20. Abenteuer Straftat

Wunder- Wie ein Süchtiger sehnte er sich nach dem Misserfolg und einer weiteren Kindervene. Am Ende der Nacht jedoch war das Mädchen noch am Leben. Es war gesund. Der Unglaube war groß als die Eltern das Kind nach drei Tagen wieder mitnahmen. Sein Testobjekt musste beobachtet werden. Die Nachwirkungen waren gänzlich unerforscht. Das Serum war nicht perfekt. Es musste perfekt sein.

Auf dem Weg zum Auto begegnete ihnen zum Glück niemand und entgegen Avas Erwartungen war auch ihr Auto noch an seinem Platz. Erleichtert lief sie beim Anblick des alten Wagens los. William kam ihr in der viel zu großen Kordhose nach. Er sah so herrlich lächerlich in diesem Aufzug aus.

"Essen, essen, essen.", hungrig riss sie die Autotür auf und begann den Innenraum zu durchsuchen. "Versuch das Handschuhfach.", meinte William und suchte unterdessen neue Kleidung zusammen. Sie hatten Wechselgewand im Auto gelassen, wie sich nun rausstellte, keine schlechte Idee.

"Aha!", rief Ava freudig und öffnete den Schokoriegel. Genüsslich kauend ließ sie sich auf dem Beifahrersitz nieder. Beinahe wäre sie zum Kannibalen geworden. Nun würde William nie wissen, wie knapp er auch noch sein anderes Bein verloren hätte. Ediths Tagebuch lag geschlossen auf ihrem Schoss. Es hatte kaum Gewicht, aber sein Inhalt lastete dennoch schwer auf ihr.

Der Geruch des alten Leders wurde durch die Schokolade gedämpft und fast könnte sie vergessen, dass es da war. Leider geisterten Ediths Worte in einer endlosschleife in ihrem Kopf herum. Nach all der Zeit war ihre Großmutter kein gesichtsloses Phantom mehr. Sie war ein Mensch mit Träumen und Wünschen. Sie hatte geliebt.

"Ist da noch einer?", William ließ sich neben ihr nieder. Er trug eine schwarze Jeans und ein blaues Shirt auf dem Berge zu sehen waren. Seine Haare waren verwuschelt und ein leichter Bart, ließ seine Züge kantiger wirken.

Ava strich sanft über sein Kinn. Ihr gefiel der Bart, eigentlich hätte sie nichts dagegen, wenn er ihn länger wachsen ließ, aber William war kein Freund der Gesichtsbehaarung. Fragend hob er die Augenbrauen. "Hast du mich gehört?"

"Ja, ja.", murmelte sie, griff erneut ins Handschuhfach und warf ihm den Schokoriegel zu. Williams Augen verengten sich. "Ist das der Letzte?" "Ja." "Dann nimm du ihn.", mit ernster Miene hielt er ihr den Riegel vor die Nase. Ava verzog das Gesicht. Ihr Magen hätte nichts gegen noch ein wenig Schokolade, aber William musste ebenfalls am Verhungern sein. Kopfschüttelnd wies sie das Essen zurück.

"Einer reicht mir." "Unmöglich. Ich hör doch deinen Magen knurren. Komm, du brauchst die Kraft." "Und du nicht? Und sag jetzt nicht das du stärker bist als ich oder so ein Blödsinn. Du hast genauso großen Hunger wie ich."

William verzog das Gesicht. "Das hätte ich nicht gesagt. Ich weiß, dass du genauso stark bist wie ich. Aber du hast deine Kräfte verwendet. Ich will einfach nicht..." Ava sah woran er sich erinnerte in seinen Augen.

Damals nachdem sie Milo aus dem Gefängnis geholt und dabei ihre Gaben überbeansprucht hatte. Der Anblick ihres abgemagerten, erschöpften Körpers stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Er hatte Angst um sie. Schlicht und einfach. Ihre Wut verrauchte und bestimmt drückte sie den Schokoriegeln in seine Hände.

