Teil 39

Die Fahrt mit dem Fahrstuhl bringe ich noch einigermaßen manierlich hinter mich, doch als wir im vierundzwanzigsten Stock ankommen, wo Theresa aussteigen muss, folgte ich ihr und Alexander nicht, der mich verwirrt anschaut.

"Bist du sicher, dass du nicht doch erst mal deinem Vater 'Hallo' sagen möchtest?" will er unsicher wissen, woraufhin ich nicke und mir ein verkrampftes Lächeln auf die Lippen presse.

"Ja. Ich möchte erst mal ein heißes Bad nehmen. Zeig deiner Mutter alles in Ruhe. Außerdem fühle ich mich nicht so. Ich glaube, ich werde gleich schlafen gehen." sage ich beiläufig, wobei ich seinem Blick ausweiche.

"Ist gut Süße." legt er eine Hand an meine Wange und haucht mir einen Kuss auf die Stirn, sieht mir ins Gesicht, doch schaffe ich es nicht, seinem Blick zu begegnen. "Ich beeile mich."

"Nein schon gut. Ich möchte etwas allein sein." lüge ich unbehaglich, was ihn nachdenklich die Stirn runzeln lässt, doch ehe er noch weiter in mich dringen kann, verabschiede ich mich von Theresa und heiße sie kurz in ihrem neuen zuhause willkommen, dann ziehe ich mich in den Fahrstuhl zurück, dessen Türen wir mit unserem Koffer blockiert hatten.

Alexanders Blick folgt mir skeptisch, doch lässt er mich gehen, als seine Mutter ihm beruhigend die Hand auf den Arm legt.

"Lass sie. Das wird schon wieder." kann ich sie noch sagen hören, bevor sich die Türen schließen, doch kaum bin ich allein, beginnen die Tränen zu fließen.

Schon jetzt fühle ich mich hilflos und leer. Doch darf ich nicht vergessen, dass ich es schon einmal geschafft habe.

Geschafft habe mich von ihm zu trennen. Damals um mich selbst zu schützen, doch dieses Mal werde ich es tun, um ihn zu schützen. Dieser Gedanke wird mir helfen zu gehen.

Doch werde ich mich nicht heillos in die Flucht stürzen. Dazu bin ich wahrlich nicht in der Lage und so tue ich genau das, was ich Alexander gesagt habe und zerre den Koffer aus dem Fahrstuhl, lasse ihn jedoch direkt an der Tür unserer Wohnung stehen und ziehe mich aus.

Ich fühle mich schmutzig. Verbraucht. Gedemütigt und leer. So unendlich leer und kalt.

Und wenn ich nur daran denke, wie kalt mir erst sein wird, wenn ich in einer einsamen Wohnung irgendwo weit weg von hier, von IHM sein werde, überkommt mich ein unkontrolliertes Zittern.

Doch verschwindet die Kälte selbst dann nicht, als ich im beinahe kochendheißen Wasser der Badewanne sitze und mich zu ertränken versuche.

Ich fühle mich kraftlos und leer. Erschöpft. Müde und irgendwie einfach nur fertig. Die erneute Panik, die mich heute überkam, hat mir den Rest gegeben. Und den Rest genommen. Den kläglichen Rest Mut, den ich in mir bewahrt und wieder aufgebaut hatte, seitdem Benno mich beinahe zu Tode gewürgt hatte.

Und so schleppe ich mich eine halbe Stunde später, ins Bett. Rolle mich so klein wie möglich zusammen und versuchte mich nicht aufzulösen.

Schließe die Augen und zittere wie ein Häuflein Elend, als Alexander keine fünf Minuten Später den Raum betritt.

Leise setzt er sich zu mir ans Bett, streicht sanft über mein feuchtes Haar und flüstert leise, mit rauer Stimme.

"Schläfst du?" ich bleibe Stumm. Wage kaum zu atmen und erst recht nicht, mich zu bewegen und so steht er nach einer Weile des Schweigens leise seufzend auf, haucht mir einen Kuss auf die Wange und lässt mich dann allein, doch erneut breche ich in Tränen aus, kaum dass ich allein bin.

