1. Ihr Frieden

Neugierde- Vor langer, langer Zeit lebte ein Mann. Ein kluger Mann, klüger als die meisten. Eine Eigenschaft, die ihm in seinem Heimatdorf keinen Ruhm brachte. Seine Umgebung schien weder sein Genie noch seine Faszination mit der Wissenschaft zu teilen. Aber er wusste, eines Tages würde ihn seine Intelligenz unsterblich machen.


Zwei friedvolle Jahre. Ava zählte die Monate, zählte die Wochen und kam doch immer wieder zu dem Ergebnis, dass sie glücklich war. Mit einem leichten Lächeln im Gesicht lag sie in ihrem Bett und betrachtete den Mann neben sich. Er war gutaussehend.

Dunkle Haut, sanfte Augen, eine wärme, die sie noch in ihren schlimmsten Momenten Geborgenheit fühlen ließ. Seit seiner Zeit beim Militär hatte er sich kaum verändert. Er war trainiert, präzise und seiner neurotischen Art treu geblieben. Jeden Moment würde der Wecker klingen und ihn wecken. Zufrieden kuschelte sie sich an ihn und wurde mit einem Seufzer umarmt.

Einem Reflex gleich schlangen seine starken Arme sich um ihren Körper. Das war nun mal seine Art und Ava liebte ihn dafür. Zwei Jahre...seit zwei wundervollen Jahren durfte sie sich ohne Furcht von William Archer berühren lassen.

"Guten Morgen.", flüsterte er in ihr Haar. Es war länger als damals als sie sich kennenlernten. So vieles hatte sich verändert. "Hi.", entgegnete sie und küsste seinen Hals. Seine weiche Haut über den strammen Muskeln brachte ihr Herz immer wieder zum Rasen. William umarmte sie etwas fester und gerade als es anfing interessant zu werden, klingelte der Wecker.

Ihr Freund richtete sich sofort kerzengerade auf. Er hatte seinen Morgen genau durchgeplant und selbst ihre Verführungskünste kamen gegen seinen Ordnungszwang nur selten an. Als er anfing sich anzuziehen blieb sie aufrecht sitzend im Bett und beobachtete ihn bei seiner Tätigkeit.

"Was hast du heute vor?", fragte er ehrlich neugierig und zog ein blaues Shirt an. Ava legte den Kopf schief. Er konnte ihren Jahrestag unmöglich vergessen haben.

"Ich weiß noch nicht." "Ich habe mir überlegt, wir könnten essen gehen. Nur wir zwei und ein nettes Restaurant."

"Das hört sich gut an. Und am Wochenende-" "die Wanderung bei den Wasserfällen. Richtig. Das wird großartig. Wir könnten was zu essen mitnehmen und unseren Jahrestag ordentlich feiern." William grinste sie breit an. Natürlich war es ihm nicht entfallen. Aber unter der Woche war es schwer sich Zeit zu nehmen.

"Du dachtest doch nicht, ich hätte es vergessen.", meinte er gespielt böse und beugte sich über das Bett zu ihr.

"Niemals.", hauchte sie und küsste ihn zärtlich, "Ich liebe dich." Sein Grinsen wurde breiter. Aus irgendeinem Grund liebte er es diesen Satz zu hören. Jedes Mal, wenn sie ihn aussprach, spürte sie seine Gefühle stärker werden. Obwohl er es hasste in der Früh von seiner Routine abzuweichen, küsste er sie stärker und drückte sie an sich.

"Zwei Jahre.", er küsste ihre Wangen, "zwei wundervolle Jahre." Ava lachte und erwiderte seinen Kuss stürmisch. Ihr Wecker klingelte und riss sie aus ihrem Tun. Stöhnend stand William auf. "Das nächste Jahr nehmen wir uns frei. Das hier würde viel mehr Spaß machen, wenn wir keinen Stress hätten."

"Absolut.", gestand sie ihm zu und stand auf. Nachdenklich ging sie zum großen, hölzernen Kleiderschrank, am Ende des Bettes. Eine Hälfte gehörte ihr, die andere William. Dieser beschwerte sich gerne, dass sie die Grenze ihrer Seite stück für stück erweiterte und eine feindliche Übernahme plante. Mit einem schlechten Gewissen stimmte sie ihm insgeheim zu.

