21. Hutters Zwischenspiel 2
Erbe- Sein Sohn war neugierig. Offenbar wollte er nun doch mehr von der Brillanz seines Vaters erfahren. Der kluge Mann schickte ihn in das Heimatdorf der Familie. Sein Sohn war dort bekannt und würde kein Aufsehen erregen. Er sollte das Mädchen im Auge behalten.
Isabellas Anruf kam überraschend. Und dann auch wieder nicht. Seit Tagen schien Hutter beim Telefon wache zu stehen und auf ein Lebenszeichen von ihr zu hoffen. Nun endlich hörte er ihre liebliche Stimme und zwang sich ruhig zu sein. Er wollte cool wirken, er musste cool wirken. "Hutter."
"Isabella. Hast du Neuigkeiten für mich?" Ein leises Lachen drang durch den Apparat. "So ungeduldig. Hast du mich denn vermisst, mein Lieber?" Hutter stand von seinem Schreibtisch auf und trat ans Fenster. Es war Nachmittag, die Sonne warf lange Schatten über die Dächer Wiens.
"Natürlich. Schließlich bist du die Sonne in meinem Leben." "Schmeichler. Mein Arbeitgeber würde dich gerne kennenlernen."
"Wann?", Hutter warf einen Blick auf seinen vollen Terminkalender. Es gab so viel zu tun. Die Medien hatten von Avas Abwesenheit erfahren und machten Überstunden. Jeder versuchte sie zu finden und die anderen Mitglieder seiner Regierung verlangten Informationen. Avas Freiheit war immer noch ein relativ neues Konzept und viele hielten an den alten Schemen fest.
"Jetzt. Er befindet sich momentan im Ausland. Komm zum Flughafen. Ein Privatjet wird dich zu ihm bringen." Hutter grummelte angespannt. Nur ungern verlor er so viel Kontrolle über seine Pläne, besonders wenn er den Gegner nicht richtig einschätzen konnte.
"Sag mir die Koordinaten. Ich werde mich selbst um die Reise kümmern." "Nein. Dieses Spiel spielen wir hier nicht, Hutter. Ich habe dir eine einmalige Chance verschafft. Steig in das Flugzeug, sonst kann ich nichts mehr für dich tun. Mein Boss hat wenig Geduld. Aber wenn du auf unserer Seite bist, hast du nichts zu befürchten." Und genau da lag das Problem. Für Hutter ging es um die zentrale Macht in Österreich. Eine Macht für die er zu viel geopfert hatte.
"Du erwartest also, dass ich dir vertraue. Ach Isabella. Du weißt das ich das nicht tun kann." Langsam ließ er sich wieder auf seinem Sessel nieder und blickte auf den Papierkram vor ihm. Es würde noch ein langer Arbeitstag werden. Einige Sekunden blieb es still am anderen Ende des Telefons. Ohne Zweifel übermittelte Isabella seine Absage ihrem Chef.
"Würde ein kleiner Vertrauensvorschuss meinerseits deine Entscheidung verändern?" "Vielleicht. Kommt drauf an wie gut dein Vertrauensvorschuss ist." Er konnte ihr Lächeln vor sich sehen.
"William Archer wird meinem Chef bald persönlich begegnen. Ava Park ebenfalls. Wenn du bei dem Meeting dabei sein willst,..." würde er sich in der nächsten Zeit zum Flughafen bewegen. Mist. Besonders wenn es um diese Beiden ging, wollte er nicht außen vor sein. Ava war eine mächtige Verbündete, wenn sie es sein wollte und William...William würde noch nützlich sein. Er konnte es sich nicht leisten, die Beiden an IZANAGA zu verlieren.
"Hört sich nach einem spannenden Meeting an." "Es wäre eine Schande, wenn du nicht dabei wärst. Ich würde dich sicherlich vermissen." Wahrheit oder Lüge. In Isabellas Tonfall schwang kein Indiz mit. Hutter knurrte. In diesem Moment hatte sie ihn Schachmatt gesetzt.
"Wann?" "In einer halben Stunde am Flughafen in Schwechat. Meine Leute werden dich erwarten, nur dich. Ich freu mich, dass du dabei sein wirst. Es gibt so vieles zu bereden."
"Das war gut gespielt, mi Amor. Dein Chef kann sich glücklich schätzten." "Er weiß was er an mir hat. Du hoffentlich auch." Die Verbindung wurde getrennt. Hutter legte das Handy zur Seite und seufzte hörbar aus. Diese Situation gefiel ihm ganz und gar nicht. Isabella und IZANAGA hielten alle Karten und er nichts. Wenn er zu diesem Treffen flog, dann auf keinen Fall ohne seine Gefolgsleute und einen guten Fluchtplan.