"William, iss. Vertrau mir, wenn ich was brauche, sage ich dir bescheid." Unwillig gab er nach und verschlang den Riegel in zwei Bissen. "Wir sollten auf dem Weg zum Krankenhaus in Klamstwo anhalten und essen kaufen.", angestrengt suchte sie in der Unordnung am Rücksitz nach einer Hose und einem Shirt für sich.

"Mit welchem Geld?", entgegnete William schmatzend. Mist. Ihr ganzes Geld befand sich in Furia. Hieronim würde sich davon was Schönes kaufen können. Ärgerlich zog sie das bescheuerte Hochzeitskleid über ihren Kopf und warf es aus dem Auto auf den Boden. William folgte dem Flug des Kleidungsstückes mit den Augen.

"Wollen wir es nicht mitnehmen?" "Wieso sollten wir?" "Ach ich finde, du hast sehr schön darin ausgesehen. Ist immerhin unser einziges Souvenir aus Furia." Irritiert legte sie den Kopf schief. "Bist du traurig, dass wir keinen Magneten für unseren Kühlschrank bekommen haben."

Eine kleine Angewohnheit, die sie im Laufe ihrer Beziehung kennengelernt hatte. William sammelte Magneten aus aller Welt. Und offensichtlich hatte sie recht, auch wenn William es niemals zugeben würde.

"Nein, so ein Unsinn.", gab er kleinlaut von sich und konzentrierte sich auf die Landkarte vor ihm. Ava lachte und zog eine schwarze Leggings und ein weites blassrosernes Shirt an. Es war langärmlig und mit zarter Spitze besetzt. "Okay. Aber irgendwie müssen wir an mehr Essen rankommen.", stellte sie klar und wandte sich ihm wieder zu. William nickte abgelenkt.

"William, hey, ich verhungere ganz sicher nicht auf diesem Tripp." "Was willst du tun? Es stehlen?" "Wenn es sein muss!" William biss die Zähne zusammen. Er hielt nichts von Diebstahl oder dem Brechen des Gesetzes, aber selbst er konnte das Knurren seines Magens keinesfalls ignorieren.

"Wir werden sehen.", ominöser hätte William sich kaum ausdrücken können. Genervt beließ sie es dabei und nahm ihm die Karte ab. Sobald sie in Klamstow wären, würde sie ihr Ding machen und Essen besorgen. Schweigend startete er den Motor. Sie fuhren los.

Ava lotste sie auf eine Bundesstraße und dann weiter dem eine halbe Stunde entfernt gelegenen Klamstow entgegen. Fahrig frisierte sie dabei das Vogelnest ihrer Haare. "Denkst du ich kann sie bald abschneiden?", fragte sie, um die Stille zu vertreiben. William warf ihr kurz einen Blick zu. "Wieso willst du es abschneiden. Ich finde, die Länge steht dir."

Zweifelnd hielt sie sich die langen Haare vors Gesicht. Sie waren schön, irgendwie, aber Ava wusste nichts damit anzufangen. Sie konnte sie nicht einmal gut flechten. "Sie sind einfach zu viel Arbeit." "Wenn du meinst. Ich könnte dir zuhause mit dem Flechten helfen, dir ein paar Tricks zeigen."

"Ach ja? Hat dir Archer noch mehr beigebracht?" Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht und steckte sie an. "Du hast keine Ahnung, mein Wissen ist sehr umfangreich. Interesse an ein paar Lehrstunden?"

"Bei einem so ausgezeichneten Lehrer wie dir? Wo kann ich mich anmelden?", neckte sie ihn eifrig und wurde mit einem tiefen Lachen belohnt. Vielleicht wären die langen Haare keine so große Belastung und wenn sie William gefielen,..."Ich liebe dich. Das hab ich dir heute noch gar nicht gesagt, oder?" Überrascht flogen seine Augenbrauen in die Höhe.

"Äh nein, noch nicht. Ich liebe dich auch. Sehr sogar." "Bis zum Mond und wieder zurück?" "Bis zum Pluto und wieder zurück. Wenn du es genau wissen willst." Natürlich wollte sie das. Ihr wurde beim Gedanken an seine Liebe warm.

