Teil 3
Doch bevor ich sehen kann, wer meine Gesellschaft sucht, weht Netti's Stimme zu mir herein und hält meinen Besucher kurzfristig auf, "Suchen sie was bestimmtes?" fragt sie höflich, was meine Neugier, wer mein Gast wohl sein könnte deutlich in die Höhe treibt. Denn jeden, der hier normalerweise ein und aus geht, hätte Netti wohl nicht aufgehalten zu mir zu kommen.
Doch als derjenige, der wohl die Hand auf meiner Türklinke liegen hat "Ja, den Boss." sagt und seine angenehme, leicht raue Stimme in mein Zimmer dringt, würde ich am liebsten aufstehen und selbst die Tür öffnen, nur um zu sehen, wer es ist.
Aber stattdessen rufe ich "Ist schon gut Netti! Ich bin da!" der halb offenen Tür zu und beobachte gespannt, wie sie sich nun öffnet.
Doch es ist nur Netti, die den Kopf herein steckt. "Hast du kurz Zeit?" will sie wissen und versperrt mir weiterhin die Sicht auf den Neuankömmling, der noch immer hinter der Tür verborgen ist.
"Ja, ist schon gut. Du kannst ihn rein lassen." sage ich leicht ungeduldig, doch bevor sie die Tür öffnet frage ich noch "Wer ist es denn?"
Nettis Kopf verschwindet und ich höre sie wie sie ihn nach seinem Namen fragt, doch als der Besucher "Black." antwortet rutscht mir für einen Moment das Herz in die Hose.
"Ein Mr. Black." teilt sie mir mit, bevor sie ihm scheinbar das Feld überlässt. "Ich geh dann mal." sind ihre Worte, bevor sie genau das tut und mich hier mit ihm allein lässt.
Shit! Jetzt hat er mich doch gefunden!
Durchfährt es mich.
Und so blicke ich mich hektisch im Raum um, doch hier gibt es nichts, wo ich mich verstecken könnte.
Na ja, außer den Schreibtisch, doch das würde mir wahrscheinlich auch nichts bringen, wenn ich mich dort verstecken würde. Trotzdem versuche ich es.
Eilig rutsche ich von meinem Stuhl und lasse mich unter den Tisch gleiten, allerdings bewaffne ich mich vorher noch mit einen Kuli. So habe ich wenigstens eine Ausrede, warum ich hier unten hocke, wenn er mich wider erwarten finden sollte.
Gott! Wie Kindisch! Aber von hier unten habe ich wenigstens die Möglichkeit ihn zuerst zu sehen, ohne dass er mich sieht.
So ein Mist!
Und ich habe nicht mal etwas nettes an. Nur schmutzige Jeans und einen hässlichen Pullover. Scheiße! So darf er mich nicht sehen! Was soll er nur von mir denken?
Alexander fand das, was ich früher immer an hatte schon nicht schick genug und dabei war ich da deutlich feiner gekleidet als Heute und auch meine Haare sehen unordentlich aus...und überhaupt...
Mein Herz spielt verrückt, in meinem Bauch rumort es plötzlich unangenehm und auch meine Hände fangen an zu schwitzen, als er nun langsam den Raum betritt.
"Ähm...Hallo?" er klingt verwirrt. "Wo sind sie denn?" im Türrahmen bleibt er stehen und scheint sich umzuschauen, doch das einzige, was ich von ihm sehen kann sind seine schicken schwarzen Lederschuhe und seine Beine, die in einer eleganten Anzughose stecken.
Ja, Emely, das hast du wirklich schlau eingefädelt!
Jetzt sehe ich ihn zwar zuerst, aber ich kann ihm nicht ins Gesicht sehen, denn das ist über dem Schreibtisch und ich hocke darunter.
Seufzend stoße ich die Luft aus, während er den Raum betritt und schließe kurz die Augen um mich zu sammeln, doch noch bevor ich so weit bin, aus meinem Versteck zu kriechen schiebt sich ein Kopf in mein Blickfeld.
"Suchen sie etwas bestimmtes?" will er freundlich wissen, während er sich vor mich kniet.
"Ähm...nein...nein, nur den hier." stammelnd halte ich meinem Gegenüber den Stift hin und krieche schnellstmöglich unter dem Tisch hervor, wobei ich mir mit einem Lauten TOCK, den Kopf an der Schreibtischplatte stoße.
"Fuck!" rutscht es mir leise heraus und ich halte mir mit tränenden Augen den Hinterkopf, während Mr. Black in ein belustigtes schnauben ausbricht.
"Sie haben gut Lachen." beginne ich gereizt, doch dann stimme ich in sein Lachen mit ein. "Stoßen sie mal mit dem Kopf an eine massive Eichenplatte, dann würden sie auch schimpfen."
