3. Eine Lüge

Liebe- Sie war Liebe. Seine Liebe. Das erste, das er an ihr bemerkte waren die Augen. Dunkel, schelmisch, als wüsste sie etwas, dass ihm verborgen blieb. Unmöglich. Nichts blieb ihm verborgen. Aber sie...sie war anders. Ihr Name war Misaki. Und einer schönen Blume gleich entflammte sie das Begehren vieler Männer.

Sein Albtraum riss sie aus einem friedvollen Schlaf. Erschrocken öffnete Ava die Augen und drehte sich zu William. Er schien ruhig zu schlafen, aber sein Verstand schrie laut und unverkennbar. Hastig legte sie ihre Hände auf seine Wangen und drang in seinen Geist. Eine Flut aus Angst und Grauen rollte über sie. Überwältigt versuchte sie durch die heftigen Gefühle zu atmen und zu ihm durchzudringen.

"William! Ich bin hier. Wach auf." rief sie, doch durch den roten Nebel seines gewalttätigen Albtraums konnte ihre Stimme nicht brechen. Vorsichtig ging sie tiefer, sah Bilder von einer Schlacht, fühlte die Pistole in ihren Händen, wie sie William vor all den Jahren getragen hatte.

Irgendwo brannte ein Feuer, ihre Umgebung war von Ruß bedeckt. In dem Chaos von Toten und Kämpfenden schrie sie erneut nach ihrem Liebsten. Ohne Erfolg. Ava begann zu zittern, Williams starke Gefühle färbten allmählich auf sie ab.

Seine Furcht fraß sich durch ihre Verbindung wie Säure. Sie konnte nicht länger in seinem Verstand bleiben. Angestrengt zog sie ihn in ein Kopfkino, baute eine Mauer um seinen Albtraum und atmete erleichtert auf als sie den Schrecken abebben spürte. Ihr Ziel war es eine ruhige Umgebung zu schaffen, einen Ort, der die Gewalt des Albtraums verblassen lassen würde und William eine Atempause verschaffen konnte.

Ihrer Erinnerung folgend schuf sie Gras, einen See, den Himmel. Ein verlassener Platz am Ufer des Neusiedlersees. William wartete dort auf sie und sah mit angezogenen Beinen hinaus auf das ruhige Wasser. Die Grillen zirpten, der leichte Wind kühlte die überhitzen Gefühle. Die Sonne stand tief und zeigte ihr schönstes Orange. Langsam ließ Ava sich neben ihm ins trockene Gras sinken und spielte mit einem Gänseblümchen in ihren Händen.

"Du hattest wieder einen Albtraum.", meinte sie sachlich. Sie hatte diese Art von Albtraum schon gefühlt hundertmal miterlebt. Nach Stresssituationen wanderte sein Geist stehts zu diesem furchtbaren Tag, an dem ihr Bruder gestorben war. Trotz ihrer Bitte weigerte er sich zu einem Psychologen zu gehen und über seine Ängste zu sprechen. Als würde ihn die Tatsache Hilfe in Anspruch zu nehmen weniger stark machen.

"Es tut mir leid dich geweckt zu haben.", murmelte er und sah auf seine Hände. Sie waren schmutzig von dem Kampf mit seinem eigenen Verstand. Ava griff nach ihnen und drückte sie fest.

"Das ist mir egal. Ich mache mir nur Sorgen um dich." "Das wird schon. Ich brauche nur etwas Zeit." "Es ist zwei Jahre her...zwei Jahre seit-"

"Ich Milo getötet habe.", beendete er den Satz und sah sie bedrückt an. Ava schüttelte den Kopf und verzog die Lippen. "Das ist nicht das, was ich sagen wollte. Du weißt, dass ich dir vergeben habe. Nur du kannst es anscheinend nicht. Willst du mir von deinem Albtraum erzählen?" William seufzte schwer.

"Es war wieder dasselbe schätze ich. Die verrückt gewordenen Zivilisten, Dominik und...Milo. Da war überall Feuer und mein Bein hat so wehgetan." Phantomschmerzen. Er hatte sie nur selten, aber von Zeit zu Zeit schwor er ihr sein Bein immer noch fühlen zu können. Erschöpft legte er den Kopf in die Hände und schloss die Augen. "William...so kann das doch nicht weitergehen. Diese Albträume sind nicht gut für dich."

