9. Die Ruinen von Starybol

Kind- Kaum hatte er den Schock der Hochzeit überwunden, gestand Misaki ihm das nächste Problem. Ein Kind wuchs in ihrem Bauch. Sein Kind. Der Mann konnte sich nicht vorstellen was er mit diesem kleinen Wesen zu schaffen haben würde. Das Geschrei wäre sicherlich genug, um ihn in den Wahnsinn zu treiben.

Nach einer unruhigen Nacht standen sie vor der Sonne auf und stopften in melancholischer Stimmung Kleidungsstücke in große Seesäcke.  Jeder von ihnen hing seinen eigenen traurigen Gedanken nach, doch Ava konnte nicht aufhören über die vergangene Zeit nachzudenken.

Die Fotos ihrer Abenteuer und die kleinen Souvenirs ihrer Reisen machten es ihr besonders schwer. Mit einem dunkelbraunen Teddybären in der Hand trat sie zu William.

"Kannst du dich erinnern, wo wir den gekauft haben?" Williams Augen leuchteten sofort auf und liebevoll strich er dem Kuscheltier über den Kopf.

"Das Steif-Museum. Wer hätte gedacht, dass man so viel Spaß in einem Museum für Teddybären haben kann."

"Können wir ihn mitnehmen?", hoffnungsvoll drückte sie den Bären an ihre Brust. Das Fell fühlte sich weich an, die Knopfaugen blickten unbeteiligt drein. William seufzte schwer und umarmte sie.

"Wir nehmen sowieso schon viel zu viel mit. Wir werden wieder herkommen. Das hier ist schließlich unser Zuhause." Ava senkte den Blick. "Aber was ist, wenn nicht."

"Das hier ist unser Zuhause. Egal was passiert, wir kommen wieder zurück. Ich verspreche es." Ein Versprechen, dass er wohlmöglich nicht halten würde können. Die ungewisse Zukunft machte ihnen beiden Angst. Ava sah es in der Art wie er verbissen alles notierte und sich in der unordentlichen Wohnung umsah. An seiner gerunzelten Stirn konnte sie erkennen, wie gerne er aufgeräumt hätte.

"Haben wir alles?", unsicher strich er über seine schwarze Jeans. "Die Säcke sind gepackt und die Campingausrüstung bereit. Ich denke, wir sind fertig. Außer natürlich wir nehmen Teddy noch mit..." William verdrehte die Augen. "Na gut, nimm den Bären mit. Für den finden wir sicher auch noch Platz."

Innerlich jubelnd steckte Ava den Teddybären in ihren Rucksack und wuchtete diesen auf ihren Rücken. Er war verdammt schwer. Sie hatte wirklich zu viel eingepackt, aber sie wurde nun mal das Gefühl nicht los, dass alles was sie zurückließ, unweigerlich verloren war. Als würde diese Wohnung und ihre gesamte Welt hinter ihr verschwinden.

Ein bescheuertes Gefühl, das William dennoch zu teilen schien. Sein Rucksack war nicht minder befüllt und der nervöse Blick glich ihrem. Oder vielleicht...vielleicht fühlte er ihre Emotionen.

"William?" "Ja. Was ist?" "Ach nichts.", sie hasste es ihm ihre Gefühle aufzuhalsen. Es war schlimm genug, wenn sie sich damit rumschlagen musste, William sollte nicht auch noch Schwierigkeiten mit ihren Ängsten haben. Frustriert biss sie die Zähne zusammen und trug ihre Sachen zur Tür. William folgte nach einem langen Blick durch die Wohnung.

"Ich werde unser Bett trotzdem vermissen.", meinte er und schloss die Tür hinter ihnen ab. "Mir wird die Küche fehlen." "Ach, dafür werden wir neue interessante Gerichte kennenlernen. Ich freu mich schon auf das Essen in Polen. Laut dem Internet haben sie sehr spezielle Sachen."

"Ich dachte, du wolltest polnisch lernen." "Ja, hab ich auch. Aber ein bisschen Landeskunde schadet nie." Lächelnd ging er voraus. Ihr Auto war bis zum Äußersten gefüllt. Neben zwei großen Seesäcken und diversen Taschen mit Elektronik und Essen fand auch einiges an Campingausrüstung ihren Platz.