"Oh, ganz sicher würde ich das." stimmt er mir lächelnd zu, während er meiner einladenden Handbewegung folgt und sich auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch setzt.
"Was kann ich für sie tun Mr. Black?" frage ich ihn, mit tränenden Augen, nach seinem Anliegen und fühle, wie mich bei diesem Namen eine Welle des Schmerzes überkommt, aber ich bin auch erleichtert, dass der Mann vor mir nicht Alexander ist.
Nein, denn der Mann vor mir trägt zwar den selben Nachnahmen, aber ansonsten, gibt es keinerlei Ähnlichkeiten. Seine Haare sind dunkel Blond, er hat...ich weiß nicht...vielleicht grau grüne Augen, aber so ganz genau lässt sich das nicht sagen, dazu trägt er einen dunklen Anzug und ein weißes Hemd. Seine Gesichtszüge sind weich und ein klein wenig rundlich, doch er ist ansonsten recht schlank.
Fast ein wenig zierlich, doch sein freundliches Gesicht und die lachenden Augen lassen ihn sehr sympathisch wirken.
Entspannt lehnt er sich auf dem Stuhl zurück und schlägt die Beine Übereinader. Verschränkt die Hände auf seinen Knien und mustert mich eingehend.
"Nun, um ehrlich zu sein... ich suche jemanden." sagt er nachdenklich und tippt die Zeigefinger aneinander, was mich ziemlich nervös macht und meine Aufmerksamkeit auf sie lenkt.
"Und wie kommen sie darauf, dass ich ihnen da weiterhelfen könnte?" frage ich den Blick auf seine Hände gerichtet, die bei meinen Worten plötzlich innehalten.
"Ja, also bis jetzt war mir das auch noch nicht so ganz klar, doch seit dem sie hier vor mir sitzen... ich denke. Ich werde meine Suche wohl einstellen können."
Langsam hebe ich den Blick von seinen Fingern, die er gerade voneinander löst, zurück in sein Gesicht und spüre, wie es in meiner Brust nervös zu flattern beginnt.
"Ich verstehe nicht, Mr. Black." sage ich unsicher und lasse kurz meinen Blick zur Tür huschen. Doch ich weiß nicht, was ich mir mehr wünsche. Das sie Aufgeht und mir einen Fluchtweg eröffnet, oder das sie aufgeht und jemand hereinkommt.
"Dann lassen sie es mich erklären." Mr. Black kramt in seiner Aktentasche herum und zieht einen Umschlag heraus.
"Sehen, sie... vor einiger Zeit kam ein Klient in mein Büro und erteilte mir den Auftrag jemanden zu finden. Eine Frau. Ihr Name sei Emely Stone." mit erhobener Augenbraue sieht er mich an und scheint jede Regung in meinem Gesicht zu analysieren.
Und ich denke, da wird er gerade sehr viel zu sehen bekommen, denn bei seinen Worten werden meine Augen immer größer und ich bin sicher, dass sich auch meine Wangen röten und meine Atmung beschleunigt ist und als er meinen Namen sagt, muss ich schwer Schlucken, denn Stone hat mich schon lange niemand mehr genannt.
Hier bin ich Emely Wellenstein. Auch wenn Netti mich nur beim Vornamen nennt und auch die Arbeiter meistens Emely sagen, so kommt es doch vor, dass mich Zulieferer, neue Mitarbeiter oder eben Mr. Lemon, mein Architekt, mich beim Nachnahmen nennen.
"Darf ich sie nach dem Namen desjenigen Fragen, der ihnen den Auftrag erteilt hat?" frage ich heiser und muss mich erst mal räuspern.
"Nun...sicher, sein Name ist Alexander Black." Kurz runzelt er die Stirn, als ich weit die Augen aufreiße, bevor ich mit zitternden Fingern nach einem Glas Wasser greife, dass gleich neben mir auf dem Schreibtisch steht.
"Stimmt etwas nicht?" fragt er aufmerksam und mustert mich eingehend. "Kennen sie ihn vielleicht?"fährt er fort, als ich mit dem Kopf schüttel.
"Das dachte ich." sage ich leise und mehr zu mir selbst, wobei ich hecktisch zu blinzeln beginne, weil mir plötzlich die Tränen in die Augen steigen. "Doch da habe ich mich wohl geirrt." erneut gebe ich ein Räuspern von mir und sperre meine Gefühle zurück in ihre Schublade, aus der sie so ungebeten entflohen sind.
"Und wie kommen sie darauf, dass ich diese Mrs. Stone sein könnte?" will ich nun mit wieder etwas festerer Stimme wissen, immerhin weiß hier niemand wie ich heiße, also kann ihm auch niemand gesagt haben, wo er mich findet.
