Kapitel 7 - Puppen

Ich öffne meine Augen und reibe mir über die Stirn. Verdammt, ich habe solche Kopfschmerzen. Meine Augen erhaschen eine Decke aus Beton. Der Boden ist kalt und bereitet mir eine Gänsehaut. Ich setze mich auf und sehe mich um. Wo bin ich denn jetzt gelandet? Langsam kommen mir die Erinnerungen wieder zum Vorschein, wenn auch nur Bruchstücke. Dieser Traum war so surreal und diese Spinnen. Allein bei dem Gedanken daran durchzieht es kribbelnd meinen Körper. Igitt, diese Viecher. Aber warum zur Hölle träume ich von riesigen Spinnen?

Ein dumpfes Summen erfüllt plötzlich die Luft und lässt mich hellhörig werden. Was ist das? Das hört sich an als würde es von Maschinen kommen. Wo bin ich denn gelandet? Oder Schlaf wandel ich? Neugierig stehe ich auf und analysiere den Raum um mich. Er sieht aus wie eine Abstellkammer. Haben mich hier hin etwa die Nokturns verschleppt, während ich im kranken Spinnen-Traum war? Warte, genau, die Nokturns, jetzt erinnere ich mich wieder und da war noch dieser eine Name, er liegt mir auf der Zunge und doch scheint er nicht zu existieren und nur in meinem Kopf wieder zu klingen. Ich muss Connor finden, vielleicht ist er ja hier, wo auch immer hier ist.

Mehr als einen Putzeimer, einen Wischmopp und unzählige Reinigungsmittel in einem Regal kann ich hier im Raum auch nicht wirklich finden. Mit einem tiefen Atemzug wage ich es und verlasse den Raum durch die Tür. Oh bitte lass keiner der Nokturns hinter dieser Tür sein. Ich öffne vorsichtig die laut quietschende Metalltür, welche meine Ohren betäubt. Verdammt, wie ich dieses Quietschen hasse, es schmerzt irgendwie immer und bereitet mir eine ordentliche Gänsehaut.

Was jedoch dann meine Augen erfassen, lässt mich echt vom Glauben fallen. Vor mir erstreckt sich eine riesige Fabrik, die einem Labyrinth gleicht, mit endlosen Gängen und Hallen. Das dumpfe Summen der Maschinen ertönt lauter als je zuvor und das aus allen Richtungen, während das Licht von grellen Neonröhren flackert und die schattenhaften Umrisse der tausenden Puppen um mich herum verzerrt.

Triggerwarnung: Puppen Start

Langsam fange ich an, einen Schritt nach dem anderen durch die düstere Halle zu machen. Überall um mich herum stehen Regale und Paletten, auf denen die Puppen in unheimlichen Reihen angeordnet sind. Ihre starren Blicke scheinen mich alle zu durchdringen. Es ist fast so, als ob sie mich erkannt hätten als jemanden, der nicht hierher gehört. Einige von ihnen sind in Stücke zerlegt und über den Boden verstreut. Schwer schlucke ich und versuche das Ganze zu ignorieren und blicke nur starr nach vorne. Wieso müssen es auch Puppen sein? Ich hasse Puppen, die sind so gruselig und tot.

Vor allem dieser Geruch hier, Gott verdammt, es riecht hier überall nach Verfall und Chemikalien, dieser Geruch hängt echt schwer in der Luft.

Je weiter ich voranschreite, desto enger werden die Gänge und desto verzerrter sind die Gesichter zu gruseligen Grimassen. Von den meisten Schaufensterpuppen hier sind die Kleider völlig zerfetzt und ihre Glieder in allen möglichen Richtungen verrenkt. Fuck, ist dieser Ort gespenstisch, mir läuft es schon wieder eiskalt den Rücken herunter. Gerade wären mir die Nokturns echt so viel lieber als diese grusel Puppen Einäscherungsfabrik.

Als ich mich noch tiefer in die düsteren Hallen der Fabrik begebe, kann ich immer mehr fühlen, wie sich eine bedrückende Enge um mich legt. Das dumpfe Summen der Maschinen dringt weiter an meine Ohren, und ich kann das Klappern und Knacken von mechanischen Armen und Förderbändern hören, die die Puppen hin und her bewegen.

