Teil 4

Eine Woche später sitzt Mr. Black noch immer vor meiner Tür, doch langsam scheint er ungeduldig zu werden.

Immer wieder kommt er in mein Büro und stört mich bei der Arbeit und auch wenn ich im Gebäude unterwegs bin, folgt er mir mitunter auf Schritt und Tritt, was ich mehr als nervig finde.

"Mr. Black!" fahre ich ihn eines Abends ungehalten an, als er mal wieder ungebeten in mein Büro kommt und mich in meiner Konzentration unterbricht. "Wenn sie mich weiterhin bei der Arbeit stören, werde ich sie von der Polizei des Grundstücks verweisen lassen! Ist das klar! Und jetzt! Raus!" Mit finsterem Blick starre ich ihn an, doch dieses Mal zieht er sich nicht einfach wieder zurück.

"Es tut mir leid Mrs. Stone, aber da sie nicht gewillt zu sein scheinen, den Brief freiwillig zu lesen, wird mir nichts anderes übrig bleiben, als dies meinem Auftraggeber mitzuteilen. Ich bin sicher, Mr. Black wird darüber nicht sehr erfreut sein, doch wie es scheint lassen sie mir keine andere Wahl." teilt er mir resigniert mit und zieht sein Handy aus der Tasche, was mich kurzfristig verunsichert, doch ich möchte noch immer nicht in seiner Gegenwart den Brief lesen und das teile ich ihm auch mit.

"Lassen sie den Brief doch einfach da. Ich bin sicher, irgendwann werde ich Zeit finden ihn zu lesen. Vielleicht vor dem Schlafengehen, oder beim Frühstück, doch ich werde ihn nicht in ihrer Gegenwart lesen, dass dürfen sie ihrem Auftraggeber gerne sagen." nervös huscht mein Blick zu dem Handy in seiner Hand.

Was Alexander wohl davon halten wird, wenn er hört, das sein Namensfetter seinen Auftrag nicht ausführen kann, weil ich mich strickt weigere seinen Brief zu lesen.

Ach! Kann mir doch egal sein. Er will doch eh nicht wissen, wo ich bin. Also was soll's!

"Tut mir leid. Ich habe meine Anweisungen. Lesen sie den Brief oder nicht?" will er wissen und hält mir das Teil mal wieder entgegen.

Stur köpfig verschränke ich die Arme vor der Brust "Oder nicht!" sage ich bockig und deute dann mit dem Finger Richtung Tür "Und jetzt gehen sie!" verlange ich erneut, doch noch während er die Tür schließt, sehe ich, wie er auf seinem Handy herum tippt und es sich anschließend ans Ohr hält.

Nervös beginnen meine Hände zu zittern, als ich mich zu fragen beginne, was er ihm wohl erzählen wird. Doch da Alexander ja nicht wissen will, wo ich bin, kann es mir fast egal sein. Er wird ja doch nicht hier her kommen.

Allerdings ist die Tür kaum geschlossen, als jemand anklopft. "Herein!" knurre ich genervt und verdrehe die Augen. Was ist denn jetzt schon wieder?!

Erneut kommt Mr. Black in mein Zimmer und hält mir sein Telefon entgegen.

"Er will mit ihnen sprechen." teilt er mir unbehaglich mit, doch darauf kann Alexander lange warten und so verschränke ich erneut meine zitternden Arme vor der Brust und funkele ihn nur böse an, wobei ich das nervöse Flattern in meinem Bauch und das heftige poltern in meiner Brust zu ignorieren versuche.

Himmel! So nah wie jetzt war mir Alexander seit drei Monaten nicht.

Angestrengt versuche ich die aufsteigende Panik zu unterdrücken, die mich zur Flucht treiben will, vor allem, als ich Mr. Black sagen höre...

"Sie will nicht mit ihnen sprechen..." er lauscht einen Moment ins Telefon und nickt dann zustimmend. "Ich richte es ihr aus Mr. Black." spricht er ins Handy, während er mich beobachtet, dann wendet er sich an mich. "Ich soll ihnen sagen, wenn sie nicht mit ihm sprechen, dann wird er her kommen." er sagt das ganz ruhig und sachlich, doch ich bekomme bei seinen Worten fast einen Herzanfall!