"Ja, nun..." er zieht etwas aus dem Umschlag, den er noch immer in der Hand hält und legt es vor mich auf den Tisch.
"Darf ich?" zögernd sehe ich ihn an, dann greife ich nach dem Foto, als er zustimmend nickt.
Es ist ein Bild von mir. Von wem auch sonst. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Alexander es gemacht hat. Am Tag unserer Trennung am Flughafen. Ich habe mich ein letztes Mal zu ihm umgedreht und mir gewünscht, er würde mit mir kommen. Nach Hannover. Aber er musste ja unbedingt zu seinen Eltern fliegen anstatt mit mir zu kommen.
Und seither hat sich alles verändert.
"Die Ähnlichkeit ist schon verblüffend nicht wahr." mit der Hand versucht er ein Schmunzeln zu verbergen, doch es entgeht mir nicht.
Ich nicke ihm zustimmend zu, habe aber mühe ihn anzusehen, da es verdächtig in meinen Augen brennt und so starre ich einfach weiter auf das Bild, bis sich die Enge um meinen Hals ein wenig lockert.
"Ja, da gebe ich ihnen recht. Doch leider muss ich sie enttäuschen." versuche ich ihn abzuwehren "Aber mein Name ist nicht Stone, sondern Wellenstein."
"Ja, das haben mir ihre Arbeiter da draußen auch gesagt, deshalb war ich anfangs etwas erstaunt, als ich sie gesehen habe. Zumal Mr. Black mir gesagt hat, dass es unter Umständen sein könnte, dass ich auf den Namen Stoße. Dass er damit jedoch sie gemeint hat, hat er aber mit keiner Silbe erwähnt."
Unruhig rutsche ich auf meinem Stuhl herum. Was soll ich denn nur machen? Jetzt hat mich dieser Kerl gefunden und sicher wird er Alexander sagen, wo er mich finden kann. Doch das darf ich unter keinen Umständen zulassen.
Ich will ihn nicht sehen. Es würde nur die Wunden wieder aufreißen, die ich seit Monaten versuche zu verschließen. Wir sind einfach zu verschieden. Wir passen nicht zusammen. Das zwischen uns würde niemals funktionieren.
"Aber ich sagte doch schon...ich bin nicht..." beginne ich zu wiedersprechen, doch als er weitere Bilder von mir aus dem Umschlag zieht und sie mir vorlegt, sehe ich ein, dass es wohl wenig Sinn macht, weiter zu wieder sprechen, doch meine Angst, Alexander könnte jeden Moment zur Tür herein kommen lässt mich etwas bestimmter werden.
"Na schön, Mr. Black. In Anbetracht der ganzen "Beweise", die sie mir hier vorlegen muss ich mich wohl geschlagen geben. Allerdings möchte ich sie bitten, es meinen Mitarbeitern gegenüber nicht zu erwähnen." fest sehe ich ihn an und warte darauf, dass er zustimmt, bevor ich ihm die Frage stelle, die für mich gerade am wichtigsten ist, doch schon jetzt überlege ich, wo ich mich als nächstes Verstecken kann.
"Was werden sie jetzt tun, wo sie mich gefunden haben?"
"Ich werde meinen Auftrag abschließen und Mr. Black einen Bericht zukommen lassen." gleichgültig zuckt er mit den Achseln.
"Ist ihr Auftrag denn noch nicht abgeschlossen?" verwirrt runzel ich bei seinen Worten die Stirn. "Sie haben mich doch jetzt gefunden."
"Es war zwar durchaus mein Auftrag sie zu finden Mrs. Stone, aber eigentlich ging es Mr. Black eher darum, dass ich ihnen das hier übergebe." sagt er gleichgültig, dabei habe ich das Gefühl, das er jede meiner Regungen abspeichert, so genau beobachtet er mich, während er erneut in den Umschlag greift und einen Brief herausholt und ihn mir hinhält.
"Der ist für sie." fordert er mich auf den kleinen weißen Umschlag entgegen zunehmen, auf dem ich deutlich Alexanders Handschrift erkennen kann.
Doch, als wenn sein Mitbringsel eine Gefahr für mich darstellen würde weiche ich vor ihm zurück und lehne mich mit verschränkten Armen auf meinem Stuhl zurück.
"Was ist das?" frage ich dümmlich.
Ich meine..., was das ist, sehe ich ja selbst, nur warum soll er ihn mir geben?
Okay. Okay...auch diese Frage kann ich mir selbst beantworten...wenn er ihn mir hätte schicken wollen, hätte Alexander wissen müssen wo ich bin und das wusste er nicht.
Bis jetzt.