Sie wollten auf diesem Tripp so wenig Geld wie möglich ausgeben, um zu verhindern, dass ihnen jemand leicht folgen konnte. Die Sonne war noch nicht mal richtig am Horizont zu sehen als sie endlich ins Auto stiegen und die Autobahn aus der Stadt nahmen. Das Radio erzählte von neuen Regelungen und polizeilichen Kontrollen.

Zwischendurch hörten sie Musik. Ava sah trübsinnig aus dem Fenster. Ihre Gedanken wanderten zu Marla und zu ihrem Geständnis von letzter Nacht. In ihren Träumen war sie das Szenario immer wieder durchgegangen und hatte versucht herauszufinden, ob sie das richtige getan hatte. Oder war sie am Ende nur selbstsüchtig gewesen?

"Ava." "Hm?", zäh wandte sie sich ihm zu und bemerkte seine verkniffenen Züge. "Marla und Henrik wird es gut gehen. Du wolltest ihnen nur die Möglichkeit für einen ordentlichen Abschied geben. Ich bin sicher, dass sie das Verstehen werden. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber es war richtig ehrlich zu sein." Entschuldigend warf er ihr einen schnellen Blick zu,

"Deine Gefühle sind einfach zu laut. Tut mir leid." "Mir tut es leid. Du solltest dich damit überhaupt nicht rumschlagen müssen. Immerhin warst du es nicht, der ihnen die Wahrheit gesagt hat.", angespannt knetete sie ihre Finger und versuchte tief durchzuatmen. Sie musste sich beruhigen. "Ich glaube nicht, dass das funktioniert, Liebling. Ich fühle dich schon den gesamten Morgen über. Du bist wie ein Megafon."

"Wie kann ich es abstellen?" "Das fragst du mich? Ich hab keine Ahnung. Aber es ist nicht so schlimm, ehrlich. Eigentlich fühle ich fast dasselbe." "Super, jetzt kriegst du die doppelte Portion ab." Genervt von sich selbst verschränkte sie die Arme.

"Ich hab Angst sie zu verlieren. Marla war immer gut zu mir. Sie hat mir beigebracht, was es heißt eine Freundin zu haben." "Und was heißt es?" William zog die Augenbrauen nach oben und lächelte verhalten. "Na aufeinander aufpassen und zuhören. Gemeinsam nörgeln und faul sein. Marla hat mir nie stress wegen meiner Verwandtschaft gemacht, sie hat nie fragen gestellt. Und ich konnte mit ihr über alles reden."

"Auch über mich?" Nun musste sie doch lächeln. "Besonders über dich. Da gab es einiges an Redebedarf." Lachend griff er nach ihrer Hand. "Wir haben sie nicht verloren. Wir haben unser Leben nicht verloren. Wien wird auf uns warten. Apropos wir müssen noch Tanken bevor wir die Stadt endgültig verlassen und unsere Handys loswerden."

"Unsere Handys? Warum?", erschrocken griff sie nach ihrem. William verzog wissend das Gesicht. "Damit kann man uns viel zu leicht finden. Wir brauchen neue Handys und Nummern."

"Und was machen wir mit unseren Alten? Ich hab all unsere Fotos da drauf! Videos von unseren Ausflügen und...und meine Apps. Ist das wirklich notwendig?" Bekümmert sah sie auf das Handy in ihrem Schoss. Es hatte eine bunte Hülle und ein Foto von ihnen als Startbild. William hatte es ihr vor zwei Jahren gekauft, es war ihr erstes Handy gewesen und sie hatte es gehütet wie einen Schatz.

"Vielleicht gibt es dort eine Möglichkeit die Handys mit der Post an unsere Wohnung zu schicken. Aber ich kann dir nichts versprechen, wenn es notwendig ist, dann...", er ließ den Satz unvollendet und seufzte schwer. Der Abschied von Wien, von ihrem Zuhause, ihren Freunden, von dem Frieden, den sie die letzten zwei Jahre erfahren hatten, fiel viel zu schwer.

"Wenn es notwendig ist, dann werden wir sie zurücklassen.", zwang Ava sich zu sagen und steckte das Handy weg. Mit Williams Hand in ihrer begann sie endlich tief durchzuatmen, "Dieser Trip wird unser Leben retten."