Wie herkommen!!!! Er kann doch nicht herkommen?! Er will doch gar nicht wissen wo ich bin, also warum sollte er her kommen wollen?! Und vor allem weiß er doch gar nicht wo ich bin...oder doch?

"Sie haben ihm gesagt, wo ich bin?" flüstere ich beinahe ängstlich, so dass es selbst Mr. Black, der nur wenige Meter vor mir steht, kaum verstehen kann.

"Bisher nicht, doch sie lassen mir keine andere Wahl, als es zu tun, wenn sie nicht mit ihm sprechen." entschuldigend hält er mir das Telefon entgegen und kommt langsam auf mich zu, als ich zögerlich die Hand danach ausstrecke.

Mit zitternden Fingern greife ich nach dem Telefon und lasse es beinahe fallen, so sehr rauscht das Blut durch meine Adern und mein Herz rast, als würde es davon laufen wollen. Auch ich will davon laufen, so sehr fürchte ich mich davor seine Stimme zu hören, doch wenigstens bleibt mir die Peinlichkeit erspart vor Mr. Black mit Alexander zu sprechen, denn kaum ich habe ich das Telefon am Ohr und seufze ein ersticktes "Ja?" hinein, lässt er mich allein.

Am anderen Ende der Leitung bleibt es still, doch ich höre seinen Atem. Höre einen Laut, der sich verdächtig nach einem Schluchzen anhört, bevor seine heisere, dunkle Stimme verführerisch weich an mein Ohr und von dort direkt in mein Herz dringt.

"Emely?" haucht er zärtlich und sorgt mit diesem einen, kleinen Wort dafür, dass sich sämtliche Härchen auf meinem Körper aufrichten und mein Herz ins stocken gerät.

So lange habe ich seine Stimme nicht gehört und mich doch immer danach gesehnt.

Zwar habe ich oft von ihm geträumt, aber seine Stimme in meinem Traum klang bei weitem nicht so schön, wie die, die jetzt an mein Ohr dringt.

Still laufen mir die Tränen übers Gesicht und ich schaffe es nicht ihm zu antworten, doch wenigstens schluchze ich nicht laut auf, trotzdem scheint er zu wissen, was ich fühle.

"Nicht weinen." sagt er leise und klingt als stünde er selbst kurz davor es zu tun, so brüchig kommen seine Worte bei mir an.

"Es tut mir so leid, Emely. Alles. Ich wollte dir niemals wehtun. Das musst du mir glauben." beginnt er stockend zu sprechen. "Bitte lies den Brief. Er wird dir alles erklären. Auch warum ich erst jetzt jemanden zu dir schicke und warum ich nicht selbst zu dir komme. Ich weiß, dass du mich nicht sehen willst, deshalb habe ich Mr. Black gebeten mir nicht zu sagen, wo du bist, denn wenn ich es wüsste, ich wäre noch heute Abend bei dir. Das musst du mir glauben, aber ich will deinen Wunsch respektieren. Deshalb... lies den Brief...Bitte!" Fleht er mich an "Du darfst mich hinterher ruhig weiter hassen, aber gib mir wenigstens die Chance es dir zu erklären." bittet er mich inständig, während ich nicht dazu fähig bin ein Wort hervor zu bringen, so bewegt bin ich von seiner Stimme.

Dem Klang, der meine Seele streichelt, der Wärme, die mein Herz berührt und den Worten, die meinen verstand zum Nachdenken bringen.

Was will er mir denn erklären? Warum ich ihn schlagen sollte? Aber das weiß ich doch! Das muss er mir doch nicht erklären...

Bisher wollte er für sein schlechtes Benehmen betraft werden, oder weil er selbst dachte, er hätte sich schlecht benommen, nur musste ich ihn nie dermaßen Maßregeln, wie an unserem letzten gemeinsamen Abend.

Immer hat es ihm gereicht, wenn ich ihn fesselte und ihn ein klein wenig Quälte. Mit den Fingernägeln über seinen Rücken fuhr, ihn mit Eiswürfeln reizte oder ihm verwehrte mich zu berühren, doch niemals hat er mich dazu gezwungen, ihm Körperlich weh zu tun.

Nicht so wie an jenem Abend.