Lange liege ich wach, weine, zittere, schweige. Denke. Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Halten nicht still. Machen mich wahnsinnig und zerreißen mein Herz. Bröseln es in kleine Stücke und zermahlen auch noch den winzigsten Rest zu einem hauchfeinen Pulver, dass leicht vom Wind davon getragen werden könnte, wenn der Staub nicht unerreichbar in meiner Brust eingeschlossen wäre.

Doch so liegt das, was von meinem Selbst, von meinem Herzen, meiner Seele noch übriggeblieben ist, sicher verwahrt in meiner Brust und macht mir das Atmen schwer.

So schwer, das ich schließlich erschöpft einschlafe und mich für eine Weile dem herrlichen Nichts, der allumfassenden Schwärze, dem Frieden überlassen kann.

Doch kaum bin ich eingeschlafen, zumindest kommt es mir so vor, werde ich von heftigen Alpträumen überfallen.

Überall lauern sie auf mich. Drängen mich an Wände, stoßen mir Messer in die Brust, den Rücken, Kugeln in den Kopf, pressen mir Lappen auf den Mund. Sie schlagen mit Fäusten auf mich ein, legen Hände um meinen Hals, Schlingen, Seile... doch was das Schlimmste ist, sie Töten nicht nur mich, denn mit jedem meiner Tode, sehe ich auch Alexander zerbrechen. Zerbrechen an dem Schmerz, den ihm mein Verlust bedeutet.

Als ich nach einem ganz besonders Schlimmen Traum die Augen aufschlage ist es dunkel im Zimmer. Alexander liegt hinter mir im Bett und hat die Arme um mich geschlungen, was wohl erklärt, warum ich dachte, ich wäre gefesselt. Vorsichtig, ohne ihn zu wecken winde ich mich aus seiner Umarmung, dabei würde ich mich viel lieber in seine schützenden Arme schmiegen und verlasse das Zimmer. Ziehe mich ins Wohnzimmer zurück, von wo aus ich auf den Balkon trete.

Die Frische Nachtluft ist angenehm kühl auf meiner verschwitzen Haut und lässt mich ein wenig befreiter durchatmen. Das Zittern hat meinen Körper verlassen, die Verzweiflung hingegen nicht.

Den Rest der Nacht verbringe ich auf dem Balkon, oder im Wohnzimmer, wo ich gegen Morgen Frühstück mache und duschen gehe.

Fertig angezogen stehe ich bewegungslos da und starre in den Spiegel im Badezimmer. Meine Augen sehen Müde aus, meine Mundwinkel hängen trübsinnig herab, weshalb ich mich zu einem Lächeln zwinge, als Alexander hinter mir den Raum betritt.

"Guten Morgen mein Engel." begrüßt er mich, legt mir von hinten die Arme um den Bauch und reibt sein kratziges Kinn an meiner Wange, was sich mein Lächeln vertiefen lässt.

"Du bist aber früh auf." wundert er sich, nachdem er mir einen Kuss auf die Wange gegeben hat, sich seiner Shorts entledigt und unter die Dusche schlüpft.

"Ich bin früh aufgewacht." bleibe ich so dicht es geht an der Wahrheit, dann füge ich unbehaglich hinzu. "Ich geh mal nach unten. Meinen Vater begrüßen."

Ich muss hier weg. Kann ihm nicht so nah sein. Ich darf mich nicht verlieren.

Das Ziel vor Augen nicht verlieren.

Ich muss daran festhalten, was ich mir vorgenommen habe und so verlasse ich die Wohnung mit allem was ich brauche und fahre ein Stockwerk weiter nach unten, nachdem er ein zögerliches "Mach das." von sich gegeben hat.

Warum er so zögerlich war, wird mir erst klar, als meine alte Wohnung wie verlassen im spärlichen licht der Morgensonne da liegt.

Aus dem Zimmer meines Vaters, kommt leises Schnarchen, so dass ich gerade die Wohnung wieder verlassen will, als Theresas leise Stimme vom Balkon zu mir herein dringt.

"Bist du das Emely?"

"Ja." nähere ich mich ihrer Stimme und trete zu ihr nach draußen.

"Konntest du nicht schlafen, Liebes?" erkundigt sie sich, was mich zum Lächeln bringt. "Liebes...so nennt mich mein Vater auch immer." bleibe ich ihr eine Antwort schuldig und setzte mich neben sie auf die Chaiselongue.