"Ein Brief." ist die schlichte Antwort auf mienen Frage.
"Vielen Dank, Mr. Black, aber das sehe ich selbst. Worum geht es da?" Will ich ein klein wenig ungehalten wissen. "Und warum sollen sie ihn mir geben? Sie bräuchten Mr. Black doch nur sagen, wo ich bin und dann könnte er mir den Brief doch auch selbst bringen." versuche ich Zeit zu schinden, denn irgendwie habe ich Angst vor dem, was sich in dem Brief befindet.
"Das könnte er wohl, wenn er denn wissen wollen würde, wo sie sind, aber das will er nicht." erklärt er schlicht, doch als er meinen verwirrten Gesichtsausdruck bemerkt, fährt er fort "Mrs. Stone. Ich mache hier nur meinen Job. Warum meine Klienten etwas von mir verlangen, ist mir egal. Ich tue wofür ich bezahlt werde und damit ist meine Aufgabe erledigt. Mr. Black hat mich gebeten sie zu finden und ihnen diesen Brief zu übergeben. Ach ja und ich soll darauf bestehen, dass sie ihn auch lesen, doch sobald das erledigt ist, ist meine Arbeit beendet." Achselzuckend sieht er mich an. Schiebt den Brief ein Stück dichter zu mir und setzt sich wieder auf seinen Stuhl zurück.
Doch für mich sind seine Worte wie ein Schlag ins Gesicht.
Er will nicht wissen wo ich bin?! Warum nicht? Warum will er nicht wissen wo ich bin? Ich dachte er würde nichts unversucht lassen mich zu finden und jetzt muss ich erfahren, dass es ihm vollkommen egal ist.
Er will nicht wissen wo ich bin?!
Er will nur, dass ich diesen dummen Brief lese. Was wahrscheinlich nur meine Offizielle Kündigung ist oder so, weil ich einfach abgehauen bin.
Vielleicht will er mich aber auch einfach nur verklagen, wegen dieser Komischen Klausel in seinem Vertrag. Dieser Verschwiegenheitsklausel, in der es um Mrs. Wellenstein geht, dessen Namen ich derzeit trage. Wenn er wüsste, wie sehr ich ihn hintergehe, würde er mich bestimmt auf all das Geld verklagen, das ich gerade in seinem Namen ausgebe.
Obwohl...eigentlich wollte er ja sowieso, dass ich dieses Haus renoviere...Allerdings war das bevor ich mich von ihm getrennt habe. Sicher will er das jetzt nicht mehr.
Bestimmt hat er inzwischen jemand anderes der für ihn Mrs. Wellenstein spielt, oder er macht es so wie früher. So wie er es gemacht hat, bevor ich Mrs. Wellenstein wurde. Ich weiß zwar nicht, wie er das gemacht hat, doch irgendwie wird er es schon geschafft haben, denn so lange war ich Mrs. Wellenstein ja nun auch nicht.
"Bitte. Wenn sie dann so freundlich wären Mrs. Stone." er lächelt mich entschuldigend an, während er auf den Umschlag deutet, der nachwievor unberührt vor mir auf dem Tisch liegt.
Doch ich habe keine Lust den Brief zu lesen. Nicht vor seinen Augen und auch nicht, wenn ich allein bin und so lehne ich vor, stemme mich am Schreibtisch ab und stehe auf.
"Tut mir leid Mr. Black. Ich habe gerade keine Zeit mich um diesen unwichtigen Kram zu kümmern. Ich muss mich auf ein Vorstellungsgespräch, vorbereiten und dann warten da draußen sicher eine ganze Menge Leute auf ihre Anweisungen. Also, wenn sie mich jetzt entschuldigen würden?" auf Wackeligen Beinen gehe ich zur Tür und öffne sie.
"Nun, das ist wirklich sehr bedauerlich. Ich hatte gehofft, ich könnte diesen Auftrag heute abschließen, doch wenn sie keine Zeit haben..." er nimmt den Brief vom Tisch und steckt ihn wieder ein, dann kommt er zu mir an die Tür "muss ich wohl morgen wieder kommen. Passt es ihnen so gegen 10 Uhr?"
Wie wiederkommen? Ich will nicht, dass er wiederkommt! Er soll gefälligst verschwinden und den Brief darf er gerne mitnehmen.
"Nein." knurre ich verstimmt. "10 Uhr passt mir gar nicht. Da bekommen wir eine Lieferung Baumaterialien und um 11 Uhr kommen die ersten Elektriker um im Obergeschoss die Steckdosen und die letzten Kabel zu verlegen, dann wollte morgen auch noch der Klempnertrupp vorbeikommen um mit der Installation der Sanitäranlagen im Ostflügel fortzufahren. Na und ganz nebenbei laufen auch noch all die anderen Arbeiten, die sowieso schon in Gange sind. Also...sie sehen, es ist wirklich schlecht. Aber wenn sie wollen, lassen sie den Brief doch einfach hier und ich lese ihn sobald irgendwo ein wenig Luft ist." versuche ich ihn los zu werden, doch leider klappt es nicht.