Nicht das er es nicht versucht hätte, aber ich konnte ihn immer davon überzeugen, dass körperliche Strafen für mich nicht in Frage kommen und sein Wunsch nach Zurechtweisung auch anderweitig befriedigen, nur an dem Tag nicht, als wir uns das letzte Mal sahen.

Da zwang er mich erbarmungslos dazu ihm weh zu tun, doch jeden Schlag, den ich auf ihn hinunter fahren ließ, schmerzte mich bestimmt genauso sehr, wie ihn.

Ließ mich zittern und daran zweifeln, dass er der Mann war, in den ich mich verliebt hatte. Dass er der Mann war, den ich mehr liebte, als mich selbst. Dabei tat ich genau das und ...ich tue es immer noch.

"O...Okay." schluchze ich erstickt ins Telefon, dann seufze ich einmal zittrig auf und versuche mich etwas zu beruhigen, denn es gibt da etwas, um das ich ihn bitten muss. "Ich...ich werde ihn lesen, aber..."

"Alles was du willst, solange du ihn nur liest." sagt er erleichtert.

Ein trauriges Lächeln huscht über mein Gesicht, als ich die Hoffnung in seiner Stimme höre, doch macht sie mich ungleich trauriger, denn selbst wenn ich den Brief lese, wird sich an unserer Situation nichts ändern.

Er und ich... das bleibt Geschichte...

Doch will ich ihm wenigstens die Gelegenheit geben sich zu erklären und so bitte ich ihn um folgendes. "Ich möchte nicht, dass Mr. Black bei mir ist, wenn ich ihn lese. Sag ihm er soll... meinetwegen, vor der Tür warten."

"Natürlich. Wenn das dein Wunsch ist... Gib ihn mir..." mit jedem Wort wird seine Stimme leiser, trauriger.

Höre ich wie schwer es ihm fällt, die Fassung zu bewahren, so wie es mir schwer fällt sie nicht zu verlieren, denn jetzt wo ich aufstehe und mich der Tür nähere, hinter der sich der Brief und Mr. Black verbergen, nähere ich mich doch auch dem Moment, an dem ich Alexander Lebewohl sagen muss.

Und ich fürchte, dieses Lebewohl wird für immer sein.

Auch er scheint diese Befürchtung zu haben, denn als das Klicken der Tür ertönt hält er mich auf.

"Emely?" dringt seine Stimme erstickt an mein Ohr und ich frage mich schon, was jetzt noch kommt, was er wohl vergessen hat mir zu sagen, doch mit dem, was er dann über die Lippen bringt, habe ich nicht gerechnet.

"Ich liebe dich." flüstert er mit belegter Stimme und ich höre, wie er zu schluchzen beginnt, bevor seine Stimme nicht mehr zu hören ist.

"Ich dich auch." flüstere ich so leise, dass nicht mal ich mich verstehen kann und löse mich nun vollends in Tränen auf. Dennoch öffne ich die Tür, gebe Mr. Black sein Telefon und lasse mir den Brief geben, nachdem er mit Alexander gesprochen hat, dann kehre ich in mein Zimmer zurück.

Setzte mich an den Schreibtisch und mustere mit tränenverschleiertem Blick den unscheinbaren weißen Umschlag.

Ob er wohl weiß, was in ihm steckt? Ob er weiß, wie wichtig er für denjenigen ist, der ihn beschrieben hat.

Wie wichtig er mir ist, jetzt wo ich ihn für mich allein habe. Ohne die störende Gesellschaft, die Mr. Black für mich bedeutet hat.

Es steht nur ein einziges Wort auf der weißen Hülle, die Alexanders Worte vor mir verbirgt. Nur ein Wort. Es ist das selbe, wie dasjenige, das er als erstes ausgesprochen hat, als er am Telefon war.

Ein Wort, dass sich aus seinem Mund anhört wie ein Versprechen.

Eine Zusicherung, dass er mich niemals im Stich lassen würde, dass er mich niemals vergessen würde, dass er mich immer lieben wird, ganz gleich, wie weit wir auch voneinander entfernt sein werden. Sein Versprechen an mich. In nur einem Wort...

Emely.

