13. Fünf Meter unter der Erde
Durchbruch- Während einer stürmischen Nacht gelang ihm das Unmögliche. Der aus dem Stein gewonnene Staub hatte sich mit den richtigen Komponenten verbunden und ein Serum erschaffen. Unmittelbar begann er mit Experimenten an Nagetieren. Grausame Mutationen und noch schmerzhaftere Tode mussten die Tiere über sich ergehen lassen.
Mit dem nervigen Summen eines Handyweckers wurde William geweckt. Stöhnend fuhr er sich über das Gesicht und drehte sich auf den Rücken. Ava neben ihm, schlief weiter. Ihr warmer, nackter Körper presste sich an mehreren Stellen an ihn und erinnerte an vergangene Freuden.
Für einen Moment starrte er an die Decke und atmete tief durch. Die Ruhe in seinem Kopf war Abwechslung genug. Das Band zwischen ihnen war in den letzten Tagen intensiver geworden. Seit sie aus Wien raus waren, fühlte er einen ständigen Strom an starken Gefühlen von Ava zu ihm wandern.
Seit Starybol waren es nicht mehr nur Gefühle. Einzelne Gedankenfetzen schafften es durch das Band. Beunruhigt hatte er versucht sich abzuschotten, doch je mehr er sich wehrte umso lauter wurden ihre Gedanken. Es musste einen Grund für seine Fähigkeit geben, etwas das nicht nur ihr Band erklärte, sondern noch so viel mehr. Verwirrt sah er die schlafende Frau neben sich an.
Sie schien davon nichts mitzukriegen und dankbar für diese Gnade sah er wieder an die Decke. Ein leichter Kopfschmerz pochte hinter seinen Schläfen, unaufhörlich und an all die Geheimnisse um sie herum erinnernd. Das Handy summte erneut und dieses Mal riss es Ava ebenfalls aus dem Schlaf.
"Will?", fragte sie in die angenehme Stille ihrer Unterkunft. William drehte sich zu ihr, umarmte sie fest und küsste ihre Wange. "Du bist wach.", stellte er fest und erntete ein unzufriedenes Knurren. "Ist es schon Zeit?" "Ja, wir sollten los."
"Verdammt, das Bett ist so warm und weich." Seufzend richtete William sich auf, Ava hatte zweifellos recht. Die Aussicht durch die kalte Morgenluft in einem dunklen Wald auf die Suche nach einem Friedhof zu gehen, weckte keine Freudensprünge in ihm. So leise wie möglich krabbelte er aus dem Bett und suchte nach seiner Kleidung.
Im Licht des fahlen Mondes das durch das Oberlicht fiel, war das nicht gerade eine einfache Aufgabe. Besonders da ihre Kleidung in einem wilden durcheinander am Boden verstreut lag. "Siehst du meine Unterwäsche irgendwo?", jammerte er und hielt Avas BH in den Händen. Hastig entriss sie ihm das Kleidungsstück und zeigte auf einen kleinen Haufen in der Nähe des Bettes. "Ich glaub das meiste deines Zeugs liegt da drunter."
Frustriert suchte er weiter, bis er endlich alles beisammenhatte. Ava dagegen saß in Unterwäsche vor ihrem Rucksack und kramte darin herum. "Wonach suchst du?" "Meiner Taschenlampe." "Die können wir im Dorf sowieso nicht benutzen." Ava warf ihm einen genervten Blick zu. "Ich werde aber nicht erst im Wald nach ihr suchen.", meinte sie und hielt triumphierend eine kleine Taschenlampe in die Höhe.
Über ihren Gesichtsausdruck lachend streifte er sein Shirt über und zog die Jacke an. "Bist du bereit?", fragte er ein paar Minuten später und wuchtete den Rucksack auf seinen Rücken. Nickend hing sie die Taschenlampen an die Seitentaschen ihres Rucksacks.
