Kapitel 13

Hallihallöchen, ich sehe gerade, dass mein letzter Upload schon wieder einen Monat her ist und das tut mir sooo leid! Danke für euer Verständnis! <3  Leider kann ich immer noch keine Entwarnung geben, weil sich meine To-Do-Liste nachts von selbst mit Aufgaben zu füllen scheint. Frechheit! 

Fändet ihr es besser, wenn ich eine längere Pause mache und dafür danach regelmäßiger Kapitel hochlade oder soll ich sie lieber direkt hochladen, nachdem ich sie geschrieben habe? 

Und jetzt viel Spaß beim Lesen!

♡ ❤ ♡

Auf dem Klo angekommen, überlege ich, ob ich einfach türmen soll. In zwanzig Minuten könnte ich zu Hause sein, Sids Fahrrad ausleihen, zum Bahnhof radeln und von dort aus nach Sibirien fahren. Ich wäre jetzt aber auch bereit für die Kometenreise ins All. Alles, nur nicht weiter diesem Essabend beiwohnen und mich vor einer unmittelbaren Enthüllung fürchten! Während ich immer neue Fluchtpläne schmiede, wandert mein Blick durch das schlicht eingerichtete Badezimmer und bleibt schließlich am Klopapier hängen. Wow, ist das etwa dreilagig? Oh, und wie weich es sich anfühlt... 

Vergiss es, Milla. Das bleibt hier! 

Aber nach dem Schmirgelpapier aus dem Piratencafé habe ich mir doch mal was Sanfteres verdient! 

Dann kauf es dir im Supermarkt um die Ecke. 

Aber da ist es so teuer... 

Wenn du genug Geld hast, um dir Schokopuddings zu kaufen, dann kannst du dir auch hochwertiges Klopapier leisten

Das Geld reicht aber nur für eins von beiden und meine Entscheidung wird immer zu Gunsten der Schokoträumchen - schmacht - ausfallen, das weißt du doch. 

Ja, und an dieser Charakterschwäche solltest du dringend arbeiten! 

So ein Quatsch! Wer das als Charakterschwäche ansieht, hat nichts in meinem Kopf verloren! 

Milla, leg die Klopapierrolle zurück

Nein. 

Doch

Nein!

Ein hektisches Klopfen reißt mich aus dem inneren Disput.

"Wie lange brauchst du noch?", ertönt die leicht quengelige Stimme von Trick. "Ich muss wirklich sehr dringend!"

"Bin gleich fertig!", versichere ich und schiebe mir die Klopapierrolle unter die Jeansjacke, um sie mir dort mit meinem Arm an den Körper zu pressen. Schnell schließe ich die Badtür auf, wobei ich mich seitlich zu Trick drehe, sodass er die verräterische Ausbeulung meiner Jacke nicht sehen kann.

"Puh, danke!", seufzt der erleichtert und drängt an mir vorbei ins Bad, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Zufrieden schlendere ich durch den Flur ins Wohnzimmer, wo ich die Klopapierrolle unbemerkt in meinem Rucksack verschwinden lasse.

Als ich schließlich durch die Terassentür trete, hat sich die Ansammlung auf den Bierbänken etwas aufgelöst. Sid und L lümmeln mittlerweile in einer gemütlichen Hollywoodschaukel, die unter einem ausladenden Apfelbaum aufgestellt wurde. Tick und Track stehen vor dem Buffet und schenken sich bunte Flüssigkeiten ein, bei denen ich davon ausgehe, dass sie alkoholischer Natur sind. Nur Jonas-Thomas-Lukas und Charlie sitzen immer noch auf den Bierbänken und unterhalten sich angeregt. Naja, Charlie unterhält sich angeregt.

"Oh, du bist wieder da!", erklingt eine frohmütige Stimme neben mir. Carlos. Och nee.

"Und du bist auch wieder da", gebe ich zurück und klinge nicht mal halb so erfreut wie beabsichtigt.

"Charlie erzählte, du bist auch neu hier hergezogen", plaudert Carlos drauf los. Ich kann nicht leugnen, dass er äußerst gut aussieht. Wie ein romantischer Singer-Songwriter, der jeden Moment seine Mandoline hinter dem Rücken hervorzaubert und ein Liedchen über verflossene Liebe trällert. Wenn er doch nur nicht aus Peru käme und auch kein Spanisch spräche!

"Ja, ich bin seit Samstag hier."

"Und du studierst Informatik, Charlie hat gesagt."

"Was hat sie dir denn noch alles erzählt?", frage ich argwöhnisch.

"Du kannst nicht tanzen." Carlos kichert.

"Na, hör mal. Ich beherrsche den Rasenmäher und den Lokführer bis zur Perfektion", verteidige ich mich. Doch Carlos schaut mich nur verständnislos an. Offenbar werden diese Wörter erst im C1-Kurs gelehrt.