"Und was soll ich deiner Meinung nachtun?", schnappte er ärgerlich. Die Wut entsprang einer grausamen Hilflosigkeit, die Ava nur zu gut kannte. Der eigene Verstand sollte sich nicht gegen einen richten, doch manchmal war es genau das, was er tat.

"Vielleicht ist es an der Zeit das du mit jemanden redest." Ava konnte ihm nicht helfen, nicht wenn er sich nicht selbst helfen wollte. Sie zog ihn zwar aus seinen Albträumen, schuf einen Ort, an dem er sich beruhigen konnte, aber eine Lösung war das Ganze nicht.

"Ich habe dir doch schon gesagt, ich will das nicht." Seufzend wandte Ava sich zur untergehenden Sonne. "Henrik besucht einen Therapeuten. Alle zwei Wochen. Marla sagt, dass es ihm guttut.", aus den Augenwinkeln bemerkte sie seinen zweifelnden Blick, "sehr sogar."

"Er hätte mir davon erzählt.", warf William ein und zog verteidigend die Schultern hoch. "Nein, hätte er nicht. Es ist ihm unangenehm. Genauso wie dir auch." Schweigen, während er die neue Information verarbeitete. Marla hatte ihr im Krankenhaus davon erzählt, nachdem Ava Andeutungen gemacht hatte. Sie war ihrer Freundin noch nie so dankbar gewesen.

"Ich werde darüber nachdenken.", meinte er schließlich und sah sie unsicher an. "Mehr wünsche ich mir nicht." Sanft lächelnd legte sie einen Arm um seine breiten Schultern. "Kannst du dich an diesen Urlaub erinnern?" Er hob den Blick und lächelte leicht.

"Wie könnte ich ihn vergessen. Unser erster gemeinsamer Urlaub. Camping am Neusiedlersee. Wir hatten den ganzen Platz für uns allein, weil niemand neben uns campen wollte. Jeden Tag schwimmen, entspannen und Minigolf. Wer hätte gedacht, dass du so verdammt gut darin bist.", lachte er und endlich konnte sie den Sturm in seinem Kopf zur Ruhe kommen spüren.

"Hey, ich war selbst überrascht. So ein Talent habe ich nicht erwartet." "Na, na, ich glaub immer noch du hast ein bisschen nachgeholfen." Entsetzt riss sie die Augen auf. "William Martin Archer! Willst du mir etwa unterstellen, dass ich beim Minigolf geschummelt habe!" Ihr Freund lachte laut und strich liebevoll über ihre Wange.

"Vielleicht. Aber ich gönn dir den Sieg trotzdem.", er kam näher, "viel interessanter ist sowieso was danach passiert ist.", hauchte er und küsste sie.

Ihr erstes gemeinsames Mal. Es war das Highlight ihres Urlaubs, der Grund warum Ava dieses Ufer immer wieder in Gedanken besuchte. Unter einem ruhigen Sternenhimmel in einer lauen Sommernacht hatte sie erfahren was körperliche Liebe war. Magisch und ein wenig beängstigend zugleich schuf die Nacht eine ewige Erinnerung. William küsste sie drängender und lächelnd wich sie ihm aus.

"Wir sollten schlafen.", flüsterte sie zunehmend abgelenkt. Grinsend presste er sie an sich. "Morgen ist Samstag." Richtig, das hatte sie fast vergessen. "Warte, dann lass ich das Kopfkino verschwinden.", stöhnte sie zwischen zwei Küssen.

"Nein, lass es so. Ich will diese Erinnerung noch ein wenig genießen." Und damit gab Ava sich ihm hin. Genoss seine Berührungen, die Liebe zwischen ihnen und das Gefühl einer berauschenden Achterbahn. Als die Sonne sie am nächsten Morgen weckte, glaubte sie zuerst am See zu sein. Orientierungslos richtete sich sie auf und sah sich um.

Das Schlafzimmer hatte sich nicht verändert. Weder die hellblaue Tapete mit den dezenten Koifischen, noch die Holzmöbel. Auch die Unordnung war dieselbe. Unverkennbar war dies nicht ihr Zelt am Neusiedlersee. Ihre verschlafenen Augen wanderten zu William.

Seelenruhig schlief dieser neben ihr weiter, die Sonne störte ihn nie. Nur sein Wecker würde ihn aus diesem nun endlich erholsamen Schlaf reißen. Vorsichtig stand Ava auf und drehte seinen Alarm ab.