"Ich geh voran. Falls uns doch wer sieht, kann ich ihn manipulieren.", meinte sie und ein kleines Lächeln huschte über ihr ernstes Gesicht. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte sie zu wenig Kontrolle über sich oder ihre Fähigkeiten gehabt, um solch ein Versprechen machen zu können.
"Gut, dann schau ich das uns keiner folgt." Hastig gab sie ihm einen Kuss und öffnete die Zimmertür. Für einen Moment lauschten sie beide den Geräuschen des Hauses. Seb und Peters Tür war fest verschlossen und dem dröhnenden Schnarchen nach zu urteilen, schlief auch Josefa ohne Unterbrechung. Langsam schlichen sie sich aus dem Zimmer und in das vom Mond beleuchtete Wohnzimmer.
William erwartete die alte Frau auf dem Sofa wieder zu finden und suchte nach ihrer Silhouette auf der grauen Sitzgelegenheit, doch das Sofa war leer. Leicht panisch wanderten seine Augen auf der Suche nach der Quelle für das grausige Schnarchen. Es kam von dem Sessel, aus dem sie Josefa kaum fünf Stunden zuvor gehoben hatten.
Verwirrt hob er die Augenbrauen, und warf Ava einen Blick zu. Diese zuckte unsicher mit den Achseln. "Vielleicht schlafwandelt sie?", flüsterte ihr Verstand in sein Ohr. Zähneknirschend ignorierte er Avas gedankliche Frage und folgte ihr zur Eingangstür. Das Haus blieb ruhig, als sie die Eingangstür öffneten und hinausschlichen.
Das schlafende Dorf wurde nur durch wenige Kerzen in stählernen Lampen erhellt. Die Umgebung war unheimlich still, die üblichen Geräusche eines belebten Dorfes, selbst um eine so ungastliche Zeit wie diese, schienen erlegen zu sein. Gebückt huschten sie von Schatten zu Schatten und machten dabei einiges an Metern gut.
Zu spät bemerkte er die nahenden Schritte hinter sich und fuhr abrupt herum, als eine Hand sich auf seine Schulter legte. "Hey!", begann ein großer Mann mit langem Bart und müden Augen und hielt ihnen auf leisem polnisch eine Standpauke. Er schien sie nicht als Fremde zu erkennen. Stocksteif wartete William darauf, dass Ava sie aus dieser Misere rettete.
"Ja, okay. Ja. Am besten du legst dich hin.", wisperte sie in den Wind und ohne Umschweife lächelte der Mann und verschwand in die Dunkelheit. Perplex wandte William sich seiner Freundin zu. Stolz lächelnd winkte sie ihn weiter.
"Das ging schnell. Was wird er morgen den Leuten erzählen?" "Das er Verstopfungen hat und sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte." "Hat er wirklich Verstopfungen?", irritiert verzog William das Gesicht. Ava lächelte verhalten. "Ja, irgendwie. Sein Verstand war zumindest sehr damit beschäftigt. Alles was ich gemacht habe war ihm zuzustimmen und zu versprechen, dass wir gleich wieder ins Bett gehen. Mehr wollte der arme Kerl gar nicht hören. Ich schätze, dass hättest du mit deinen Polnisch Vokabular auch geschafft."
"Wohl kaum, aber zumindest müssen wir uns keine Sorgen machen, dass er uns verpfeift, wenn die Sonne aufgeht." "Ganz sicher nicht. Für ihn waren wir nicht mehr als ein Traum.", gestand sie ihm mit einem mitfühlenden Blick in Richtung des Mannes.
William griff nach ihrer Hand und zog sie weiter. Sie mussten den Waldrand erreichen und die versteckte Straße nach Starybol finden. Erst wenn sie das geschafft hatten, konnten sie sich ein bisschen entspannen. "Da ist das Auto.", entfuhr es Ava und tatsächlich konnte er den alten Wagen bedeckt mit einem grauen Überzug keine fünf Meter vor ihnen erkennen.
