Kapitel 5 - Connor

Hoffnungsvoll, dass dieses laute Knallen mit Connor zusammen hängen könnte, spitze ich meine Ohren, als ich im nächsten Flur ankomme. Ich bin mir nicht ganz sicher, von wo das Knallen gekommen ist. Ich schaue nach links und erblicke eine weitere Tür. Am Ende des Ganges, welcher nach links verläuft, befindet sich noch eine Tür, während sich rechts von mir nur eine Wand befindet, vor der ein kleiner Tisch mit einer Kunstblume drauf steht. Das Knallen war aber auch so nah, das kann nur die Tür links neben mir gewesen sein. Ohne zu zögern, stürme ich zu der Tür links neben mir und reiße sie auf. Ich entdecke eine Treppe, die etwas nach unten führt, an einer Tür grenzt und dann nach rechts weiter heruntergeht. Geräusche ertönen von unten und hallen zu mir hoch.

Wenn es hier in den Keller geht, dann könnte auch dort Connor sein. In einem Keller hält man schließlich Gefangene fest, was anderes kann da unten auch  garnicht sein. Na gut, vielleicht ist es ja auch die Hoffnung ihn endlich wiederzufinden, die mich so denken lässt. Aber was anderes ergibt wirklich keinen Sinn. Wenn ich da jetzt runtergehe, dann kann es gut sein, dass ich vielleicht nie wieder dort rauskomme. Schwer schluckend sehe ich runter in die Tiefe. Ich balle entschlossen meine Hände zu Fäusten und gehe, ohne darüber nachzudenken, einfach runter. Es ist mir scheißegal, wie dämlich das sein muss, dass ich das jetzt tue. Aber wie ich mir eben bereits geschworen habe, werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um meinen besten Freund zu retten, den ich über alles liebe und am liebsten endlich küssen will.

Beim Heruntergehen hallt erneut ein Geräusch zu mir. Das muss er einfach sein, wer sonst sollte solche Geräusche machen? Connor, ich komme, halt noch etwas durch. Automatisch nehme ich etwas an Fahrt auf, versuche aber dennoch nicht allzu laut zu sein. Endlich unten angekommen, schreite ich durch eine hölzerne Tür, die aussieht, als wäre sie bereits hundert Jahre alt.

Hinter dieser erstreckt sich ein eher für mich normal aussehender und düsterer Keller. Ich nehme mein Handy und leuchte vor mich hin, dabei stelle ich fest, dass der Akku immer mehr zur Neige geht. Dreißig Prozent, Mist, das ist garnicht gut, aber egal, daran ändern kann ich jetzt auch nichts.

Vorsichtig bewege ich mich nun ein paar Schritte vorwärts und leuchte alles an, was mir in die Quere kommt. Doch plötzlich spüre ich etwas, ein Stechen.

,,Ahhh", entfährt es mir schmerzvoll, dabei lasse ich mein Handy fallen, um meine beiden Hände an den Kopf zu pressen. Gott verdammt, was ist das für ein Geräusch? Ein starkes schrillendes Geräusch sticht wie eine Nadel in meinem Kopf herum. Zum Glück kann ich spüren, wie es nach einem Moment schon wieder nachlässt und schwindet. Erleichtert atme ich auf. Ich bücke mich zum Boden, um mein Handy wieder aufzuheben. Den Dreck auf dem Display reibe ich an meiner Hose ab.

,,Dylan... Dylan... Dylan..."

,,Hallo? Wer ist da?", frage ich hektisch und drehe mich mehrmals im Kreis. Von wo kam diese sanfte weibliche Stimme? Verdammt, von wo?

,,Dylan... Dylan... Dylan..."

,,Zeig dich, du Miststück, ich werde dich fertig machen, das schwöre ich", drohe ich mit meinem Messer, welches ich mir aus der Hosentasche ziehe. Dabei bewege ich mich Stück für Stück durch den düsteren Keller. Gott, wie ich die Dunkelheit hasse, vor allem in solchen Situationen, aber zum Glück habe ich meine Taschenlampe. Doch dann spüre ich einen Windzug, der meine Nackenhaare aufstellen lässt, gefolgt von einem hölzernen Geräusch. Blitzschnell drehe ich mich um und als ich es sehe, steigt mein Puls. Ein großes Messer steckt vor mir, auf Kopfhöhe, links neben mir in einem Balken.

