Dritter Akt / Zweite Szene

Das Krankenzimmer. Narayana. Der Arzt kommt hinzu.

ARZT: Sie haben gegessen?

NARAYANA: Ja.

ARZT: Wir glauben an Ihren Fortschritt und schenken Ihnen Schritt für Schritt mehr Vertrauen und Freiheiten.

NARAYANA: Das ist sehr großzügige.

ARZT: Wir sind an Ihrem Wohlbefinden interessiert. Nicht Sie sollten an unserem interessiert sein! Denken Sie öfter man an sich, statt an andere.

NARAYANA: Ich denke pausenlos an mich selbst. Ich wünschte, damit könnte ich aufhören!

ARZT: Sie denken nicht an sich, sondern an Ihr altes Ich, das Sie loswerden wollen.

NARAYANA: Es will einfach nicht verschwinden.

ARZT: Ist es denn jetzt hier?

NARAYANA: Es ist immer da. Im Schatten lauert es. Hinter den Fenstern. Auf der anderen Seite der Wände.

ARZT: Sie müssen es gehen lassen! Lassen Sie es los! Ignorieren Sie es!

NARAYANA: Ich bin sehr schlecht darin, Dinge zu vergessen, wegzuwerfen oder zu löschen. Es fühlt sich an, als würde ich einen Teil von mir verleugnen.

ARZT: Aber nicht doch...

NATARAJA: (aus dem Off) Selbstverstümmelung ist es!

ARZT: Haben Sie etwas gesagt?

NARAYANA: Nein.

NATARAJA: Sag es ihm!

NARAYANA: Nein.

NATARAJA: Sag es! Er will dich mehr verletzen, als du es selbst jemals könntest! Er ist ein Seelenschlächter! Sag es ihm!

NARAYANA: Nein.

ARZT: Ist ja schon gut.

NARAYANA: Glauben Sie an Geister?

ARZT: Wie meinen Sie das?

NARAYANA: Ob Sie an Geister glauben? Wesen, die mit uns in Kontakt treten... aus dem Jenseits oder... ach vergessen Sie es.

ARZT: Glauben Sie denn an solche Geister?

NARAYANA: Es würde mir helfen.

ARZT: Der Glaube oder die Geister?

NARAYANA: Die Gewissheit, nicht verrückt zu sein.

NATARAJA: (aus dem Off) Alle Gläubigen sind verrückt!

NARAYANA: Zu Glauben, bedeutet, etwas nicht immer und wieder denken und überprüfen zu müssen. Es würde helfen, glaube ich, nicht mehr denken zu müssen.

ARZT: Sind denn in diesem Augenblick, Geister mit uns in diesem Raum?

NATARAJA: Es ist nichts in diesem Raum. Nur ein Mensch ohne Meinung und ein Mensch ohne Persönlichkeit.

NARAYANA: Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin ein Geist und weiß es nur nicht, deshalb wirken alle Menschen auf mich wie Geister. Mir ist alles so fremd, was für andere völlig normal zu sein scheint. Ich bin so unsicher und zögerlich, wo andere völlig überzeugt daher reden und handeln. Ich glaube, ich bin ein Geist.

ARZT: Aber Sie sitzen doch hier vor mir! Natürlich sind Sie ein völlig normaler, kranker Mensch und wenn Sie erst wieder gesund sind, werden Sie sich auch wieder wie ein solche fühlen und Ihren Alltag bewältigen können!

NATARAJA: Ein Mensch in seiner Definition ist ein Roboter! Sag es ihm!

NARAYANA: Nein.

NATARAJA: Er will dich deines Geistes berauben, indem er ihn verleugnet!

NARAYANA: Nein.

ARZT: Aber sicher doch. Natürlich werden Sie ein normales Leben führen können.

NATARAJA: Aber das willst du nicht! Sag es ihm!

NARAYANA: Nein.

ARZT: Seien Sie doch nicht so negativ! Gestehen Sie sich selbst etwas Ruhe und Erholung zu. Sie müssen akzeptieren, dass sie im Augenblick nicht gesund sind, aber wir können das ändern!

NATARAJA: Gesund sein in einer kranken Welt, bedeutet, dass man in einer gesunden Welt als krank erkannt würde! Sag es ihm!

NARAYANA: Ich würde lieber etwas an den Umständen ändern als an meinen Ansichten.

ARZT: Aber es sind diese „Ansichten", die Ihnen schaden.

NATARAJA: In einem System, in dem selbst die Würde einen Marktpreis hat, birgt nur die Zerstörung noch einen wahrhaftigen Wert.

NARAYANA: Ich bin nicht sicher, ob „Schaden" nicht genau das ist, was ich will.

ARZT: Was reden Sie denn da?

NATARAJA: Da hat ja die Krankenschwester mehr Feingefühl!

NARAYANA: Bitte sei still! Bitte lass mich in Frieden!

ARZT: Sie sind ja völlig aufgelöst! Soll ich Ihnen ein Beruhigungsmittel verabreichen?

NATARAJA: Ja, lass dich ruhig stellen! Zombie!

NARAYANA: Ja, bitte! Geben Sie mir irgendetwas! Dieser Geist soll verschwinden! Er soll sich auflösen!

ARZT: (reicht ihm eine Tablette) Hier, nehmen Sie das. Es sollte Ihnen dann gleich besser gehen.

NARAYANA: Da, dort hinter den Nebel verschwindet er. Leise und leichtfüßig, fast schwebend. Zurück bleibt der Leib, die Maschine. Orientierungslos und allein. Blind in Mitten des morgendlichen Dunstes, der sich nicht hebt und den wir zu ignorieren lernen sollen.

ARZT: So ist es gut. Lassen Sie das, was ihnen nicht gut tut, einfach gehen! Bleiben Sie hier und lassen Sie das andere verschwinden.

NARAYANA: Es ist still jetzt.

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