Aufgeregt lief Ava voraus und verschmolz beinahe sofort mit der schwarzen Umgebung. Wegen ihres durch und durch schwarzen Outfits war sie im Dunkel der Nacht kaum sichtbar, sogar ihr weißes Gesicht war durch langes, schwarzes Haar perfekt versteckt. Suchend wanderten seine Augen über die Baumgrenze und entdeckten die schmale Straße, die sie gestern ins Dorf gebracht hatte.
So leise wie möglich rannte er ihr hinterher, seine eigene Aufregung glich Avas. Außer Atem blieben sie schließlich vor dem Weg stehen. Keine Lampen, keine Kerzen, nicht mal der Mond beleuchtete die unebene Straße. Ava sah ihn unsicher an. Der Weg in die Dunkelheit behagte ihr nicht und ihre Furcht mischte sich mit seiner Eigenen zu einem unangenehmen Gebräu in seinem Verstand.
Nachdrücklich presste er die verwirrenden Gefühle in den hintersten Teil seines Geistes und zwang er sich zu einem Lächeln. "Ich schätze ab jetzt folgen wir der Straße. Wenn wir ein bisschen im Wald sind, können wir die Taschenlampen einschalten." "Das hier fühlt sich nach keiner guten Idee an.", murmelte sie und griff erneut nach seiner Hand.
William drückte ihre kalte Haut an seine und hoffte das die Berührung ihr ein wenig Zuversicht geben konnte. "Das denkst du nur, weil wir alleine...unbewaffnet in einen sehr...sehr dunkeln Wald gehen.", die Worte verschluckend kämpfte er gegen das mulmige Gefühl in seinem Magen an und machte den ersten Schritt. Ava wurde mitgezogen und gemeinsam gingen sie tiefer.
"Ist es seltsam das ich ständig dieses Lied im Kopf hab." "Welches Lied?" "Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald-" "-es war so finster und auch so bitterkalt. Ne wir spielen die Geschichte ja auch teilweise nach. Ich frag mich, wo in der alten Kirche Hieronim seine Geheimnisse versteckt hat." Ava verzog nachdenklich das Gesicht.
"Dachboden oder Keller wären die offensichtlichsten Verstecke." Schweigend nickte er und gab ihr damit recht. "Dann suchen wir zuerst dort. Wir sollten uns aber nicht zu viel Zeit lassen. Ich habe das Gefühl Josefa ist eine Frühaufsteherin."
"Ob sie ihren Enkel wirklich dafür verurteilen würden, wenn er mit Seb zusammen ist?", wunderte seine Freundin sich über die strengen Regeln des Dorfes. William legte den Kopf nachdenklich schief. Er schätzte Josefas verwirrten Verstand durchaus zu einem Verrat fähig, aber irgendwo fragte er sich auch ob es nicht besser wäre, das Geheimnis zu enthüllen. Peter würde in diesem Dorf nicht glücklich werden, zumindest konnte er es sich schwer vorstellen.
"Woran denkst du?", fragte Ava und bekümmert beichtete er seinen Gedankengang. Ava lächelte ihn traurig an. "Fühlt sich ein bisschen wie unsere Situation an, oder? Vor zwei Jahren. Ich habe dir auch gesagt, dass wir mit all unseren Geheimnissen, den Paparazzi und den Erinnerungen unserer Familie in Wien unmöglich glücklich werden könnten. Ich wollte fliehen, einen anderen Ort unser Zuhause nennen, aber du wolltest deine Heimat nicht verlassen."
"Das ist nicht dasselbe."
"Wieso? Weil das hier ein kleines Dorf ist? Peter ist hier aufgewachsen, genauso wie Seb. Sie nennen die Menschen um sich herum Freunde und Familie."
"Aber sie würden sie nie so akzeptieren wie sie sind." William biss sich auf die Unterlippe, als ihm Marla und Henrik in den Sinn kamen. Sie hatten die Wahrheit erfahren und den Kontakt abgebrochen. Die Wahrheit konnte grausame Streiche spielen. Ava schluckte. "Es ist ihre Entscheidung, ob sie zeigen wollen, wer sie sind. Wenn nicht, werden wir lächeln und gehen." "Und wenn sie unsere Hilfe brauchen?"
