Kapitel 3-Misstrauen
„Du hast recht, Solo ist durchgerasselt.", antwortete Hera nach einer Weile wie aus dem Nichts heraus. „Er sollte einen Wookiee zu den Gewürzmienen nach Kessel bringen, aber besagter Wookiee hat sich überraschenderweise in Luft aufgelöst, weshalb Solo in einer der imperialen Verhörzellen festsitzt."
„Also bittet er euch um Hilfe?"
Sabine war mehr als skeptisch. Der Han, den sie kennengelernt hatte – falls man die sehr kurzen, sehr lästigen Gespräche, die sie hatte mit ihm führen müssen, überhaupt zählen konnte – hätte nie im Leben jemand anderen um Hilfe gebeten. Das war unter seiner Würde.
„Oh, nein, der Wookiee hat uns angefunkt und uns gebeten, Solo da raus zu holen. Scheinbar hat er den Wookiee nicht ganz unabsichtlich verschwinden lassen."
»Also ist Solo doch kein komplett herzloser Klotz? Überraschend.«, dachte sich Sabine.
Aber so unwahrscheinlich kam ihr das tatsächlich gar nicht vor. Klar, er hatte immer einen auf »bester Pilot der Galaxie« machen müssen, aber das hieß nicht, dass er Unschuldige einfach erschossen hätte. Aus seinem Jahrgang waren auch Leute verschwunden. Einem der Mädchen, das kurz vor seiner Abschlussprüfung verschwunden war, hatte er sogar sehr nahe gestanden. Nur, weil er ein Kotzbrocken war, war er noch kein Monster. Mehr wunderte sie sich eigentlich darüber, dass die Crew der Ghost tatsächlich bescheuert genug gewesen war, den Auftrag anzunehmen. In die Akademie einzubrechen war Selbstmord. Und der Grund dafür, ihm zu helfen, war sicherlich keine riesige Bezahlung. Die Leute hier mussten alle vollkommen irre sein.
„Und ihr habt einfach eingewilligt? Wer tut sowas?", machte sie ihrer Verwunderung schließlich Luft.
Noch einmal musterte die Mandalorianerin Hera mit wachen, dunkelbraunen Augen. Der orangene Pilotenanzug war ziemlich untypisch für eine Twi'lek, oder so kam es Sabine zumindest vor – auch wenn das wohl daran lag, wie das Imperium Fremdweltler gerne darstellte. Primitiv, gefährlich, zumeist ohne jegliche Intelligenz und außer als Sklaven kaum zu gebrauchen. Aber diese spezielle Twi'lek hier hatte etwas... etwas freies, idealistisches, kämpferisches. Und das gefiel Sabine sehr. Schon lange war sie niemandem mehr begegnet, der es wagte, für das zu kämpfen, woran er glaubte. Der sich traute, dem Bild, das ihm aufgezwungen wurde, zu widersprechen. „Was zur Galaxie seid ihr? So eine Art Weltraum-Rächer oder sowas?"
Hera lachte.
„So richtig sind wir gar nichts. Wir sind eine Crew, ein Team. Und fast wie eine Familie."
Sabine lächelte, aber sie wurde auch ein wenig traurig.
»Familie...«
Es war eine ganze Weile her, dass das Mädchen so etwas gehabt hatte.
Hera kam nicht umhin, zu bemerken, dass die Mandalorianerin das, was sie gesagt hatte, auf eine besondere Art berührte, aber sie wusste es besser als sich danach zu erkundigen.
„Wir helfen denen, die sich nicht selbst helfen können. Und ich hatte wirklich gehofft, dass du uns helfen kannst. Nicht nur uns hinzubringen, sondern vielleicht auch uns reinzubringen. Du kennst dich dort als Einzige von uns aus. Und es würde uns sehr viel bedeuten. Hilf uns. Zumindest dieses eine Mal." Die Twi'lek legte eine Hand auf ihre Schulter. „Du musst das nicht jetzt entscheiden. Schlaf ruhig erst mal eine Nacht darüber."
Mit diesen Worten war sie verschwunden.
Noch einige Minuten saß Sabine da, leerte langsam die Schüssel und dachte nach.
»Nur dieses eine Mal, und dann kannst du verschwinden. Mehr verlangen wir gar nicht von dir.«
Normalerweise würde sie ein solcher Satz sofort misstrauisch machen. Wer brauchte sich schon daran zu halten, was einem Straßenkind versprochen wurde? Aber hier war es anders. Es war nicht so, dass sie der Twi'lek blind vertraute, das beim besten Willen nicht. Andererseits war es allerdings auch nicht der Fall, dass sie glaubte, Hera würde sie belügen. Fast unheimlich war es ihr, wie sympathisch ihr die junge Frau bereits nach so wenigen Stunden war.
