▫️ Und noch mehr Veränderungen▫️

Ich lande neben meinem Schreibtischstuhl und es kracht ziemlich laut, als ich auf dem Boden aufkomme.
Schon wieder eine unsanfte Landung.
Meine Beine sind steif und mein Hintern tut weh. Müde schaue ich auf die Uhr.

Ich erstarre, als ich sehe, dass wir 23.30 Uhr haben.
Nein... Das...
Plötzlich habe ich das Gefühl, dass mir so einiges klar wird.

"Das komische Dorf hat mit dem Armreif zu tun. Und die Zahlen bedeuten die Ankunft und die Abreise an diesem Ort", nuschle ich vor mich hin, während ich mich bettfertig mache und meinen Schulranzen packe.
Ich runzle die Stirn und reibe mir mit der Handfläche über die Stelle, unter der ich langsam aber sicher Kopfschmerzen von all den jüngsten Ereignissen bekomme.
Ich will einfach nur noch ins Bett und das Ganze wieder vergessen.
Und morgen, wenn ich aufwache, merken, dass das alles nur ein böser Traum war.

Mir ist kalt und ich ziehe mir meine Decke bis zum Kinn.
Ich kann mein Gedankenkarussell nicht abstellen, obwohl ich hundemüde bin.
Und ich kann mir einfach nicht mehr einreden, dass ich mir das alles nur einbilde.

Ich denke, dass ich, wenn ich es nicht bald schaffe, dieses Armband abzulegen, wohl oder übel jeden Abend für fünf Stunden an einem anderen Ort sein werde.
Wie auch immer er heißt. Wo er auch immer ist.
Jeden Abend in dieses Dorf.
Oder das, was in der Nähe davon ist.

Meine Gesichtszüge erstarren, genau wie meine Gedankengänge, als ich nach hinten zurück in mein Bett sinke. Ich schließe meine Augen und versuche verzweifelt ein Absperrband um meinen Kopf zu ziehen, durch das keine Gedanken mehr hindurch kommen.
Glücklicherweise sinke ich darüber irgendwann erschöpft in einen traumlosen Schlaf.
Endlich.

~🗝️~

Am Morgen ist alles wie immer.
Fast könnte ich darüber die kürzlichen Ereignisse vergessen. Aber sie haben sich in meinem Kopf festgesetzt und flüstern mir, unterstützt von bildlichen Erinnerungen, zu, dass das, was passiert ist, real war.

Ich dusche, mache mich fertig für die Schule und frühstücke.
Unter den misstrauischen Blicken meiner Eltern esse ich mein Brötchen, als Mom vorwurfsvoll zu sprechen beginnt:
"Was hast du denn gestern Abend noch so lange gemacht? Nach dem Abendessen bist du einfach so verschwunden und ich habe dich noch nach halb zwölf in deinem Zimmer gehört!"

Mist. Sie muss gehört haben, wie ich gestern Nacht auf dem Boden aufgeschlagen bin.
Siehst du Jenny? Es ist passiert!
Ich schiebe die Stimme in meinem Kopf weg.

Meine Mutter hasst es, wenn ich während der Schulzeit lange aufbleibe. Deswegen tue ich das normalerweise auch so, dass sie nichts davon mitbekommt.

"Ähm... ich musste noch Mathe und Englischhausaufgaben machen."
Keine so gute Ausrede. Mein Dad sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

"Und nachts bin ich irgendwann aus dem Bett gefallen."

Lucy fängt an zu lachen. Mom und Dad grinsen. Ich glaube, ich bin zuletzt mit fünf Jahren aus meinem Bett gefallen. Wie peinlich ist das denn jetzt?
Aber anscheinend zählt diese Ausrede. Nur doof, das Mom auf den nächsten Partys, auf denen wir eingeladen sind, allen Gästen brühwarm erzählen wird, dass ich in meinem Alter noch aus dem Bett gefallen bin.
Na toll.

Dann aber fangen meine Eltern mit Lucy an zu diskutieren, wann genau die Katze gekauft werden soll und wie wir sie nun nennen.
Ich schalte mein Gehör auf Durchzug.

Als ich fertig gegessen habe, hole ich meine Büchertasche von oben und mache mich auf den Weg zur Bushaltestelle, nachdem ich mich von meiner Familie verabschiedet habe. Dort muss ich erst noch eine Weile warten, aber schließlich kommt der Bus und ich muss mal wieder stehen, da, wie so oft, alle Plätze besetzt sind.

~🗝️~

In der Schule gehe ich die Gänge entlang und die Treppen hoch ins Klassenzimmer.
Obwohl ich mich ein paar Mal verlaufe und umdrehen muss, um einen anderen Weg zu meiner Klasse zu suchen, von der ich nur noch ungefähr weiß, wo sie ist, finde ich das Zimmer schließlich doch noch.