,,Hahahaha", lacht die Frau teuflisch, bevor sie verschwindet. Wie zur Hölle hat sie das gemacht? Und vor allem, wo ist sie? Ich spüre aber auch nicht mehr diese erdrückende Präsenz, die von ihr ausging, als sie mit mir sprach. Ich glaube sie ist weg. Aber das Messer behalte ich in der... obwohl... lieber nicht, lieber stecke ich es weg, bevor sie es mir noch aus der Hand zieht, wenn sie nochmal auftauchen sollte. Wachsam schreite ich, in gebeugter Position, durch den Keller. Mit meinem Handy erleuchte ich viele interessante Dinge. Zum Beispiel Tonrollen. Hätte nicht gedacht, dass so etwas noch existiert. Dann sind da noch ein Haufen Konserven verschiedenster Gerichte, die noch ewig haltbar sind. Ich wette essen wird diese Familie diese nie, denn ich glaube die bevorzugen lieber Menschenfleisch. Okay, wenn ich so darüber nachdenke, kommt es mir noch kranker als ohnehin schon vor. Neben noch vielen Werkzeugen, Farbeimern, Planen und Schrott, entdecke ich im Keller noch etwas anderes. Es ist ein riesiges Regal mit Klamotten. Genau so eins hatte ich am Anfang auch gesehen, dort, wo ich ins Haus eingestiegen bin. Aber diese Klamotten unterscheiden sich von den anderen, während die anderen alle gleich aussahen, wie zum Beispiel Arbeitsklamotten, wirken diese eher wie... oh nein...

Vor Schreck gehe ich ein paar Schritte rückwärts und durchleuchte das komplette Regal. Verdammte Scheiße, das sind die Klamotten von irgendwelchen Menschen. Frauen, Männern und sogar...

,,Kindern", flüstere ich und halte mir die Hand vor dem Mund. Es sind Klamotten von kleinen Kindern dabei die bis zum Jugendlichen alter hoch reichen, alles ist dabei, sowohl männlich als auch weiblich. Ach, du scheiße. Bei dem Gedanken, wie die hier alle wohl bereits gelitten haben müssen und auch hier starben, wird mir echt schlecht. Sogar einzelne Tränen kommen mir dabei. Diese Familie macht vor nichts halt, es ist ihnen egal wer oder was vor ihnen steht, solange sie ihr Essen haben. Gott ist das krank.

Ich spüre, wie sich alles in meinem Hals zusammenzieht, und ein unangenehmes Brennen in mir hochsteigt. Ein widerliches Gurgeln steigt in meiner Kehle auf, begleitet von einem bitteren Geschmack, der sich in meinem Mund ausbreitet. Verdammt, ich muss...

Es war nicht viel, aber es kam etwas hoch, etwas was ich genau vor dem Regal auf den Fußboden hin gebrochen habe. Ich zögere kurz, nehme mir dann aber etwas von den Klamotten und wische mir mit einem Pulli über den Mund. Ich hasse ja dieses eklige Gefühl im Hals, wenn man sich übergeben hat. Und kaum ist das Gefühl von vorhin verschwunden, ist es jetzt schon wieder da.

Ich beginne mich im Kreis zu drehen und dabei mit meiner Handytaschenlampe umher zu leuchten. Hier scheint sonst gar nichts mehr zu sein. Ich finde diese Klamotten reichen aber schon aus, ich mag mir nämlich kaum vorstellen wie es diesen armen Menschen in diesem Haus ergangen sein muss.

Na gut, das heißt also wieder ab nach oben und dort durch die nächste Tür. Aber es ist irgendwie komisch, denn ich könnte schwören, dass ich von hier unten etwas gehört habe. Warte mal, was ist das? Nach einer letzten Umdrehung bleibe ich mit meiner Taschenlampe vor dem Regal stehen. Analysierend nähere ich mich ihm. Ich könnte schwören, da war etwas. Beim genaueren Betrachten des Regals sehe ich aber nichts. Aber warte mal, was ist das.

