thirteen
Stille breitet sich im Raum aus.
Es ist nicht nur Schweigen, es ist völlige, allumfassende Stille. Kein Gerät klappert mehr, keine Maschine piepst mehr, kein Lautsprecher rauscht mehr.
Vorsichtig geht Ruben Fletcher ein paar lautlose Schritte nach vorn. Sein Gesicht ist noch ganz rot vom angestrengten Schreien und er schluckt sichtbar, als er den kleinen Treppenabsatz verlässt, auf dem er gestanden hat. Vor ihm lehnt Nicolau Caminero regungslos an den Resten der zerbrochenen Plexiglasscheibe.
„Señor Caminero?" Fletcher beugt sich zu der leblosen Gestalt hinunter und räuspert sich. „Nicolau Caminero?"
Langsam regt sich der schlaffe Körper vor ihm. Caminero blinzelt, hebt eine Hand, als wollte er die Sonne abschirmen, doch es ist lichtleer hier. „Sie sind weg", presst er mit rauer Stimme und auf Spanisch heraus.
„Ich weiß", antwortet Fletcher leise.
„Wo sind sie?"
Fletcher schließt die Augen und hebt kaum sichtbar die Schultern. „Wir -"
In diesem Moment keucht hinter ihnen im Raum jemand hörbar auf. Beide Köpfe fahren herum.
„Señor Fletcher!" Catrina Boyvishs runde Augen sind weit geöffnet. „Sehen Sie sich das an!"
Fletcher erhebt sich mühsam und geht mit langen Schritten hinüber an den Schreibtisch, vor dem sich der Rest des Teams versammelt hat. Die anderen machen ihm bereitwillig Platz, obwohl er seiner natürlichen Größe wegen über die meisten von ihnen hinweg auf den Bildschirm blicken kann. Verschwommen und rauschig, aber doch erkennbar zeigt der Monitor den Schein einer Taschenlampe, der über Wurzeln, Blätter und zerklüftete Steine gleitet. Am ruckelnden Bild kann man erkennen, dass es sich wohl um die Aufnahme einer Kamera handeln muss, die an einem Helm oder einer Kappe festgemacht ist. Es ist der Innenraum einer Tempelruine, den sie filmt. Hier und da sind kleine Markierungen oder andere Hinweise vorgenommen, offensichtlich schon früher.
„Der Alarm ist schon vor ein paar Minuten losgegangen", sagt Boyvish leise, aber sie sagt es unsicher. Aus dem Lautsprecher dringt heftiges Atmen. Derjenige, der die Kamera trägt, muss schnell und weit gelaufen sein.
„Señor Iversen", sagt Fletcher deutlich.
Ein Rauschen.
„Ja." In diesem einen Wort steckt bereits unüberhörbare Fassungslosigkeit. „Ich habe was gefunden. Jemanden gefunden." Rascheln. Die Kamera wackelt kurz und dreht sich dann, sodass alles verschwimmt. „Sehen Sie."
Im Schein der Taschenlampe kauert die Gestalt eines kleinen Mädchens.
Schwarzes Haar fällt in ihr Gesicht, aber sie hebt den Kopf, als der Schein der Taschenlampe auf sie fällt. Ihre Züge sind trotz der schlechten Qualität der Aufnahme und der dunklen Strähnen erkennbar. Es ist dasselbe Kind, das auf einem Foto zu sehen ist, das keine zwei Meter entfernt von ihnen auf dem Schreibtisch Galathea Lahembras platziert ist. Zwei kleine Mädchen zeigt die Fotographie, zwei Schwestern. Eine davon ist Noelia Angeloz.
Die andere steht vor ihnen.
„Oh Gott", flüstert McCarty entsetzt. Eine Hand schnellt zu seiner Stirn, obwohl sie nicht verschwitzt ist. „Es ist Galathea Lahembra."
Stille.
Rauschen.
Fletcher schüttelt den Kopf. „Es ist Galathea Angeloz."
Das kleine Mädchen blinzelt träge. Iversen geht einen vorsichtigen Schritt näher zu ihr, aber der Lichtreflex, der von einer Waffe stammen muss, kann keinem entgangen sein. Vorsicht ist nun das oberste Gebot. Kindlich neigt die Kleine den Kopf und fährt sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Ihre Stimme ist hell und mädchenhaft. „Weder noch."
McCarty fährt sich noch einmal mit dem Handrücken über die Stirn. Puente und Boyvish sehen sich an. Fletcher ergreift das Wort. „Wie ist dein Name, Kleines?"
Sie verzieht die Mundwinkel ein wenig.
„Ich bin Peter."
Ein Lächeln, das phosphoreszierend grün-bläuliches Zahnfleisch entblößt.
„Peter Pan."
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