Teil 50
Alexander
"Wie geht es ihr Dr.?" bestürme ich den Arzt, kaum dass er aus dem Untersuchungsraum kommt.
"Gut soweit. Sie hat eine leichte Gehirnerschütterung und einige Prellungen am Unterleib, aber ansonsten scheint sie wohl auf zu sein." teilt er mir mit, was mich vor Erleichterung beinahe in Tränen ausbrechen lässt.
"K...kann ich zu ihr?" meine Stimme bricht bei der Frage doch er nickt zustimmend und so betrete ich den Raum.
Leise trete ich an ihr Bett und atme erleichtert auf. Sie endlich wieder vor mir zu sehen, lässt mein Herz höher schlagen es beinahe Fliegen.
Sie schläft. Sie haben ihr etwas gegeben. Schon im Krankenwagen und so haben wir noch kein Wort miteinander geredet.
Ich habe sie den weiten Weg durch den Wald getragen, kaum das mir klar war, das all das Blut, das über ihren Körper lief, nicht von ihr war.
Habe sie von dort weggebracht, während SIE sich um ihn gekümmert haben. Diesen Wichser. Dieses Schwein!
Beinahe hätte er sie umgebracht, doch nun liegt er selbst im sterben. Ich hoffe er verreckt!
Tränen der Erleichterung tropfen auf ihr Haar, dass sich auf ihrem Kissen ausbreitet und in das ich meine Nase vergrabe.
Ihren süßen, berauschenden Duft einatme, der mir in den letzten Wochen so sehr gefehlt hat. Unfähig mich von ihrer Seite zu bewegen stehe ich einfach da. Sehe sie an. Lausche ihrem Atem und beobachte, wie sich regelmäßig ihre Brust hebt und senkt.
Sie Lebt. Muss ich mir immer wieder sagen, doch will diese Tatsache nicht in meinem Kopf ankommen.
Dabei spüre ich sie. Habe meine Hand auf ihre gelegt. Hauche ihr ein ums andere Mal einen Kuss auf die Stirn und warte.
Warte darauf, dass sie aufwacht.
Seit über zwei Stunden bin ich schon hier. Bin direkt mit dem Krankenwagen hier her gefahren und bin ihr kaum einen Moment von der Seite gewichen. Auch jetzt, wo die Tür aufgeht und unsere Eltern hereinkommen, mache ich keinen Platz.
"Wie geht es ihr?" bestürmen sie mich mit Fragen, wobei Theresa Tränen über die Wangen laufen. Thomas wirkt zurückhaltend. Abwartend.
"Sie wird wieder gesund." versichere ich ihnen und nehme meine Mutter in den Arm. Einen. Mit der anderen Hand halte ich noch immer Emely's Hand.
"Und...und das Baby?" fragt sie heiser.
"Keine Ahnung. Ich hab nicht nachgefragt." zucke ich mit den Schultern. Fast entsetzt mich mein eigenes Desinteresse, doch war mir Emely einfach wichtiger.
"Schon gut. Wir können ja später nachfragen." setzt sie sich auf einen Stuhl, den Thomas für sie neben das Bett gestellt hat.
"Ich werde nachfragen." erklärt er sich bereit, nachdem er seiner Tochter einen Kuss auf die Stirn gedrückt hat. Er sieht blass aus, aber scheint auch erleichtert zu sein. "Sie wird sicher wissen wollen was ist." Kurz stoppt er und sieht mich nachdenklich an. "Weiß sie von dem Kind?"
"Ich bin mir nicht sicher. Sie hatte noch im November ihre Tage. Keine Ahnung ob sie was geahnt hat." zucke ich ratlos mit den Achseln und sehe ihm nach, wie er den Raum verlässt.
Doch ich bleibe hier. Ich warte. Ich werde nicht gehen. So lange, bis sie die Augen aufschlägt.
*******
Emely
Leises Gerede dringt an mein Ohr. Eine dunkle Männerstimme. Mein erster Gedanke! BENNO! Doch schon der zweite ist...da waren andere Stimmen. Im Wald um mich herum. Selbst wenn ich nicht entkommen bin, sie werden mir geholfen haben.
Langsam kommt die Erinnerung zurück.
Ruft mir eine weitere Stimme ins Gedächtnis, eine Stimme, die ich auch jetzt vernehmen kann. Ganz in meiner Nähe.
"Alexander!" fahre ich so schnell in die Höhe, das mir schwindelig wird. Als sich mein Blick klärt, treffen meine Augen in ein funkelndes Blau.
"Ich bin hier Baby." dringt es rau an mein Ohr und vor Erleichterung beginne ich zu weinen.
Warm legt sich seine Hand an meine Wange, in die ich mich hinein schmiege.
Verzweifelt ziehe ich an mich, lege die Arme um ihn und zerre ihn fast zu mir ins Bett.
"Benno hat... und dann... ich war...da also..." stammel ich zusammenhanglos, und werde sanft von ihm unterbrochen.