Links am Rand des Regals fällt mir etwas ins Auge. Ist es das was ich denke?
Ich gehe an die Wand und lege mein Gesicht an sie. Tatsächlich, da ist ein Spalt und auf der anderen Seite scheint etwas zu sein. Aber es ist nicht einfach nur ein kleiner Spalt, ich glaube ich könnte da sogar durch passen, wenn mich meine Auge nicht täuschen.

Ich gehe von der Wand ab und lege meine Hände ans Regal. Ich muss versuchen, es etwas weg zu schieben, nur ein kleines Stück. Mühevoll beginne ich, jegliche Kraft in mir aufzuwenden. Wie ein Stier drücke ich mich gegen das Regal. Ein stumpfes Quietschen ertönt, bis ich mit einem überraschenden Schwung das Regal schiebe und dabei fast nach vorne falle.

Das Licht von der anderen Seite erstrahlt den ganzen Raum. Vor Anstrengung, da ich echt nicht der Sportlichste bin, stütze ich mich mit meinen Händen an den Oberschenkeln ab und blicke dabei, etwas laut atmend, durch den Spalt. Ich kann nicht viel erkennen, aber ich sehe eine Wand ecke. Links scheint es also langzugehen und rechts um die Ecke ebenfalls.

Im Moment der Stille höre ich auch etwas Klimpern von der anderen Seite. Es hört sich nach Ketten an. Vielleicht ist Connor auf der anderen Seite. Ich muss auf die andere Seite, ich kann nicht mehr warten, vor allem wenn mein bester Freund da drüben ist. Ich habe nur diese eine Chance und die muss ich auch nutzen.

Mit einem starken Atemzug beginne ich mich durch den Spalt zu quetschen. Es ist schwer und eklig, da das Holz ganz morsch und voller Ungeziefer ist, doch schlussendlich finde ich mich bereits auf der anderen Seite wieder. Ich zögere nicht lange und reibe mir den ganzen Dreck, zusammen mit dem Ungeziefern, von meinen Körper runter. Ich hoffe, ich finde, wenn ich Connor hoffentlich finde und auch habe, einen anderen Weg hier raus als den, den ich bis jetzt durch das Haus gegangen bin. Vor allem weil ich nicht erneut durch diese ekelige Wand gehen will.

Mit gespitzten Ohren stehe ich da und lausche. Erneut nehme ich ein Klimpern wahr, dieses mal kommt es von links. Das müssen einfach Ketten sein. Ohne zu warten, begebe ich mich nach Links, dabei schleiche ich und versuche so leise wie möglich zu sein. Während ich den von Kerzen beleuchteten Gang schon fast entlang schwebe, erfasse ich etwas auf der linken Seite. Kurz stockt mir der Atem. Fünf Menschen befinden sich dort an der Wand gekettet und haben Säcke über den Kopf gestülpt.

,,Verdammte Scheiße, was hat diese Familie nur mit euch gemacht", spreche ich flüsternd und bücke mich vor dem Ersten hin, dabei strecke ich meine Hand zu dem Sack auf dem Kopf aus. Jedoch höre ich plötzlich ein lautes Stampfen, gefolgt von einem tiefen Schnaufen. Reflexartig schrecke ich auf und sehe mich um. Ich erhasche eine Kiste, hinter die ich mich begebe und leicht über sie linse.

Ein weinerliches Geräusch fängt an die Luft zu füllen; dabei nimmt das Geräusch von den klimpernden Ketten immer mehr zu und auch Gestöhne kann ich wahrnehmen. Das Stampfen und Schnaufen wird auch immer lauter, je näher es kommt. Dieses Stampfen jagt selbst meinen Puls in die Höhe. Ich mag mir kaum vorstellen, was jetzt als Nächstes passiert.

Ein teuflischer und kurzer Lacher entfährt seinem Mund als ich ihn entdecke, dabei grinst er breit einen der Gefangenen an. Bei dem Anblick muss ich kräftig aufatmen.
Der Körper von diesem kranken Psycho ist unglaublich groß, kräftig und muskulös gebaut. Er hat kurze zerzauste Haare und überall vernarbte Haut, dabei ist sein Blick unglaublich finster. Auch sein Outfit ist nicht ohne, er trägt hauptsächlich dunkle Lederstücke.