Glücklich Ava richtete ihren Blick wieder auf die Straße, egal was noch auf sie zukam, Angst hatte sie keine. Die Sache in Furia hätte so viel schlimmer ausgehen können, doch sie hatten zusammengehalten. Gemeinsam, da war sie sich sicher, würde ihnen niemals Schlimmes passieren können. "Eine Tankstelle!", rief sie erfreut aus, "da wird es sicher leichter sein etwas zu stehlen. Fahr rechts ran."

Widerwillig folgte William den Befehl und fuhr auf das Gelände der Tankstelle. Die Sonne residierte noch nicht lange am Horizont, daher war die Einsamkeit der Tankstelle nicht verwunderlich. Der Parkplatz war leer, die Gegend verlassen. William schaltete den Motor aus.

"Wie willst du es machen?", fragte er unsicher und starrte auf den Eingang der kleinen Tankstelle. Ava lächelte. "Im Prinzip so wie in Furia mit der Wache. Sollte kein Problem sein. Ich bin zwar im Manipulieren nicht so gut wie mein Bruder es war, aber für einen einzelnen Verkäufer reicht es locker."

"Bist du sicher?" Ava verdrehte die Augen und stieg aus. "Sehr sicher. Ich habs im Gefängnis von Milo bei einigen Soldaten gleichzeitig gemacht. Ich krieg das hin. Mach dir keine Sorgen. Pack einfach alles ein, was du willst. Überlass den Rest mir."

Gemeinsam betraten sie das Gebäude. Es war nicht groß, hatte gerade das nötigste und um diese frühe Stunde schien außer einem verschlafenen Verkäufer niemand anwesend. Ava bekam große Augen, als sie das frische Gebäck sah. Mit knurrenden Mägen schlenderten sie durch die Gänge und warfen Unmengen an Lebensmittel in den Einkaufskorb. Als sie schließlich vor den Kassierer traten, verzog dieser verdutzt das Gesicht.

Ihr Aufzug und offensichtliche fremde schien ihn aber nicht weiter zu kümmern. Gähnend zuckte er mit den Achseln und begann ihren Einkauf zu scannen. Zum Schluss zeigte auf den Betrag und sah abgelenkt auf sein Handy. Einfacher konnte der Mann es ihr wohl kaum machen.

Sanft wie eine Brise ließ sie sich in seinen Verstand gleiten und machte ihm weiß, dass sie längst bezahlt hatten. Das Geld lag bereits in seiner Kasse. Mit einem letzten Gähnen wandte sich der Mann ab und überließ es ihnen, die Waren einzupacken.

"Schnell, komm.", William beeilte sich ihr Sackerl zu füllen. "Keine Sorge, er wird uns keine Probleme machen." Er schien ihr nicht recht zu glauben. Ava biss sich auf die Unterlippe und griff nach dem Trinkgeldbehälter neben der Kasse. Schockiert riss William die Augen auf. "Was tust du da?"

"Na wir brauchen doch Geld? Das wird uns zumindest ein bisschen helfen und wir müssen nicht weiter stehlen." "Er wird das merken.", flüsterte er heißer. Ava kicherte und trat an ihm vorbei zum Ausgang. Für den Kassierer waren sie nicht mehr als eine schemenhafte Erinnerung an einen ruhigen Morgen.

William trug das Essen zum Auto und ließ sich auf der Fahrerseite nieder. Sobald sie neben ihm Platz genommen hatte, legte er das Sackerl mit den Lebensmitteln auf ihren Schoss. Das Gewicht und der Geruch ließen sie freudig grinsen. Schon bald konnte sie ihren Bauch füllen. Mit quietschenden Reifen fuhr William los und entspannte sich erst, als sie Klamstow hinter sich zurückließen.

Erneut befanden sie sich auf einer Bundesstraße im Nirgendwo. Um sie herum lagen Felder brach und kleine Wäldchen und Hügel kamen und gingen. Die von Edith beschriebenen Berge lagen vor ihnen. "Halt an. Bevor wir zu dem Krankenhaus kommen, will ich was essen."