"Das wird er und danach werden wir neue Fotos machen. Hunderte, Tausende, bis wir alt und grau sind." "Alt und grau. Das gefällt mir.", lächelte Ava und hatte sie beide als Greise im Kopf. Der Gedanke mit ihm ein ruhiges Leben gelebt zu haben, war wunderschön.

"Es wird Zeit für bessere Musik.", meinte William und warf ihr sein Handy zu. Breit grinsend drehte sie Oldschool-Rock auf und begann laut mitzusingen. William stand ihr um nichts nach und für die nächste Zeit hörten sie nur einander und ihre Lieblingsmusik. Das Zeichen für Tankstelle beendete ihre Karaoke Session. William parkte und stellte den Motor ab.

"Das ist das letzte Mal, dass wir mit Karte zahlen sollten, die Bank kann unsere Spur sonst zu leicht nachverfolgen. Ich werde uns Bargeld abheben, das können wir dann an diversen Orten in unserem Gepäck verstecken. Oh, und gib mir dein Handy, ich schau, ob wir sie verschicken können."

"Ich werde uns Snacks kaufen und das Benzin bezahlen. Mal sehen welche Handys sie anbieten." Kopfschüttelnd stoppte er sie. "Nein, die Handys würde ich erst in Polen besorgen. Dann müssen wir uns wegen dem Internetzugang und so keine Gedanken machen."

"Okay, dann nur Snacks und Benzin." Zusammen stiegen sie aus und William machte sich sofort daran den Wagen zu betanken. "Hey, nimmst du mir ein Sandwich mit?" Winkend nickte sie und betrat die Tankstelle. Automatisch zog sie die schwarze Kappe tiefer in ihr Gesicht und vergrub die Hände in den Taschen ihres blauen Kleides.

Ihre weißen Turnschuhe quietschen leicht als sie durch die Gänge der Tankstelle schlenderte. Mit gesenktem Kopf warf sie Chips, Sandwiches und einen Haufen Schokolade in ihren Einkaufskorb. Sie stand gerade vor dem Mineralwasser als William neben ihr auftauchte. Auch er trug eine dunkelblaue Kappe. Sein graues Hemd wirkte dafür viel zu förmlich.

"Ich hab alles abgehoben was ich am Konto hatte, damit sollten wir eine Weile auskommen. Wie siehts bei dir aus?" "Der Korb ist fast voll. Ich wollte noch Energiedrinks und Wasser besorgen. Brauchst du noch etwas?" Kopfschüttelnd sah er sich um.

"Nein, ich denke, damit haben wir alles." Voll bepackt traten sie an die Kassa und wurden prompt bedient. Der Kassierer schien besonders fasziniert von Ava. "Das wären achtzig Euro und sechsundneunzig Cent. Hey, sag mal bist du nicht Ava Park?" Perplex öffnete sie den Mund und schloss ihn gleich wieder.

"Wie kommen Sie darauf?", fragte William steif.

"Na die Haare und die blaue Kleidung. Und die Geburtsmale. Ich bin ein Fan, wenn es um Georgette geht. Fahrt ihr irgendwo hin?" "Das geht Sie nichts an.", giftete Ava und zahlte hastig. Ohne zurückzusehen hechteten sie zum Auto und fuhren los. Williams Hände schlossen sich fest um das Lenkrad.

"Verdammt." "Das kannst du laut sagen."

"Okay, wir...wir besorgen dir eine Perücke und andere Kleidung und dann...dann wird das schon." Zweifelnd sah Ava ihn an und schloss schließlich die Augen.

Das Biegen der Realität war keine ihrer besonders trainierten Fähigkeiten. Eine aktive, kontrollierte Veränderung bedarf viel Konzentration und einer Menge Energie. Vor ihrem geistigen Auge stellte sie sich ihre Haare vor, sah sie wachsen und wachsen bis sie ihr in schwarzen Wellen über den Rücken fielen. Länger als sie sogar Georgette getragen hatte. Ihr Kleid machte sie schwarz und die Ärmel wieder länger, die Strumpfhose undurchsichtig. Kein Stückchen Haut sollte zu sehen sein, ihre Geburtsmale ein Geheimnis wie noch vor zwei Jahren.

"Wow, langsam wirst du gut darin.", hauchte William als sie die Augen wieder öffnete und alles verändert vorfand. Ehrfürchtig strich sie über die langen Strähnen und betrachtete ihre schwarze Kleidung.