Plötzlich bleibe ich stehen, als ich eine unheimliche Gestalt in der Dunkelheit erblicke. Eine verfallene Puppe, größer als alle anderen, steht auf einem erhöhten Podest, umgeben von einem Halo aus flackerndem Licht. Ihr Gesicht ist entstellt zu einer grässlichen Fratze, und ihre leeren Augen scheinen direkt in meine Seele zu blicken.

Ein kalter Schauer läuft mir den Rücken hinunter, als ich spüre, wie sich die Präsenz der Puppe verstärkt. Sie bewegt sich langsam auf mich zu, ihre Glieder knarren und knacken mit jedem Schritt. Ich will fliehen, doch meine Beine gehorchen mir nicht. Es ist, als ob sie von unsichtbaren Fäden festgehalten werden. Auch beim Umsehen sehe ich keinen Ausweg, es ist, als wäre ich hier gefangen.

Und dann, innerhalb eines Wimpernschlags steht die Puppe direkt vor mir, ihr verfallenes Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Ich kann den modrigen Geruch ihres verrottenden Materials riechen, als sie mich mit ihren leblosen Augen fixiert. Ein unheimliches Flüstern erfüllt die Luft, es ist so klar und dennoch verstehe ich nichts. Aber was ist das plötzlich für ein nasses Gefühl, ich spüre es überall in der Hose. Ein neuer Geruch macht sich in meiner Nase breit, er zieht von unten zu mir auf. Als ich realisiere, was gerade passiert ist, laufen mir die Tränen über die Wangen. Ich zittere am ganzen Körper und kann dem durchlöchernden Blick der Puppe nicht entkommen. Verdammt, ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so viel Angst, dass ich mir selbst in die Hose machen würde.

Die Puppe streckt langsam ihren verfallenen Arm aus und legt ihn schwer auf meine Schulter. Ein eisiger Hauch von Verzweiflung umgibt mich, als ich spüre, wie ihre kalten Finger sich in meine Haut graben. Ich versuche zu schreien, doch kein Laut entweicht meiner Kehle, es ist, als hätte die Puppe meine Stimme gestohlen.

Doch plötzlich durchzuckt ein greller Blitz die Dunkelheit, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donner. Die Maschinen in der Fabrik erbeben, und die Wände scheinen zu verschwimmen und zu verdrehen. Wie vom Blitz getroffen, verfalle ich in Hektik und versuche mich mit aller Kraft von der Puppe wegzureißen. Alles flackert um mich herum auf. Ich kann spüren, wie die Puppen mich verspotten und regelrecht auslachen.

Mit einem letzten verzweifelten Ruck gelingt es mir, mich aus dem eisernen Griff der Puppe vor mir zu lösen, worauf ich etwas zurücktaumle. Die Puppe stößt einen ohrenbetäubenden und schrecklichen Schrei aus, während das Beben um mich herum immer stärker wird. Panisch drehe ich mich um und renne in die entgegengesetzte Richtung, aus der ich kam, immer weiter weg von der unheimlichen Gestalt.

Doch die Puppe verfolgt mich unerbittlich, ihr anhaltender Schrei hallt durch die ganze Fabrik und lässt den Boden erzittern. Die Maschinen um uns herum scheinen außer Kontrolle zu geraten, Metall kracht und splittert, als ob die gesamte Welt um uns herum zusammenbricht.

Triggerwarnung: Puppen Ende

Ich sehe nur noch einen Weg, diesem Alptraum zu entkommen, nämlich eine Puppenverbrennungsanlage. Bei der Idee muss ich erneut schwer schlucken, aber wenn die Nokturns hinter alldem stecken, dann werden sie damit bei weitem nicht rechnen. Ohne weiteres Zögern stürze ich mich in die Anlage hinein, das Feuer um mich herum lodert auf, während ich von der Maschine durch die Flammen hindurch geschleudert werde.