"So habe ich Sophie immer genannt." sagt sie mit einem betrübten Lächeln auf den Lippen und sieht mich entschuldigend an.

"Was machst du denn schon so früh auf den Beinen?" erkundige ich mich bei ihr. Jetzt, wo mir erst so richtig auffällt, wie früh es noch ist, finde ich es etwas verwunderlich, dass sie schon auf ist.

"Ich konnte nicht schlafen. Mir ging so viel durch den Kopf." seufzt sie auf und zuckt leicht mit den Schultern "Und du?" gibt sie die Frage erneut an mich zurück.

"Wir müssen gleich zur Arbeit." bleibe ich zumindest halbwegs bei der Wahrheit, doch schaut mich Theresa erstaunt an.

"Ich dachte, ihr bleibt noch einen Tag zu Hause. Alexander schien der Meinung, ich bräuchte noch einen Babysitter mehr, der auf mich aufpasst." zwinkert sie mir zu und grinst mich an, was mich zu einem kleinen Schnauben verleitet.

"Sieht ihm ähnlich. Aber ich glaube ich möchte lieber ins Büro. Ein bisschen ablenken. Verstehst du?" wissend nickt Theresa mir zu, während wir kurz in Schweigen versinken.

Doch während wir hier sitzen und uns eine leichte Brise um die Nase weht, tritt mein Vater, in einen Morgenmantel gehüllt, zu uns auf den Balkon, lächelt uns fröhlich zu.

"Guten Morgen die Dame." nickt er Theresa freundlich zu, während er mir einen Kuss ins Haar drückt und forschend auf mich hinunter schaut. "Hey, Kleines." sagt er sanft, kniet sich vor mich und schaut mir in die leblosen Augen, die ich vor ihm nicht verbergen kann. Doch muss ich bei seinen Worten lächeln.

Ich werde wohl immer seine Kleine bleiben. Ganz gleich wie alt ich auch bin, doch fühle ich mich gerade heute, noch viel kleiner, als sonst. Von der starken jungen Frau, die ihren brummigen Chef gezähmt hat, ist nicht mehr viel übriggeblieben.

"Hi Dad." grüße ich ihn heiser, wobei Theresa uns einen musternden Blick zu wirft, sich in die Küche zurück zieht, um Kaffee zu kochen, nachdem sie ihn etwas schüchtern begrüßt hat.

Ein dankbares Lächeln auf den Lippen setzt er sich auf ihren Platz, legt mir einen Arm um die Schultern und zieht mich an seine Schulter. Streichelt tröstend über meinen Rücken.

"Du musst nichts sagen." fällt er mir ins Wort, als ich tief Luft hole "Alexander und Mrs. Black haben mir alles erzählt."

"Oh gut." krächze ich erstickt und spüre, wie sich ein knoten in meinem Hals bildet, an dem ich fast ersticke.

"Wie geht es dir. Liebes?" schiebt er mich sanft an den Schultern zurück, sieht mir fest in die Augen. "Und ich meine nicht hier außen." deutet er auf meinen Hals "Sondern hier drinnen. Alles okay soweit?" sinkt seine Hand herab und zeigt nun auf die Stelle, wo einst mein Herz gesessen hat.

"Ja. Paps. Alles besten. Ich pack das schon. Ich brauch nur ein bisschen Zeit." atme ich tief durch und senke den Blick, spüre seine Lippen auf meiner Stirn, bevor er aufsteht und auf mich hinunter schaut.

"Du weiß, dass du immer mit mir reden kannst, nicht wahr?"

"Ja ich weiß." versuche ich mich an einem zuversichtlichen Lächeln, als es an der Tür klopft.

Seufzend wendet sich mein Vater von mir ab, begrüßt Alexander kurz, bevor er sich ins Badezimmer zurückzieht.

Und diesmal von Alexander abgelöst wird, der sich dicht neben mich setzt, einen Arm um mich legt, doch lasse ich ihn nur kurz gewähren, bevor ich mich bei ihm entschuldige und zu Theresa in die Küche gehe, wo ich mir einen Kaffee nehme, dabei habe ich keinen rechten Appetit. Nicht einmal auf Kaffee.