"Ich wusste nicht, ob es funktionieren würde." "Kannst du die Geburtsmale auch verschwinden lassen?" Vehement schüttelte sie den Kopf. "Nein. Sie gehören zu mir."

"Okay. Solange niemand sie sieht, wird dich sicher niemand erkennen. Besonders nicht in dem Nirgendwo, dass unser Ziel ist." Mit einem Mal wurde Ava müde und gähnend legte sie den Kopf an die Fensterscheibe.

"Alles okay?", besorgt warf William ihr einen Blick zu.

"Ja, schon. Ich bin nur müde." Und ihr wurde schlecht. Die Welt begann sich langsam zu drehen. "Trink was. Hier und iss eines der Sandwiches. Du bist furchtbar blass." Schnell trank sie ein paar Schlucke und öffnete die Verpackung des Käsesandwiches.

"Iss. Na los, bevor du mir umkippst. Wir sind mitten auf der Autobahn, da kann ich nur schwer anhalten." William hätte sie nicht ermutigen müssen, in drei großen Bissen war das Sandwich verschlungen und die Welt hörte auf sich zu drehen. Alles was blieb war Müdigkeit.

Ava gähnte noch einmal laut und sah ihren Freund dann entschuldigend an. "Du kannst dich ruhig entspannen, wir fahren jetzt eine Weile geradeaus." Mit einem Knopfdruck hörte die Musik auf und stattdessen erklärte eine nasale Frauenstimme die Grammatik der polnischen Sprache. Gefolgt von Vokabeln. William sprach mit, beantwortete Fragen und tatsächlich schien er besser zu sein als Ava es ihm zugetraut hatte.

Erschöpft schlief sie ein und erwachte erst als sie die tschechische Grenze längst überquert hatten. Kaum waren sie drüben bestand William auf ein neues Auto. Offenbar hatte er einen genauen Plan was getan werden musste, um gut zu verschwinden und beinahe apathisch folgte Ava ihm.

Sie hatte von all dem keine Ahnung und fühlte sich überfordert. Das Heimweh wurde mit jedem Kilometer schlimmer. Es dauerte nicht lange, da hatte William sich mit einem Autoverkäufer geeinigt und sie begannen ihre Sachen in dem neuen, alten Wagen zu laden.

Er war deutlich größer als ihr altes kleines Auto, aber dafür schien er bereits mehr Kilometer gefahren zu sein. "Ist das alles wirklich notwendig?" Seufzend schloss William den Kofferraum und sah sie an.

"Ich wünschte es wäre nicht so, aber IZANAGA wird alles daransetzten herauszufinden, wohin wir gehen, und wir sollten es ihnen so schwer wie möglich machen. Das hier wird uns ein wenig Zeit verschaffen."

Liebevoll küsste er sie und stieg dann auf der Fahrerseite ein. Ava setzte sich tief seufzend neben ihn und holte die Karte aus ihrem Rucksack. Trotz Müdigkeit zwang sie sich wach zu bleiben und William beim Navigieren zu helfen. Der polnisch Lehrkurs lief auf halber Lautstärke nebenbei.  Mit jedem Kilometer wurden die Städte kleiner und wichen gemütlichen Dorfgesellschaften. Die Straßenschilder waren nun ausschließlich polnisch und sie mussten sich anstrengen die richtigen Ausfahrten zu nutzen.

In regelmäßigen Abständen fuhren sie durch hohe Wälder. Erst als die Sonne sich dem Horizont näherte beschlossen sie eine Pause zu machen und nach einem Schlafplatz für die Nacht zu suchen.

"Hier sieht gut aus.", murmelte William und hielt den Wagen am Straßenrand an. Sie befanden sich am Rande eines düsteren Waldes und hätte der Mond ihnen nicht sein volles Gesicht gezeigt, wäre stehenbleiben keine Option gewesen.

"Camping?", fragte er mit einem Seitenblick. Ava verzog das Gesicht. "Bist du sicher, dass uns hier nichts passieren kann? Ich meine...der Wald sieht wirklich gruselig aus." Lachend stieg William aus und Ava folgte ihn frustriert. "Die große, unbezwingbare Ava Park hat Angst vor ein paar Bäumen? Komm schon, du bist mächtig genug sie in Schutt und asche zu legen, wenn du wolltest."