"Wir könnten auch dort essen.", gab William zu bedenken und sah sich nach einer Möglichkeit zum Halten um. Ava verzog angewidert das Gesicht. "Ein verlassenes Krankenhaus ist kein besonders schöner Ort für ein Picknick." "Wir wissen doch gar nicht ob es verlassen ist."

"So oder so will ich dort nicht mit leeren Magen hin. Komm, halt an." "Na gut.", gab er nach und hielt den Wagen am Straßenrand an. Ava holte eine Decke aus dem Kofferraum und legte sie neben dem Auto auf die Wiese.

Vor ihnen erstreckte sich ein brachliegendes Feld. Vereinzelt sprießte Unkraut und Wildblumen. Vielleicht war es nicht der perfekte Platz für ihr Frühstück, aber es war ruhig. Die Sonne wurde immer stärker und wärmte sie. Sorgfältig platzierte sie die Lebensmittel auf der Decke und sah William erwartungsvoll an. Dieser seufzte schließlich und ließ sich neben ihr nieder.

"Also ich-" "Ist das nicht herrlich?", gekonnt lächelte sie ihn an. Die Sache mit dem Diebstahl schien ihm immer noch quer im Bauch zu liegen. Damit da auch was anderes lag, reichte sie ihm die Weintrauben.

"Iss und genieß die Sonne mit mir." William verengte die Augen, begann jedoch leise zu essen. Der Hunger war in jedem Fall stärker als schlechte Laune. Die hatte sich schon nach ein paar Bissen in die warme Käsesemmel verzogen.

"Ein perfekter Moment, findest du nicht?", gerade jetzt existierte nichts außen ihnen beiden, die Sonne und ein gutes Frühstück. Keine Probleme, keine Sorgen, keine Geheimnisse. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen, Furia hatte viel Kraft gekostet. Aber nun konnte sie endlich wieder atmen. William erwiderte ihr versonnenes Lächeln milde.

"Wir hatten es in letzter Zeit nicht leicht, was? Die ganze Sache mit IZANAGA und dann lag uns Hutter und die neue Regierung im Nacken." "Dachtest du unser Trip in die Vergangenheit würde leichter werden?" "Ich hatte gehofft auf wenig Widerstand zu treffen."

"Na die Hoffnung war fürn Arsch. Ich bin nur froh, dass wir nie wieder nach Furia müssen und diese Verrückten einfach vergessen können." William legte den Kopf schief. "Was ist mit Peter?"

"Was soll mit ihm sein?" "Er ist dein Cousin. Deine Familie. Willst du ihn nicht noch einmal treffen?" Schnaubend warf sie die Semmel auf die Decke. "Du bist meine Familie. Ich brauche niemanden sonst." Ein Schatten flog über Williams Gesicht und war sogleich verschwunden. Ava traute sich nicht nach diesem offensichtlich bedrückenden Gedanken zu fragen. Stattdessen biss sie in eine saftige Birne und lenkte sie beide damit ab.

"Danke für das Essen.", murmelte William kleinlaut und biss von seinem Sandwich ab. "Auch wenn es gestohlen ist?", Williams Augen richteten sich auf den Boden. "Ich weiß, dass es notwendig war. Wir würden es ohne dieses Essen weder zum Krankenhaus noch zurück nach Wien schaffen." "Glücklich bist du damit aber nicht." Er schüttelte bekümmert den Kopf. "Es fühlt sich einfach nicht gut an zu Stehlen."

Sie wünschte ehrlich, dasselbe sagen zu können, doch wenn Ava sich die Wahrheit eingestand, mochte sie es. Das Adrenalin vom Brechen einer Regel schuf ein angenehmes High in ihrem Körper. Beschämt wich sie seinem Blick aus. "Manchmal glaub ich du bist zu gut für mich.", überrascht riss William die Augen auf.