An diesem besonderen Morgen wollte sie ein außergewöhnliches Frühstück zubereiten. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht, einem neonfarbenen Höschen und einem knappen Shirt am Leib, warf sie sich die Schürzte um und begann zu backen. Muffins, leicht und sommerlich zitronig.

William liebte ihre Zitronen-Orangenmuffins. Während dem Backen sang sie leise und genoss die Ruhe. Noch war es nicht so unerträglich heiß, wie es zweifellos zu Mittag wäre.

Die kühle Brise des Morgens machte das Backen angenehm. Danach kochte sie Kaffee und richtete den Esstisch auf der Terrasse her. Diese war über und über mit Blumen geschmückt. William und sie hatten sich für einen Balkon-dschungel entschieden. Nun fehlten nur noch die passenden Häferl und ihre Überraschung wäre perfekt. Leider befanden sich diese auf dem obersten Regal.

Mühevoll streckte sie sich und erschrak als William neben ihr danach griff. "Warum hast du meinen Alarm ausgeschalten?", fragte er gähnend. Ava nahm die Tassen aus seinen Händen.

"Ich wollte dich überraschen. Aber du bist mir wohl zuvorgekommen." "Überraschen? Mit was?", verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen. Ava schnalzte mit der Zunge und führte ihn auf die Terrasse. Mit einer auslandenden Handgeste zeigte sie ihm ihr Werk. "Ich wollte dich wecken und dann herbringen."

Seine Augen begannen zu leuchten als er das Frühstück sah. Gerührt lächelte er sie an. "Die Überraschung ist dir trotzdem gelungen. Das ist wunderschön. Danke.", lachte er und griff nach ihrer Hüfte.

"Aber warum bist du schon wach?" William grinste schief. "Dachtest du wirklich ich habe nur einen Wecker gestellt?" Sie hätte mit seiner neurotischen Art rechnen müssen. Natürlich stellte er sich mehr als nur einen Wecker. Seufzend lehnte sie sich gegen ihn. "Mist. Daran habe ich nicht gedacht. Die Muffins sind noch nicht ganz fertig."

"Das macht nichts. Das hier ist perfekt." Mit einem Kuss auf ihre Wange, verschwand er im Schlafzimmer. Vermutlich um sich eine Hose zu holen. Die Boxershort war doch etwas kurz. Nicht das sich Ava über den Anblick beschweren würde. Zufrieden sah sie nach ihren Muffins und holte sie schließlich aus dem Ofen.

"Frühstück ist fertig." "Die riechen fantastisch. Ich kann es kaum erwarten sie zu essen." William stand mit hinter dem Rücken verschränken Armen vor ihr. Sein Schuljungengrinsen verriet ihn beinahe sofort. Er versteckte etwas vor ihr. "Okay.", meinte sie misstrauisch und zog das Wort künstlich in die Länge. Ihn nicht aus den Augen lassend, trug sie die Muffins zum Tisch. William setzte sich mit einem breiten Grinsen hin und wartete bis sie neben ihm Platz genommen hatte.

"Also.... alles Liebe zum Jahrestag.", sprudelte es aus ihm heraus und schon drückte er ihr eine kleine blaue Box mit einer Schleife in die Hände. "Das ist nicht notwendig, Will. Wir wollten uns doch nichts schenken." Ungeduldig winkte er ab.

"Nun mach schon auf." Ihre Augen weiteten sich als sie den Inhalt betrachtete. Ein silberner Ring mit zwei kleinen Diamanten und einem Saphir in der Mitte. Noch nie in ihrem Leben hatte sie etwas so Schönes gesehen. Der Ring funkelte und strahlte ihr entgegen. Er musste zweifellos ein kleines Vermögen gekostet haben. Die Regierung hätte ihr nie erlaubt, Geld für solch belanglosen Schmuck auszugeben. Erschrocken starrte sie auf den Ring.

"Magst du ihn? Ich war mir so unsicher wegen der Farbe. Aber die Verkäuferin meinte, mit deiner hellen Haut und dem Haar wäre Silber eine gute Wahl. Und ich wollte den Saphir. Er erinnert mich an deine Augen." Langsam wanderte ihr Blick von dem Geschenk zu ihm.