Jahrelang hatte sie auf diese Art des Luxus, die Freiheit zu tragen wonach ihr der Sinn stand, verzichtet. Wenn sie nun an einem Geschäft mit schönen Kleidern vorrüberging, konnte sie nicht anders als etwas zu kaufen. Ihre Garderobe hatte sich ebenfalls stark verändert. Aus gedämpften Farben wurden kräftige, aus verhüllenden Kleidungsstücken wurde eine Variation aus allem was die Welt zu bieten hatte.

Ava hatte ihren Körper akzeptiert, mit alle seinen Fehlern und Makeln. Sie würde ihre Geburtsmale nicht länger verstecken, sie waren ein Teil von ihr wie alles andere auch. Es war Hochsommer und damit Zeit für schöne Sommerkleider. Da sie in der Arbeit sowieso eine Uniform trug, sprach nichts gegen ein hübsches, unpraktisches Kleid.

Unter Williams interessierten Blick zog sie ein senffarbenes, kurzes Kleid an. Es besaß einen angenehmen Seidenstoff und fiel besonders vorteilhaft. Für den Zipp drehte sie ihm automatisch den Rücken zu und hob ihre Haare an. William kannte seine Aufgabe und schloss ihr Kleid. Zärtlich fuhren seine Hände über ihre Arme und ein Kuss landete hinter ihrem Ohr.

"Du bist wunderschön.", murmelte er, während eine Gänsehaut über ihren Körper kroch. Mit flatterndem Herz drehte sie sich um. "Ach, wirklich?" William trat näher zu ihr und strich eine ihrer Haarsträhnen hinters Ohr. "Ja, wirklich. Ich glaub sogar du wirst mit jedem Tag schöner."

"Ich glaube eher, du brauchst mit jedem Tag eher eine Brille, aber ich find's schön wie Liebe dich blind macht." "Blind wie ein Maulwurf.", bestätigte er und küsste sie noch einmal, bevor er sich endgültig losriss und in die Küche ging. Lachend verfolgte sie seinen Abgang.

Die Prothese war unter der langen Hose nicht sichtbar und war auch in seinem Gang kaum bemerkbar. Es hatte viele Monate gedauert, um an diesen Punkt zu gelangen, aber William hatte die Physiotherapie und die Übungen mit seinem gewohnten Ehrgeiz angenommen. Schneller als von vielen erwartet war er in der Lage stabil zu gehen und sogar zu laufen. Zwei Jahre später war die Prothese nur noch ein Randgedanke, ähnlich einer Brille. Selbstsicher stellte William sich in die Küche und begann das Frühstück vorzubereiten.

Ihre Wohnung hatte sich in den zwei Jahren ebenfalls stark verändert. Am Anfang hatten sie tatsächlich wie Mitbewohner gewohnt, jeder in seinem Zimmer, doch als offensichtlich wurde, dass da mehr zwischen ihnen war und sie dem Nachgehen wollten, zogen sie gemeinsam in das größte Schlafzimmer. Avas.

Williams ehemaliges Zimmer wurde zu einem Gästeschlafzimmer und Dominiks Zimmer ein Arbeitszimmer mit PC und viel Stauraum. Besonders Avas unzählige Backutensilien fanden dort eine Heimat. Überall in der Wohnung hingen Bilder von ihnen und ihren Abenteuern, Souvenirs von Reisen und Dekoartikeln die William gerne mal beim Ikea mitgehen ließ. Es war ein Zuhause. Ihr Zuhause.

Da es so furchtbar heiß war, brachte sie ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und zupfte die Stirnfransen zurecht. Es war wohl nicht das Klügste gewesen, sie sich im Hochsommer schneiden zu lassen, aber William hatte ihr eine neue Serie gezeigt und die Hauptperson trug diesen absolut süßen Pony. Inspiriert war Ava gleich am nächsten Tag zum Friseur gegangen. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie dies ohne weiteres tun konnte. Freiheit war doch etwas Berauschendes.

"Frühstück ist fertig.", rief William und stellte eine Schüssel seines berühmten Porridges auf Avas Platz. Ihre Morgenroutine war eingespielt und genau das machte sie für sie beide angenehm. Lächelnd setzte sie sich neben ihn und begann zu essen. Er war mit der Zeit experimentierfreudiger geworden, probierte viele verschiedene Porridgearten aus und hatte sich sogar ein Buch über Porridge gekauft.