"Was? Nein, wie kommst du den auf so einen Mist?" Ava zuckte mit den Achseln. "Du willst immer das richtige tun, auch wenn es schwerfällt. Du bist nie selbstsüchtig." "Du doch auch nicht!" Ungläubig schüttelte er den Kopf, aber Ava konnte ihm nicht zustimmen.

Am Ende war sie doch zumindest ein bisschen wie Milo und immer bereit die Regeln zu biegen und zu brechen, wenn es zu ihrem Vorteil war. Besonders seit Milos Tod, hielt sie nur wenig von blindem Gehorsam und noch weniger von ihrem früheren Verhalten.

"Glaubst du echt das Krankenhaus steht noch?", fragte sie, um das Thema zu wechseln. William legte den Kopf schief und kaute bedächtig, bevor er sprach. "Ich denke, es könnte sein. Immerhin haben wir keinen Hinweis auf eine Schließung gefunden. Ein Privatkrankenhaus mit besonderer Kundschaft könnte durchaus für Jahre unter dem Radar der Medien bleiben. Wir sollten zumindest auf einen solchen Fall vorbereitet sein."

"Wenn das so ist, sollte ich viel essen. Wenn wir uns durch Krankenhauspersonal durchfragen müssen, werden wir meine Kräfte brauchen." William kicherte und nickte. "Richtig. Iss so viel du kannst." Und das tat sie. Zusammen vernichteten sie den Großteil ihrer Beute und versteckten den Rest im Wagen.

Eine kleine Reserve schein ihnen im Licht der jüngsten Ereignisse keine schlechte Idee. Sie fuhren wieder los und näherten sich den Bergen mit mäßiger Geschwindigkeit. Da sie keine genauen Angaben zu dem Ort hatten, achteten sie auf jedes Straßenschild und überlegten welche Rute, die Parks vor all den Jahren gefahren haben könnten.

Es war bereits Nachmittag als sie endlich eine versteckte Abfahrt in der Nähe eines, wie es aussah Naturschutzgebietes fanden. Überall wurde hier mit Privatgrundschildern gewarnt. William seufzte beim Anblick der Warnung. "Hoffentlich stehen wir nicht gleich auf dem Grundstück eines schießwütigen Alten."

"Zumindest könnten wir ihn fragen wo dieses verdammte Krankenhaus ist. Ich hab echt bald keine Lust mehr auf diese Schnitzeljagd." Zähneknirschend gab er ihr Recht. Ihr Mittagessen war durch das endlose Suchen recht mager ausgefallen und an ihnen beiden zehrte die Tatsache, dass sie dieses geheimnisvolle Krankenhaus selbst nach Stunden nicht gefunden hatten. Tiefer und tiefer fuhr William den Waldweg hinein.

"Erinnert mich an die Straße nach Starybol.", meinte sie besorgt und umfasste das Tagebuch fester. Wohin hatte Edith sie da nur gebracht? "Das ist hoffentlich ein gutes Zeichen."

"Oder ein sehr schlechtes.", flüsterte sie beim Gedanken an Furia und dem Ende ihres Abenteuers dort. Nach einigen Minuten wurde ihr Weg von einem hohen Zaun versperrt. William stoppte den Motor.

"Ich schätze, ab hier heißt es gehen." "Ich wünschte wir hätten noch eine Taschenlampe." "Wieso? Es ist doch noch hell genug" Misstrauisch beäugte sie den Zaun und den schattigen Weg dahinter.

"Keine Ahnung wie lange wir gehen müssen und noch mal werden wir kein Glück haben wie beim Haus meiner Großeltern." "Wir beeilen uns." Irgendwie kam ihr der Satz bekannt vor. Hatte er den nicht schon in Starybol gesagt? Vorsichtig kletterten sie über den Zaun, wobei Ava sich mit ihrer Telekinese etwas nachhalf. Sanft wie ein Engel kam sie auf dem Boden auf.