"Tut mir leid, dass du so früh aufgestanden bist. Ich wollte dir gestern noch sagen, dass wir heute zu Hause bleiben, aber ich wollte dich nicht wecken." folgt er mir in die Küche, wobei er meine geschäftsmäßige Bekleidung zur Kenntnis nimmt.

"Macht nichts. Ich werde einfach ins Büro gehen, jetzt, wo ich schon mal fertig bin. Außerdem muss ich mal bei Netti anrufen, ob in München auch alles in Ordnung ist. Letztens meinte sie, dass irgendwas bei den Arbeiten an der Halle oder den Bungalows nicht so ganz rund läuft." sage ich abwehrend und werfe der Uhr und ihm einen kurzen Blick zu.

Es ist viertel nach sieben und er trägt eine dünne Leinenhose und ein kurzärmeliges Hemd. Seine kräftigen Unterarme spannen sich an, als er die Hand zur Faust ballt sie aber nur leicht auf den Tresen in der Küche legt, als ich seiner Berührung ausweiche.

Sehnsüchtig schaue ich auf seine Hand, seinen Arm, folge ihm bis zu seiner Schulter und weiter über seinen Hals und das Kinn bis zu seinem Mund. den Blick in seine Augen versuche ich zu vermeiden, doch kann ich mich der magischen Anziehungskraft nicht entziehen.

Sehnsüchtig sehe ich zu ihm auf und verzehre mich schon jetzt nach seiner Nähe. Und diese Sehnsucht wird noch stärker, als sich seine blauen Augen bekümmert auf mich richten.

Doch ehe ich dem Drang, mich in seine Arme zu schmiegen nachgeben kann. senke ich den Blick, um die Tränen zu verbergen die sich in meine Augen schleichen wollen.

Energisch räuspere ich mich, um den dicken Kloß im Hals los zu werden, doch gelingt es mir nicht und so sage ich etwas heiser.

"Ich fahr dann jetzt. Bis heute Nachmittag Theresa." nicke ich ihr zu, wende mich an meinen Vater, dem ich einen Kuss auf die Wange gebe und ihm einen schönen Tag wüsche.

"Wir sehen uns dann heute Abend." richte ich mich abschließend an Alexander, der jedoch nach meiner Hand greift und mich aufhält, bevor ich die Wohnung verlassen kann.

"Nicht so schnell." brummt er verstimmt, was sich meine Brust schmerzhaft zusammen ziehen lässt. "Erstens..." hebt er energisch mein Kinn an, gibt mir einen innigen Kuss. "...gehst du nicht, ohne dich bei mir zu verabschieden und zweitens..." fasst er mich fester bei der Hand, so dass ich nicht gehen kann "...du glaubst doch wohl nicht, dass ich dich allein ins Büro fahren und dich die ganze Arbeit machen lasse." sagt er drohend, ohne meinen Protest zu beachten.

So ein Mist! Ich wollte Abstand und sicher nicht einen ganzen Tag mit ihm allein sein. Wobei ich mir nichts schöneres....nein! So darf ich nicht denken! Ich darf nicht vergessen, was ich mir vor genommen habe.

Tief atme ich durch, schließe kurz die Augen, als Alexander sich seiner Mutter zuwendet und sich bei ihr verabschiedet, und versuche mich zu sammeln. Mein Herz schlägt unangenehm heftig in meiner Brust und lässt mich zittern, schaffe es jedoch, ihn mit einem leisen Tadel zu bedenken.

"Alexander, du kannst doch deine Mum nicht jetzt schon alleine lassen." sage ich beherrscht und versuche mich von seiner Hand zu lösen, die er noch immer fest umklammert hält.

"Aber nicht doch Liebes." wiederspricht Theresa beruhigend "Ich bin doch nicht allein, außerdem geht die Arbeit vor."

"Alexander wollte doch sowieso zu Hause bleiben. Da hat er im Büro ja nicht viel zu tun. Und Mrs. Gunnar ist auch nicht da. Na und dann kommt Jason nachher zum Training, dann wird er ganz alleine sein. Er kann ruhig hier bleiben." versuche ich ihn zum Bleiben zu überreden, wobei ich seine Mutter ansehe, doch unterbricht er mich recht harsch.