"Schon aber...das hier fühlt sich wie ein Horrorfilm an." William lachte wieder und begann die Campingausrüstung aus dem Kofferraum zu laden. "Aber wir schlafen im Wagen. Wir wissen nicht was für Tiere sich hier herumtreiben."

"Okay, wenn dich das besser schlafen lässt." William überließ es ihr das Bett vorzubereiten und probierte sich währenddessen an einem kleinen, leicht zu löschenden Feuer. Erschöpft legte Ava den breiten Kofferraum mit ihren Decken und Polstern aus und versuchte es so bequem wie möglich zu machen. Unzufrieden starrte sie auf das Ergebnis ihrer Arbeit, eine angenehme Nacht würde anders aussehen.

"Worauf hast du Lust? Hühnersuppe oder Chili con canne?"

"Chilli, ich brauch was Ordentliches." Gähnend setzte sie sich neben William und legte den Kopf auf die Hände. Das Feuer knisterte leise und der Wind wehte Tiergeräusche zu ihnen. Die Nacht legte sich über die Welt wie eine kühle Decke. Die alten Bäume ragten unbeeindruckt über ihnen auf und versteckten sie vor neugierigen Augen.

"Ich bin so fertig." "Ich auch. Essen wir und danach würde ich gleich schlafen. Morgen sollten wir in Starybol ankommen." Unsicher lugte sie zwischen ihren Fingern hervor. "Morgen schon...was glaubst du was uns dort erwartet?"

"Ich hab keine Ahnung. Vielleicht nur ein paar Ruinen, vielleicht leben dort schon wieder Menschen. Das Internet hat da wenig Infos zu bieten gehabt."

"Und wenn wir nichts finden?", zittrig zog sie ihre Jacke enger um sich. Selbst das Feuer schien sie nicht wärmen zu können. "Dann ziehen wir weiter nach Klamstwo. Es muss jemanden geben, der weiß was damals passiert ist."

"Vielleicht lebt der Priester noch." Stirnrunzelnd beugte William sich vor. "Welcher Priester?" "Er...er war ein Freund der Familie. Ein enger Freund. Als Mutter begann Kräfte zu entwickeln haben meine Großeltern ihn eingeweiht."

In Milos Erinnerungen hatte er wie ein Monster ausgesehen, dunkel und bedrohlich, ein vor Gewalt bebendes Ungetüm. Erschaudernd versuchte sie die Erinnerung loszuwerden.

"Wenn er die ganze Geschichte von Anfang an mitbekommen hat, muss er auch genau wissen woher Georgette ihre Kräfte hat und vielleicht auch was IZANAGA damit zu tun hatte. Dieser Priester könnte uns tatsächlich weiterhelfen, wenn er noch lebt. Nachdem was Georgette ihren eigenen Eltern angetan hat...wer weiß was sie diesem Mann angetan hat." Ava starrte ins flackernde Feuer und sah darin Georgettes weit aufgerissene Augen. Die Furcht in ihnen trieb das junge Mädchen an den Rand des Wahnsinns.

"Sie hatte Angst vor ihm...viel mehr als vor ihren Eltern. Sie wird nicht in seine Nähe gegangen sein."

"Wieso? Immerhin haben ihre Eltern sie in diesen Keller gesperrt. Was könnte dieser Priester getan haben, was so viel schlimmer wäre." Ava biss auf ihre Unterlippe und senkte den Blick. Frustriert seufzte ihr Gegenüber.

"Ava, ich brauche alle Informationen, die du mir geben kannst. Wie soll ich die Vergangenheit zusammensetzten und einen Schwachpunkt in IZANAGAS Rüstung finden, wenn ich nicht mal die Hälfte weiß."

"Er ist Milos Vater.", flüsterte sie in die totenstille Nacht, gab das Familiengeheimnis, dass niemals ihres gewesen war preis. "Georgette war noch ein Kind als ihre Eltern sie in diesen Keller gesperrt haben. Der Priester hat es ihnen geraten, er hat ihnen eingeredet sie sei vom Teufel besessen und jedes Mal, wenn er sie besucht, hat...hat er sie..."

"-vergewaltigt. Er hat sie sexuelle missbraucht." Zögerlich sah sie ihm in die Augen und fand dort überrascht Wut. Dunkel und schwelend lag der Zorn in seinen Zügen. "Bis sie ausgebrochen ist, hat er damit nicht aufgehört. Nicht während der Folter, der Gewalt und auch nicht als sie schwanger geworden ist. "

"Sie war ein Kind. Wie kann ein Mensch so etwas einem kleinen, unschuldigen Kind antun?!", brach es aus William und aufgebracht ballte er die Hände zu Fäusten.