"Leider..." sagt er bedauernd. "...ich muss darauf bestehen, dass sie ihn in meiner Anwesenheit lesen. Eine Bedingung meines Auftraggebers." entschuldigend sieht er mich an, dann geht er an mir vorbei und verlässt mein Büro. "Also, ich werde morgen Früh einfach wiederkommen und den Tag hier verbringen und wenn sie kurz Zeit finden, dann setzten wir uns hier zusammen und..." musternd schaut er mich an. Scheint auf meine Antwort zu warten. Doch ich bin nicht bereit, den Brief jetzt zu lesen. Oder auch Morgen. Auch nicht in einer Woche oder einem Monat... Ich will es einfach nicht. Es ist mir irgendwie zu viel.
Nach drei Monaten des Schweigens, der Einsamkeit und der Trennung, frisst mich der Schmerz noch immer auf und so tue ich einfach so, als wäre der Kerl nicht da.
"Tun sie was sie nicht lassen können Mr. Black." sage ich kalt und lasse ihn einfach stehen. Denn wenn ich hier noch lange herumstehe und darüber nachdenke, ob ich, oder ob ich nicht den Brief lesen soll, werde ich in Tränen ausbrechen und diese Blöße möchte ich mir vor ihm nicht geben.
Eiligen Schrittes durchquere ich die Empfangshalle und steige die Treppe hinauf zu meinem Zimmer, in dem ich mich einschließe und zitternd zu Boden sinke.
Was soll ich denn jetzt nur machen?
Sicher werde ich nicht mehr lange hier bleiben können, jetzt wo Alexander weiß wo ich bin... wobei es ihn ja nicht mal interessiert, WO ich bin. Er will nur, dass ich seinen bescheuerten Brief lese und das auch noch in Anwesenheit dieses dämlichen Kerls, der ihn mir gebracht hat!
Der hat sie doch nicht mehr alle! Warum will er mich nur so erniedrigen? Reicht es ihm nicht, dass er ihn mir überbracht hat? Muss er auch noch darauf bestehen, dass er mir beim Lesen zusieht?
Aber darauf kann er lange warten!
Irgendwann wird es diesem Typen da unten schon zu langweilig werden hier herum zu sitzen. Oder ich hau einfach wieder ab. Der kann ruhig ein bisschen was tun für sein Geld.
Ja. Vielleicht ist das sogar das Beste.
Ich sollte einfach gehen. Ich war lange genug hier!
Energisch fahre ich mir übers Gesicht, wische mir die Tränen ab, die so ungebeten über meine Wangen laufen, wie so oft in letzten Zeit.
Wie eigentlich so oft in den letzten drei Monaten, seit ich mich von ihm getrennt habe, doch es kommen stetig neue. So verzweifelt bin ich, denn wenn ich ehrlich bin... ich will hier nicht weg. Nicht solange ich hier nicht fertig bin. Und das könnte noch einige Monate dauern, bis alles so ist, wie ich es mir vorgestellt habe.
Bis der Wintergarten steht, die Außenanlagen schön gemacht sind, die Nebengebäude und Stallungen errichtet und bis der Mittelaltermarkt stattfindet, denn wie wir Pete versprochen haben wird er dieses Jahr hier stattfinden.
Und bis dahin soll auch das Hotel soweit wieder bewohnbar sein, dass die ersten Gäste einziehen können, doch bis es so weit ist, ist noch so viel zu tun.
Die Duschen und Wc's in den einzelnen Zimmern müssen noch eingebaut und die Fliesen verlegt werden, doch das soll morgen beginnen.
Dann müssen die Tapeten an die Wände und Farbe.
Im Anschluss wird dann der Boden verlegt und ganz zum Schluss kommen noch die Möbel wieder rein.
Teilweise werden wir die alten, benutzen, doch vieles war einfach nicht mehr zu gebrauchen und so habe ich schon neue Möbel bestellt, um die Räume wohnlich zu machen.
Und wenn alles klappt wird das Hotel zum Mittelalterfest wieder bezugsfertig sein, so dass sowohl die Hotelgäste, als auch Pete mit seiner Veranstaltung davon Profitieren können.
Hoffentlich geht mein Konzept auf. Ich würde es nicht ertragen, wenn all meine Arbeit hier umsonst war.
Doch was mach ich bis dahin mit Alexander und dem Kerl, der mir unbedingt den Brief geben soll?