Mit diesem Gedanken stand die ehemalige Kadettin auf, spülte die Schüssel ordentlich aus, stellte sie in den Schrank und begab sich anschließend in die Kabine, die für die Nacht ihr Raum sein würde. Oh, wie gut es tat, mal wieder in einem richtigen, weichen Bett zu liegen, mit einer warmen Decke und einem Kissen, und nicht auf dem kalten Boden schlafen zu müsse. Noch lange schaute sie einfach nur an die Stahlwand des Schiffes. Zum ersten Mal seit Wochen musste sie nicht frieren, sich keine Gedanken über das Wetter machen, das sie sonst jederzeit aus dem Schlaf reißen konnte. Kein Wind, kein Regen, keine imperialen Patrouillen, die sie finden und wegsperren konnten. Und dann noch dieses irgendwie angenehme Gefühl von Sicherheit, von Geborgenheit. Aber gerade das brachte sie um einen ruhigen Schlaf. Diese trügerische scheinbare Sicherheit konnte sich in Sekundenschnelle in Nichts auflösen. Solche Angst hatte sie davor, doch getäuscht worden zu sein, dass es Stunden dauerte, bis sie endlich schlief. Es war ein unruhiger Schlaf. Sie träumte, anfangs sah sie allerdings nichts als Dunkelheit. Dann sah sie sich selbst in Ketten, der Lauf eines imperialen Blasters auf sie gerichtet. Und um sie herum diese Crew, die lachte und ihr Geld zählte. Die sie einfach ausgeliefert hatte. Als sie aus dem Schlaf schreckte, dachte sie einen Moment lang darüber nach, einfach zu rennen, fand aber schließlich doch eine Lösung, die sehr vorteilhaft und zufriedenstellend für alle Parteien war-sie verschloss die Tür von innen, verkabelte den Schließmechanismus neu und fügte ein Codeschloss hinzu. Danach konnte sie endlich in einen friedlichen, traumlosen Schlaf fallen.
Auch Kanan schlief mehr als unruhig. Er spürte die Nähe, die Unruhe und Angst, das tiefe Misstrauen des fremden Mädchens auf dem Schiff. Bei Zeb war es damals ganz anders gewesen – bei ihm hatte er sofort gewusst, ja, es sogar wortwörtlich spüren können, worauf er sich einließ, ob sein Gegenüber die Wahrheit sagte. Bei Sabine hingegen war er sich keinesfalls über auch nur irgendetwas sicher, so verwirrt und unsicher schien sie zu sein, dass sie den Eindruck vermittelte, selbst kaum zu wissen, ob sie die Wahrheit sagte oder nicht. Und das beunruhigte ihn zutiefst, denn das bedeutete für ihm, nicht feststellen zu können, was wirklich die Wahrheit war und ob sie ihn schamlos belog. Vielleicht tat sie das auch nicht ganz unabsichtlich. Sie machte ihn misstrauisch, nahm ihm das Gefühl von Sicherheit. Die Mandalorianerin schien Gefahr auszuströmen, machte ihn nervös. Und dennoch...Hera schien wirklich an sie zu glauben, also würde er dem Mädchen eine Chance geben.
„Süßer, hör auf so zu zappeln. So kann ich nicht schlafen.", gähnte die Twi'lek in seinem Arm verschlafen und zugleich doch irgendwie fast ärgerlich, während sie sich selbst ein wenig bewegte, um eine gemütlichere Position in seinem Arm zu finden. Er nickte.
„Entschuldige. Ich bin nur etwas unruhig."
Sie griff seine Hand.
„Ich weiß, es ist schwer für dich, andere in dein Leben zu lassen, nach allem, was passiert ist, und ich weiß, dass sie anders ist, als der Umgang, den du sonst gewohnt bist. Aber ich habe das Gefühl sie wird uns allen gut tuen. Ich glaube sie gehört hier her." So friedlich und glücklich schien Hera auf einmal zu sein, dass Kanan es nie gewagt hätte ihr zu widersprechen. Aber die Wahrheit war, dass sie wohl recht hatte, was ihn anging. Er traute dem Mädchen nicht, und glaubte auch nicht, dass sie auf dieses Schiff gehörte, oder in irgendeinen Krieg. Sie war bloß ein Kind. „Mandalorianer sind Krieger, Kanan. Vergiss das nicht.", murmelte Hera, und es wirkte beinahe so, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
Vielleicht war dem ja so. Es würde ihn nicht überraschen. Sie reisten seit mittlerweile fünf Jahren zusammen. Zeb begleitete sie nun bereits seit einem Standartjahr, und gerade, als Kanan sich so einigermaßen an die Präsenz dieser einen, neuen Person in seinem Leben gewöhnt hatte, trat prompt noch eine hinein. Daran gefiel ihm etwas ganz und gar nicht, als würde diese Sabine allein den Frieden und die Ruhe auf der Ghost stören-aber langsam begann er, sich selbst einzugestehen, dass das natürlich völliger Unsinn war. Sie war nur ein kleines Mädchen, gegen drei Erwachsene und einen ziemlich dreisten Droiden, dem sie, zu ihrem Glück, bisher noch nicht mal in den Weg gekommen war. Natürlich hätte sie kaum eine Chance gehabt, sie alle wirklich ernsthaft in Gefahr zu bringen. Aber der bloße Gedanke daran, dass es eventuell möglich sein könnte, machte den ehemaligen Jedi unglaublich unruhig.
Aber dann betrachtete er die Twi'lek, die in seinen Armen so friedlich schlief, und plötzlich schien seine kleine Welt, gar das ganze Universum wieder in Ordnung zu sein. Es war gar nicht in Worte zu fassen, was er für sie empfand. Aber er wusste, hätte sie ihn gebeten, an den Rand der Galaxie und zurück zu reisen, er hätte es für sie getan, ohne mit der Wimper zu zucken oder nach einem Grund zu verlangen. Er hätte es getan, weil er ihr vertraute. Weil er sie liebte. Immer wieder lag er nachts an ihren Rücken gekuschelt in einer Koje, die eigentlich für eine Person gedacht war, aber um nichts im Universum hätte er diese Nähe gegen irgendetwas anderes eingetauscht.
Mit diesem letzten Gedanken gab er ihr einen Kuss auf die Stirn und schloss auch endlich die Augen.
»Ihr zu liebe werde ich auch Sabine eine Chance geben können.«
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