sich daran, die Reste zu vergraben.
***
Wenig später befanden sie sich auch schon auf dem Weg durch die Zweibeinerfelder. Auf dem offenen Grasland wehte der eisige Wind weitaus stärker und ließ Klippenfall zittern.
»Da sind Katzen«, miaute Wolfsfeuer. In seinem Tonfall mischten sich gleichermaßen Verwunderung und Verachtung. »Hagelsturm und Blitz! Was suchen die denn noch hier, sollten sie nicht schon längst bei den Clans angekommen sein?«
Klippenfall kniff die Augen zusammen und spähte über das Feld hinüber zu der kleinen Gruppe von Katzen. Es waren tatsächlich Hagelsturm und Blitz, doch sie waren nicht allein. Blue und Cloud waren bei ihnen.
Verwirrt musterte Klippenfall die vier Katzen, während er und Wolfsfeuer sich ihnen näherten. Er wunderte sich weniger darüber, dass seine Schwester die Clans noch nicht erreicht hatte - dafür würde sie schon gute Gründe haben, beispielsweise ihre verletzte Pfote - vielmehr fragte er sich, was genau ein Gespräch mit Blue und Cloud zu einem dieser guten Gründe machte.
Nur zu gut erinnerte sich Klippenfall daran, wie sehr Hagelsturm darauf gebrannt hatte, zu den Clans zurückzukehren, nachdem sie von ihren Kriegerahnen geträumt hatte. Was haben diese beiden Hauskätzchen zu berichten? Es muss wichtig sein, wenn Hagelsturm sich davon aufhalten lässt.
Als er noch näher kam, konnte Klippenfall endlich erste Wortfetzen des Gespräches verstehen und allmählich begann er sich zusammenzureimen, was wohl geschehen war.
***
»Da ist eine Gefahr«, miaute Hagelsturm aufgeregt. »Aber Cloud und Blue wollen erstmal BlattClan-Katzen werden, was nicht geht, schließlich sind sie Hauskätzchen. Blitz hatte einen Plan, er hat nur nicht geklappt.«
Hagelsturms etwas wirre Beschreibung der Ereignisse ließ Klippenfall die Augen verdrehen. Zum Glück hatte er schon zuvor aus dem Gespräch herausgehört, was los war: Offenbar hatten Blue und Cloud etwas entdeckt, was den drei Clans gefährlich werden konnte, wollten diese Information jedoch erst herausrücken, wenn sie wieder in den BlattClan aufgenommen werden würden. Blitz’ Plan, Blattsterns Zustimmung nur vorzutäuschen, war in dem Moment gescheitert, in dem die beiden Hauskätzchen zufällig gesehen hatten, wie sie und Hagelsturm an der Böschung dieses Grabens schliefen. Außerdem schien Hagelsturm davon auszugehen, dass die Beobachtung der beiden Hauskätzchen mit der Prophezeiung zusammenhing.
Unmöglich ist das natürlich nicht, dachte sich Klippenfall. Es war schon etwas merkwürdig, dass sie beide Warnungen innerhalb so kurzer Zeit erhielten. Andererseits konnte es sich auch um einen Zufall handeln.
»Sie wollten uns anlügen! Meine Jungen mögen erwachsene Katzen sein und nicht mehr auf mich angewiesen, aber ich vermisse sie so sehr!«, riss Klippenfall Clouds aufgebrachtes Jaulen aus seinen Gedanken.
»Was ist hier eigentlich los?«, mischte sich nun Wolfsfeuer ein.
»Ich habe doch schon gesagt, dass…«, begann Hagelsturm, doch Blitz stupste sie an und begann dann selbst kurz und knapp zusammenzufassen, was Klippenfall schon wusste.
Am Ende nickte Wolfsfeuer und wirbelte dann mit ausgefahrenen Krallen und gesträubtem Fell zu Blue und Cloud herum.
»Ihr werdet uns jetzt verraten, was ihr über diese Gefahr wisst, die ihr entdeckt habt! Ich werde meine Zeit bestimmt nicht mit zwei sturen Hauskätzchen wie euch vergeuden«, fauchte er.