Belustigt registrierte sie den Geschmack nach Kokos und Schokolade. Ihr Lieblingsfrühstück. "Hast du gut geschlafen?", fragte er und nahm einen großen Löffel aus seiner Schüssel. Verwundert sah Ava auf die Uhr und bemerkte, dass sie fünf Minuten zu spät dran waren und sich ihre Essenszeit dadurch verkürzte.

Früher war ihr nie aufgefallen wie akribisch William seinen Morgen plante, doch nun...hatte sie sich daran gewöhnt. Ava konnte sich auf Williams Zeitgefühl verlassen. Immerhin sorgte er dafür, dass sie nie zu spät kam und nie mit leerem Magen die Wohnung verließ.

"Ja, aber irgendwie war ich zu aufgeregt wegen dem Jahrestag. Hatte ganz wilde Träume." "Wovon?" Ava zuckte mit den Achseln. "Bin mir nicht mehr so sicher. Irgendwas von einer tropischen Insel und Delphinen glaub ich. Oh und Sex."

"Natürlich.", lachte er während seine Augen sie anblitzten, "also ich kann nichts von Delphinen und Inseln versprechen, aber bei einer Sache hast du mein Ehrenwort, dass du sie heute kriegst." "Was das wohl sein könnte?", spielte sie die Unwissende und aß den letzten Löffel. William räumte die Schüsseln weg und holte seinen Rucksack.

Er würde mit dem Fahrrad in die Arbeit fahren. Die Buchhandlung, in der er seit knapp eineinhalb Jahren arbeitete, war kaum eine halbe Stunde entfernt. Da Avas Arbeitsstelle sehr viel weiter weg lag, nahm sie das Auto. Gemeinsam verließen sie die Wohnung und gingen zum Wagen.

Ava hatte William gestern abgeholt und daher befand sich das Rad immer noch im Kofferraum. Geschickt hob er es heraus und überprüfte die Fahrtüchtigkeit. "Wann hast du heute aus?", fragte er und setzte sich auf seinen fahrbaren Untersatz.

"Etwa fünf. Wenn meine Kollegin pünktlich kommt." "Ich hab früher aus. Treffen wir uns Zuhause und fahren dann weiter?" Nickend bestätigte sie und bevor sie ins Auto stieg, stahl sie sich noch einen Kuss.

"Pass auf dich auf.", flüsterte sie an seinen Lippen. William lächelte und strich über ihre Wange. "Ist das nicht eigentlich mein Satz?" Kopfschüttelnd verabschiedete sie sich und stieg ein. Autofahren war nach wie vor eine Herausforderung, aber auch diese hatte Ava mit der Zeit gemeistert.

Das Radio sprach von aktuellen Hits und den Nachrichten. Die neue Regierung hatte, neben ihrer geheimen Freiheit, eine Reihe neuer Gesetzte erlassen. Die maximale Arbeitszeit war auf zwölf Stunden angehoben worden, das Arbeitslosengeld gekürzt. Besonders beunruhigend fand Ava jedoch die persönliche Freiheit und der schwindende Datenschutz. Medizinische Daten standen privaten Unternehmen offen, ebenso war es der Polizei gestattet Menschen zufällig auf der Straße zu kontrollieren.

Noch hatte Avas Freiheit nicht darunter gelitten, aber sie wusste von vielen Protesten und Demonstrationen. Seit Milos Angriff hatte sich etwas in der Atmosphäre der Stadt verändert. Hutter meinte zwar, dass er alles unter Kontrolle hätte, aber der ehemalige Innenminister wirkte mit jedem Treffen müder.

Zu verschlafen für die schwierigen politischen Themen, drehte sie Musik auf. Der Oldschool Rock begleitete sie, bis sie schließlich einparkte und den Motor abstellte. Ihre Arbeitsstelle war eine kleine Konditorei am Rand der Stadt. Die Gebäude der Umgebung waren niedriger und alt, genauso wie die Konditorei, die das Erdgeschoss eines alten, blauen Hauses besiedelte. Noch war auf den Straßen nichts los, die Welt war ruhig und erleichtert freute Ava sich über den kühlen Wind, der an diesem Morgen die aufkommende Hitze erträglicher machte.

