Kapitel 4-Deal

Als die Mandalorianerin am nächsten Morgen aufstand, wusste sie bereits genauestens, was sie tuen würde. Es war keine überstürzte, hastige Entscheidung gewesen, die sie auf die Schnelle getroffen hatte-ganz im Gegenteil. Sabine hatte sich die ganze Nacht Zeit genommen, um sich detailgenau zu überlegen, was sie nun tuen würde, und ebenso den ganzen Morgen. Nun erst erhob sie sich, erst jetzt, als sie sich sicher sein konnte, was sie tuen würde – und zu welchem Preis, unter welchen Bedingungen. Jetzt war sie bereit, sich dem Tag zu stellen.
Ein wenig erinnerte das die ehemalige Kadettin an die großen Prüfungstage an der Akademie, bei welchen Disziplin, blinder Gehorsam, Urteilsvermögen, Geschicklichkeit, Effizienz, Beweglichkeit und Geschwindigkeit getestet worden waren. Ganz systematisch waren die schlechteren Schüler ausgesiebt, die Spreu vom Weizen getrennt worden. Niemand wusste, was mit den Kadetten passierte, die ausschieden. Den verbliebenen Kadetten wurde weisgemacht, man habe sie zu ihren Familien zurückgeschickt – aber selbst die naivsten, treuesten Imperialen wussten, dass dies nicht der Fall war. Es häuften sich »Unfälle«, bei denen besagte ausgesiebte und auszusortierende Kadetten »verunglückten«. Schon damals, als sie dem Imperium noch treu gewesen war, hatte Sabine sehr stark daran gezweifelt, dass es sich hierbei um tatsächliche Unfälle handelte.