Ob er Alexander anruft und ihm sagt, wo ich bin, wenn ich mich weigere den Brief zu lesen? Wer weiß?
Oder würde er damit gegen seinen Vertrag verstoßen, denn mein Mr. Black wollte ja nicht wissen, wo ich mich aufhalte.
Seufzend stoße ich zum wiederholten Male die Luft aus und weiß einfach nicht was ich machen soll und so gehe ich in mein Badezimmer...ja, hier gibt es schon eines... und stelle mich unter die Dusche. Ziehe mir etwas sauberes an und fahre dann weg.
Ich muss einfach mal raus! Etwas anderes sehen und hören.
Zur Ruhe kommen, was bei all dem Baulärm wirklich nicht leicht ist.
Und so schlendere ich, eine halbe Stunde später, in der nächsten größeren Ortschaft in Gedanken versunken durch einen Park und setzte mich in der Nähe des Sees in ein Cafe um nachzudenken.
Doch egal wie oft ich die Ereignisse des Heutigen Tages auch hin und her wälze, ich komme auf kein befriedigendes Ergebnis.
Es könnte zwar sein, dass ich mich in Bezug auf den Brief von Alexander geirrt habe, aber selbst wenn es so sein sollte macht es für mich doch keinen Unterschied.
Entweder meine Befürchtungen bestätigen sich, oder aber seine Worte werden mich noch mehr in Verwirrung stürzen, als ich es ohnehin schon bin.
Denn, was ist, wenn er sich entschuldigen will? Wenn er mich bittet ihm zu verzeihen? Wenn...wenn er mir alles erklärt?
Und was ist, wenn ich dann feststelle, dass ich ihm nicht verzeihen kann? Das es mir egal ist, was seine Erklärung ist, warum er damals so verändert war?
Und was ist, wenn ich feststelle, dass ich ihm doch verzeihen kann?
Könnte ich dann wieder mit ihm zusammen wohnen? Bei ihm sein? Mich in seine Arme schmiegen und vergessen, was gewesen ist?
Nein. Ich werde niemals vergessen, wie er mich dazu gezwungen hat ihn zu schlagen!
Das war das schlimmste, was mir bisher jemand angetan hat. Das schlimmste, was ich bisher jemandem antun musste.
Und noch immer weiß ich nicht, was es mit seiner bitte im Anschluss zu tun hatte.
Warum wollte er, dass ich ihm sage, dass ich ihn liebe, nachdem ich ihn geschlagen hatte. Hätte er sich nicht denken können, dass es das letzte ist, was ich in diesem Moment für ihn fühlte?
Ich war so geschockt von den Vorkommnissen, dass ich nur noch Hass empfinden konnte.
Hass auf ihn. Darauf, dass er mich gezwungen hatte ihm weh zu tun. Mir selbst weh zu tun.
Selbst wenn ich heute daran denke schmerzt es mich noch immer und fast jede Nacht träume ich davon und diese Träume sind mit Sicherheit nicht positiv!
Ich wache zwar nicht mehr jedes Mal schreiend und Schweiß gebadet auf aber Herzklopfen habe ich trotzdem und auch die Tränen, die mir im Anschluss die Wangen benetzten kann ich nicht aufhalten.
Erschlagen von meinen aufgewühlten Gefühlen seufze ich leise auf und stütze meinen Kopf mit einer Hand ab während ich in der anderen meine Tasse hin und her drehe, als mich plötzlich jemand aus meiner Versunkenheit reißt.
"Darf ich mich setzten?" will eine breite Gestalt wissen, die ich im ersten Moment aber nicht erkennen kann, weil die tief stehende Sonne, die durchs Fenster hereinfällt mich blendet.
Schützend halte ich mir die Hand vor Augen und blinzele verwirrt zu dem Mann hoch, der sich hilfsbereit vor die Sonne stellt, so dass ich ihn erkennen kann.
"Sie?" staune ich und lasse die Hand auf den Tisch zurück sinken, während ich nachdenklich die Stirn runzele.
"Müssen sie nicht arbeiten?" will ich wissen, während ich nun doch auf den Platz mir gegenüber deute, wo er sich niederlässt und mit seiner großen Hand, die Kellnerin herbei winkt.
"Ich dachte, wir wären schon beim du, Boss." lächelt er schelmisch und bestellt sich im Anschluss einen Kaffee und einen Burger. Dann wendet er sich wieder an mich "Vor allem, wo ich dich vorhin vor dem verbluten gerettet habe." sagt er gespielt empört. "Ja, so ist das heutzutage, da rettet man eine Jungfrau in Nöten und dann so etwas..." seufzend atmet er auf, schüttelt mit zusammengepressten Lippen den Kopf und gibt dann ein tadelndes "ts... ts.. ts..." von sich. Allerdings sehe ich den Schalk in seinen Augen glitzern, was die Vermutung nahe legt, dass er es nicht wirklich ernst meint.