Da ich mich unbewusst in Richtung der einladenden Sitzkissen neben der Hollywoodschaukel aufgemacht habe, muss sich Carlos um einen großen Schritt bemühen, um zu mir aufzuholen. Die Dämmerung setzt langsam ein, ohne dass ein leuchtender Sonnenuntergang zu bewundern gewesen wäre und eine eisige Kälte kriecht mir unter die luftigen Klamotten. Zum Glück liegen zwei flauschige Decken neben den Sitzkissen parat, von denen ich eine dankbar um meine Schultern lege. Sid, die immer noch in ein Gespräch mit L vertieft ist, zwinkert mir nur kurz zu und widmet sich danach wieder der Kneipentour, die morgen Abend stattfinden soll und den Namen "Bierdiplom" trägt. Ls Schwärmereien entnehme ich, dass man in mindestens zehn Kneipen etwas trinken muss, um genügend Stempel zu sammeln, damit man eine Auszeichnung für die herausragende Leistung erhält.

"Dann kann ich immerhin ein Diplom vorweisen, falls ich das Kulturwissenschaften-Studium nicht schaffen sollte", lacht L und Sid stimmt mit ein.

"Schade, dass morgen ich nicht mitgehen kann!", sagt Carlos und zieht eine Schnute. "Ich habe da einen Treffen mit anderen estudiantes de intercambio." Ohne Carlos klingt das Bierdiplom plötzlich sehr verlockend.

"Wirklich schade!", stimme ich zu und unterdrücke ein zufriedenes Grinsen.

"Wir müssen nochmal an eine andere Tag alle zusammen zu eine Bar gehen!", schlägt Carlos hoffnungsvoll vor. "Dann kann ich dich auch immer fragen, wenn ich wieder eine Wort vergesse!" Er schenkt mir ein heiteres Lächeln, das ich unter immenser Anstrengung erwidere.

"Warum hast du dir denn Deutschland für dein Auslandssemester ausgesucht?", frage ich.

"Ich sah eine gute ... äh, wie heißt 'película' auf Deutsch?"

"Das fällt mir gerade nicht ein, aber ich weiß, was du meinst", versichere ich.

"Es un alivio saber que hay alguien que también habla español!", meint Carlos und strahlt mich an.

"Ja, genau!" Ich lache nervös und schaue unruhig zu Sid und L, die aber immer noch über die Kneipentour plaudern.

"Dónde estabas exactamente en Ecuador?" Carlos sieht mich neugierig an. Das Einzige, was ich verstanden habe, war 'Ecuador' und das reicht, um meinen Fluchtinstinkt zu aktivieren. Ich stehe hastig auf und murmele, dass ich dringend etwas zu trinken benötige. Bevor Carlos darauf reagieren kann, durchquere ich den Garten mit flinken Schritten und erreiche Sekunden später das Buffet. 

Dort atme ich tief durch und würde mich am liebsten dafür ohrfeigen, dass ich am Samstagabend diese verdammte Lüge von meinem angeblichen Jahr in Ecuador erzählt habe, ohne mir über etwaige Konsequenzen bewusst zu sein. Ach, ohrfeigen würde nicht mal annähernd dem Selbsthass entsprechen, der mich in diesem Moment übermannt. Ich wünsche mir nichts sehnlicher als die Zeit zurückdrehen zu können und meinen neuen Lebensabschnitt ohne Lügen zu beginnen. Verdammt! Kurz spiele ich mit dem Gedanken, einfach hier und jetzt mit der Wahrheit über meine Lügen herauszurücken, verwerfe ihn aber sofort wieder. Es ist zu spät. Sie würden mich alle für verrückt und seltsam halten. So wie meine ehemaligen Klassenkameraden...

Bevor sich vor mir die altbekannten Abgründe von Scham und Versagensangst auftun, bietet mir Trick einen Becher Erdbeerbowle an und holt mich damit aus meinen deprimierenden Gedanken. Ich nehme ihn dankbar an und schütte den Inhalt in einem Zug hinunter. Mit meinen Augen verfolge ich den Schöpflöffel, den Trick soeben in den rosa schimmernden Trank eintaucht, um sich selbst noch eine Portion Zerstreuung einzuschenken. Mitten in der Bewegung hält er aber inne, schnuppert in der Luft und wundert sich darüber, dass es so verbrannt riecht. Bevor er mich als die Ursache dieser rußigen Duftnote ausmacht, verdünnisiere ich mich. Sid und ich hatten nämlich ausgemacht, dass wir niemandem von dem verkohlten Küchentuch erzählen würden, um den Anschein meiner Kompetenz zu wahren.