"William. Das ist viel zu viel. Das kann ich unmöglich annehmen." Gekränkt zuckte er zurück. "Er gefällt dir nicht?" "Das ist es nicht. Aber-" "Es ist nur ein Ring, Ava. Er hat bei weitem nicht so viel gekostet, wie du glaubst. Ich wollte einfach etwas, dass dich...uns an diesen besonderen Tag erinnert. Wenn er dir nicht gefällt-"

"Nein. Nein, er ist wunderschön. Ich weiß nicht was ich sagen soll." William grinste über ihre glasigen Augen. "Sag einfach, dass du ihn jeden Tag tragen wirst. Mehr will ich nicht." "Natürlich werde ich das!", weinte sie freudig, "danke. Ich liebe dich."

"Ich liebe dich auch. Und übrigens habe ich unsere Initialen eingravieren lassen. Hier auf der Innenseite." Tatsächlich, in kleinen, geschwungenen Buchstaben stand dort >A&W<. Zärtlich steckte er ihr den Ring an und strich ehrfürchtig über ihre Hand. Avas Herz begann zu rasen und stürmisch fiel sie ihm um den Hals.

Die Umarmung wurde von einem deutlich knurrenden Magen unterbrochen. Lachend beschlossen sie die Muffins zu essen und den Tag zu beginnen. Ava konnte nicht aufhören ihre Hand zu betrachten und William hatte das größte Grinsen im Gesicht, dass Ava je gesehen hatte. Nach dem Frühstück beschlossen sie zu einem abgelegenen Badeteich zu fahren und den heißen Tag unter einem schattenspendenden Baum zu verbringen.

Die Welt schien im Lot, doch für William rückte sein Treffen mit dem Informanten immer näher. Zwanghaft versuchte er sich seine Unruhe nicht anmerken zu lassen und den Tag mit Ava zu genießen. Erfolglos wurde er mit jeder verlaufenden Stunde aufgeregter.

Als sie am Abend wieder nach Hause fuhren, war er bereits ein nervöses Wrack. Das Schlimmste an dieser Situation war, dass Ava sein Gefühlschaos bemerkte und ihm immer wieder sorgenvolle Blicke zuwarf. Sie würde Fragen haben und er würde ihr nicht die Wahrheit sagen können. Dem Halbdunkel des Wohnzimmers dankend bemühte er sich um sein bestes Pokerface. Ava legte ihre Badetasche ab und trat zu ihm.

"Was ist los, Schatz? Geht es dir nicht gut?", fragte sie und strich ihm liebevoll über die Arme. William schluckte, es war an der Zeit ihr eine Lüge zu erzählen.

"Hutter hat mir geschrieben. Er will mich um sieben bei sich im Büro sprechen. Es geht um die neuen Gesetze. Ava, es tut mir so leid. Ich weiß, wir wollten den Abend gemeinsam verbringen." Eine glaubhafte Lüge. Hutter bestellte ihn manchmal zu den seltsamsten Zeiten zu sich.

"Muss das sein? Es ist doch unser Jahrestag. Kann das nicht bis morgen warten?", fragte sie eingeschnappt. Kopfschüttelnd vermied er ihren Blick und zwang sich zu antworten. "Du kennst ihn doch. Ich werde nicht lange brauchen. Versprochen."

Seufzend gab sie nach. Sie wusste wie viel ihm seine Arbeit mit dem ehemaligen Innenminister bedeutete und würde sein Engagement nie in Frage stellen. "Okay. Ich warte auf dich und nur damit du es weißt, ich war mit Marla sexy Unterwäsche kaufen, also willst du sicher nicht zu lange brauchen." Ihre Worte und der dazugehörige reizende Tonfall hätten ihn während eines anderen Gespräches zum Lachen gebracht. Dieses Mal jedoch zwang er sich zu einem Lächeln, küsste ihre Stirn und verabschiedete sich.

Er hasste es sie zu belügen, hasste seinen Drang nach Antworten. Der einzige Lichtblick war, dass sie es nie herausfinden würde. William fuhr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Donaukanal. An den lauen Sommerabenden herrschte dort reges Treiben. Musik wurde gespielt, Leute tanzten, andere chillten einfach in der untergehenden Sonne.