Klippenfall ahnte, dass dies eine leere Drohung war. Oder zumindest hoffte er es.
Auf Blue schien es hingegen die gewünschte Wirkung zu haben. Der Kater wich eingeschüchtert zurück und warf einen hastigen Seitenblick zu seiner Gefährtin hinüber. »Sollten wir es ihnen nicht besser zeigen?«
»Wir vergeuden unsere Zeit nicht!«, widersprach Hagelsturm. Sie trat mit gesträubtem Fell und ausgefahrenen Krallen neben Wolfsfeuer, wobei sie offensichtlich darauf achtete, ihm nicht zu nah zu kommen. »Trotzdem solltet ihr besser tun, was er gesagt hat!«
Wäre die Situation nicht so angespannt gewesen, hätte Klippenfall bestimmt belustigt schnurren müssen. Fast schon meinte er spüren zu können, wie Hagelsturms ewige Feindschaft mit Wolfsfeuer gegen ihre Wut auf Blue und Cloud ankämpfte.
»Nein!« Cloud sprang auf die beiden NachtClan-Krieger zu. »So schnell gebe ich nicht auf. Nicht, wenn es um meine Jungen geht!«
Erstaunt musterte Klippenfall das Hauskätzchen. Er hatte noch nie erlebt, dass sie so viel Mut gezeigt hatte.
Als sich auch noch Blitz mit entschlossenem Gesichtsausdruck zu Hagelsturm und Wolfsfeuer gesellte, fragte sich Klippenfall unwillkürlich, ob er denn der einzige wäre, der noch bei Verstand geblieben war. Kopfschüttelnd beobachtete er die Katzen, die mit den Schweifen peitschten und aussahen, als ob sie sich im nächsten Augenblick kreischend aufeinander stürzen würden .
»Cloud, du solltest uns sagen, um welche Gefahr es sich handelt«, versuchte er es noch einmal.
»Niemals!«
Klippenfall seufzte, obwohl er bereits mit dieser Antwort gerechnet hatte. »Denk an deine Jungen…«
»Das tue ich! Seit ich gezwungen wurde, den BlattClan zu verlassen, hat es keinen Augenblick mehr gegeben, in dem meine Gedanken nicht bei ihnen waren«, unterbrach ihn Cloud.
»Ich weiß«, miaute Klippenfall. »Aber auch sie leben in den Clans. Wenn du uns nicht verraten willst, was du gesehen hast, dann sind auch sie in Gefahr. Was deinen Wunsch angeht, wieder eine BlattClan-Katze zu werden, so werden wir noch einmal mit Blattstern sprechen. Mehr können wir nicht tun.«
Angespannt wartete Klippenfall ab. Hatte er sein Ziel erreicht?
Für ein paar Herzschläge regten sich weder Cloud noch die drei Katzen, die ihr zum Angriff bereit gegenüberstanden. Dann fiel Clouds angespannte Haltung in sich zusammen und sie zischte: »Nun gut. Wir gehen und zeigen es euch. Aber ihr sprecht mit Blattstern, ja?«
Auch Hagelsturm legte ihr Fell an und zog ihre Krallen ein. »Wohin müssen wir?«
»Erst einmal zurück zum Zweibeinerort.«
Kaum hatte Blue geantwortet, preschten Hagelsturm und Blitz Seite an Seite los. Blue selbst trat zu seiner Gefährtin und murmelte ein paar aufmunternde Worte, bevor die beiden den Kätzinnen folgten. Als Klippenfall sich Wolfsfeuer zuwandte, sah der junge Krieger jedoch ganz und gar nicht begeistert aus.
»Ich gehe zu den Clans. Was auch immer Hagelsturm von all diesen Hauskätzchen will, ich muss den NachtClan warnen.« Hagelsturms Namen spuckte Wolfsfeuer aus wie ein Stück fauliger Frischbeute.
Klippenfall nickte zustimmend. Der Vorschlag schien vernünftig, auch wenn es Wolfsfeuer dabei wohl auch darum ging, Hagelsturm aus dem Weg zu gehen.