Mit diesem Wort im Ohr. Aus seinem Mund... so weich und warm, so liebevoll und ehrfürchtig, öffne ich zögerlich den Umschlag und hole ein Haufen Papier hervor, das er von Hand mit einer Menge Worte beschrieben hat.

Und meine Befürchtungen, es könnte eine Vorladung, eine Kündigung oder sonst etwas sein, zerfließen wie Eis in der Sonne, versickern wie der Regen im Sand und lassen nichts als die Hoffnung zurück, dass seine Worte den Schmerz in meiner Brust stillen könnten, die Risse in meiner Seele versigeln und aus den vielen Splittern, die seit dem letzten Jahr, nur noch an der Stelle meines Herzens sind, wieder zu einem ganzen zusammen fügen mögen.

Und so beginne ich stockend zu lesen.

So stockend wie er begonnen hat zu scheiben...

Ich kann dir nicht sagen, wie oft ich bereits damit begonnen habe dir zu schreiben, doch nie wusste ich, wie ich beginnen sollte.

Liebe Emely, mein Herz, Geliebte, Liebling, mein Schatz, mein Engel, meine kleine, "mon petit", Liebe meines Lebens... so viele Worte und doch würden sie nicht mal ansatzweise ausreichen um dir zu sagen, wie viel du mir bedeutest und wie sehr ich dich vermisse.

Und egal wie viele Worte ich auch auf diese Blätter schreibe, ich könnte niemals wieder gut machen, was ich dir angetan habe.

Ich weiß, dass ich es verbockt habe.

Ich weiß, dass ich dich verloren habe.

Ich weiß, dass ich es nicht wert bin, dass du mich liebst.

Und doch liebe ich dich.

Und deshalb möchte ich dir sagen, wie leid mir alles Tut, was an unserem letzten Abend im Club passiert ist.

Ich wage nicht zu hoffen, dass du mir jemals verzeihst, oder auch, dass du mich verstehst, aber vielleicht kann ich dir wenigstens die Last von den Schultern nehmen, die ich dir aufgeladen habe.

Bis heute weiß ich nicht, warum ich dich gehen ließ, warum ich dich nicht aufgehalten habe, doch deine Weigerung mir zu sagen, dass du mich liebst hat mich in ein Loch gestoßen, aus dem ich mich nicht sogleich wieder befreien konnte. Und als ich mich endlich aus der Starre lösen konnte war es zu spät.

Du warst fort.

Noch immer hallen deine Worte durch meinen Kopf, wann immer ich die Augen schließe.

Und ich danke dir dafür, dass du mich auf deine, ganz eigene Art, für mein unentschuldbares Verhalten zurechtgewiesen hast.

Doch ich schreibe dir nicht nur, um mich bei dir zu entschuldigen und mich zu bedanken.

Ich schreibe dir auch, um dir alles zu erklären, doch dafür brauche ich etwas länger, denn dass, was ich dir zu erzählen habe, ist nicht leicht zu verstehen, nicht einmal für mich.

Ich brauchte Hilfe um all das auch nur ansatzweise zu begreifen, deshalb hat es auch so lange gedauert, bis ich mich in der Lage sah, diese Zeilen zu Papier zu bringen.

Ich brauche auch heute noch Hilfe, um mit allem , was passiert ist fertig zu werden, doch die Hilfe, die ich brauche, habe ich in Dr. Peers gefunden. Er hilft mir zu verstehen, dass das, was mein Vater mir antat nicht richtig war, dass er nicht dass recht hatte mich für etwas zu bestrafen, wofür ich nichts konnte.

Doch um das zu verstehen und mich immer wieder daran zu erinnern, es nicht zu vergessen, dafür werde ich noch eine ganze Weile brauchen.

An dieser Stelle nur so viel, damit du verstehst, warum ich dich zwang mich zu schlagen...

Jedes Kind hat das Bedürfnis nach Liebe. Nach Anerkennung. Nach der Zuneigung seiner Eltern. Ich auch.

Doch mein Vater verweigerte sie mir. Warum weiß ich bis heute nicht.

Dafür schlug er mich. Er bestrafte mich, wann immer ich etwas falsch gemacht hatte und wenn ich meine Strafe klaglos ertrug, fühlte ich mich besser. Fühlte ich mich geliebt. Vor allem weil mir meine Mutter im Anschluss immer sagte

...Du weißt dass er dich liebt...