"Schon gut, schon gut...ich habs verstanden..." lächle ich ihn zaghaft an. "Also musst DU gar nicht mehr arbeiten?" frage ich erneut.
"Ne, nich mehr. Ich arbeite nur bis sechs und jetzt ist es schon..." kurz schaut er auf seine Uhr "...halb sieben. Also habe ich offiziell Feierabend. Es sei denn du brauchst mich noch als Bodyguard oder so, also dann könnte ich mich unter Umständen dazu bereiterklären Überstunden zu machen." grinsend zwinkert er mich an und schiebt dann sein Besteck zur Seite, als die Kellnerin ihm seinen Kaffee bringt.
"Das Essen dauert noch ein paar Minuten." teilt sie ihm noch mit, bevor sie wieder geht.
"Und was machst du hier? So alleine?" will mein gegenüber wissen, dessen Name dummer weise wieder vergessen habe, dabei arbeitete er für mich.
Fasziniert starre ich auf seine großen Pranken, während er die Tasse an seine Lippen hebt und einen Schluck trinkt.
Fast unmerklich schlucke ich auch. Ganz so als würde ich ihm helfen müssen diese Bewegung auszuführen, doch als ich sehe, wie sich sein Mund zu einem Lächeln verzieht, als er die Tasse wieder sinken lässt, senke ich verlegen den Blick auf meine Hände und nehme dann selbst einen Schluck von meinem Kaffee.
"Ich war spazieren." sage ich schlicht, wobei ich froh bin, dass er mich etwas von meinen verwirrenden Gedanken ablenkt. Und so frage ich ihn..."Und du?"
"Ich wohne gleich da hinten und komm gelegentlich zum Essen her." er deutet auf einige Mehrfamilienhäuser, die ganz in der Nähe des Parks zu sehen sind. "Doch als ich dich hier so allein sitzen sah, dachte ich mir, ich könnte dir auch ein wenig Gesellschaft leisten."
"Und was hättest du gemacht, wenn ich nun keine Gesellschaft gewollt hätte." schmunzel ich und fixiere ihn mit finsterem Blick.
"Vermutlich hätte ich mich trotzdem zu dir gesetzt." er zwinkert mir zu, "Immerhin schulde ich dir noch was."
"Du mir?" frage ich verwundert und mache ein verdutztes Gesicht. "Wenn dann schulde ich doch eher dir etwas, dafür das ich auf dich gefallen bin."
"Ach was Boss. Das war mir eine Ehre, aber es tut mir leid, dass ich nicht wusste, wer du bist." saget er verlegen und streicht sich über die Glatze bevor er mich entschuldigend ansieht. "Und wenn ich ehrlich bin, habe ich sogar schon wieder vergessen wie du heißt."
"Das macht nichts. Mir geht es mit dir genauso." schmunzel ich, dann reiche ich ihm über den Tisch hinweg die Hand. "Ich bin Emely Wellenstein und du?" stelle ich mich ihm vor.
"Leonhard Bauer. Aber es reicht, wenn du mich Leo nennst, das machen eigentlich alle."
"Also dann, Leo...es freut mich dich kennen zu lernen." grüße ich ihn lächelnd und fühle mich das erste mal seit Wochen wieder ein kleines Bisschen besser.
Leo ist wirklich Nett und während er seinen Burger verspeist und ich mienen Kaffee trinke, die Sonne langsam untergeht und es draußen dunkel wird unterhalten wir uns recht entspannt, bis es für mich an der Zeit ist nach Hause zu fahren.
Er begleitet mich noch bis zum Auto, bevor er zu seiner Wohnung geht und ich ins Hotel zurückfahre, wo inzwischen wieder Ruhe eingekehrt ist, doch wird diese Stille nicht lange anhalten, denn schon morgens um halb 7 kommen die ersten Handwerker um mit ihrer Arbeiter fortzufahren.
Und so kommt es, dass ich bereits um sieben wieder an meinem Schreibtisch sitze und damit beschäftig bin all die Sachen zu Sortieren, die in letzter Zeit liegen geblieben sind.
Rechnungen, die schon bezahlt wurden, müssen abgeheftet werden, dann wurden die Duschen geliefert, die Heute eingebaut werden sollen und deren Lieferschein noch nicht weggeheftet wurde, dann kommen heute die Neuen Handwerker, die ich in ihre Arbeit einweisen muss und die Sache mit meinem Neuen Job habei ch auch immer noch nicht geklärt, aber vielleicht habe ich ja die Möglichkeit in dem Cafe von gestern zu Arbeiten, denn da habe ich einen Aushang entdeckt, dass sie eine Aushilfe suchen.