Während Klippenfall hinter den anderen her eilte, kreisten seine Gedanken um Blattstern. Bestimmt würde sie sich weigern, Blue und Cloud wieder aufzunehmen. Darauf hätte er einen Mond Frischbeute verwettet, obwohl es ihm schwerfiel die Anführerin richtig einzuschätzen. Einer der Gründe, aus denen er ihr noch immer misstraute. Vor allem aber beunruhigte es ihn, dass er sich noch immer nicht erklären konnte, warum sie damals bei ihrer Kriegerprüfung Sam entführt und in die Berge zur Streunerbande gebracht hatte.
***
Platsch. Etwas Nasses klatschte auf Klippenfalls Nase und der junge Krieger hob den Kopf in den Himmel. In einer schmuddeligen Mischung aus Grautönen hing die Gewitterwolke am Himmel direkt über ihren Köpfen. Schon seit sie wieder bei der Schlucht angekommen und ihr bis zum Zweibeinerort gefolgt waren, hatte der Wind immer weiter zugenommen. Mittlerweile war er zu einem Sturm geworden, der die Bäume um Klippenfall herum so stark zum schwanken brachte, dass das Holz knarzte und der Krieger fürchtete, sie würden ihm im nächsten Augenblick auf den Kopf fallen.
Gerade waren sie an einem schmalen Donnerweg angelangt, der aus dem Zweibeinerort kam, abbog und vor ihnen geradeaus weiter führte. Blue und Cloud zögerten nicht, ihn zu betreten und trotz des allgegenwärtigen Gestanks nach Monstern darauf entlang zu gehen. Auf beiden Seiten des Donnerweges erhoben sich Zweibeinernester in die Höhe und hätte Klippenfall dahinter nicht eine Reihe von Baumwipfeln erspäht, hätte er gedacht, die beiden Hauskätzchen würden sie nun geradewegs in den Zweibeinerort führen.
Ein weiterer Regentropfen fiel auf Klippenfalls Pelz, als er, Hagelsturm und Blitz den Hauskätzchen am Rande des Donnerwegs folgten. Ihr Weg führte an einer Buchsbaumhecke entlang und immer deutlicher war zu hören, wie die Tropfen auf die immergrünen Büsche prasselten. Gleichzeitig schuf der Regen auf dem zuvor einheitlich grauen Donnerweg ein gesprenkeltes Muster. Überall um die kleine Katzengruppe herum wirbelte totes Laub durch die Luft und ab und an riss der Wind sogar Zweige von einigen umstehenden Bäumen.
»Cloud!« Blues Miauen ging im Heulen des Windes beinahe unter. »Wir sollten bei unseren Hausleuten Unterschlupf suchen, bis sich dieses Unwetter wieder gelegt hat.«
Hagelsturm fuhr mit peitschendem Schweif zu ihnen herum. »Ich werde bestimmt nicht in ein Zweibeinernest gehen!«, protestierte sie und sprach damit aus, was auch Klippenfall dachte.
Gerade wollte er fragen, wie weit es noch war und ob er nicht mit Hagelsturm allein weiter gehen könnte, als sich ein weiteres Geräusch unter das Rauschen des Windes in den Bäumen mischte. Doch bevor Klippenfall sich nach der Ursache umsehen konnte, erhaschte er einen Blick auf einen Ast, dick genug um eine Katze zu erschlagen, der nur noch an einem dünnen Streifen Holz am Baumstamm hing. Der Wind zerrte an ihm und war drauf und dran, ihn ganz abzureißen. Er würde abstürzen und zwar direkt auf Hagelsturm, Cloud und Blue. Die stritten noch immer darüber, ob sie weiter gehen sollten oder nicht. Von der Gefahr, in der sie schwebten, ahnten sie nichts.