"Vergiss es Emely. Wenn du ins Büro gehst, komm ich mit." zerquetscht er beinahe meine Hand, dann küsst er seine Mutter auf die Stirn, winkt meinem Vater, der uns mit gerunzelter Stirn betrachtet zu und zieht mich aus dem Raum.

Erst als wir im Fahrstuhl stehen und ich nicht mehr weglaufen kann, lässt er mich los, doch gibt er hin und wieder ein gereiztes Schnauben von sich, bleibt ansonsten aber Stumm.

So wie ich.

Die Arme vor der Brust verschränkt, den Blick auf die Tür gerichtet stehe ich schweigend da und versuche ihn nicht anzusehen, ihn nicht zu berühren, nicht zu zittern, oder in Tränen auszubrechen.

Doch wird es mit jeder Sekunde, die wir hier drin sind schlimmer. Der Fahrstuhl scheint mit jedem Stockwerk, dass wir weiter nach unten fahren kleiner zu werden, die Luft stickiger und heißer, die Spannung beinahe spürbar. Und nicht nur die gereizte Spannung, sondern auch die, die meine Nerven zum zittern, mein Herz zum Schlagen und zum Stocken bringt. Die, die sich meine Härchen aufstellen lässt, meine Hände schwitzig werden und meinen Unterleib zum Pochen bringt. Dabei stehen wir einfach nur da. Dicht beieinander und doch nicht dicht genug.

Zu dicht. Viel zu DICHT!

Und so atme ich erleichtert auf als wir endlich in der Tiefgarage aussteigen und auf meinen kleinen Wagen zugehen.

Alexanders fordernde Hand ignoriere ich, mit dem er mir den Autoschlüssel abnehmen will.

"Du hast keinen Führerschein mehr." verweigere ich seine stumme Bitte und setze mich auf den Fahrersitz, sein bockiges "Doch ich habe einen." überhöre ich mit einem freudlosen Schnauben. "Keinen gültigen." brumme ich genervt und warte, bis er sitzt.

Die Fahrt ins Büro schweigen wir, wobei sich die energiegeladene Stimmung immer weiter aufheizt. Ich bin angespannt. Nervös. Gereizt. Genervt. Erregt. Ich weiß nicht wo mir der Kopf steht, doch macht sein angespanntes Schweigen die Sache nicht besser.

Im Büro angekommen ziehen wir uns stumm in unsere Zimmer zurück, wobei ich, kaum dass ich die Tür hinter mir schließe in Tränen ausbreche und mich kurzfristig gehen lasse, doch habe ich mich schnell wieder im Griff und setzte mich an meinen Schreibtisch. Fahre den Rechner hoch und checke meine Mails.

Ich habe zwar auch in Leipzig hin und wieder an Alexanders neuem Laptop gearbeitet, doch habe ich dennoch genügend zu tun, so dass ich erste eine Stunde später wieder aus den Tiefen meines Bildschirms auftauche, als ein leises, gereiztes Fluchen, gefolgt von einen drohendem Ausruf an mein Ohr dringt.

"EMELY!"

Genervt verdrehe ich die Augen und stehe seufzend auf, als er ein zweites Mal meinen Namen ruft. Wobei rufen nicht ganz stimmt. Er schreit regelrecht!

"WAS!" fauche ich ihn an, wobei er mich grimmigem Blick ansieht, als ich ihn aus dem Weg dränge und ihm die Glaskanne für die Kaffeemaschine aus der Hand reiße und sie energisch unter die Maschine ramme; ihm einen Lappen in die Hand drücke.

"Man! Was ist bitte so schwer daran, Kaffee zu kochen?!" fauche ich ihn an und reiße die Schranktür auf. "Du nimmst hier so ein verdammten Kaffeefilter!" fummel ich so ein scheiß Teil aus dem Karton und ramme ihn in den Halter "Dann machst du das Pulver rein! 4 Löffel! DAS WARS!" mit einem Rums knalle ich den Deckel zu haue auf den Knopf und fahre mit Funkelnden Augen zu ihm herum und muss erkennen, dass er mich mit einem breiten grinsen Betrachtet.

IDIOT!

"Lass mich durch!" zwänge ich mich an ihm vorbei und kehre an meinen Schreibtisch zurück, nicht wissend, warum ich überhaupt so ausgetickt bin, doch kaum sitze ich kommt besagter Idiot in mein Zimmer.