"Dann werden wir sie ihnen geben, allerdings ist es Peter der gerade uns hilft und das, obwohl er uns nicht vertraut.", meinte sie und fischte die Taschenlampe aus ihrem Rucksack. Der kleine Kegel Licht half ihnen nicht über jede Wurzel auf ihrem Weg zu stolpern und kaum eine Stunde später erkannten sie die Umrisse der Kirche vor ihnen.
Im fahlen Licht des Mondes schien sie noch größer und gruseliger als am Tag. Ohne es zu wollen blieben sie stehen und sahen sich auf dem Friedhof Starybol um. Die Krähen schliefen auf ihren Gebeinen und ähnliche nachtaktive Tiere stritten sich um die letzten Überreste der Einwohner.
"Wir sollten uns beeilen.", flüsterte William und behielt die Umgebung im Blick. Die vielen lichtreflektierenden Augen der Tiere machten ihn nervös. Halb erwartete er menschliche Augen unter ihnen zu sehen. Vor der verschlossenen Tür der Kirche hielt er an und drückte...dann zog er. Vergeblich. Die Tür bewegte sich trotz ihres Alters keinen Zentimeter. Seufzend trat er zurück.
"Ava?" "Ja?", ihr Blick war auf die Skeletthaufen vor der Kirche gerichtet. "Kannst du dich um die Tür kümmern?", fragte er winkend und erntete einen bösen Blick von seiner Freundin. "Geh mal aus dem Weg." Als Ava ihre Hände hob, spurtete er sich beiseitezutreten. Mit einem angestrengten Knurren und einer drückenden Bewegung schwangen die Eingangstore auf und wurden gleichzeitig aus den Angeln gerissen. Polternd fielen sie in das unheimliche Echo der schweigenden Kirche.
"Ich hoffe wirklich das war nicht so laut wie es mir vorgekommen ist.", murmelte William und trat über die Überreste der Türen in das vollkommene Schwarz. Ava folgte ihm dicht, die Taschenlampe wie einen Rettungsring vor sich tragend. Langsam durchleuchteten sie den Hauptraum, der sich im Wesentlichen nicht von dem des neuen Glaubensgebäudes unterschied.
Vor einem flachen Podest warteten reihen, teils kaputter oder verrotteter Holzbänke. Die hohe Decke schloss einen Dachboden aus, doch das Knarzen unter ihren Füßen ließ einen Keller vermuten. "Suchen wir vorne beim Podium.", flüsterte William und ging voraus. Irgendwie erschien es ihm notwendig leise zu sein. Er hatte das Gefühl, die Kirche könnte sie belauschen. Avas ruhiges Schweigen stimmte ihm zu und gemeinsam begannen sie das Podest zu untersuchen.
Nach einigen Minuten fanden sie den Zugang zum Keller, versteckt unter dem Podium. "Sieht so aus als wollte Hieronim keine Gäste in seinem Archiv.", merkte William an und hielt ein schweres Schloss in seinen Händen, dass ihnen den Zugang verweigerte. Sie würden einen Schlüssel brauchen, um Hieronims Geheimisse zu lüften.
Unsicher registrierte er die Unversehrtheit des beinahe neuen Schlosses. Hieronim konnte diesen Ort doch unmöglich noch gebrauchen. Ava nahm ihm das Schloss ab und riss mit einem Ruck daran. Es zerbrach. "Habe ich dir schon mal gesagt, dass deine Telekinese äußerst nützlich ist?", er warf ihr ein breites Lächeln zu. Ava erwiderte es schüchtern. "Ja, als wir das neue Regal im Wohnzimmer aufgestellt haben." "Richtig. Das hätten wir ohne deine Fähigkeit auch nicht geschafft."