Die nächste Stunde verbringe ich damit, vor Carlos zu flüchten, der einen Narren an der Vorstellung gefressen hat, mit mir auf Spanisch zu reden. Sobald ich gerade in ein Gespräch mit einem der anderen vertieft bin, taucht er jedes Mal plötzlich wie ein Kastentäufelchen neben mir auf und belästigt mich mit ausschweifenden, unverständlichen Sätzen. Einige Male verdrücke ich mich noch auf die Toilette, bis L sich bei mir erkundigt, ob alles in Ordnung sei und ob ich eventuell eine Durchfalltablette bräuchte. Mit rotem Kopf lehne ich ab und beginne vor den Augen der anderen auffällig viel Erdbeerbowle zu trinken, um meine häufigen Klo-Gänge plausibel erscheinen zu lassen.

Irgendwann ziehe ich mich schließlich müde und mehr als beschwipst auf die Sitzkissen zurück und bete, dass der Abend endlich ein Ende findet. Es ist mittlerweile stockduster. Nur die Lampions-Lichterkette, die um die knorrigen Äste des Apfelbaumes gewickelt ist, taucht alles in ein warmes, anheimelndes Licht.

Nach wenigen Minuten der Stille erscheint - wie sollte es auch anders sein - Carlos neben mir und lässt sich auf das Nachbarkissen plumpsen. Ich schließe für einen Moment frustriert die Augen.

"Así que aquí estás!", sagt er freundlich.

"Mmh."

"Geht es dir gut?" Er zieht besorgt die Augenbrauen nach oben.

"Ja, ja", sage ich und versuche, ein theatralisches Seufzen zu unterdrücken. Unter großer Anstrengung spanne ich meine Gesichtsmuskeln an und schaffe es sogar, einen Mundwinkel hochzuziehen. Mmh, vielleicht sollte ich meine Strategie aber lieber ändern und ihn stattdessen unfreundlich von der Seite anrotzen. Ich könnte ihn auch mit seinen schulterlangen Haaren am Ast über uns festknoten und wegrennen oder ihn mit seinem Schal und dem silbernen Halskettchen knebeln. Oder, was sich nach kurzem Überlegen als mein Favorit hervortut: ich könnte ihm mit einem der Nagellack-Fläschchen aus dem Bad die Lippen zusammen kleben. Oder vielleicht könnte ich auch...

"In Ecuador hast du auch Quito besucht?", fragt mich Carlos unvermittelt. Arrrgh! Ich würde am liebsten so laut schreien, dass ihm das Trommelfell platzt.

"Ja. Wie findest du eigentlich das Wetter in Deutschland?", versuche ich auf ein unverfänglicheres Thema abzulenken. Carlos wirkt leicht verwirrt.

"Kalt", sagt er dann. "In Lima es ist 25 Grad. Da ist jetzt Anfang von ... otoño. Als du warst in Quito, hast du auch Rucu Pichincha besucht?" Er sieht mich neugierig an.

"Nein, leider nicht", sage ich und setze ein bedauerndes Gesicht auf. "Bald wird es auch in Deutschland wieder warm. Dann können wir endlich mal im See baden."

"Und warst du in Papallacta in Quito baden?" Carlos scheint dem Thema 'deutsches Wetter' leider nichts abgewinnen zu können.

"Nein, aber der Bodensee ist auch super! Nicht zu warm und nicht zu kalt. Hier, direkt um die Ecke, soll es ein sehr schönes Strandbad geben!"

"Toll. Was hast du in Quito alles angeschaut?" Ach, verdammt! Der ist wirklich extrem hartnäckig...

Was ich daraufhin tue, kann ich später nur durch einen Zustand der geistigen Umnachtung, ausgelöst durch Panik, Erdbeerbowle und die giftigen Ausdünstungen eines abfackelnden Küchentuchs, erklären:

Ich beuge mich vor und presse meine Lippen auf seine, um die Fragen-Kaskade endlich zu stoppen.

Carlos versteift sich im ersten Moment, doch nach ein paar Sekunden fällt die Anspannung von ihm ab und er öffnet leicht den Mund. Als seine Zunge meine Unterlippe kitzelt, schlägt mein umnachteter Zustand schlagartig in eine Alarmhaltung um. Ich reiße den Kopf zurück, während mein Sympathikus für einen gehörigen Adrenalinausstoß sorgt und meinen Körper in den "Fight-or-Flight"-Modus versetzt (da behaupte noch jemand, ich hätte im Biologie-Unterricht nicht aufgepasst). Meine Beinmuskulatur bereitet sich auf eine krampfhafte Anspannung für eine schnelle Flucht vor, doch der Rest meines Körpers hat keine Lust mehr zu fliehen. Also bleibt nur noch der Kampf. Und der äußert sich durch einen hastigen Monolog, dessen Geschwindigkeit dem Zeitraffer-Tool meiner Kamera-App Konkurrenz machen könnte und der Carlos sowohl von meinen Lippen als auch von spanischen Sätzen fernhalten soll.