Den Blick gesenkt, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, mit zögernden Schritten.

"Miss Stone, darf ich kurz mit ihnen reden?" beginnt er unterwürfig mal wieder eines seiner Spiele, doch will ich mich nicht darauf einlassen.

"Was denn?!" seufze ich genervt und versuche meinen rasenden Puls zu beruhigen, in dem ich die Augen schließe und tief durchatme, die Hände auf dem Tisch verschränke.

"Dürfte ich erfahren, was ich falsch gemacht..."

"Lass es Alexander!" unterbreche ich ihn, sehe ihn so abweisend an wie ich kann. "Ich habe keine Lust auf deine Spielchen. Ich bin hier um zu Arbeiten. Also, was willst du?"

"Wissen was mit dir ist." richtet er sich auf und kommt zu mir an den Schreibtisch. Ganz er selbst. Von Jo ist nichts mehr zu sehen.

"Nichts." erwider ich recht scharf, was ihn freudlos auflachen lässt.

"Ne, ist klar. Deshalb reagierst du auch total über, nur weil ich mal wieder zu..." erneut unterbreche ich ihn.

"Genau...MAL WIEDER... das machst du doch absichtlich! Was ist bitte daran so schlimm Kaffee zu kochen?" genervt seufze ich auf und weiche seiner Hand aus, mit der er mir eine Strähne aus dem Gesicht streichen will.

"Es geht hier doch nicht um diesen beschissenen Kaffee." knurrt er gereizt und ballt die Hand zur Faust; zieht sie beherrscht zurück.

"Ich weiß, dass irgendwas nicht stimmt und ich möchte wissen, was ist!" versucht er hinter mein abweisendes Verhalten zu kommen, doch weise ich ihn erneut zurück.

"Nichts! Alexander. ES IST GAR NICHTS! OKAY?!" zitternd balle ich die Hand zur Faust, schließe erneut die Augen und versuche mich zu beruhigen atme tief ein und aus, dann fahre ich etwas ruhiger fort. "Ich bin nur beinahe umgebracht worden, okay. Ich habe schlecht geschlafen und bin Müde. Lass mich einfach in Ruhe. Ich will da nicht mehr drüber reden."

"Aber..."

"NEIN, Alexander! Kein aber! Lass mich!" sage ich bestimmt und deute auf die Tür. "Bitte geh jetzt. Ich muss arbeiten."

Resigniert seufzt er auf, wendet sich von mir ab, bleibt jedoch an der Tür stehen und sieht mich einen Momentlang an, dann schüttelt er, erneut mit einem kleinen Seufzen den Kopf und schließt die Tür hinter sich.

Doch kaum ist sie zu, breche ich schluchzend an meinem Schreibtisch zusammen. Ich weiß einfach nicht, was mit mir los ist. Warum bin ich so unausstehlich zu ihm? Ich will ihm nicht wehtun, nur mich von ihm lösen.

Vielleicht ist es das...ich will ihm nah sein und weil das nicht geht stoße ich ihn weg. So ist es das Beste. Das sicherste. Für uns beide.

Wenn ich ihn nur genug von mir stoße, wird er schon einsehen, dass es besser ist, mich gehen zu lassen.

Beherrscht atme ich auf, dann reiße ich mich zitternd zusammen und mache mich wieder an die Arbeit.

Rund fünfzehn Minuten später klopft es an der Tür, was mich fast augenblicklich wieder auf hundert achtzig bringt.

"Was?!" fauche ich genervt, als sich die Tür öffnet. Doch stellt er mir nur wortlos eine Tasse Kaffee hin und geht dann wieder, was mir ein schlechtes Gewissen macht. Zumal er einen reichlich verwirrten Eindruck macht. Verständlicher Weise.

Seufzend schüttel ich den Kopf und arbeite weiter, den Kaffee ignoriere ich, nehme die Milch darin und den Zucker, den er danebengelegt hat aber gerührt zur Kenntnis.

Er kennt mich wirklich gut. Weiß sogar, wie ich meinen Kaffee trinke.