Die gute Laune verflog als sein Blick auf die nun offene Falltür fiel. Eine steile Holztreppe führte in einen vollkommen schwarzen Raum. Modriger Geruch stieg ihnen in die Nase und angewidert von den Spinnweben trat William einen Schritt zurück. Ava verdrehte lächelnd die Augen, als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkte.
"Ich hab die Taschenlampe. Ich geh vor." "Nein, ...nein ich sollte..." "Ich geh vor. Mir machen Spinnweben nichts. Bleib einfach dicht bei mir, okay?" Dankbar nahm er ihre Hilfe an. Spinnweben gehörten zu seinen größten Schwächen. Allein der Gedanke brachte eine unangenehme Gänsehaut über seine Arme. Mit festen Schritten begann Ava ihren Abstieg in die Dunkelheit.
William blieb einen Schritt hinter ihr, überempfindlich darauf achtend, dass seine Arme keine Spinnweben berührten. Die Treppe war kurz. Avas Taschenlampe beleuchtete kaum fünf Sekunden später einen kleinen Raum. Suchend leuchtete sie die Wände in der Nähe der Treppe ab in der Hoffnung einen Lichtschalter zu finden. Immerhin hatte Starybol vor vierzig Jahren Elektrizität.
"Siehst du einen Lichtschalter?", frustriert weitete sie ihre Suche aus. William sah etwas in der Mitte des Raumes hängend und deutete darauf. "Ich glaub da hängt eine nackte Glühbirne. Leuchte an die Decke." Sie tat was er verlangte und tatsächlich sahen sie eine Glühbirne mit einer verdächtigen Schnur.
Williams Blick blieb darauf gerichtet als er sich beharrlich nach vorne tastete. "Pass auf.", wisperte Ava immer, wenn er gegen eine verstaubte Kiste lief oder über eine stolperte. Schließlich hatte er die Glühbirne erreicht und zog kräftig an der Schnur. Klack. Der Beleuchtungskörper sprang grell an und blendete ihn für einen Moment. Blinzelnd versuchte er sich zu orientieren.
"Ava?" "Ich bin hier. Alles gut. Boah ist die hell." "Ich glaub, dass kommt uns jetzt nur so vor, aber ich geb dir recht." Schmerzhaft verzog er das Gesicht und sah sich um. Die unzähligen, braunen Kisten waren keine Überraschung, einige davon hatten seinen Weg blockiert. In schiefen Türmen nahmen sie einen Großteil des Raumes ein.
"Oh mein Gott.", hauchte Ava neben ihm und ihrer zutiefst erschrockenen Stimme folgend fand er den Ursprung ihrer Unruhe. An der Wand lag eine Matratze. Eine erstaunlich gut erhaltene Matratze. Sie war frisch bezogen. An der Wand darüber waren Eisenketten angebracht. Das Rot an ihren Rändern war kein Rost. William kam die Galle hoch, hastig wandte er sich ab. Dieser Ort wurde benutzt.
"Wozu sind die Ketten?", fragte Ava mit tellergroßen Augen und starrte auf ein zunehmend alarmierendes Bild. William wandte sie zu sich, zwang sie die Augen von der grausigen Szene zu nehmen. "Wozu sind die Ketten, Will?", fragte sie noch einmal und begann zu zittern.
William nahm ihr Gesicht in seine Hände und legte die Stirn an ihre. "Niemand ist hier. Niemand wird gequält. Das ist nur..." "Vergangenes? William, die Matratze ist neu bezogen, die Ketten...die Ketten..." "haben keinen Rost. Ich weiß. Ich weiß. Ich habe es gesehen. Aber niemand sitz dort. Wir müssen ruhig bleiben. Vielleicht finden wir heraus, wem dieser...Ort gehört und können diese Person aufhalten."