An den Tagen, an denen mein Vater seine Wut an mir ausließ, kümmerte meine Mutter sich ganz besonders um mich. Und auch Sophie tröstete mich. Mehr noch als meine Mutter. Sie war diejenige, die mich vor meinem Vater in Schutz nahm, die ihn sogar daran hinderte mich zu bestrafen.

Frag mich nicht, wie sie es anstellte, aber ihr tat er niemals weh. Sie schien er aufrichtig zu lieben. Anders als mich oder meine Mutter.

Sicher fragst du dich, warum meine Mutter zuließ, dass er mich schlug, doch auch sie wurde oft genug Opfer seiner Härte.

An unserem letzten Abend, als ich von meinen Eltern zurück kam, da...

Die drei Tage zu Hause waren die Hölle für mich. Ich fühlte mich wie der letzte Abschaum. Drei Tage bekam ich nichts anderes zu hören, als wie schlecht, wie nutzlos, wie unfähig und wie wenig liebenswert ich war, so dass ich den Schmerz, der sich in meiner Brust anstaute nicht mehr ertragen konnte.

Ich musste den Schmerz mit Schmerz bekämpfen.

Es gibt Menschen, die diesen Schmerz in ihrem Inneren mit selbst zugefügtem Schmerz auf ihrem Körper verewigen, doch ich war es gewohnt, den Schmerz zu bekämpfen in dem ich mir von anderen Schmerz zufügen ließ.

Nie hätte ich gedacht, dass der körperliche Schmerz, den ich mir zufügen ließ, mit dem seelischen Schmerz den deine Weigerung, mir zu sagen ,dass du mich liebst, in mir auslöste, nicht zu vergleichen war.

Ich verstand nicht, was ich falsch gemacht hatte.

Hatte ich nicht klaglos meine Strafe hingenommen?

War ich nicht stark gewesen?

Also...warum?...fragte ich mich, wolltest du mir nicht sagen, dass du mich liebst?

Nein. Du gingst sogar noch einen Schritt weiter!

Dafür, dass ich tat, was ich immer getan hatte, verachtetest du mich.

Sagtest mir sogar dass du mich hasst!

Damit hatte ich nicht gerechnet und damit brachtest du meine Welt ins Wanken.

Ich brauchte einige Zeit, um mich von diesem Tag zu erholen, doch dann suchte ich mir Hilfe.

Dr. Peers reichte mir die Hand, doch noch immer fällt es mir manchmal schwer, einzusehen, dass der Mensch der ich bin, es wert ist geliebt zu werden und zwar nicht dafür, dass ich Strafen klaglos ertrage, sondern dafür, dass ich bin, wer ich bin.

Und somit habe ich mit den Vorbereitungen begonnen, für mein Handeln die Verantwortung zu übernehmen.

Es wird noch eine Weile dauern, aber dann wird Mrs. Wellenstein die Firma an mich abtreten, denn so sagte mir der Psychiater, könnte ich endlich damit beginnen mich von meinem Vater loszusagen.

Nun zu der langen Zeit, die vergangen ist und in der ich das eine oder andere Mal kurz davor war aufzugeben.

Ohne dich war mein Leben wertlos. Ohne dich ist es das auch immer noch, doch möchte ich mit den Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, Menschen helfen, denen es so schlecht geht wie meiner Mutter, oder wie es mir ging, als ich noch in meinem Elternhaus wohnte.

Doch seitdem ich meine eigene Wohnung habe, geht es mir besser, aber erst seit dem es dich gibt, fühle ich mich endlich wie ein Mensch und nicht wie der Abschaum, von dem mein Vater mich glauben machen wollte, der ich bin.

In den letzten Monaten habe ich hart an mir gearbeitet und ich kann nur hoffen, dass du stark genug bist mir eines Tages zu verzeihen.

Wenn nicht, so sei versichert, dass ich dir nicht böse sein werde.

Ich kann verstehen, dass dich mein ungehobeltes, ja beinahe brutales, herrisches, rücksichtsloses Verhalten verstört hat, so wie mich dein abweisendes, zurückstoßendes Verhalten verstört hat, doch ist das etwas, an dem ich mit Dr. Peers arbeite, damit so etwas nie wieder passiert.