William brauchte keine Unterstützung. Dem ewigen Soldaten gleich landete er grazil auf dem Waldweg neben ihr. Aufgeregt sah sie sich um. Der unbekannte Weg war offensichtlich einmal eine gut befahrene Straße, ähnlich der zu Starybol gewesen. Das dichte Blätterdach der hohen Bäume sorgte auch hier für einen hauptsächlich schattigen Ort.

Ava fühlte Williams Hand in ihrer und lächelte verhalten. Das Herz hämmerte in ihrer Brust wie wild und unter die Aufregung einer echten Spur mischte sich Angst. Würde sie dasselbe wie in Starybol erwarten? Ein weiterer Friedhof, ein Ort, der von ihrer Mutter zerstört worden war.

"Los gehts.", in Williams Stimme hörte sie nur Optimismus. Er schien die Ruhe in Person. Unsicher folgte sie ihm. Nach gut einer halben Stunde erreichten sie endlich ein Gebäude, oder eher eine Ruine. Das zweistöckige Gemäuer stand verlassen inmitten wachsender Natur. Die Fenster waren dreckig oder eingeschlagen, die Fassade überwachsen und verwahrlost. Nichts deutete darauf hin, dass die Welt sich für diese Hinterlassenschaft interessierte.

"Glaubst du Mutter war hier? Wie in Starybol?", fragte sie in die Stille um sie herum. "Möglich, aber das hieße, dass sie von ihrer Krankheit und diesem Ort gewusst hatte." "Du denkst, dass sie von all dem hier keine Ahnung hatte? Ausgeschlossen!"

Sie verschränkte die Arme und trat näher. Das Gebäude sah dem auf dem Bild von Hieronim und diesem anderen Mann ähnlich. So unvollkommen es damals war, nun schienen die Jahre es erneut in diesen Zustand zurückversetzt zu haben. William folgte bedächtig.

"Genau das glaube ich. Georgette hat meine Eltern getötet als sie von der Verbindung zu IZANAGA erfahren hat. Sie war wütend. Sehr wütend. Jemand der schon vor Jahren herausgefunden hat, dass ein Krankenhaus und eine seltsame Geheimorganisation der Grund für dessen Qualen sind, würde doch nicht so irrational und heftig reagieren."

"Du vergisst, dass meine Mutter verrückt war." William winkte ab. "Verrückt ist ein schlechtes Wort. Ich bin der Meinung, dass sie episodisch die Realität nicht von ihren Wahnvorstellungen unterscheiden konnte, aber wäre sie wirklich wahnhaft, hätte sie mehr Schaden angerichtet."

"Aber die Menschen-" "-übertreiben gerne. Versteh mich nicht falsch. Georgette war kein Engel, aber sie ist auch nicht jeden Tag in der Woche morden gegangen. Solange man ihr gab was sie wollte, schien es kein Problem zu geben. Dazu kam, dass ihre Fähigkeiten sicherlich auch einen Tribut gefordert haben, ganz wie bei dir. Sie wird nicht fünf Jahre durchgehend zerstört haben."

Ava runzelte die Stirn, sie hatte nie über das Leben ihrer Mutter in Europa nachgedacht. Es hieß immer nur sie wäre verrückt und sie dürfte nie so werden wie sie. "Komm, wir probieren die Eingangstür.", eifrig trat ihr Freund an die Türen. Zu ihrer Enttäuschung fanden sie dicke Eisenketten daran.

"Das ist ein Problem.", kommentierte William und versuchte sich dennoch am Brechen der Ketten. Sinnlos. Die Fenster daneben würden es auch tun. Während William sich weiter an dem Schloss versuchte, warf sie einen Stein durch das große Fenster im Erdgeschoss. Ein respektabler Zutritt. Vorsichtig beugte sie sich vor und sah in die Dunkelheit.

Natürlich würde die Sonne ihnen in dem Gebäude nur wenig bringen. Wo war ihre Taschenlampe, wenn sie sie brauchte? In einem Rucksack, neues Eigentum von einem Furianer. "Kommen wir da rein?", Williams plötzliches auftreten neben ihr erschreckte sie. Zusammenzuckend schnitt sie sich am Glas.