Als erstes haben wir heute Englisch, auch bei Herrn Hejns. Aber bevor der Unterricht beginnt, habe ich noch einige Minuten Zeit.

Ich gehe zu Linn, die auf ihrem Tisch sitzt, mit einem Englischbuch in den Händen.
Als ich sie jedoch grüße und ein Gespräch beginnen will, dreht sie sich ohne ein Wort zu sagen um und läuft zu einer Gruppe aus anderen Mädchen in meiner Klasse.
Sie redet und lacht mit ihnen als wäre ich gar nicht da.

Verwundert setze ich mich auf meinen Platz in der letzten Reihe.
Welche Laus ist der denn über die Leber gelaufen? Habe ich ihr etwas getan?

Nicht dass ich wüsste.
Die einzigen Male, an denen ich sie gesehen habe, waren gestern in der Schule und in dem Kleidungsgeschäft, aber da war sie eigentlich noch ganz nett zu mir. Komisch.

Heute starrt mich niemand an.
Falls überhaupt jemand aus meiner Klasse in meine Richtung sehen sollte, dann auch nur, um einen Blick auf die Uhr zu werfen, die über meinem Kopf an der Wand hängt.
Langsam kommt mir die Sache komisch vor.

Doch da betritt Herr Hejns das Zimmer und alle, eingeschlossen ich, stehen auf. Er grüßt uns und wir grüßen zurück.
Zur Abfrage muss heute Jhon herhalten.
Zu meiner Überraschung weiß er bestens Bescheid und bekommt mit Sicherheit eine 1 eingetragen. Ich hätte ihn eher für einen von der faulen Sorte gehalten.

Danach läuft Herr Hejns durch die Reihen, um nach den Hausaufgaben zu sehen. Das scheint er ziemlich genau zu nehmen, an meiner alten Schule hat ab der fünften Klasse kein einziger Lehrer mehr so genau nachgesehen, ob auch ja alle ihre Hausaufgaben erledigt haben.

Doch an mir läuft Herr Hejns nicht vorbei. Er biegt in der Reihe vor mir ab, tut so, als säße hier hinten niemand.

Naja, wahrscheinlich hat er mich übersehen, weil ich ja die Neue bin, vermute ich und hebe die Hand, um Herr Hejns auf mich aufmerksam zu machen.

Nach fünf Minuten hat er mich immer noch nicht aufgerufen, obwohl sein Blick andauernd durch die Klasse schweift, und mein Arm schläft langsam ein.
Deshalb beginne ich zu winken.

Als Herr Hejns mich immer noch nicht aufruft, stehe ich auf.
Sein Blick gleitet einfach durch mich hindurch.
Noch nicht mal meine Klassenkameraden starren mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank.

Das gibt's nicht!, denke ich. Was soll das? Sind hier irgendwo Kameras versteckt und gleich kommt Guido Cantz durch die Tür?

Ich setze mich wieder auf meinen Platz und behalte die Klassenzimmertür im Blick. Doch als nach einer halben Stunde normalem Unterricht noch niemand ins Klassenzimmer gekommen ist, verwerfe ich die Vermutung, dass ich hier bei "Verstehen Sie Spaß?" bin, wieder.

Ich beschließe, selbst herauszufinden, was los ist.
Also springe ich auf, hechte quer über den Tisch von irgendeiner Schülerin und renne nach vorne.

Niemand reagiert.

Ich wedle mit der Hand vor Herrn Hejns Gesicht herum, aber er hält einfach seinen Unterricht weiter und tut so, als wäre ich nicht da.
Ich ziehe ihn an den Ohren, aber anstatt mich anzuschreien bleibt er wie vorher auch und unterrichtet weiter seelenruhig die Klasse.

Das gibt es doch gar nicht!

Ich springe im Klassenzimmer herum, hüpfe auf Tische und schreie irgendwas. Schließlich beginne ich sogar zu singen, was ich ganz sicher nicht tun würde, wenn ich nicht verzweifelt wäre.

Keiner wendet sich vom Lehrer ab. Einige Schüler wedeln höchstens mit der Hand, so als wäre ich eine lästige Fliege.

Sie bemerken mich nicht.
Meine Klasse nimmt mich nicht mehr wahr. Mein Lehrer sieht mich nicht.
Keiner sieht mich.

Was soll das?, frage ich mich.
Plötzlich legt sich ein Schalter in meinem Kopf um.

Das muss auch mit dem Metallband zusammenhängen, denke ich.
Alle unnormalen Dinge, die mir seit gestern passieren rühren daher.

Dann schießt mir ein einziger Gedanke durch den Kopf.
Ich muss zu der alten Frau aus dem Laden.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top