"Er ist ein Monster und Georgette....Mutter war ein leichtes Opfer. Ihre Fähigkeiten haben sie instabil und ängstlich gemacht. Sobald er ihr die Furcht vor ihm eingepflanzt hat, konnte er sie zu allem zwingen."

"Aber was ist mit Milo. Wenn er sein Sohn ist...hat-" "-sie hat ihn geliebt. Über alles geliebt. Er hat ihre Einsamkeit unterbrochen und endlich hatte sie jemanden mit dem sie ihre Kräfte teilte."

"Ich nehme nicht an, dass er für Milo die Vaterschaft übernommen hat." Ava schnaubte verächtlich. "Wohl kaum. Er hat meinen Großeltern eingeredet, dass Milo der Sohn des Teufels ist und auf keinen Fall unter Leute kommen dürfte. Deshalb ist er in diesem Keller...deshalb hat er den Keller vor Mutters Flucht nie verlassen dürfen." William ließ bekümmert die Schultern hängen.

"Was für ein Arschloch. Kein Wunder das Milo und Georgette so geworden sind. Dieses Schicksal wünsche ich echt niemanden. Da bin ich fast froh, dass sie ausgebrochen sind." Seufzend sah sie in den Himmel. Georgette musste nach ihrer Flucht in jener Nacht dieselben Sterne gesehen haben. Was für ein Gefühl hatte sie damals überkommen? Freiheit oder war ihre Wut und Bitterkeit allumfassend gewesen?

"Ich weiß nicht, ob dir jemand zustimmen würde oder ob Mutter wirklich aus Freiheitsdrang entkommen ist. Kurz davor haben meine Großeltern meine neugeborene Schwester getötet und mit ihr starb wohl auch der mitfühlende Teil meiner Mutter. Mara hat ihr das letzte Stückchen Herz gekostet."

"Ich wusste nicht, dass du eine Schwester hattest.", sanft legte er ihr eine Hand um die Schultern. Automatisch landete ihr Kopf an seiner. "Milo hat sie mir gezeigt. In seinen Erinnerungen. Er hat sie so sehr geliebt. Mutter auch. Die Erinnerung an sie beide war warm und fast friedlich."

"Wie ist Mara gestorben?" Ava zuckte mit den Achseln und schuf ein wenig Abstand zwischen ihnen. "Sie starb. Mehr wusste Milo auch nicht. Die Folgen ihres Todes haben alles andere überschattet." Ava wusste selbst nicht, wie sie sich bezüglich Mara fühlen sollte. Sie war als fremde gestorben. William lächelte leicht und strich ihr eine der nun langen Haarsträhnen hinters Ohr.

"Milo und Mara also. Deine Mutter hatte wohl eine Vorliebe für Namen mit M." "Mich wollte sie Mina nennen.", lächelte Ava traurig, "ich hab keine Ahnung wie die Regierung auf Ava gekommen ist."

"Oh, das war ich.", gestand William und wurde doch tatsächlich rot. Ava beugte sich belustigt vor. "Was meinst du?"

"Ich hab dich damals in den Trümmern gefunden und Archer hat mir erzählt, dass ich dich Ava genannt habe und die Regierung ihn dann nicht mehr geändert hat. Also hast du deinen Namen von mir."

"Du hast mich gefunden?" "Ja, ich kann dir gerne erzählen, was Archer mir gesagt hat.", eifrig wandte er sich ihr zu. "Gerne."

William begann mit Archers Erzählungen vom Krieg und von Georgette. Das Chilli wurde zwischen zwei Sätzen schnell heruntergeschlungen, denn Ava konnte nicht aufhören Fragen zu stellen. Zwei Jahre lang hatten sie all das verschwiegen, hatten versucht die Vergangenheit zu begraben und einfach weiterzumachen, doch nun musste sie sich eine unstillbare Neugierde eingestehen.

Erst als der Mond hell über ihnen leuchtete und die Müdigkeit sie zu übermannen drohte, beschlossen sie schlafen zu gehen. Die Vergangenheit würde auf sie warten, geduldig wie die Ruinen von Starybol.

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