"Ist gut...sch...Wir wissen alles. Alles ist gut. Du bist in Sicherheit." streicht er mir übers Haar und drückt einen Kuss hinein. "Du bist im Krankenhaus. Benno ist so gut wie tot und alles wird gut. Vertrau mir. Alles wird wieder gut." sagt er wie ein Mantra vor sich hin, was mich ein wenig beruhigt. Dennoch fließen die Tränen unaufhörlich.
"Schatz? Wie fühlst du dich?" erfüllt, kaum dass ich mich ein wenig beruhigt habe eine weite Stimme den Raum.
"Dad?" wende ich ihm meine Aufmerksamkeit zu. Er steht auf der anderen Seite des Bettes, gleich daneben sitzt Theresa.
Ich halte ihr meine Hand hin, die sie ergreift. "Ich glaube ganz gut. Nur Kopfschmerzen." von den unterleibschmerzen sage ich nichts. Sie können nichts Gutes heißen.
"Wieso bist du hier?" frage ich verwirrt. Warum bist du nicht in Hannover?"
"Ich wollte bei dir sein. Du bist meine Tochter." sagt er mit leichtem Tadel in der Stimme. "Wir haben uns alle große Sorgen gemacht." erklärt jetzt auch Theresa und drückt meine Hand. "Schön das du wieder da bist." lächelt sie mich mit geröteten Augen an.
"Ja, ich bin auch froh." lasse ich mich erschöpft in die Kissen sinken, dann lasse ich mich über alles aufklären, was passiert ist und erzähle, was ich erlebt habe.
Doch bin ich wirklich froh, als Theresa und Thomas sich nach über zwei Stunden verabschieden.
Ich bin erledigt, doch als auch Alexander gehen will, halte ich ihn auf.
"Bleibst du bei mir?" hebe ich die Decke an und atme erleichtert auf, als er sich zu mir legt, fürsorglich meinen Kopf an seine Brust bettet und mir einen sanften Kuss auf die Lippen haucht.
Wir reden nicht. Alles ist gesagt und so schweigen wir. Endlich wieder vereint. Tauschen still Gedanken aus und schlafen schließlich dicht aneinandergeschmiegt ein.
Es war ein langer Tag. Für uns alle, doch war er noch nicht zu Ende.
Man gönnte uns nur eine kurze Verschnaufpause, bis erneut ein Arzt in mein Zimmer kam und uns aus dem Schlaf riss.
"Miss Stone." fasste er mich leicht an die Schulter, weshalb ich die Augen aufschlage. "Wir müssen wegen der Schwangerschaft noch einige Untersuchungen machen." teilt er mir mit, weshalb ich Alexander einen zerknirschten Blick zu werfe, doch scheint dies keine Neuigkeit für ihn zu sein.
"Ok." stimme ich unbehaglich zu, doch lächelt Alexander mich nur liebevoll an.
"Ist schon gut. Ich weiß davon. Dr. Grey hat es mir gesagt." steigt er aus dem Bett und reicht mir meinen Bademantel, den seine Mutter mir von zu Hause mitgebracht hat. Auch einige bequeme Anziehsachen habe ich inzwischen hier.
Im Rollstuhl werde ich in ein Untersuchungszimmer gefahren und nehme auf einem Gynäkologenstuhl platz. Alexander steht am Kopfende und hält meine Hand, aber ich erwarte nichts Gutes.
"Haben sie schmerzen?" fragt mich der Arzt nach der Untersuchung, als er die blutrotverschmierte Sonde reinigt.
"Ja." gestehe ich unbehaglich und wage es nicht, den Mann hinter mir anzusehen.
"Bisher ist die Schwangerschaft intakt, doch lässt die Blutung darauf schließen, dass sich das in den Nächsten Stunden ändern könnte." erklärt uns der Arzt, weshalb ich bedrückt nicke.
Ich soll mich ausruhen hat er gesagt. Nicht schwer heben. Viel liegen.
Ich befolge jeden Rat und doch hatte ich keine zwei Tage später eine Fehlgeburt. Bennos Tritt in meinen Unterleib, der Sturz auf der Treppe und der, wo Benno auf mich gefallen ist, waren wohl doch zu viel.
Am dritten Tag konnte ich nach Hause. Am Silvestermorgen verstarb Benno.
Ein Tag der Freude für uns alle, auch wenn ich mir gewünscht hätte, er würde für den Rest seines Lebens im Knast versauern, aber so konnte ich mir wenigstens sicher sein, ihn niemals wieder zu sehen.
Natürlich trauerte ich um das Kind. Ebenso wie Alexander, Theresa und Thomas. Sie hatten sich alle gefreut, doch war ich irgendwie auch erleichtert.
Und ich? Ich musste erst mal selbst wieder zu Kräften kommen. Den Schock und die traumatischen Erlebnisse verarbeiten.
Doch als der Frühling kam und es mir wieder gut ging, erwarteten wir eine Überaschung, mit der wohl keiner Gerechnet hatte.
-------------
1343 Worte
01.01.17
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top