Wobei ich mir fast sicher bin, dass ich viel zu viel Angst hätte, dich noch einmal zu verlieren, so dass diese verzweifelte Wut, dieser unbändige Drang, zu hören und zu spüren, dass du mich liebst, nicht noch einmal Macht über mich erlangen könnte, wenn du mir denn noch eine Chance geben würdest.

Mehr als alles auf der Welt wünschte ich mir, du kämest zu mir zurück, doch da ich nicht weiß, wo du bist und ich auch nicht sicher bin, ob du mich überhaupt wiedersehen willst, übergebe ich diesen Brief einem Privatdetektiv der ihn dir bringen soll.

Insofern er dich denn findet.

Ich würde dir all diese Dinge zwar lieber persönlich sagen, doch möchte ich dich auch nicht bedrängen.

Ich liebe dich, Emely.

Ich werde dich immer Lieben, ganz gleich wofür du dich entscheidest.

Du hast meine Nummer, du weißt wo ich wohne und du darfst mir glauben, dass du jederzeit willkommen bist.

Ruf mich an, wenn du noch fragen hast, oder schreib mir, wenn du nicht mit mir reden magst, doch worum ich dich bitten möchte ist, dass du dem Menschen, der dir diesen Brief überreicht, eine kurze Nachricht für mich gibst.

Ich will nur wissen, wie es dir geht.

Du brauchst mir nicht sagen, wo du wohnst, oder arbeitest. Auch nicht, ob es einen neuen Mann in deinem Leben gibt oder du dir vorstellen könntest, zu mir zurück zu kommen.

Lass mich nur nicht in der Ungewissheit zurück, dass ich dich nie mehr wieder sehen werde.

Ich liebe dich, Emely.

Immer.

Alexander

Wieder und wieder lese ich die Zeilen und verstehe doch kein Wort.

Viel zu oft verschwimmen die Buchstaben vor meinen Augen, so dass ich ständig von Vorn beginnen muss zu lesen. Und als ich doch endlich am Ende ankomme, kann ich nicht verstehen, was das alles bedeutet.

Na ja. Nicht alles ist mir unbegreiflich, nur die ganze Sache mit seinem Vater und den Strafen und dem "zwang" sich selbst zu bestrafen, wenn er meint, dass er nicht geliebt wird.

Oder habe ich das falsch verstanden?

Hat er mich deshalb angefleht ihm zu sagen, dass ich ihn liebe? Weil er die Strafe, der er sich freiwillig unterzogen hat, ertragen hat? Ist er etwa der Meinung, nur dann liebenswert zu sein, wenn er schmerzen aushält? Wenn er stark ist? Oder was soll das heißen?

Und wenn ich da richtig liege, was müssen ihm meine Worte dann angetan haben? War der Schmerz, den meine Worte verursachten größer als der, der die Körperliche Strafe ihm beigebracht hat?

Verwirrt schüttel ich den Kopf und runzel die Stirn, dann lese ich die Stelle noch mal...

Nie hätte ich gedacht, dass der körperliche Schmerz, den ich mir zufügen ließ, mit dem seelischen Schmerz den deine Weigerung, mir zu sagen ,dass du mich liebst, in mir auslöste, nicht zu vergleichen war.

Gott! Was für ein Satz.

Nur was sollte das bedeuten? War das nun gut oder schlecht.

Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass seelische Qualen besser sind als körperliche.

Was habe ich ihm nur angetan?

Er hatte schon von seinem Vater so viel zu erdulden und jetzt musste ich ihn auch noch Quälen, allein damit, dass ich mich weigerte ihm zu geben, was er scheinbar so dringend brauchte.

Und das er von mir die Bestätigung brauchte, dass er geliebt wurde, dass hatte er mir ja gesagt. Er hatte mich beinahe angefleht ihm zu sagen, das ich ihn liebte, doch das konnte ich nicht, obwohl ich es tat.

Stattdessen hatte ich ihm gesagt, dass ich ihn hasste und jetzt, nach dem ich den Brief gelesen hatte, hasste ich MICH dafür, dass ich es ihm gesagt hatte.