Bis zur Mittagspause bleibe ich allein, doch bevor er mich wieder in meinem Büro überfällt, klopfe ich an seine Tür und melde mich mit knappen Worten bei ihm ab.

"Ich treff mich jetzt mit Jason." will ich den Raum schon wieder verlassen, als er mich kurz bittet zu warten.

Unbehaglich stehe ich da und verschließe das Bedürfnis nach seiner Nähe in dem Loch in meiner Brust. Lege es gleich neben mein zerbröseltes Herz und wundere mich beinahe darüber, wie heftig das zerstörte Teil noch schlagen kann, als er langsam auf mich zukommt.

"Komm mal her, Baby." macht er eine lockende Bewegung mit dem Finger, die ich mit zittrigen Beinen ignoriere, stattdessen die Hände vor der Brust verschränke, da auch meine Hände zu zittern anfangen.

Doch kommt er immer weiter auf mich zu, bis er direkt vor mir steht, mir sehnsüchtig in die Augen schaut, deren tiefem blau ich mich nicht entziehen kann. Es bleibt mir nur, meine Seele mit einer Mauer zu umgeben, die mehr als nur wackelt, als er sanft mit den Fingern meine Wange streichelt.

"Du machst mir ein kleines Bisschen Angst, Emely." beginnt er zögerlich, was ich nur zu gut verstehen kann. Auch ich mache mir Angst. Meine Gefühle sind so schwankend, so wechselhaft, dass ich selbst nicht weiß, wie ich reagiere. Ich könnte jederzeit Explodieren oder zusammenbrechen. Getrieben von der selbstzerstörerischen kraft, mit der ich ihn versuche zu beschützen und der Schwäche mich von ihm beschützen zu lassen. Ich weiß nicht, welche Seite diesmal gewinnen wird.

"Es tut mir leid." entschuldigend sehe ich ihn an, entziehe mich aber wieder mal sanft seiner Berührung. "Ich weiß auch nicht was mit mir los ist."

"Muss es nicht, doch versprich mir bitte, dass du nichts unüberlegtes tust, okay." bittet er mich, was mich schlucken lässt, doch nicke ich auch bestätigend. Das was ich tue ist mit Sicherheit nicht UNüberlegt.

Nur zu gut weiß ich, was ich mache. Und nachgedacht habe ich auch. Lange Zeit. Die halbe Nacht um genau zu sein und auch in den letzten Stunden, konnte ich an fast nichts anderes denken. Doch komme ich nur immer und immer wieder auf denselben Nenner.

"Okay." flüstere ich erstickt, was ihn veranlasst mich in seine Arme zu ziehen und weil ich scheinbar nicht genug darauf geachtet habe, meine Mauer zu schließen, kriecht ein Teil meines Verlangens durch die Ritzen und lässt mich in seinen Armen zu flüssigem Wachs zerschmelzen.

Sehnsüchtig seufze ich auf, lehne meinen Kopf an seine Schulter und lege ihm sanft die Arme um die Hüften. Ziehe aus seiner Nähe so viel kraft wie ich kriegen kann und genieße seine herrliche Wärme, die das Eis in meinem Inneren gefährlich zum Tröpfeln bringt.

Berauschend umweht sein herrlicher Duft meine Nase und lässt mich tief durchatmen, nimmt für einen Moment die Tonnenschwere Last von meinen Schultern, während er seine Nase in meinen Haaren vergräbt und anschließend seine Wange auf meinen Kopf legt.

"Du bist alles für mich." raunt er mir heiser zu, zieht mich noch dichter an sich, doch rufen mir seine Worte mein Vorhaben nur allzu deutlich ins Gedächtnis zurück.

Kurz verzieht sich mein Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse, die er nicht sehen kann, weil ich sie an seiner Brust verberge, dann zwinge ich mich zu einem aufmunternden Lächeln und einem leichten "Ich muss jetzt los. Ich möchte Jason nicht warten lassen."

Zuversichtlich sehe ich ihm in die Augen und löse mich von ihm, doch erwidere ich den Kuss, den er mir zum Abschied auf die Lippen haucht mehr als zögerlich.

"Ich komm nach dem Training nicht zurück." teile ich ihm im rausgehen noch mit. "Ich hab noch einen Termin zur Vorsorge."