,,Nein, nein, bitte nicht, bitte habt erbamen, ich will noch nicht sterben, nein", bettelt plötzlich einer der Gefangenen unter Tränen, welchen der kranke Killer bereits gepackt hat. ,,Bitte lassen Sie mich gehen, ich werde nichts sagen und alles tun, was sie wollen", fleht der Mann weiter; der Typ jedoch lacht nur diabolisch auf und grinst genussvoll; dabei entfernt er die Fesseln und schleudert den Mann mit einem starken Schwung über seine Schulter und hält ihn am Fuß fest.

,,Du kommst mit zu Selena, sie hat dich ausgewählt, hast wohl Glück gehabt", sagt er mit rauer Stimme und geht stampfend davon.

,,Oh mein Gott, danke, ich danke ihnen, ich wusste, ihr würdet mit mir erbahmen haben", fängt er plötzlich an, sich unter Tränen zu bedanken. Ich weiß zwar nicht, was hier abgeht und warum es ein Segen sein soll das er zu Selena kommt aber ich glaube nicht, dass Selena für ihn die Rettung sein wird. Mein Bauch sagt da aber etwas anderes, nämlich dass er sehr wahrscheinlich gleich sterben wird. Gott dieser arme Mann, ich hoffe er leidet nicht allzu lange. Wenn ich könnte würde ich ihm helfen aber gegen diesen Muskel protz hätte ich im leben keine Chance. Der Typ würde mich wahrscheinlich wie eine Fliege zerquetschen.

Ein lautes Tür knallen ist für mich der Startschuss. Ich eile schnell zu den restlichen Gefangenen rüber. Verdammt, wie finde ich denn jetzt heraus, wer wer ist? Ich habe doch keine Zeit, jeden Sack einzeln vom Kopf zu nehmen.

Ich mustere jeden von oben bis unten und versuche auf Details zu achten. Doch alles dreht sich, Schweißperlen rollen mir bereits über die Stirn. Wenn dieser Typ von eben wieder kommt, dann bin ich geliefert.
Doch dann bleibt mein Blick plötzlich an einem Fußgelenk von einem der Gefangenen hängen.

Die Zeit verlangsamt sich und ein leises und erleichterndes ,,Connor", entfährt meinem Mund. Mit großen Augen starre ich auf sein Fußgelenk. Es ist sein Tattoo, ich würde es überall erkennen. Ohne zu zögern, eile ich zu ihm und entferne den Sack von seinem Kopf. Ich erblicke ein vollkommen verängstigtes, verstörtes, von Tränen und Dreck übersehtes Gesicht. Was haben die nur mit ihm gemacht? Schnell entferne ich das Klebeband und mache mich direkt an die Fesseln.

,,Dylan, geh, sofort!", beginnt er plötzlich ernst zu reden. Mir rutscht direkt das Herz in die Hose.

,,Ich werde nicht ohne dich gehen, ich beeile mich schon", antworte ich ihm ganz unbeholfen.

,,Du verstehst es nicht, du hättest nie herkommen dürfen; ich habe dir nicht ohne Grund nicht gesagt, wo ich hingefahren bin und... oh nein... Dylan, lauf sofort, Lauf, Lauf, Lauf!", schreit er plötzlich panisch auf. Vor Schreck springe ich auf und sehe ihn überfordert an.

,,Er kommt Dylan, lauf, Daddys Sohn, er wird dich..."

Plötzlich verlangsamt sich die Zeit. Ein stumpfes Gefühl breitet sich an meinem Hinterkopf aus, während ich merke, dass ich mich dem Boden immer mehr nähere. Meine Sicht verschwimmt rasend schnell und ich höre nur noch gedämmt, wie Connor am Schreien ist. Ein schwindliges Gefühl breitet sich in meinem Kopf aus, während mir das Denken immer schwerer fällt und die Dunkelheit rapide zunimmt und meine Sicht verzerrt.




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