Wie konnte ich dem Mann, der mir so viel bedeutete und dem ich den ganzen Tag nichts anderes hatte sagen wollen, als dass, jetzt das genaue Gegenteil von dem sagen?

Ich war einfach nur schrecklich und dass hatte er nicht verdient.

Nicht, nachdem ich das hier gelesen hatte...

Dafür schlug er mich. Er bestrafte mich, wann immer ich etwas falsch gemacht hatte und wenn ich meine Strafe klaglos ertrug, fühlte ich mich besser. Fühlte ich mich geliebt. Vor allem weil mir meine Mutter im Anschluss immer sagte

...Du weißt dass er dich liebt...

Ich hätte ihn nicht schlagen dürfen! Ich hätte ihm sagen müssen, dass ich ihn liebe. Vielleicht hätte er sich dann besser gefühlt. Und ich hätte ihn wahrscheinlich nicht schlagen müssen. Doch dafür war es jetzt zu spät.

Alles war so gekommen, wie es jetzt ist und ich konnte den Abend im Club nicht ändern.

Ich bin so dumm!

Jetzt hatte ich ihm nicht nur Körperlich weh getan. Nein! Ich hatte ihm auch noch den größtmöglichen seelischen Schmerz zugefügt, den es nur geben konnte.

Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn hasse, obwohl er mich liebte.

Mich immer noch liebt.

Auch ich liebte ihn noch immer, doch hatte ich nach wie vor Angst, dass er mich eines Tages wieder zwingen könnte gegen mein Gewissen zu handeln und dass wollte ich nicht.

Auch wenn ich mir selbst damit schadete und er mir fehlte.

Zwischen uns würde es niemals wieder so sein, wie es einmal war.

Erneut schwappte eine große Welle der Trostlosigkeit und der Trauer über mich hinweg und begrub mich unter sich, doch bevor ich mich wieder vollends in Tränen auflöste schrieb ich ihm die Zeilen, um die er mich gebeten hatte, und auf die Mr. Black da draußen vor meiner Tür wartete.

Lieber Alexander,

Es geht mir hier, wo ich bin ganz gut. Die Arbeit ist vielfältig und abwechslungsreich, doch möchte ich dir nicht verschweigen, dass die Last, die auf meinen Schultern liegt mich schier erdrückt.

Es tut mir leid, dass ich dir so viel Kummer bereitet habe.

Und wünschte mir, ich könnte dich all das vergessen lassen, doch das kann ich nicht.

Wenn man mich lässt, werde ich noch hier bleiben, bis meine Arbeit erledigt ist, doch dann werde ich weiterziehen.

Ich wünsche dir alles erdenklich Gute und hoffe, dass du eines Tages jemanden findest, der dir gut Tut und dir nicht, wie ich, noch weitere Qualen auferlegt.

Ich werde dich immer lieben, aber was damals im Club passiert ist wird immer zwischen uns stehen.

Ich hoffe, dass es dem Schicksal gefällt, dass sich unsere Wege eines Tages wieder kreuzen werden, doch bis dahin...

Leb wohl.

Emely

Mit zugeschnürter Kehle und brennenden Augen stecke ich seinen Brief in den Umschlag zurück und verwahre ihn sicher, direkt über meinem Herzen.

Seine letzten Worte an mich...

Dann stecke ich auch meinen kurzen Brief in ein Kuvert und schreibe seinen Namen darauf, den ich an Mr. Black übergeben will, doch gerade, als ich mein Büro verlasse kommt Netti wild mit einem Handy fuchtelnd auf mich zu.

"Emely! EMELY!" schreit sie aufgeregt und mit strahlenden Augen, als sie mir das Handy reicht. "Herzlichen Glückwunsch! Du wirst Patentante!"

"Patentante?" frage ich verwirrt und runzele nachdenklich die Stirn, doch dann kommt langsam die Erkenntnis.

"Du meinst von Mila's Baby?" will ich wissen, dabei sind meine Gedanken gerade gänzlich woanders. Und so kann ich mich gar nicht gebührend darüber freuen, dass ich die Patentante von dem kleinen werden soll.