"Gabriel.", rief er nach seinem vertrauenswürdigen Personenschutz. Ein muskulöser Mann, Mitte dreißig trat ein und nickte ihm stoisch zu. Er trug einen schwarzen Anzug und war offensichtlich schwer bewaffnet. "Sir, was kann ich für Sie tun?"
"Ich verreise." "Personenschutz?", entgegnete sein Leibwächter wortkarg. Hutter stand auf. "Ich werde alleine erwartet, aber..." "das wäre unklug." "Richtig. Nimm einige deiner besten Männer, verfolg mich. Unauffällig. Die Personen, mit denen ich mich treffe, sind clever und würden nicht schön reagieren."
"Ist es dann weise sich überhaupt mit ihnen zu treffen?" Keinesfalls. Hutter seufzte, ihm blieb einfach keine Wahl. "Es ist wie es ist. Das Meeting ist bereits bestätigt."
"Verstehe, Sir. Kein Problem. Wo geht es hin?" "Das Ziel ist unbekannt. Ein Privatjet wird mich hinbringen." "Wann geht es los?" Da war der Harken. Gabriel war gut. Sehr gut, sonst hätte er ihn nicht eingestellt. Aber selbst diese beinahe unbezwingbare Kampfmaschine hatte logistische Grenzen. "Eine halbe Stunde."
Gabriel nickte und verschwand ohne ein weiteres Wort. Unsicher sah er dem Mann hinterher. Am besten er bereitete sich vor und vertraute auf Gabriels Kompetenz. Eine gepackte Reisetasche stand bereits versteckt in einem Schrank in seinem Büro.
Die wichtigsten Gegenstände wie Geld, Ausweise und Kleidung befanden sich darin und würden ihm auf dieser unerwarteten Reise sicher weiterhelfen. Die vertraulichen Dokumente auf seinem Schreibtisch versperrte er in einem schwarzen Safe und warf dabei noch einen letzten Blick auf das Satellitenfoto von Starybol.
Es zeigte das Dorf gestern früh. Zwei Menschen waren zu erkennen. Ava und William. Sie hatten es unbeschadet nach Starybol geschafft. Dieses Foto war ein ungeheuerlicher Kraftakt gewesen. Nur durch viele Drohungen, Bestechungen und schwere Körperverletzung war er in dessen Besitz gekommen. IZANAGA beschützte das kleine Dorf im Nirgendwo wie eine Bärenmutter ihr Junges.
Allein diese Tatsache machte ihn neugierig und misstrauisch zur selben Zeit. Was würde es dort, am Arsch der Welt zu verstecken geben? William musste kurz darauf von IZANAGA geschnappt worden sein, anders konnte er sich das bevorstehende Meeting mit seinen jungen Freunden nicht erklären. Freiwillig wären sicher weder William noch Ava mitgegangen.
Hutter versperrte den Safe und steckte seine Wertsachen ein. Kaum fünfzehn Minuten später klopfte es erneut an seiner Tür. Gabriel trat mit mehreren ebenfalls schwarz gekleideten, grimmig dreinschauenden Männern ein.
"Es ist alles vorbereitet." Gabriel hielt ihm seine Hand hin. Auf der Handfläche lag ein winziges ovales Ding, sah einem Aspirin sehr ähnlich. Hutter nahm es stirnrunzelnd entgegen. "Damit könnt ihr mich verfolgen, nehme ich an?" Sein Leibwächter nickte knapp. "Das ist das neueste Model. Sehr genau, minimale Strahlung und kaum aufspürbar, wenn man nicht weiß, wonach man sucht."
"Wo soll ich es aufbewahren?" "Am besten einfach schlucken. So kann es ihnen niemand wegnehmen." Angewidert betrachtete er seinen Leibwächter. "Wirklich? Kann ich es nicht einfach in meine Jacke geben?"
"Was ist, wenn Sie die Jacke ausziehen oder sie Ihnen abgenommen wird? Der Tracker ist klein und wird in wenigen Tagen wieder ausgeschieden. Bis dahin können wir sicher sein Sie überall wiederzufinden. Bitte, Sir, das ist die sicherste Option." "Schon gut, schon gut. Überredet."
Widerwillig steckte er sich das kleine, elektronische Ding in den Mund und spülte es mit Wasser hinunter. Kurz danach klingelte Gabriels Handy. Mit einem kaum erkennbaren Lächeln zeigte er es Hutter. Darauf war ein punkt mit der Beschriftung "Boss" erkennbar. Dieser befand sich in seinem Büro.
"Sehr gut. Der Rest ist ebenfalls vorbereitet. Nicht perfekt, dass muss ich zugeben, aber bis Sie Ihr Ziel erreicht haben, werden wir ein zufriedenstellendes Sicherheitskonzept stehen haben." Hutter war misstrauisch. Das war er immer gewesen und bis zu diesem Tag hatte ihm seine Paranoia gute Dienste geleistet.