»Vorsicht!«, schrie Klippenfall. »Über euch!«
Die Blicke der übrigen Katzen schossen nach oben - gerade noch rechtzeitig. Das Krachen, mit dem das Holz endgültig zersplitterte, übertönte den Wind, der um die Ecken pfiff und das andere Geräusch, ein seltsames Röhren, das allmählich lauter wurde… Klippenfall kannte es irgendwoher, aber es blieb ihm keine Zeit darüber nachzugrübeln.
Hagelsturm und Blue brachten sich mit einem Sprung über einen niedrigen Zweibeinerzaun in Sicherheit, während Cloud auf den Donnerweg auswich und dem herabstürzenden Ast so um Haaresbreite entkam.
Erleichtert wollte Klippenfall aufatmen, doch genau in diesem Moment traf ihn eine Erkenntnis wie ein Donnerschlag. Er wusste auf einmal wieder, was das für ein Röhren war. Ein Monster!
In diesem Augenblick tauchte das Monster in der Kurve des Donnerwegs auf und schoss genau auf Cloud zu. Ein Gewirr von Zweigen, das mit dem Ast herabgestürzt war, versperrte ihr den Weg zu Blue und Hagelsturm, in Sicherheit. Nur noch knapp zwei Baumlängen trennten sie von dem Monster, doch Cloud stand nur starr vor Schreck auf dem Donnerweg.
»Cloud! Geh da weg!«, schrie Blue und sah wild zwischen Cloud und den anderen Katzen hin und her. »Helft ihr!«
»Los, du musst versuchen, über den Ast zu springen!«, rief Klippenfall Cloud zu. Für alles andere würde ihr keine Zeit bleiben.
Endlich kam wieder Leben in die Kätzin, sie kauerte sich auf den Boden, spannte die Muskeln an, katapultierte sich in die Luft - doch zu spät. Das Monster, erwischte sie und schleuderte sie zurück auf den Donnerweg.
Vor Schreck aufjaulend eilte Blue zu seiner am Boden liegenden Gefährtin. Klippenfall tappte ebenfalls über den Donnerweg auf sie zu und auch Hagelsturm und Blitz stürmten zu ihr.
Blutgeruch lag in der Luft, doch Klippenfall konnte erleichtert aufatmen, als Cloud den Kopf hob und versuchte, aufzustehen. Sie lebt!
Vor Schmerz verzog Cloud das Gesicht und sackte wieder auf den Boden zurück. Der Blutgeruch stammte von einer Schürfwunde, die sich sie bei dem Aufprall auf dem Donnerweg zugezogen haben musste, doch das war wohl kaum der Grund für ihre Schmerzen. Viel schlimmer war eines ihrer Hinterbeine, das in einem unnatürlichen Winkel abstand.
Innerlich fluchend sprang Klippenfall die letzte Fuchslänge zu Cloud und Blue hinüber. Warum muss das gerade dann passieren, wenn Wolfsfeuer nicht dabei ist? Der jüngere Krieger mochte oft ein schwieriger Zeitgenosse sein, doch er hatte von ihnen allen mit Abstand das meiste Heilerwissen. Zwar bezweifelte Klippenfall, dass er in der Lage war, gebrochene Knochen zu richten, doch er hätte sich bestimmt nicht so ratlos gefühlt wie Klippenfall in diesem Moment.
»Was sollen wir jetzt tun?« Hagelsturm tigerte unruhig auf und ab.
»Das Bein muss versorgt werden«, überlegte er laut. »Aber ich denke, keiner von uns weiß, wie das geht, oder? Wir könnten es natürlich versuchen, nur sollte uns bewusst sein, dass es dadurch auch noch schlimmer werden könnte. Die zweite Möglichkeit wäre, dass wir zum NachtClan gehen und Tropfenwolke und Mückenpfote holen, was bestimmt bis zum nächsten Sonennaufgang dauern würde. Kannst du so lange warten, Cloud?«
Zitternd sah Cloud Klippenfall an. »Ich…«
In diesem Augenblick ertönte irgendwo zwischen den Zweibeinernestern ein Jaulen. Hektisch sah sich Klippenfall um und entdeckte einen Zweibeiner, der an einem silbrig glänzenden Stab eine schwarze Haut über seinen Kopf hielt. Scheinbar schützte er sich damit vor dem strömenden Regen, während er zum Donnerweg rannte. Hagelsturm musste ihn ebenfalls entdeckt haben, denn sie schoss an Klippenfall vorbei und tauchte unter eine nahe Hecke. Auch Klippenfall suchte unter den Zweigen Schutz, die kaum als Versteck taugten, so wenige Blätter wie noch daran hingen.
