Delphi

  Kapitel 40
„Loki ist kein Feigling! Er ist definitiv wesentlich cleverer als du. Wenn du erkennst, dass du verloren hast, würdest du dennoch wie ein Berserker versuchen dem Unvermeidlichen zu entgegen. Kennst du so etwas wie einen strategischen Rückzug überhaupt?", fragte Kelly herausfordernd und Erik versuchte nicht in die Luft zu gehen, als ihm klar wurde, dass sie Loki verteidigte und diesen Ersten sogar für „clever" hielt. Was genau lief da eigentlich zwischen den beiden? Doch er beherrschte sein Temperament und versuchte das richtige zu sagen
„Ich vertraue ihm nicht. Das bleibt so, aber ich vertraue auf deine Einschätzungen, was seine Worte betrifft. Das wird reichen müssen."
Kelly sah ihn einen Moment lang sprachlos an. Wieder eine Offenbarung seiner Gefühle für sie und definitiv eine, die sie mehr als freute, denn plötzlich strahlte sie über das ganze Gesicht, streckte ihre Hände nach ihm aus und zog seinen Hals zu einer festen Umarmung zu sich herunter.
Der Moment versetzte Erik einen Stich ins Herz. Wenn sie sich irrte, würde er sie verlieren. Sein Geschöpf, sein Kind und er würde definitiv niemals darüber hinwegkommen. Selbst Memphis schwieg bei diesem kurzen einfühlsamen Moment der beiden und verkniff es sich, wieder über Loki herzuziehen. Erik hätte ihn auch dafür umgebracht, vor allem, weil er wusste, dass sein Misstrauen gegenüber Loki nicht wirklich dem Zweifel entsprang, sondern der Eifersucht.
Dass Memphis Interesse an Kelly hatte, war schon seit Jahren klar, doch nie zuvor hatte er tatsächlich eifersüchtig reagiert, denn nie zuvor hatte Kelly ehrliches Interesse an einem Mann offenbart. Loki hatte das geändert und das beunruhigte Erik mindestens genau so sehr wie Memphis.
Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ Kelly ihn los, lächelte aber noch immer breit und schien noch beschwingter, die letzten Meter des Weges zu gehen, bis sie an der Spitze eines Berges von einer ganze Menge Steinen begrüßt wurden.
Mit Absperrbändern und deutlichen Wegen für Besucher, installierten Scheinwerfern, die die Ruinen beleuchteten, sah es hier genauso aus, wie es keine Postkarte besser hätte in Szene setzen können. Kelly lief zu einer der Plattform, die in drei Sprachen erklärte, wo sie sich befanden.
>>Der Tempel des Apollo. Hier genoss die Pythia, die Hohepriesterin des Tempels, großes Ansehen unter den Menschen des antiken Griechenlands. << las sie laut vor und Erik und Memphis sahen sich weiter um, damit ihnen nichts entging. Doch da war nichts, was sie hätten verpassen können.
„Ein Haufen toter Steine. Hier ist weder eine Fast-Göttin... noch sonst ein anderes Wesen", sprach Memphis es aus, stieg über eine Absperrung und schritt die verfallenen Treppen zu den wenigen noch stehenden Säulen herauf. Kelly folgte ihm, während Erik skeptisch die Umgebung musterte. Hier gab es nichts, was nicht normal erschien, nichts Ungewöhnliches.
Er ging in die Hocke, strich mit der Hand über den Boden und ließ etwas Dreck durch seine Finger rieseln. Hier war alles genauso wie es sein sollte.
„Oh großes Orakel, ich biete dir meinen Körper an, im Austausch für deinen allwissenden Rat", hörte Erik Kellys Stimme und konnte sich ein leichtes Grinsen aufgrund dieses lächerlichen Gebetes nicht verkneifen.
„Wenn das so klappen soll, musst du noch auf die Knie gehen und die Hände nach oben nehmen, vielleicht sollten wir noch eine Trommel schlagen und Kerzen anzünden", spottete Memphis in etwas weiterer Entfernung und Erik sah dabei zu, wie Kelly ihn böse anblickte und weiter die Ruinen untersuchten auf denen sie quasi stand.
Wieder berührte Erik den Boden unter seinen Füßen und dachte darüber nach, wie man es wohl fertig brachte, eine Fast-Göttin dazu zu bewegen, sich in einer Touristenattraktion zu zeigen.
„Ich bin ja dafür, dass du dich ausziehst und um den Altar tanzt", scherzte Memphis weiter.
„Wenn du nichts sinnvolles Vorschlagen kannst, dann sei einfach still!", fauchte Kelly ihn an, lief dann aber tatsächlich einmal um die Überreste des Altars herum, den man nur als solchen erkannte, weil eine Messingplatte im Boden darauf aufmerksam machte, dass der Steinklumpen in der Mitte, dieser sein soll.
Erik hörte Schritte hinter sich und als er zurückblickte, sah er einen Mann in Uniform der mit Taschenlampe und Schlagstock auf sie alle zukam und Kelly aufmerksam betrachtete. Er näherte sich langsam, seinen Blick auf Kelly gerichtete, die immer noch Kreise um den Altar zog und lauthals um den Beistand des Orakels bat. Erik und Memphis schien der Mann noch nicht bemerkt zu haben, dafür sie ihn.
Memphis hatte sich hinter eine Säule zurückgezogen und sah Erik durch die Dunkelheit hindurch direkt an. Die Augen des Menschen waren zu schlecht, um zu sehen und seine Reflexe würden zu langsam sein, um zu verhindern, dass Erik ihn packte und das Genick brach. Er hatte keine Skrupel Menschen zu töten, es gab sowieso schon viel zu viele.
Der Wachmann betrat leise die erste Stufe und nun schienen auch Kellys nicht ganz so ausgeprägte Sinne ihn wahrzunehmen und sie blieb hinter dem Steinklumpen-Altar stehen und drehte sich zu ihm um. Der Mann wollte gerade etwas sagen, da packte Memphis ihn auch schon von hinten und wollte den Menschen in den Schwitzkasten nehmen, als der alte Ägypter plötzlich durch die gesamte Ruine geschleudert wurde und mit einem hässlich knackenden Geräusch in einem anderen Teil des ehemaligen Tempels liegen blieb.
Erik zögerte nicht, wollte sich erheben und Kelly in Sicherheit bringen, die aufgrund ihrer Jugend dem Angreifer nichts entgegenzusetzen hatten, wenn Memphis schon Probleme hatte, doch der Wachmann war verschwunden und er selbst noch in der Hocke, als sich eine feste Hand auf seine Schulter legte und ihn unten hielt.
„Lass, die Erde los. Sie ist heilig und du beschmutzt sie, Sklave!"
Kelly sah mit weit aufgerissenen Augen zu ihm und als Erik selbst den Blick hob, um zu sehen, was ihn da so kraftvoll am Boden hielt, wusste er auch warum Kelly so entsetzt schaute. Das Ding war kein Mensch, sondern eine wandelnde Leiche.

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