Der Besitzer der Konditorei war chaotisch und kaum anwesend, seine überdimensionalen Ideen für das Geschäft endeten oft unvollendet. Es war seine Stellvertreterin Basima, die das täglichen Geschäfte beaufsichtigte und dafür sorgte, dass der Laden weiterhin gut lief. 

Um die Verkaufszahlen zu steigern, hatte sie Ava angestellt und warb nun damit das Georgette Parks Tochter bei ihnen arbeitete. Schaulustige von Nah und Fern kamen jeden Tag, um herauszufinden, ob die Werbung stimmte. Ava war nicht gerade begeistert darüber gewesen, aber nach Monaten der Suche, war es ihr lieber so eine Arbeit zu haben, als gar keine Arbeit zu haben.

Basimas Plan ging auf, die Einnahmen vervielfältigte sich und damit war Avas regelmäßiges Gehalt gesichert. Zwei Stunden vor Öffnung der Konditorei trat Ava ein und verzog sich in den Personalraum. Ein kleines Zimmer mit einem Tisch, einer Bank und vielen Spinden. Eine Kollegin saß, bereits auf dem Sofa und lass etwas auf ihrem Handy. Als sie Ava sah, legte sie das Handy weg und lächelte.

"Hey, Sis. Pünktlich wie immer. Bereit für einen neuen Tag?", fragte Marla mit einem kecken Zwinkern. Die meisten ihrer Kollegen hielten abstand, doch Marla war von Anfang an wie eine Schwester gewesen. Ava freute sich jeden Morgen darauf sie zu sehen. Basima hatte ihre gute Zusammenarbeit ebenfalls bemerkt und den Dienstplan dementsprechend umgeschrieben. Die anderen Kollegen waren ihr dankbar.

"Absolut bereit, aber mehr freue ich mich auf heute Abend.", entgegnete Ava und zog sich um. Die Uniform war ein einfacher roter Rock, eine weiße Bluse und eine passende Haube, um die Haare von den Backwaren fernzuhalten. Marla trat näher, ihre helle Haut schimmerte im Licht. Die kurzen Haare waren zu einem perfekten Pixieschnitt gegellt und mit der richtigen Schminke, würde man Marla glatt für ein Model halten. Neugierig blickte sie sie an.

"Wieso? Was ist denn heute Abend?" "Jahrestag." Marla riss die dunklen, schräg gestellten Augen auf.

"Wirklich? Welcher?" Ava konnte sich ihre Freude nicht verkneifen. "Der zweite. William und ich wollen essen gehen." Wie selbstverständlich harkte sich Marla bei ihr ein und gemeinsam traten sie in die Backstube.

"Oh, das wird sicher total romantisch! Du musst mir dann alles erzählen. Eigentlich wollte ich dich nach einem Doppeldate fragen. Henrik und ich hätten mal wieder Lust auf einen Filmabend zu viert."

"Das wäre auch mal wieder fällig. Ich werde mit William reden. Vielleicht lässt sich am Wochenende was machen. Ich schreib dir, okay?", Ava zog den Teig lang und begann ihn vorzubereiten. Ihre Croissants waren inzwischen wirklich gut geworden. Marla bereitete ihre berühmten Vanilletaschen vor. Der Chef hatte sie nur wegen diesen eingestellt.

"Klar, mach dir keinen Stress. Ich soll dich außerdem fragen, ob William Lust hat, was alleine mit Henrik zu machen." Verwirrt warf Ava ihr einen Blick zu. Marla zuckte nur genervt mit den Schultern. "Schau mich nicht so an. Offenbar befürchtet Henrik, dass William ihm absagen würde, wenn er direkt fragt. Ich glaube in der Arbeit läuft es grad nicht so gut für ihn."

Besorgt blickte Ava auf das bekümmerte Gesicht ihrer Freundin. Henrik hatte immer mal wieder Probleme mit seinen Kollegen. Er arbeitete in der IT-Branche und hatte in Avas Wohnung die gesamte Technik gemacht. Er war ein freundlicher, hilfsbereiter Mann, aber viele seiner Kollegen behandelten ihn als Sonderling. Niemand sprach es aus, doch jeder wusste, dass Henrik ein Transgendermann war und einige Kollegen ein Problem damit hatten.