"Man denkt zwar immer, dass das Wetter in Deutschland so schlecht ist, aber das stimmt gar nicht. Oft ist es auch wirklich schön und warm. Vor allem im Sommer. Da gibt es auch gerne mal dreißig Grad! Das ist mir persönlich zwar zu heiß, aber ich kenne viele, die von so einer Hitze träumen. Mein Stiefbruder zum Beispiel verlässt erst dann das Haus auf freiwilliger Basis, wenn man auf dem Metalltisch im Garten ein Spiegelei brutzeln kann. Während mein Stiefvater auch im Winter durchgehend in kurzen Hosen und T-Shirt herumläuft. Ich denke, er will sich nicht eingestehen, dass hier nicht das gleiche Klima herrscht wie auf Jamaika und pfrmpf..."

Ich werde durch Carlos' Lippen unterbrochen, die ihren Weg zurück auf meine gefunden haben. Weil ich gerade noch erzählen wollte, wie James sich jeden Abend darüber wundert, dass er den Tag über so gefroren hat, steht mein Mund offen und Carlos' Zunge hat freie Bahn, um meinen Gaumen zu begrüßen. Überrumpelt lasse ich ihn gewähren und versuche nach meinem Wortschwall nach Luft zu schnappen. Das klappt aber nicht so recht, da meine Nase durch die eisige Kälte zugefroren ist und Carlos meinen Mund blockiert. Beim dem Versuch trotzdem tief einzuatmen, ziehe ich ihm die Luft aus den Lungen, woraufhin er kräftig husten muss. Dabei schlägt seine Stirn gegen meine und ich jaule laut auf. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sich die Köpfe der anderen in unsere Richtung drehen. Oh Gott, ist das peinlich!

"Na? Schöner Abend, nicht wahr?", rufe ich betont munter, um die unangenehme Stille zu durchbrechen. "Man kann sogar die Sterne sehen."

Sid grinst wissend in meine Richtung, während die anderen die Hälse recken und in den Himmel schauen. Der ist allerdings weitestgehend bewölkt und man muss schon Teleskop-Augen besitzen, um die Sterne erahnen zu können. Zu meinem Glück nimmt Sid wieder den Faden zur Überlegung auf, welche Kneipen morgen in welcher Reihenfolge abgeklappert werden und einer nach dem anderen klinkt sich in das Gespräch mit ein. Puh!

Ich drehe mich wieder zu Carlos, der mein Gesicht eingehend studiert.

"Was ist 'guapa' auf Deutsch?", fragt er mich dann unvermittelt.

"Äh...", mache ich. Guapa... Quappe... Kaulquappe...

"Es heißt 'Kaulquappe'", sage ich so überzeugend wie möglich. Also diese seltsame Assoziation geht eindeutig auf das Konto der Erdbeerbowle!

Carlos beugt sich ein wenig nach vorn und präsentiert ein zugegebenermaßen sehr charmantes, reizendes Lächeln, das mich für einen Moment in seinen Bann zieht.

"Du bist Kaulquappe."

Das Lächeln verliert augenblicklich an Reiz.

"Oh... danke", stammele ich. Welches Wort er wohl damit meinte? Nett? Hübsch? Sexy? Oder doch eher minderbemittelt, schrullig, debil?

"Tienes una boca que pide ser besada...", flüstert er mit rauer Stimme, während sein Blick auf meine Lippen springt.

"Ähm ja, finde ich auch."

"Y realmente hueles seductor", fährt er fort und sieht mir tief in die Augen. "Qué me estás haciendo?"

Da Carlos scheinbar auf eine Antwort wartet, sieht mein semifunktionierender Denkapparat keinen anderen Ausweg, als ihn erneut zu küssen. Und beim nächsten spanischen Satz wieder. Und wieder... herrje! Dieses leidige Schema zieht sich durch den restlichen Essabend hindurch, der aber zum Glück bald darauf ein Ende nimmt. 

Beim Abschied beharrt Carlos darauf, dass ich ihm meine Nummer gebe. Da ich ihn und seine spanischen Sätze nach diesem Abend allerdings so gut es geht aus meinem Leben verbannen will, diktiere ich ihm kurzerhand die Nummer von Phil. Dass ich auch einfach eine zufällige Nummer hätte nehmen können, kommt mir erst in den Sinn, als Sid und ich in unserer Wohnung ankommen und ich grübelnd vor der Balkontür stehe.

♡ ❤ ♡

Was ist das merkwürdigste Kompliment, das ihr mal bekommen habt? Hatte es auch was mit Kaulquappen zu tun? :D

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