Der Schmerz, den ich dabei spüre, ist unbeschreiblich, als das Feuer meine Haut verbrennt und meine Lungen mit Rauch füllt. Jeder Atemzug fühlt sich an wie ein Messerstich, dabei die Hitze unerträglich. Doch ich halte durch, meine Sinne benebelt von Angst, Adrenalin und meinen von Schmerz erfüllten lauten Schreien.

Immer mehr bekomme ich das Gefühl, nichts mehr zu spüren, alles ist taub geworden und der Schmerz verschwunden. Ich reiße meine Augen auf und finde mich schweißgebadet und keuchend auf einem Stuhl wieder. Mein Herz rast und meine Hände zittern, als ich realisiere, dass ich es geschafft habe, diesem Alptraum zu entkommen.

Ein lauter, hoher Schrei erklingt in meinen Ohren. Stück für Stück bin ich wieder bei Sinnen und kann eins und eins zusammen zählen. Ich schaue hoch und sehe Aurelia, wie sie mit ihren Händen an ihren Kopf gepresst herumschreit und immer wieder aufstampft und um dem nochmal einen oben drauf zu setzen, werde ich ihr zeigen, dass man sich nicht mit mir anlegen sollte. Ich beginne unbeeindruckt, soweit es geht wegen des Panzerbandes, sie auszulachen und das ziemlich Diabolisch, denn sie kann mir gar nichts mehr und das will ich sie auch spüren lassen.

,,Hör auf zu lachen", schreit sie plötzlich auf, dabei schmücken Tränen ihr Gesicht. ,,Wie hast du das gemacht? Wie konntest du entkommen?", fragt sie völlig aggressiv, geht auf mich zu und reißt mir das Tape vom Mund. Ich lache nur weiter und sage daraufhin:

,,Was kann ich denn dafür, wenn du so schwach bist? Schließlich bist du nur eine kleine Göre, die wohl keine Erziehung genossen hat", entgegne ich ihr giftig und grinse dabei frech. Entsetzt sieht sie mich an. Mit einem lauten Schrei stampft sie daraufhin auf und rennt kreischend aus dem Zimmer. Dabei ruft sie immer wieder: ,,Daddy, Daddy, wo bist du? Ahhhhh, mein Kopf brennt und Dylan war böse zu mir. Ahhh, antworte jetzt Daddy, ahh man wie ich diese Familie hasse."

Okay, die durchgeknallte Zicke ist weg, ich muss hier schnell raus, ich habe keine Zeit. Analysierend sehe ich um mich, der Stuhl wirkt jetzt nicht sehr stabil. Na gut, es ist auch ein Kinderstuhl, was soll ich schon erwarten. Na gut, ich habe nur diese eine Chance. Vorsichtig stelle ich mich nach vorne gebeugt mit dem Stuhl hin und dann, mit voller Wucht, laufe ich rückwärts gegen die Wand, dabei kneife ich mir die Augen zu. Das wird gleich bestimmt etwas wehtun. Mit ordentlich Wumms knallt der Stuhl gegen die Wand. Ich höre, wie das Holz zerspringt und spüre kurz darauf ein dumpfes Gefühl an meinem unteren Rücken. Ohne lange zu überlegen, streife ich die ganzen Seile von meinem Körper und flüchte zur Tür. Vorsichtig linse ich um die Ecke. Die Luft ist rein. Direkt begebe ich mich durch die erste linke Tür im Flur.

Leise schließe ich sie hinter mir zu und schiebe eine Kommode vor sie. Erleichtert seufze ich auf und überblicke das Zimmer. Hier befindet sich nur ein Doppelbett, ein großer Kleiderschrank, die Kommode hinter mir und zwei kleine Nachtschränke. Hoffnungsvoll beginne ich die Kommode hinter mir und die beiden Nachtschränke zu durchsuchen, aber nichts, wirklich nichts bis auf ein paar Bilder und Zeitschriften. Doch dann kommt mir ein Gedanke. Ich nehme nochmal eines der Bilder auf, es ist das Bild, auf dem ein kleines Mädchen abgebildet ist.