Unter den jungen Leuten fiel William nicht weiter auf, dennoch trug er sicherheitshalber eine Sonnenbrille und eine Kappe. Sein Rendezvousort war einfach gefunden. Ein großes Graffiti markierte die Brücke, unter welcher sein Informant sich treffen wollte. Nervös sah William sich um, betrachtete jeden Passanten und hoffte dabei den Schneemann zu sehen. Sein Handy klingelte und schnell holte er es hervor.

Eine Nachricht blinkte auf dem Display. > Bist du da? <, fragte der Schneemann. Hastig antwortete William. >Ja, wo bist du? < >Toiletten rechts neben dem Treppenaufgang< irritiert sah er sich um. Die öffentlichen Toiletten waren kein schöner Ort für ein Gespräch, doch für die gewünschte Information war er bereit auch dieses Opfer zu bringen.

Verkrampft lässig ging er zu den Klos und öffnete die für Männer gekennzeichnete Tür. Innerhalb weniger Sekunden realisierte William mehrere beunruhigende Tatsachen.

Erstens lag vor ihm die Leiche eines etwa vierzigjährigen Mannes. Der Körper trug ein Shirt mit einem Schneemann bedruckt. Im Kopf sah er ein Einschussloch.

Zweitens erschein hinter ihm die Polizei. Deren Mimik ließ nichts Gutes erahnen. Die Handschellen waren an seinen Händen noch bevor er das Wort unschuldig sagen konnte. Die Fahrt zum Polizeiamt war kurz und größtenteils schmerzlos. Der Schock über seinen Fund steckte William nach wie vor in den Knochen. Wer hatte seinen Informanten umgebracht und wer hatte ihm die Nachrichten geschrieben?

Es gab nur einen möglichen Täter, doch der Gedanke, dass IZANAGA jeden seiner Schritte genau beobachtete war furchterregend. Er war mit seinen Nachforschungen vorsichtig gewesen, dem Anschein nach jedoch nicht vorsichtig genug. Beim Polizeiamt angekommen, wurde William in ein Besprechungszimmer gebracht.

Der Raum hatte nichts Außergewöhnliches oder gar Ängstigendes. Das Fenster zeigte ein wenig Natur, die hölzernen Möbel waren sauber und angenehm. Vor ihm auf dem Tisch stand sogar ein Glas Wasser. Angespannt wartete William auf die nächste Katastrophe, die zweifellos kommen würde. Die Tür öffnete sich, doch statt eines Polizisten betrat ein Mann in einem schicken Anzug den Raum.

Er besaß asiatische Züge, trug die Haare kurz und das kantige Kinn Bartfrei. William würde ihn Mitte vierzig schätzen. Mit einem leichten Lächeln setzte sich der Fremde ihm gegenüber auf den zweiten Sessel im Raum. "Herr William Archer. Es freut mich Sie kennenzulernen."

"Aha, und mit wem habe ich das Vergnügen?", entgegnete William mit einer bösen Vorahnung. Der Mann spitze die Lippen und betrachtete seine Hände.

"Ich bin lediglich ein...unbedeutender Mitarbeiter. Es ist die Organisation, für die ich arbeite, deren Namen Sie bereits kennen. "

"IZANAGA."

"Exakt, mein junger Freund." "Und warum sind Sie, als >unbedeutender Mitarbeiter< jetzt hier?" William wollte seine Hände bewegen, wollte sich verteidigen können, doch die Handschellen verringerten seine Optionen drastisch. Der Fremde legte den Kopf schief.

"Herr Archer, wir haben nichts dagegen, wenn Sie und Hutter Detektiv spielen wollen, doch Ihnen sollte klar sein, dass wir die Informationsweitergabe über unsere Organisation genauestens kontrollieren. Sie haben einen Fehler gemacht. Nehmen Sie diesen Vorfall als Warnung entgegen. Sollten Sie noch einmal versuchen gegen uns zu arbeiten, werden die Konsequenzen sehr unangenehm für Sie....und Miss Park." Williams Augen weiteten sich und wütend biss er die Zähne zusammen. Er war vollkommen bereit für sein Handeln zu büßen, doch er würde Ava nicht für seine Taten bezahlen lassen.

"Ava hat nichts mit dieser Sache zu tun. Diese Angelegenheit ist zwischen Ihnen und mir."

"Das liegt ganz an Ihnen. Haben wir uns verstanden, Herr Archer?" William senkte den Blick. Ihm blieb keine Wahl als die Drohung hinzunehmen. Ihm waren buchstäblich die Hände gebunden.