"Gut, dann nehme ich nachher ein Taxi." nimmt er die Information scheinbar gelassen hin, doch sehe ich das kleine Stirnrunzeln auf seiner Stirn, welches ich mit einem Lächeln beiseite wische, bevor ich mich in meinem Zimmer umziehe. Meine Arbeitssachen verstaue ich direkt im Auto und stecke lediglich den Autoschlüssel ein, der gerade so in die kleine Tasche von meiner Hose passt, doch kaum bin ich fertig, kommt Jason auf seinem Fahrrad schon um die Ecke.

"Hey Em!" grüßt er mich gutgelaunt und nimmt mich zur Begrüßung in den Arm. Eine Berührung, die so normal und alltäglich ist, dass sie mich ein wenig auf andere Gedanken bringt.

Jason weiß nicht, was mir passiert ist und sein Lächeln, mit dem er mich bedenkt ist nicht sorgenvoll, nicht musternd und auch nicht abschätzend sondern offen und ehrlich.

Ein Lächeln, dass ich ebenso ehrlich erwidern kann.

"Schön dich zu sehen." atme ich tief durch und lasse mich von ihm nur zu gern zu einer kleinen Aufwärmrunde durch die Straßen überreden, bevor wir in einen kleinen Park kommen, wo er mir auf einer Wiese einige Techniken zeigt, mit denen ich mich verteidigen kann.

Sein Blick war nicht schlecht, als ich ihn darum gebeten habe, doch zuckte er lediglich mit den Schultern, als ich ihm erklärte, dass ich es einfach wichtig fand, mich verteidigen zu können, wenn ich mal in Gefahr geraten sollte.

Das ich bereits in größter Gefahr geschwebt hatte, verschwieg ich ihm, doch versprach er mir, mir einiges beizubringen, was mir helfen könnte.

Nach dem Training setze ich mich mit deutlich besserer Laune in mein Auto und fahre für eine kurze Dusche in unsere Wohnung, anschließend zum Arzt.

Die Eingangsbefragung ist schnell erledigt und weil ich erst beim letzten Mal eine Ultraschalluntersuchung habe machen lassen, verzichte ich dieses Mal darauf. Meine Tage hatte ich ja auch gerade erst und die Pille nehme ich ohnehin und so kann ich auch die Schwangerschaftsfrage mit einem 'Nein' beantworten.

Wie immer werden die Ergebnisse des Abstrichs einige Tage auf sich warten lassen, doch mache ich mir keine Gedanken und so verabschiede ich mich wenig später von meiner Ärztin und stehe kurzfristig recht unentschlossen vor der Praxis und weiß nicht, wohin ich jetzt gehen soll.

Nach Hause möchte ich noch nicht und ins Büro auch nicht. Es würde sich auch nicht lohnen, denn es ist ohnehin schon kurz vor fünf und so fahre ich zu unserem alten Bürogebäude und setzte mich in das kleine Kaffee im Park. Trinke einen Cappuccino und rufe bei Netti an, um mich nach den Bauarbeiten zu erkundigen.

Der Nachmittag zieht schnell an mir vorüber, doch werde ich mit jeder Minute, die ich im freien verbringe unruhiger.

Unbehaglich blicke ich mich immer wieder um. Beobachte all die Spaziergänger, die an mir Vorübergehen und halte akribisch nach irgendwelchen Anzeichen Ausschau, die darauf hinweisen könnten, das ich beobachtet werde, doch kann ich mir nicht vorstellen, dass Benno mich so schnell finden kann.

Sicher wird er einige Zeit brauchen, bis er hier auftaucht und dann muss er auch erst einmal herausfinden, wo wir wohnen und was ich den Tag über mache.

Ich bin sicher, er wird sich Zeit lassen, seine Drohung in die Tat umzusetzen.

Hoffentlich so lange, bis ich Zeit hatte meinen Plan zu vollenden, so dass er zwar mir, aber nicht Alexander schaden kann.

Und vielleicht habe ich ja auch Glück und er wird vorher von der Polizei geschnappt. Keiner kann Ewig versteckt bleiben.

Das wäre mir das liebste und dann müsste ich Alexander auch nicht auf so unverzeihliche Weise verletzten.

Doch wir werden sehen.

Eins nach dem Anderen.

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4688 Worte
12.12.16

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