Da Leo jedoch bei mir war, konnte ich mich gestern nicht mehr danach erkundigen, so dass ich das für heute ins Auge gefasst habe, auch wenn ich bisher noch nie gekellnert habe, aber so schwer kann das ja nicht sein. Oder?
Und vielleicht suchen sie ja auch nur einen Tellerwäscher und das bekomme ich ganz sicher hin.
Woran ich nicht mehr gedacht habe ist Mr. Black, der pünktlich um 10 vor meiner Tür steht, als ich gerade die nach der Lieferung sehen will, die ausnahmsweise einmal Pünktlich eingetroffen ist.
"Ach Mrs. Stone..." freut er sich fast mich zu sehen, doch ich würge ihn unfreundlich ab.
"Keine Zeit Mr. Black. Setzen sie sich irgendwo hin und stehen sie nicht im Weg rum." teile ich ihm gehetzt mit und ziehe mir auf dem Weg nach draußen eine Jacke über, denn heute ist es äußerst Kalt.
Nachdem ich endlich mit der Anlieferung fertig bin, wobei Leo und auch Sam tatkräftig mit angepackt haben und ich mehr herumgestanden und kontrolliert habe, ob auch alles mitgekommen ist, warten schon die Klempner auf mich, doch da ich noch in das Cafe fahren will, reiche ich sie einfach an Anette weiter und mache mich vom Acker, wobei mich Mr. Black hoffnungsvoll ansieht, als ich an ihm vorbeikomme.
Doch scheinbar reicht mein finsterer Blick um ihn auf seinem Stuhl zu halten, den er nur wenige Schritte neben meine Bürotür gestellt hat.
Kurz husche ich in den Raum, schnappe mir meinen Autoschlüssel und fahre dann in das kleine Cafe, dessen Besitzer mich freudestrahlend empfängt, als er hört, das ich Arbeit suche.
Na, wer hätte das gedacht.
Manchmal geschehen noch Zeichen und Wunder. Auch das ich noch keinerlei Erfahrung habe ist ihm egal.
"Du musst nicht viel lernen. Sei einfach höflich zu den Gästen, den Rest lernst du dann mit der Zeit und für den Anfang arbeitest du einfach mit Cordel zusammen. Sie müsste eigentlich...ach! Da ist sie ja!" erklärt mir mein neuer Chef freundlich und stellt mir dann eine junge Frau in meinem Alter vor.
Cordula hat hellbraune Haare, etwas mehr als Schulterlang, dessen Pony ihr frech in die Stirn fällt. Sie scheint nett zu sein, nur ihr Lachen ist etwas schrill.
Doch womit ich nicht gerechnet hätte, ist, das ich gleich mal mit anpacken soll und so vertrödel ich fast 3 Stunden und lasse mir zeigen, wie die Kaffeemaschine funktioniert, wie das mit dem Kassenprogram läuft und studiere die Speisekarte. Nur an die Gäste traue ich mich noch nicht ran, so dass ich Cordel fürs erste nur über die Schulter schaue, oder auch mal einen Kaffee zubereite. Doch als es bereits 15 Uhr ist verabschiede ich mich für heute und mache mich wieder auf den Heimweg.
Doch gleich morgen beginnt meine erste Schicht, weil eine der Mitarbeiterinnen, oder vielleicht sollte ich sie meine Kollegin nennen, krank geworden ist.
Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich an drei Tagen die Woche Arbeite. Um die 4 bis 5 Stunden, so dass ich auf etwa 450€ im Monat komme. Trinkgeld kommt extra.
Das sollte eigentlich reichen um meine Kosten zu decken.
Und was mir persönlich wichtig war...ich arbeite nur über Mittag, damit ich nicht zufällig mit Leo zusammen stoße, wenn er hier nach Feierabend essen gehen sollte.
Soweit so gut, doch als ich gegen 4 Uhr ins Hotel zurück komme sitzt Mr. Black noch immer auf dem Stuhl vor meinem Büro und blättert gelangweilt in einer Zeitschrift.
Musternd sieht er mich an, doch bleibt seine Mine deutlich zurückhaltender, als ich wortlos an ihm vorbei in mein Büro gehe, wo ich mich mal wieder an meinen Schreibtisch setzte und ...ja, was wohl...Arbeite.
Ich habe nicht gelogen, als ich ihm gesagt habe, ich hätte viel zu tun und keine Zeit, aber fünf oder zehn Minuten um einen Brief zu lesen, hätte ich schon, wenn ich es denn wollen würde...
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5282 Worte
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