Der Zweibeiner schien sie trotzdem nicht zu bemerken, oder - und das hielt Klippenfall für wahrscheinlicher - sie waren ihm schlicht und einfach egal. Blitz, die kopfschüttelnd quer über den Donnerweg auf sie zugetrottet kam, schenkte der Zweibeiner schließlich auch keine Beachtung.
»Habt ihr Angst vor den Zweibeinern?«, neckte sie die beiden Krieger unter der Hecke mit belustigt funkelnden Augen.
»Wir sind Clankatzen!«, verteidigte sich Hagelsturm. »Wir wollen mit den Zweibeinern nichts zu tun haben und ich will nicht von ihnen mitgenommen werden wie Cloud!«
Klippenfall sah sich nach dem Zweibeiner um und bemerkte, dass er seine Pfoten unter Clouds Bauch geschoben hatte und sie umständlich hochhob. Ein schmerzerfülltes Jaulen drang zu ihnen herüber, als dabei Clouds verletztes Bein dabei bewegt wurde.
Hagelsturm kroch unter der Hecke hervor und sprang dann auf die Pfoten. »Sollen wir tatenlos herumstehen und zusehen, wie der Zweibeiner sie gefangen nimmt?«
»Mäusehirn. Das müssen die Hausleute von Blue und Cloud sein, sie werden ihr helfen!«, schnurrte Blitz.
Zustimmend nickte Klippenfall. Zumindest in einem Punkt hatte Blitz auf jeden Fall recht: Dies musste einer der Hausleute der beiden Gefährten sein. Als Blue vorgeschlagen hatte, bei ihnen Zuhause Unterschlupf zu suchen, hatte er auf das Zweibeinernest gezeigt, aus dem der Zweibeiner eben gekommen war.
Was den Punkt betraf, dass Cloud geholfen werden würde, war Klippenfall sich nicht sicher. Eher würde er sich bereit erklären all seine Zweifel gegenüber Blattstern zu vergessen, als einem Zweibeiner zu vertrauen.
***
Der Regen fiel in Strömen auf die drei Katzen hinab, trommelte hinter ihnen auf den Donnerweg und tropfte vor ihnen von den Bäumen.
Blue hatte ihnen verraten, dass das was sie suchten, in diesem Wald verborgen liegen sollte. In all der Aufregung hatte er es nur noch geschafft, ihnen eine kurze Wegbeschreibung zu geben: »Da fließt ein Bach… Irgendwo. Ihr findet ihn schon… Irgendwie. Folgt ihm einfach.« Dann war er hinter Cloud und dem Zweibeiner her gerannt.
Nur wenige Fuchslängen vor Klippenfalls Pfoten erhoben sich die ersten Baumstämme aus dem toten Laub am Boden. Das Grün der Nadelbäume mischte sich mit den rot, gelb und braun gefärbten Blättern einiger Laubbäume. Die übrigen Bäume waren bereits kahl, sahen aus wie Gerippe. Nur den besagten Bach konnte Klippenfall nirgends entdecken.