Avas Blick war kalt als sie die Zähne zusammenbiss und abstand nahm. "Wir wissen wer genau solch einen Appetit hat." "Noch wissen wir gar nichts." "Hieronim! Das hier sieht fast genauso aus die der Ort an dem er meine Mutter gefangen gehalten hat. An dem er sie..." Ava übergab sich. Gerade noch rechtzeitig schaffte er es ihre Haare aus dem Weg zu halten, aber am liebsten wäre er ihrem Beispiel gefolgt.
Um Ruhe bemüht sah er sich den Rest dieses furchtbaren Kellers an. Ein altes Bücherregal mit noch älteren Büchern war das einzige Möbelstück, alles andere waren Kisten. Deutsche Beschriftungen dienten wohl der Irreführung, um neugierige polnische Besucher abzuschrecken. Er strich sanft über Avas Rücken und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die vor ihnen liegende Arbeit.
"Ich weiß, dass ganze ist, furchtbar, aber wir dürfen nicht vergessen, weswegen wir hier sind." Mit einem wütenden Blick richtete sie sich auf. "Ich hab es nicht vergessen, aber du und ich haben andere Erfahrungen in Bezug auf solche Orte." "Das ist mir klar und ich will nicht unsensible sein, aber uns rennt die Zeit davon. Hilf mir die Kisten zu durchsuchen. Vielleicht finden wir etwas das Hieronim schuldig spricht. Wir können damit zu Peter gehen. Er wird dafür sorgen, das was immer hier vor sich geht, nie wieder passiert."
Sie war nicht zufrieden, das erkannte er an dem festen Zug um ihren Mund und den straffen Schultern, doch nachgiebig nickte sie und begann eine der Boxen in ihrer Nähe zu öffnen. Dankbar erkannte er, dass der Inhalt Stoff war. "Kleidung. Alte Kleidung.", stellte er irritiert fest. Hastig griff er sich eine Box mit der Aufschrift >Bilder 1965-1980<. Feinsäuberlich warteten Umschläge auf ihn, jedes mit einer Jahreszahl.
"Wann wurde Georgette geboren?" Ava zuckte mit den Achseln. "So genau weiß ich das nicht. Aber probier 1968? Irgendwas in der Zeitspanne ist es auf jeden Fall." Sobald er den richtigen Umschlag gefunden hatte, öffnete er ihn. Gelbliche Fotos der Dorfgemeinde erwarteten ihn. Starybol schien ein wunderschönes Musterdorf gewesen zu sein.
Die lächelnden Gesichter auf Weihnachts- und Sommerfesten sprachen Bände. Doch nur eine Gestalt ließ ihn innehalten. Ein junger Mann in Priesterkluft lächelte an der Seite eines asiatisch aussehenden Mannes. Die Beiden schienen gute Freunde zu sein. Verwirrt zeigte er es Ava, die sich gerade durch einen Haufen alter Bücher wühlte.
"Kommt er dir bekannt vor?", fragte er und hielt ihr das Foto vor die Nase. Augenblicklich riss sie die Augen auf. "Hieronim? Aber wer ist das neben ihm?" Hastig drehte sie das Bild um. Auf der Rückseite waren nur zwei Initialen >H. und M. Sommerfest 1968<
"Er sieht so...jung aus.", bemerkte sie angewidert. William hatte dasselbe Gefühl. Hieronims jugendliches Grinsen und das zweifellos gute Aussehen verbargen Schreckliches. Ava trat neben ihm und gemeinsam sahen sie sich die Bilder weiter an. Jedes von ihnen offenbarte eine vollkommen neue, alte Welt. Die Kleidung, die Technik. Faszinierend wenn sie nicht in einem Keller mit zweifelhaftem Zweck stehen würden.
"Warte, das hier. Die zwei kommen mir bekannt vor.", hielt Ava ihn auf. Das Bild zeigte ein junges Paar. Vielleicht in ihrem Alter. Die Frau hatte einen gerundeten Bauch, doch das Kind würde erst viel später auf die Welt kommen. Hinter ihr stand ein grimmig dreinsehender junger Mann, dessen große Hand auf ihrer Schulter weilte. William drehte das Bild. "E. und H. Weihnachtsfest 1969. Könnten deine Großeltern sein." Der junge Mann hatte beträchtliche Ähnlichkeit mit der Erinnerung, die sie nach Starybol geführt hatte.