"Ich habe es verstanden." "Sehr gut." Sein Gegenüber stand lächelnd auf und ging Richtung Tür. "Ich hoffe wir sehen uns nicht noch einmal. Beim nächsten Mal müsste ich Ihnen dasselbe antun wie Ihrem Freund, dem Schneemann."

"Also haben Sie ihn umgebracht?" Der Fremde erwiderte nichts, nur sein Blick sprach Bände. Keine Reue, keine Gewissensbisse lagen in den kalten Augen des Mörders. Er verschwand ohne ein weiteres Wort. Zutiefst beunruhigt lehnte William sich zurück und starrte an die Decke. Er kam sich so dumm vor. Wie naiv war der Gedanke allein eine gewaltige, gut vernetzte Organisation wie IZANAGA zu Fall bringen zu wollen.

Sein Vater hatte ihn gewarnt, Ava hatte ihn gewarnt, selbst Hutter hatte ihn nur mit Vorbehalten unterstützt. Entsetzt über den Mord und die Drohungen bedeckte er sein Gesicht mit den Händen. Er war so in Gedanken, dass er weder das Öffnen der Tür noch das Eintreten eines Polizisten bemerkte.

"Herr Archer?" "Ja.", murmelte William, ohne aufzusehen. Der Polizist trat näher. "Uns wurde aufgetragen Sie bis zum Eintreffen ihrer Partnerin festzuhalten."

"Was?!", erschrocken richtete William den Blick auf seinen Wärter. Ein junger Mann mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck. "Mein Vorgesetzter hat Miss Park bereits angerufen."

"Wieso? Ich habe nichts getan. Ich habe nur...eine Leiche gefunden. Ich hätte doch nie...so ein Mist!" Der Polizist öffnete seine Handschellen. "Es tut mir leid, wirklich. Ich habe das Gespräch gehört und auf Sie wartet eine Menge Ärger zuhause." Schnell stand William auf und rieb sich die Handgelenke.

"Ärger ist gar kein Ausdruck. Was passiert jetzt?" "Folgen Sie mir bitte.", meinte er mitfühlend und führte William aus dem Raum und einen langen Gang entlang, "ich bringe Sie zu unserer Ausnüchterungszelle. Meine Anweisungen waren da deutlich. Es tut mir wirklich leid."

Seufzend gab William sich geschlagen. "Ist nicht Ihre Schuld. Ich habe mir dieses Schlamassel selbst eingebrockt." Der Polizist lächelte verhalten. "Sie können es nicht wissen, aber Sie haben meinem Bruder das Leben gerettet. Vor zwei Jahren." Verwirrt zog William die Augenbrauen zusammen.

"Inwiefern?" "Mein Bruder und seine Familie lebten damals in der Innenstadt. Das Regierungsgebäude war nur einen Katzensprung entfernt. Als die ganze Sache mit Milo Park anfing, waren sie zuhause. Ich werde das Ganze wohl nie vergessen. Milos Gabe hat angefangen ihn zu beeinflussen. Er hätte beinahe seine Frau und meine Nichte getötet, aber Sie haben ihn rechtzeitig aufgehalten. Meine Familie hat Narben, aber niemand ist gestorben und dafür werde ich Ihnen ewig dankbar sein. Ich war auf zu vielen Beerdigungen damals und bin nur froh, dass keine davon für meine Familie war."

Die Nachwirkungen von Milos Angriff waren noch monatelang spürbar gewesen und hatten die Stadt und ihre Bewohner geprägt. Nach Georgette hatten die meisten vergessen, wie zerstörerisch ihre Gaben gewesen waren. Science-fiktion für die jüngere Generation. Harte Realität für die Älteren, die ihre Herrschaft miterlebt hatten.

Nun gab es keine Fantasie mehr. Jeder wusste, wozu die Familie Park fähig war...alle bis auf Ava. "In meinen Augen sind Sie ein Held und Helden sollten nicht nüchtern in eine Ausnüchterungszelle gesperrt werden." William senkte den Blick.

Er war vieles, aber wohl kaum ein Held.

Anmerkung der Autorin: was haltet ihr von den kapitelanfängen? Verwirren sie? Sind sie interessant? Würde mich über euer Feedback freuen :)

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