Erster Akt / Dritte Szene
Dasselbe Krankenzimmer. Narayana allein.
NARAYANA: Einsamkeit ist geselliger als die Anwesenheit dieses bösen Geistes. Er saugt das Leben aus allem und nennt sich selbst „die Perfektion". Der Tod, die große Endgültigkeit, die Auflösung aller Eigenschaften sei das Ziel allen Strebens. Perfektion gäbe es nur in der Standhaftigkeit, im Ende aller Entwicklung, allen Wandels, im Widerstand gegen den Prozess und der Huldigung des Absoluten.
Ich habe ihn durchschaut, ich habe ihn durchdacht, ich habe ihn genährt und ihm Schutz gegeben. Aber er liegt falsch. Die Sinnlosigkeit ist impliziert, nicht gegeben. Das Leben ist eine Möglichkeit, nicht automatisches Scheitern. Und es ist nicht dieses Leben, das die Individualität raubt. Der Tod ist der große Gleichmacher. Das Verderben die Entmenschlichung.
Er glaubt, ich ließe mich füttern. Er glaubt, Freiwilligkeit sei das Resultat einer Gehirnwäsche. Er glaubt, sie gewöhnen einem das Denken ab. Dabei dachte ich noch nie so klar wie jetzt. Ein Ort der Heilung – wie dieser – zerstört die Zerstörung, nicht die Ambition. Ein Ort der Linderung, schreckt den Schrecken, nicht die Erkenntnis. Und der Kampf hat erst begonnen. Es gibt so viele Feinde, er ist lediglich der erste, der dümmste, der leichtsinnigste, der arroganteste, der bereit ist, sich zu zeigen, der sich auf dieses Spiel einlässt. Siegessicher... Pah!
Es gibt zwei Sorten von menschlichen Charakteren und in diesen Räumen hier zeigt sich, aus welchem Holz man geschnitzt ist. Hier stehen wir nackt und ohne Ausweg. Die Wände verlangen ein Bekenntnis, wenn sie dich wieder freigeben sollen. Zwei Sorten von Menschen, heißt es: Die einen drücken sich aus, die andern machen sich über diesen Ausdruck lustig. Es sind die Künstler und die Kunstkritiker, die Verzweifelten und die Erbärmlichen. Sie beide teilen ein Schicksal: Die Unzufriedenheit und die Neigung zur Aggressivität. Der Mensch und seine beiden Antriebe... Die Charaktere unterscheiden sich lediglich im Umgang mit diesen beiden Grundvoraussetzungen zur Menschlichkeit: Richten sie die Aggression gegen sich selbst, so sind es Künstler. Richten sie sie gegen andere, so sind sie Kritiker und Feiglinge.
Er, nicht mehr als ein Geist, nicht mehr als eine kranke Idee, materialisierte Angst, zynischer Kommentator und Peiniger der sich nur langsam schließenden Wunden, die er wohl dereinst selbst schlug, er hält sich für einen Künstler. Er negiert das Schema, er negiert die Menschlichkeit an sich, ihren Wert, ihre Bedeutung und ihre Möglichkeiten. Er hält sich für einen Künstler, dessen Kunst darin besteht, die Errungenschaften anderer niederzudrücken, sie zu zertreten, zu besudeln. Kritik ist ihm nicht genug. Er will verletzen. Er will der Kunst die Heilsamkeit nehmen und durch Zerstörung ersetzen.
Ich, nicht mehr als ein Schatten, nicht mehr als eine vage Idee, materialisierte Hoffnung, zurückhaltender Beobachter und Pfleger der fremdverschuldeten Wunden, ich halte mich noch nicht, nicht mehr für einen Menschen. Nicht Künstler, nicht Kritiker. Patient will ich sein, bis die Mauern sich öffnen und mir erlauben, zurückzukehren in eine Welt, die Stärke erwartet, menschliche Stärke, die ich bisher nicht aufzubringen in der Lage bin. Zu schwach haben mich die Wunden werden lassen, die ich mir zufügen ließ.
Und so lange ich diese Stärke nicht besitze, so lange bin ich kein Mensch, kein Künstler, kein Kritiker. Ein Schatten bin ich, eine vage Idee. Verschwommene Konturen noch, unsicher über meine endgültige Form. Ich warte. Ich kooperiere. Ich sammele Einflüsse.
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