"Ah, scheiße.", murmelte sie und starrte auf ihre blutige Handfläche. "Ava. Mist, wir müssen das verbinden." "Womit den? Ich glaub kaum das wir da drinnen noch was finden." Kurzerhand riss William einen streifen eines Shirts herunter und umwickelte ihre Hand zärtlich.

"Wir können sie nachher desinfizieren. Deine Tetanusimpfung ist aktuell, richtig?", fragte er fachmännisch und obwohl Ava keine Ahnung hatte, nickte sie, "Wir müssen echt aufpassen wenn wir da reinklettern." Vorsichtig drehte sie ihre Hand auf und ab, nutzte die Finger und stellte fest, dass der Schnitt wohl nicht so tief war, wie es den Anschein hatte. "Es ist gar nicht so schlimm."

Neugierde drängt sie weiter. Nun, da sie so weit gekommen waren, wollte sie alles wissen. Was war ihrer Mutter passiert? Ihre Kräfte nutzend kletterte, hob und senkte sie sich durch die Öffnung.

Ihre Telekinese zeigte sich wieder einmal nützlich und grinsend landete sie im Halbdunkel des Flures. Langsam wurde sie wirklich gut darin. Mit ein bisschen mehr Übung wäre Fliegen vielleicht eine Option. Der Gedanke kam ihr so absurd vor. Fliegen...nicht mal ihre Mutter hatte das hinbekommen.

"Warte hier.", rief sie und lief in das erste offene Zimmer. Staub tanzte in den wenigen Sonnenstrahlen, die den Raum erhellten. Zwei Patientenbetten mit diversen Medizinischen Utensilien befanden sich an gegenüberliegenden Wänden.

Die Wände mussten einmal mit einem freundlichen Blumenmuster geschmückt gewesen sein, aber wie mit dem Rest des Gebäudes, war die Zeit nicht gnädig gewesen. Hinter sich hörte sie Williams panische Stimme durch die Flure hallen.

"Ava! Bitte, das könnte gefährlich sein!" "Alles okay. Warte kurz. Ich habs gleich.", entgegnete sie und begann den Bettbezug eines der Betten herunterzuziehen. Der Staub wirbelte um sie herum und hustend kniff sie die Augen zusammen.

"Mist, mist, mist." Heftig nießend trat sie zurück in den Flur und lief zu dem Fenster vor dem William, dessen Panik einen kritischen Punkt erreicht hatte, wartete. Die Wagen rot, den Mund wütend verzog, fauchte er sie an. "Verdammt, Ava, das war richtig dumm von dir! Wir haben keine Ahnung was in diesem Gebäude noch lauert."

"Jede Menge Staub." "Das ist nicht lustig! Ich war kurz davor die Glasscherben zu ignorieren und dir nachzulaufen." "Na zum Glück hast dus nicht getan. Hier schau mal." Sorgfältig legte sie die Tücher über die scharfen Kanten der Glasscherben.

"Da-Ta! Jetzt musst du auf diesem Trip nicht auch noch Blut lassen, so wie ich." Grummelig bedankte er sich und kletterte geschickt hindurch. Die Tücher halfen wunderbar, genauso wie Ava es sich gedacht hatte. Kaum befand er sich im Inneren, schloss er sie fest in die Arme.

"Ab jetzt bleiben wir zusammen. Ich vertrau diesem Ort nicht." Ava kicherte und schmiegte sich an ihn. Nichts gegen eine gute Umarmung. "Mach dir nicht so viele Sorgen. Es scheint echt schon ewig niemand hier gewesen zu sein."

"Warum ist das Schloss an der Tür dann so gut wie neu?" Das Lächeln fiel von ihren Lippen. Erschrocken sah sie ihn an und danach die dunklen Flure entlang. Würde hier jemand auf sie warten? 

Anmerkung der Autorin: Was erwartet uns in diesem Krankenhaus? Ich bin mir da selbst noch nicht so sicher, aber ich bin auf eure Theorien gespannt. Welche Geheimnisse werden wir endlich lüften können... :D

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