Wie kann das sein? Nein, das ist doch nicht möglich, das Datum zeigt doch definitiv den 02.01.2000. Das ist quasi unmöglich, dass es... aber ihre Kleider, ihr Gesicht, alles, sie sieht genauso aus wie Aurelia, das ist völlig unmöglich. Ich muss dieses Bild mitnehmen und Connor zeigen, falls ich ihn finde und er noch lebt. Aber was Aurelia eben mit mir gemacht hatte, was war das? Das war im Grunde ja nur eine Traumwelt und dennoch fühlte sie sich so real an. Selbst meine Erinnerungen hatte sie mir genommen und es kam mir erst so normal vor. Aber Hauptsache, ich treffe einfach die Spinne aus Harry Potter, nämlich Aragog. Lustig, dass ich ihr genau diesen Namen gegeben habe.

Spinnen mag ich aber dennoch nicht, Phobie ist Phobie, egal welche Größe die Spinne hat und vor Puppen habe ich so viel Angst wie noch nie zuvor. Aber nichtsdestotrotz hat Aurelia mich nur gestärkt, mit der Konfrontation meiner Ängste, denn ich werde nicht aufgeben, keine Chance. Diese Familie hat sich mit dem falschen angelegt und ich werde Connor befreien, egal was es kostet.

Nach weiterem Umsehen wird mir eins klar: Es gibt keinen Ausweg mehr. Ich habe wohl keine Wahl, ich muss durch das Fenster raus, sonst schnappen sie mich gleich. Aber verdammt, ist das tief, wie soll ich das nur... warte mal. Ich sehe nach links und erhasche einen Ausweg. Mit einem starken Ruck öffne ich das Fenster. Ich beuge mich leicht raus, um mir den Weg genauer anzusehen. Erst muss ich schwer schlucken, doch dann erscheint es mir als einziger Ausweg. Ich beginne aus dem Fenster zu steigen und halte mich mit meinen Füßen, auf dem kleinen Vorsprung und meinen Händen, an der Regenrinne über mir fest. Verdammt, ich bin im dritten Stockwerk. Okay, Dylan, ganz ruhig, atmen, es ist nicht so schlimm wie es aussieht. Sieh nur bloß nicht runter.

Verdammt, ich habe es getan. Langsam fühlt sich hier oben alles immer wackeliger an. Das Rauschen des Windes verdeutlicht mir erst, auf was für einer Höhe ich mich befinde.

,,Ahhhh... wo... ist... Dylan? Dad... ahhhh", schreit plötzlich Aurelia laut stark, man kann es durch das ganze Haus hören. Schnelle stampfende Schritte bahnen sich an. Das kann nur der Vater sein. Ich muss mich beeilen, Mist. Hektisch versuche ich, auf die andere Seite zu gelangen. Ein immer lauter werdendes Poltern ertönt im Zimmer. Verdammt, ich muss schneller werden. Völlig panisch eile ich rüber, ich mache so schnelle Schritte, dass ich kaum noch weiß, welcher Fuß der nächste ist, es ist; als würde alles automatisch ablaufen.

Und dann höre ich es, ein lautes und zerschmetterndes Geräusch. Ich muss mich beeilen, sonst... verdammt. Ein lauter Schrei entfährt meiner Kehle. Ich sehe nur noch, wie ich mich immer mehr vom Fenster entferne, aus dem ich kam. Alles wird plötzlich langsamer, ich kann so viele Gedanken fassen. Ich bin gerade wirklich abgerutscht und das aus dem dritten Stock. War es das jetzt? Ich glaube, ich schlage gleich auf den Rücken auf. Das wird echt schmerzhaft, das weiß ich. Entschuldige Connor, ich habe es versucht, ich liebe dich, ich hoffe du überlebst noch das Ganze hier.

Ein lautes Knacksen durchfährt meinen ganzen Körper, gefolgt von einem starken stumpfen Gefühl im Rücken. Ich erhasche einen kaum erkennbaren Mann am Fenster, welcher zu mir herunterschaut, ich denke, es ist der Vater, er hat wohl meinen Schrei gehört. Alles um mich herum verschwimmt. Kleine Sterne tauchen in meiner Sicht auf, irgendwie sind sie wunderschön. Ich verspüre immer weniger, selbst der Schmerz schwindet. Ich habe das Gefühl, dass alles um mich herum immer dunkler wird. Ich fühle mich so müde.

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