»Wir sollten uns aufteilen«, schlug Blitz vor. »Irgendwann muss dieser Bach ja aus dem Wald raus fließen. Demnach werden wir ihn finden, wenn wir in beiden Richtungen am Waldrand entlang gehen.«
»Gute Idee!«, miaute Hagelsturm. »Wir beide könnten ein Team bilden, Blitz!«
Klippenfall hingegen zögerte noch. Je nachdem wie weit sie vom Bach entfernt waren, würde es, wenn sie Erfolg bei ihrer Suche hatten, schwierig werden, dies den anderen mitzuteilen. Sie könnten sich natürlich bei Sonnenhoch wieder hier treffen… Oder aber…
»Nein, wir sollten zusammen bleiben und gehen dort entlang«, miaute er und zeigte mit dem Schweif nach links. »Auf der anderen Seite scheint der Waldrand zurück Richtung Schlucht zu führen. Läge unser Ziel in dieser Richtung, wären wir einen Umweg gegangen. Ich denke, Blue und Cloud wären wohl den kürzesten Weg gegangen.«
»Dir ist schon klar, dass Bäche nicht immer geradlinig fließen und dass Blue und Cloud vielleicht querfeldein durch den Wald gehen wollten«, murmelte Blitz vor sich hin, trabte aber dennoch hinter Klippenfall und Hagelsturm her, die schon losgelaufen waren.
Es sollte sich herausstellen, dass Klippenfall recht gehabt hatte. Allerdings war Sonnenhoch schon vorüber, als sie den Bach endlich erreicht hatten. Dem SternenClan sei Dank war ihr Marsch durch den Wald danach nur noch von kurzer Dauer.
»Da, das sieht aus wie ein Lager!«, rief Hagelsturm und hüpfte über den Bach.
»Nicht so…« Laut, hatte Klippenfall sagen wollen, doch als er zwischen den Baumstämmen hindurch die nahe Lichtung erspähte, zu der Hagelsturm unterwegs war, verstummte er. Es hatte keinen Zweck mehr, sich heimlich, still und leise anzuschleichen. Das Lager war verlassen, oder schien zumindest so. Wir sind zu spät!
Klippenfall kam an einer kleinen Ansammlung von Nestern unter einem Holunderstrauch vorbei, während er und Blitz hinter Hagelsturm die Lichtung betraten. Das lange Gras, das hier überall wucherte, war auf der gesamten Lichtung plattgetrampelt. Trotzdem sahen die Pflanzen am Boden noch recht kräftig aus, während im NachtClan-Lager nur noch staubiger Boden war, wo die Katzen tagtäglich entlang gingen. Scheinbar waren die Katzen nur auf der Durchreise gewesen. Der Eindruck verstärkte sich noch, als sich Klippenfall am Rand des Lagers umsah. Nur das gewöhnliche Unterholz des Waldes. Kein aufwändiger Lagerwall wie daheim im NachtClan.
Wer sind diese Katzen, die hier ihr Lager hatten? Und vor allem: Warum waren sich Blue und Cloud so sicher, dass sie eine Gefahr darstellen?, fragte sich Klippenfall. Wenn ich nur ihren Geruch irgendwo finden könnte… Doch der Regen hatte ihn mittlerweile fortgewaschen.
»Klippenfall! Komm hierher, schnell! Das musst du dir ansehen.« Die bis auf den Boden hängenden Äste einer Fichte erbebten und Hagelsturm kam darunter hervor geschossen.
Wahrscheinlich könnte ich mit dem Geruch dieser Fremden sowieso nicht viel anfangen, dachte sich Klippenfall, während zu seiner Schwester hinüber lief.
Neben Hagelsturm blieb er stehen, spähte unter den Zweigen der Fichte hindurch und erstarrte. Unter dem Baum war jede Schnurrhaarbreite Boden von Moospolstern bedeckt. So viele Nester! Diese Gruppe muss so groß sein wie der gesamte NachtClan!
»Du musst schon in den Bau hinein gehen«, forderte Hagelsturm ihn auf.
Das Moos, auf das Klippenfall nun trat, war vom Regen verschont geblieben. Hier hing noch immer der Geruch der Fremden in der Luft. Nur dass es sich eigentlich gar nicht um Fremde handelte, wie Klippenfall erkannte. Auf einmal begann so einiges einen Sinn zu ergeben, wenngleich an anderer Stelle neue Widersprüche lauerten.
***
Moin!
Ich wette, ihr habt schon eine Vermutung, wessen Lager Klippenfall, Hagelsturm und Blitz entdeckt haben könnten. Aber ob sie auch zutrifft, wir werden es sehen… ^^
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