"Ich werde William fragen, aber ich bin sicher, dass er sich freuen würde. Viele Männerfreundschaften hat er nicht und es hängen eindeutig zu viele Bilder von Henrik in unserer Wohnung, als dass er sich darüber sorgen machen müsste." Marla lachte und sah sie dankbar an. "Das sag ich ihm auch ständig, aber ich glaube die Diskriminierung in der Arbeit nagt an seinem Selbstwert."

"Wird echt Zeit, dass er da wegkommt.", meinte Ava und schob ihre Teigware in den Backofen. Marla zuckte mit den Achseln. "Auch das sage ich ihm ständig. Langsam fühle ich mich wie eine verdammte Schallplatte. Aber er meint, dass Geld wäre zu gut und wir sparen ja auf diese tolle Wohnung in der Nähe von euch."

"Wenn ihr Geld braucht-", begann Ava und wurde prompt unterbrochen. "Nein. Wir kriegen das hin und du solltest ohnehin gut auf dein Geld aufpassen. Wer weiß was sich die Regierung noch alles einfallen lässt." Ava gab ihr nur ungern recht, doch dasselbe hatte sie sich schon lange gedacht. Aus diesem Grund hatte William ein Konto mit seinem Geburtsnamen eingerichtet, auf das sein Gehalt überwiesen wurde. Es war ihr Notnagel, die Reserve, falls etwas schief ging.

"Meine Damen, es wird Zeit die Vitrine vorzubereiten und alles für die Gäste herzurichten.", Basima stand in der Tür und warf ihnen einen strengen Blick zu. Trotz ihrer vierzig Jahre besaß sie eine unausgesprochene Autorität. Ihre langen dunklen Haare zeigten bereits einige weiße Strähnen. Stehts scherzte sie, dass Ava und Marla ihr die letzten guten Nerven raubten. Eine Lüge.

Ava konnte die Zuneigung der älteren Frau spüren. Mit einem verhaltenen Lächeln hielt sie ihnen die Tür auf und scheuchte sie aus der Backstube. Während ihre Waren bucken, begannen Marla und Ava routiniert das Geschäft vorzubereiten. Dabei hörten sie natürlich nicht auf zu reden.

Marla war nicht der Typ für Ruhe und Schweigen gab es bei ihr nicht. Lächelnd hörte Ava ihr zu und erfreute sich über die einfache Konversation. Hin und wieder kommentierte sogar Basima und gab den jungen Frauen Ratschläge. Immerhin hatte ihre Vorgesetzte bereits einiges im Leben gesehen und erreicht. Als Flüchtling nach Europa kommend hatte sie sich ein angenehmes Leben aufgebaut, ihre Fähigkeiten mit Zahlen und Personalmanagement genutzt, um in eine gute Position zu kommen.

"Ich glaube alles ist so weit gut.", meinte Basima und kontrollierte die vollgestopfte Vitrine erneut. Jedes Backwerk musste perfekt aussehen und präsentiert sein. Ava nickte und schloss die Tür auf.

Beinahe augenblicklich strömten die Menschen hinein. Für die nächsten drei Stunden konnte Ava an nichts anderes denken als die Arbeit. Sie servierte, beriet, nahm Bestellungen auf und achtete dabei stehts einen Mindestabstand zu den Kunden zu halten.

Basima verzog sich die meiste Zeit ins Büro, doch hin und wieder sah sie nach dem Rechten. Die Regierung überprüfte Avas Arbeit recht spontan und daher war es wichtig in jedem Moment, wenn das Geschäft geöffnet war, aufzupassen.

"Heute ist total viel los.", brummte Marla und trug zwei Tortenstücke auf einem Tablett. Ava nickte ihr beiläufig zu und kassierte einen anderen Kunden. Aus den Augenwinkeln sah sie Marla nach und bemerkte sofort als diese stolperte. Instinktiv wollte sie mit ihren Fähigkeiten nach Marla greifen, aber das hätte ihr Geheimnis verraten und ihren Deal mit Hutter zunichte gemacht.

Schuldbewusst sah sie ihrer Freundin beim Fallen zu, wissend, dass sie ihr Schmerzen hätte ersparen können. Mit einem lauten Schrei landete die junge Frau auf dem Boden, die Teller zersplitterten und die Torte machte Bekanntschaft mit dem Laminat.