Jedenfalls, diese wichtigen Prüfungstage hatte sie ebenso begonnen wie den heutigen - indem sie viel zu früh aufwachte, den Geruch der Bettdecke und der stickigen Luft und des langsam zu kochen begonnenem Frühstücks in der Nase. Mit dem Unterschied, dass es hier lange nicht so stickig war – dafür, dass dieser modifizierte VCX-Frachter schon etwas in die Jahre gekommen war, besaß er scheinbar ein außerordentlich gutes Luftfiltersystem – und, dass sie allein war. Sabine hatte nichts dagegen, allein zu sein, hin und wieder genoss sie ihre Ruhe und brauchte Zeit für sich selbst. Aber sie verabscheute nichts so sehr wie die Einsamkeit, das Gefühl, jedem, dem sie über den Weg lief, vollkommen gleichgültig oder störend vorzukommen. Sie war immer liegen geblieben, bis auch der letzte Kadett erwacht war, war im stillen alle vorliegenden Daten noch einmal durchgegangen-manchmal im Kopf, manchmal auch auf ihrem Datapad, immer abhängig davon, wie viel sie schon über die Übungsmission wusste und worum es sich dabei handelte. Heute war es anders, denn sie hatte nichts von alledem. Nur das Wissen, dass sie sich in einem Schiff voller Fremder befand, die sie jederzeit hätten ausliefern können, und es immer noch jederzeit tuen konnten.
Langsam erhob sie sich, als sie endlich wusste, was sie nun tuen würde. Das begann damit, ihr provisorisches Schloss zu öffnen, es hinter sich erneut zu verriegeln, als sie hinaus getreten war, und sich ins Bad zu begeben. Dort machte sie sich erst einmal fertig, wie sie es schon seit einer ganzen Weile nicht mehr hatte tuen können. Einen richtigen Spiegel hatte sie schon seit sie die Akademie verlassen hatte nicht mehr gehabt. Das erste Problem bestand schonmal darin, ihre völlig verknoteten schwarzen Haare wieder irgendwie auseinander zu kriegen, in denen sich in den letzten Wochen einiges an Schlamm und Farbe gesammelt hatte. Selbst nach halbstündigem Waschen und auskämmen bekam sie das Zeug immer noch nicht ganz heraus, also griff sie kurzerhand zu der Schere, die neben dem Spiegel lag, und entledigte sich der langen schwarzen Locken, die sie kurzerhand unter den Ohren einfach abschnitt.
„Die langen Haare habe ich ohnehin gehasst....", redete sie sich selbst ein. „Sie fallen einem beim kämpfen dauernd ins Gesicht, es dauert ewig, bis sie trocknen, und eigentlich sind sie vollkommen nutzlos."
Sie drehte sich ein paar mal vor dem Spiegel, und irgendwie gefiel ihr der neue Look, auch wenn es vermutlich besser wäre, wenn jemand das Ganze noch nachschneiden würde. Und sie wurde das Gefühl nicht los, dass irgendetwas fehlte... Jetzt bekam sie auch endlich die restlichen lästigen Knoten heraus. Im Spiegel erkannte sie sich nun kaum wieder, aber irgendwie gefiel ihr das. Sie hatte ohnehin gern von vorn anfangen wollen – vielleicht war das hier ihre Chance dazu. Aber so weit wollte sie noch nicht denken. Auf dem Schrank lagen ein paar Wechselklamotten, mit einer Nachricht von Hera, dass sie die tragen könnte wenn sie ihre Sachen waschen wollte. Eigentlich war das keine blöde Idee. Während sie die Rüstungsplatten, die sie trug, abnahm, und an den anderen Klamotten befestigte, verschwanden ihre vollkommen verdreckten Klamotten kurzerhand in der kleinen Waschmaschine. Die Kombination aus Rüstung und viel zu orangenem Overall sah zwar ein wenig merkwürdig aus, aber es war immerhin nur vorübergehend.
„Notiz an mich selbst: Wechselklamotten besorgen, wenn das hier vorbei ist." Dann wusch Sabine sich noch einmal kurz das Gesicht, zog sich an und lief in die Küche. „Morgen.", grüßte sie niemand bestimmten und setzte sich.
Außer ihr befand sich eigentlich nur Hera in der Küche, die sie freundlich anlächelte.
„Gut geschlafen?"
Sabine zuckte die Schultern.
„Besser als seit längerem."
Sie hielt die Antworten möglichst knapp. Fürs Erste hatte sie eindeutig genug über sich preisgegeben.
„Möchtest du was essen?", erkundigte die Twi'lek sich und hielt ihr einen Teller hin.
Sabine nickte bloß kurz. Als Hera ihr den Teller übergab, bemerkte sie zum ersten Mal richtig, dass Sabine ihre Haare geschnitten hatte. Im nächsten Moment war die Pilotin wie erstarrt.
„Tut das nicht weh?"
„B-bitte was?", fragte die Mandalorianerin irritiert und warf ihr einen ebenso verwirrten Blick zu.
Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, worauf Hera hinaus wollte.
„Deine Haare. Hat das nicht weh getan?", erläuterte die Pilotin, immer noch ganz starr vor Schreck.
Bei dem Gedanken ihre Lekku zu kürzen schauderte es ihr. Jetzt musste das Mädchen sogar lachen, als ihr klar wurde, was sie meinte. Bei Twi'lek waren die Lekku ein Teil des Gehirns. Vermutlich verstand Hera nicht, dass es bei Menschen mit den Haaren nicht genau so war. Zwar war sie offensichtlich schon länger mit Kanan unterwegs, aber der sah auch nicht gerade so aus, als würde er sich oft die Haare schneiden – zumal es längst nicht so auffiel, wenn man sie immer auf einer Länge hielt.
„Nein, Blödsinn. Das ist ganz normal.", erklärte sie, aber Hera wirkte immer noch skeptisch.
„Sicher? Kanan hat das noch nie gemacht."
Sabine musste noch mehr lachen.
»Wusste ich es doch.«
„Das erkläre ich dir wann anders, einverstanden?"
Die Twi'lek nickte kurz und musste den Kopf einen Moment lang wegdrehen um das Bild auszublenden, wie ihr jemand am Gehirn herum schnitt.
Sabine begann währenddessen, stumm in ihrem Essen herum zu stochern. Einerseits war sie unglaublich hungrig – andererseits war sie sich nicht sicher, ob sie vor Nervosität und Aufregung einen einzigen Bissen herunter bekommen hätte, ohne ihn gleich wieder auszuspucken. Ihr war irgendwie schlecht.
„Hey, ist alles okay mit dir? Du bist ganz blass.", stellte die Pilotin neben ihr, welche sich inzwischen ein wenig beruhigt hatte, mit einem Mal besorgt fest.
„Ja, ich – mein Magen macht nur irgendwie gerade Blödsinn. Hab es wohl gestern mit dem Essen ein bisschen übertrieben, das war ich nicht mehr gewöhnt."
Hera strich ihr vorsichtig über die Haare. Ganz sicher, ob es nicht doch daran lag, dass das Mädchen sich die Haare gekürzt hatte, war sie sich nicht.
„Wenn es schlimmer wird sag Bescheid, okay?"
Sabine winkte ab.
„Ist halb so wild."
Seufzend nickte die Twi'lek. Das Mädchen erinnerte sie irgendwie an Kanan.
»Alles halb so wild...«
Diesen Satz sagte er auch ständig. Vor allem dann wenn es alles andere als halb so wild war.
„Hast du schon darüber nachgedacht was ich gestern gefragt hatte?"
Die Mandalorianerin nickte kurz.
„Habe ich. Was bekäme ich dafür?"
Eigentlich überraschte Hera die Frage nicht mal.
„Sie lassen euch auch von Kopfgeldjägern ausbilden, oder? Wie damals die Klone?"
„Weil ich zuerst danach frage?", lachte sie.
„Teilweise deswegen.", antwortete Hera und dachte kurz über eine angemessene Entlohnung nach. „Wie wäre es mit einer weiteren Nacht auf dem Schiff, einem warmen Abendessen und dreihundert Credits?" Sabine schlug ein.
„Wir haben einen Deal."

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