Zärtlich strich Ava über das Bild ihrer ungeborenen Mutter. "Das heißt meine Mutter ist 1970 auf die Welt gekommen. Wo sind die Bilder von diesem Jahr?" So schnell sie konnten suchten sie nach den betreffenden Fotos und wurden nicht enttäuscht. Georgettes Taufe war fotografiert worden. In mehreren Abbildungen sah man sie als Neugeborenes in weißem Kleid, liebevoll von ihrer Mutter gehalten.
"Taufe. Ania Zofia Georgette Pekar. 1970.", hauchte er und erkannte das rege Interesse seiner Freundin. "Sie nannten sie Ania. Mutter muss ihren Namen nach ihrer Flucht auf Georgette Park verdreht haben." Bedächtig begann sie die Fotos durchzusehen und sortierte ihre Familienfotos aus. Selbst von seinem wandernden Kreisen durch die Kisten, konnte er auf vielen von ihnen Hieronim erkennen.
Der Priester hatte wohl viel seiner Freizeit mit der Familie verbracht. "Josefa ist auch auf diesen Bildern. Sie hatte eindeutig was übrig für Hieronim. Und ich glaube, das beruhte auf Gegenseitigkeit. Schade nur das, sie längst verheiratet war. Die Hochzeitsfotos sehen nicht glücklich aus.", fasste Ava ihren bisherigen Fund zusammen.
William stolperte über eine Kiste mit der Aufschrift >Spielzeug< und öffnete sie neugierig. Schock brachte sein Herz zum Rasen, Übelkeit grummelte in seinem Magen. Sein Fund waren keine Kinderspielzeuge. Und sie waren auch nicht alt. Neuartig funkelte ihm ein bunter Haufen elektronischer Ware entgegen.
"Hast du was gefunden?", fragend hob Ava die Augenbrauen. Er zwang sich die Kiste zu schließen und aufzustehen. "Nein, nichts Besonderes. Nur Kinderspielzeug. Nichts von Bedeutung für uns." Hastig ging er weiter. Avas skeptischer Blick folgte ihm zwar, aber sie blieb still, wohl in dem Vertrauen, dass was immer er ihr verheimlichte zu ihrem besten war.
"Weißt du was komisch ist?", sinnierte sie und riss eine zweite Fotokiste auf, "ich finde keine Bilder von Mutter 1975 herum. Davor war sie auch selten zu sehen, aber doch irgendwie da. Aber das komplette Jahr ist sie einfach weg. Die nächsten Bilder von ihr sind 1976 wieder." Er runzelte die Stirn und trat neben sie. Ava hatte die relevanten Bilder in kleine Häufchen aufgeteilt.
"Das ist seltsam." "Sag ich doch. Und nach 1977 ist sie vollkommen verschwunden, als wäre sie nie da gewesen." "1977 muss sie etwa sieben Jahre alt gewesen sein. Um die Zeit herum hast du doch gesagt, dass ihre Eltern sie eingesperrt haben."
"Stimmt, aber das erklärt nicht 1975." Fasziniert betrachtete William die Bilder von 1974 genauer. "Sie sieht irgendwie krank aus auf denen. Schau dir an, wie dünn sie ist." "Du denkst, dass sie das gesamte Jahr 1975 krank war?", folgte sie seinem Gedankengang.
"Das würde ihre Abwesenheit erklären. Vielleicht war sie krank und hat dadurch ihre Fähigkeiten bekommen." Ungläubig schnaubend schüttelte seine Freundin den Kopf. "Aber welche Krankheit gibt einem übernatürliche Fähigkeiten?" Sie hatte Recht, etwas fehlte. Das Puzzle war noch nicht komplett. Erst wenn sie alle Teile hätten, würden sie ein Bild erkennen können.
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