"Ah, Scheiße!" Hastig lief Ava zu ihrer Freundin und kniete neben ihr auf dem Boden. "Bist du okay?", besorgt hielt sie Marlas Hand. "Nein, ich glaub eine Scherbe hat mein Knie erwischt. Tut höllisch weh." Avas Blick viel auf den langen Schnitt aus dem stetig frisches Blut quoll.

"Bring sie in den Personalraum und versorg sie. Ich mach weiter.", befahl Basima und stellte sich zur Kassa. Marla fluchte und weinte gleichzeitig als Ava sie auf die wackeligen Beine zog und in den Personalraum schleppte. Die Kunden beobachteten das Schauspiel interessiert.

Vermutlich würde sehr bald etwas darüber in den Medien zu lesen sein. >Ava Park, hilft Kollegin nach Unfall<, oder ähnliches. Auch nach zwei Jahren war die Boulevardpresse nicht weniger interessiert an ihrem Schicksal. Besonders die Paparazzi waren kreativer geworden, da die Regierung ihnen nicht mehr jedes Foto freiwillig zur Verfügung stellte und Ava einen gewissen Einfluss auf ihre öffentliche Identität hatte.

"So ein Mist...glaubst du da muss was genäht werden?", fragte Marla kreideblei. Ava setzte sie auf das Sofa und holte den erste Hilfekasten. Es war ein langer Schnitt so viel war klar.

"Ich werde mir das mal ansehen, okay?" Zittrig nickte sie und wischte die Tränen von ihren Wangen. "Das ist so typisch für mich." "Ach komm, das hätte jedem passieren können. Ich hab Basima schon hundertmal gesagt, dass wir den Teppich ankleben müssen.", meinte Ava mitfühlend und säuberte die Wunde. Eine der ersten Ausbildungen, die sie mit ihrer neuen Freiheit absolviert hatte, war ein erste Hilfekurs gewesen. Sie wollte in der Lage sein, sich selbst und andere zu versorgen. Marla blickte weinend an die Decke.

"Es tut weh." Dass konnte Ava nachvollziehen. Der Schnitt war tatsächlich tiefer als sie erwartet hatte und würde genäht werden müssen. Die Tür öffnete sich und Basima trat ein. "Ava, wie sieht es aus?" Unsicher verzog sie das Gesicht. "Ich glaube wir müssen ins Krankenhaus und das Nähen lassen."

Basima seufzte ärgerlich und trat näher. Mit einem Blick auf Marlas Verletzung nickte sie. "Na gut. Marla ruf deinen Freund an. Er soll dich hinbringen." Marla senkte den Blick und da wusste Ava schon, dass Henrik unmöglich Zeit hätte. "Ich kann sie doch ins Krankenhaus begleiten. Mein Auto steht gleich vor der Tür." Ihre Chefin schnalzte mit der Zunge.

"Ich werde etwas organisieren müssen, kannst du noch ein paar Minuten warten, Marla?" Verheult nickte diese ihrer Vorgesetzten zu. Ava stand auf und folgte Basima ins Büro. Die Kunden waren erstaunlicherweise weniger geworden. Alles schien ruhig. Verwundert überlegte Ava wie ihre Chefin das zustande gebracht hatte.

Basima griff nach dem Telefon. "Agnes wird sie ablösen, die hat heute nichts vor und ich werde Peter anrufen. Dann wird das schon. Fahr mit ihr und pass auf sie auf." "Schaffst du den Laden alleine?", fragte Ava besorgt und erhielt ein amüsiertes Lächeln.

"Ich krieg das schon hin. Geh und sorg dafür das sie sie gut behandeln." "Mach ich. Danke." So schnell sie konnte, packte Ava sowohl ihre als auch Marlas Sachen zusammen und trug sie zu ihrem Auto. Danach holte sie Marla. Mit etwas Mühe bugsierte sie sie auf die Rückbank, das Knie ausgestreckt und fuhr los.

Anmerkung der Autorin: der Auftakt eines neuen Buches. Ich werde mir Mühe geben regelmäßig zu posten, aber da ich jz in einem neuen Kindergarten bin, kann ich nichts versprechen.

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