"Ja!" freut sich Netti stattdessen für mich und drückt mir das Handy in die Hand. Ich wundere mich im ersten Moment zwar schon, warum Mila IHR geschrieben hat und nicht MIR, doch dann fällt mir auf, dass Anette mir nicht IHR Handy gebracht hat sondern MEINS, dass ich wohl irgendwo liegen gelassen haben muss.

"Mensch toll! Eine Taufe UND eine Hochzeit! Hast du das gut!" freut sie sich für mich, denn ich habe ihr inzwischen alles über meine Freunde erzählt. Ich meine, warum auch nicht. Immerhin sehen wir uns seit drei Monaten täglich und wir arbeiten auch zusammen und verstehen uns super!

"Mensch ist das Toll! Ich würde so gerne mit dir nach Hannover kommen, wenn du in zwei Wochen hin fliegst." aufgeregt klatscht sie in die Hände und nimmt mich stürmisch in den Arm. Ihr scheint meine bedrückte Stimmung gänzlich zu entgehen, doch was ihr nicht entgeht, ist Mr. Black, der mich neugierig beobachtet.

"Was tun sie denn noch immer hier?" will sie wissen und mustert ihn nachdenklich, doch bevor er dazu kommt zu antworten, drücke ich ihm den Brief in die Hand.

"Er wollte gerade gehen. Nicht wahr Mr. Black?"

Um Haltung bemüht straffe ich leicht die Schultern und atme unauffällig durch, doch als er sein Handy hebt und es sich ans Ohr hält, kurz "Ja Sir. Scheinbar hat sie den Brief gelesen....Gut, dann bringe ich ihnen die Antwort morgen ins Büro." sagt und dann auflegt, bekomme ich weiche Knie.

"Hat er die ganze Zeit gewartet?" frage ich ängstlich und setzte mich dann auf den Stuhl, den Mr. Black gerade geräumt hat.

"Ja, miss. Er wollte warten. Aber da meine Aufgabe hier nun erledigt ist, mache ich mich mal auf den Rückweg. Auf wieder sehen."

Er sieht doch recht erleichtert aus, als er sich von uns verabschiedet, doch Netti mustert mich neugierig, aber auch besorgt und so ziehe ich sie kurzerhand in mein Büro und heule mich bei ihr aus.

Ich gehe zwar nicht ins Detail, aber es tut gut einfach mit jemandem darüber zu sprechen und so fühle ich mich nach über einer Stunde schon etwas besser, doch da es mittlerweile schon recht spät ist, gehe ich im Anschluss in mein Zimmer um mich hinzulegen und Mila wegen der Patenschaft zu danken und mir die Bilder von dem Kleinen, die sie mir geschickt hat anzusehen.

Der kleine ist wirklich goldig und schon jetzt sieht er aus, als würde er später mal den Mädchen reihenweise die Herzen brechen, was mich schmerzhaft an mein eigenes gebrochenes Herz erinnert, dass vor lauter Kummer schon gar nicht mehr weiß, wohin es noch schlagen soll und so liege ich noch lange wach in meinem Bett und versuche die Traurigkeit wieder an den Ort zu sperren, woher sie gekommen ist.

In den hintersten Winkel meiner Seele, dorthin, wo ich noch immer die tiefe Liebe für Alexander spüren kann, der mir mehr als alles andere fehlt.

Und auch wenn er mir gesagt hat, dass er sich wünschen würde, ich könnte ihm verzeihen und wieder zu ihm zurück kommen, so denke ich doch, dass das keine so gute Idee ist.

Wir passen einfach nicht zusammen.

Vielleicht sollte er einfach wieder mit Kassandra vorlieb nehmen, denn die schien ihn in Punkto körperlicher Strafen durchaus zu verstehen.

Ganz im Gegensatz zu mir.

Inzwischen war ich mir nicht einmal mehr sicher, ob ich überhaupt noch dazu in der Lage war mit ihm zu schlafen, einfach aus Angst, mein Temperament könnte mal wieder mit mir durchgehen und ich könnte ihn verletzten. Nicht zwangsläufig körperlich, aber der seelische Schmerz, den ich ihm bereits zugefügt hatte, lastete schwer auf mir und zwängte mich in einen Käfig, aus dem ich mich nicht mehr befreien konnte.

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4838 Worte

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