"Bleib unterm Radar, Gabriel. Das ist wichtig. Sag niemanden, wo wir hingehen und vertrau nur den Nötigsten. Wir wissen nicht, wem wir vertrauen können." Wenn er ehrlich war, vertraute er selbst Gabriel nur bis zu einem bestimmten Punkt, aber eine Alternative hatte er nicht. Sein Leibwächter nickte herzhaft und öffnete die Tür.
"Gehen wir." Hutter wurde aus dem Büro hinunter in die Garage begleitet. Keiner seiner Mitarbeiter fragte wohin er ging oder was er vorhatte. Niemanden hatte es zu interessieren. Er war der verdammte Kanzler und dafür hatte er einiges durchstehen müssen.
Mit dem Auto ging es zum Flughafen nach Schwechat. Als Hutter ausstieg verflüchtige sich sein Sicherheitsteam in der Masse. Allein wartete er auf besagten Angestellten Isabellas um endlich zu diesem Flugzeug gebracht zu werden. Ungeduldig sah er auf seine Uhr, er war fast pünktlich, aber was sollte er auch gegen den Verkehr tun?
"Herr Hutter?", ärgerlich drehte er sich um und sah eine junge Frau vor ihm. Sie trug die blaue Uniform einer Flugbegleiterin und das falsch geschminkte Lächeln einer gerissenen Frau.
"Der bin ich." "Folgen Sie mir bitte. Ihr Flugzeug steht schon bereit. Haben Sie nicht mehr Gepäck?" Hutter schnaubte. Dafür war keine Zeit gewesen, andererseits erwartete er auch nicht länger als ein paar Stunden im Ausland zu verbringen.
"Können Sie mir sagen, wohin es geht?", er dachte gar nicht daran ihre Frage zu beantworten. Die junge Frau, strich sich die blonden Strähnen hinters Ohr und winkte ihm ihr zu folgen. Widerwillig tat er ihr den Gefallen. "Ich bin untröstlich, Sir, aber ich habe strikte Anweisungen bekommen. Meine Aufgabe ist es Sie zum Flugzeug zu begleiten und während der Reise zu versorgen. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen."
"Isabella hat mir zumindest eine freundliche Begleitung organisiert. Ich schätze dafür muss ich dankbar sein." "Oh, das ist sehr nett von Ihnen.", röte blühte auf ihren runden Wangen und die blauen Augen senkten sich schamhaft. Sie führte ihn die unzähligen Stiegen und Rampen hinauf und hinunter zum Hangar für Privatflugzeuge.
Neben zwei anderen wartete eines an vorderster Front. In gleißendem Weiß erstrahlte das schnelle Gefährt. Es war kein einfacher Privatjet, dieses Ding war teuer. Hutter kannte sich mit Flugzeugen aus und selbst bei seinem Budget als Kanzler hätte dieses Flugzeug tief in seinen Taschen gelegen.
"Bitte sehr.", die junge Frau öffnete die Tür und ließ ihn eintreten. Der Innenraum war luxuriös. Offenbar hatte Isabella keine Mühen gescheut. Zufrieden ließ er sich auf einem der breiten, cremefarbenen Sessel nieder und legte den Kopf in den Nacken. Zumindest würde er auf dieser Reise ins Unbekannte nicht auf seinen Luxus verzichten müssen.
Niemals wäre er in ein normales Flugzeug gestiegen. Nicht einmal für Isabella, aber dieses Niveau ließ ihn ihr Verhalten beinahe verzeihen. "Champagne?", mit einem professionellen Lächeln hielt seine Begleitung ihm ein Glas vor die Nase.
"Vielen Dank. Etwas zu essen wäre auch angebracht." "Natürlich. Ich habe bereits etwas im Ofen. Falls Sie noch irgendetwas wünschen, stehe ich Ihnen jederzeit zu Verfügung." An seinem Champagne nippend schickte er sie weg und erinnerte sich im letzten Moment, dass er noch eine wichtige Frage hatte.
"Warten Sie. Wie lange wird dieser Flug dauern?" "Ist das wirklich wichtig?" "Ich hab mir überlegt ein Nickerchen zu machen. Die Flugzeit würde mir beim sinnvollen Planen meiner Zeit helfen." Die Blondine nickte nachgebend.
"Verstehe. Wir werden etwa vier Stunden unterwegs sein." Danach war er allein. Vier Stunden. Wohin könnte Isabella ihn in vier Stunden bringen? Die Antwort lag auf der Hand. Starybol.
Anmerkung der Autorin: Jetzt geht es los. Alle Spielfiguren sind an ihrem Platz. St. Niklaus, gib uns deine Geheimnisse.
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