Kapitel 4 - Was nun?
Getrieben von einem einzigen Gedanken, verlasse ich den Raum. Wachsam blicke ich in der Eingangshalle um mich. Niemand ist hier. Ich ergreife die Chance und stürme die Treppe nach unten. Mit großen Augen nehme ich den immer näher kommenden Haupteingang wahr, ich kann schon die Luft von draußen förmlich spüren. Aber dann...
,,Nein, nein, nein, nein bitte", flüstere ich frustriert und drücke immer wieder die Türklinke hoch und runter. ,,Das kann doch nicht sein, bitte, verdammt, ich will doch nur hier raus."
Verzweifelt halte ich mir die Hände an den Kopf und versuche zu denken. Ich muss einen anderen Weg hier rausfinden, nur wo soll ich lang? Wo ich hineinkam, komme ich niemals wieder raus. Scheiß drauf, ich werfe ein Fenster ein. Analysierend sehe ich mich schnell nach einem Gegenstand um. Ich erblicke eine Blumenvase. Ich eile zu der Vase und schnappe sie mir. Okay, jetzt muss es schnell gehen, einfach die Vase durch das Fenster schmeißen und dann schnell raus. Ich hole aus und mit voller Wucht steuere ich mit meinem Arm nach vorn. Doch dann bremst mich plötzlich ein Gedanke, welcher mein Herz höher schlagen lässt. Connor... ich muss ihn finden.
Ich darf nicht aufgeben, nicht schon wieder.
Ich drehe mich um und blicke durch die Eingangshalle. Wo soll ich nur lang? Ich habe fünf Türen zur Auswahl. Links und rechts eine, im ersten Stock links und rechts eine und die Doppeltür direkt gerade aus die Treppe hoch. Oben rechts und links kann ich schon mal streichen, von links kam ich und rechts war der Horrorkunstraum. Links hier unten geht es denke mal, auch da lang, wo ich herkam und rechts und geradeaus, weiß ich noch nicht. Meine Intuition sagt mir, um Connor finden zu können, muss ich weiter ins Haus vordringen und das tue ich, wenn ich rechts lang gehe, definitiv nicht, auch wenn mir der Weg viel lieber wäre. Schwer seufzend schreite ich langsam vorwärts und begebe mich die Treppen nach oben. Vor der großen Doppeltür angekommen, horche ich kurz mit meinem Ohr an ihr, um sicherzustellen, dass niemand dahinter ist. Als ich nichts höre, wage ich es, ich atme tief ein, öffne die Tür und schreite hindurch. Vor mir erstreckt sich ein langer Flur mit zwei weiteren Doppeltüren links und rechts und einer einzelnen am ende des Flurs.
Mir entweicht bei dem Anblick nur ein genervtes Seufzen. Das kann doch jetzt nicht deren Ernst sein? Wo soll ich denn jetzt lang gehen? Ich hätte mir denken müssen, dass die Suche nach Connor noch viel schwerer werden würde als erwartet. Na gut, Dylan, reiß dich zusammen, über den Punkt des Zweifelns musst du hinaussehen, das Einzige, was nur noch zählt ist Connor. Ich atme tief ein und bewege mich vorsichtig durch den Flur. Ich muss schon sagen, diese inneren Monologe sind manchmal echt hilfreich.
Verdammt, die Doppeltür rechts ist verschlossen, vielleicht ist ja die linke offen?
,,Ja, Bingo", flüstere ich erfreut. Die Tür am Ende des Ganges riskiere ich jetzt denke ich noch nicht, daher mal sehen was sich hinter dieser befindet. Was ich jedoch erblicke, ist wirklich unglaublich. Vor mir erstreckt sich eine riesen Küche, sie sieht einfach so aus wie die in einem Restaurant, echt unglaublich.
Irgendwie macht das aber auch Sinn, schließlich lebt hier eine riesengroße Familie. Ich frage mich aber echt, wovon sie sich ernähren? Ich habe zwar eine Vermutung, aber wirklich wissen will ich das eigentlich nicht. Aber Moment mal, das heißt ja, die Tür gegenüber der Küche muss wohl die zum Speisesaal sein, deswegen ist sie wahrscheinlich auch verschlossen.
Na gut, dann mal los, vielleicht finde ich ja etwas. Langsam und vorsichtig beginne ich nun alles in der Küche zu durchsuchen. Statt des Lichtes nutze ich lieber meine Handytaschenlampe, auch wenn mein Akkustand immer niedriger wird. Ich darf aber einfach nicht riskieren, hier drinnen gesehen zu werden. Auch wenn sie wissen, dass ich hier im Haus bin, sollte ich schon so unauffällig wie möglich sein.
Beim Durchsuchen jeglicher Schränke und Schubladen finde ich nichts wirklich Besonderes. Hauptsächlich nur Geschirr, irgendwelche Töpfe, Pfannen, verschiedene Küchenutensilien und Gewürze. Aus Neugier drehe ich an den Knöpfen des Backofens. Als er angeht, kommt mir wieder eine Frage in den Kopf: Von wo zieht diese Familie ihren Strom? Der muss ihnen doch schon vor langer Zeit abgedreht worden sein, da stimmt etwas ganz und gar nicht. Na gut, dass die Familie aus Mördern besteht, macht das natürlich auch nicht besser, es erinnert mich nur daran, wie blöd ich eigentlich bin, mich hier reingeschlichen zu haben. Andererseits ist es auch gut, hätte ich es irgendwie geschafft, die Polizei herzurufen, dann wären die Polizisten wahrscheinlich bereits alle tot. Warte mal, weiß die Polizei vielleicht bereits, was hier abgeht und wollte deshalb nicht... oh mein Gott, das ist echt ein Himmelfahrtskommando, was ich hier gerade begehe.
Beim weiteren Durchsuchen der Küche finde ich nichts wirklich Besonderes, einen Mixer, ein paar Schüsseln und Backformen.
Und jetzt kommt auch schon der letzte Schrank. Bitte lass da irgendwas Hilfreiches drinnen sein, bitte.
,,Was zur Hölle", entfährt es blitzschnell meinem Mund. Vor Schock stolpere ich rückwärts gegen das ganze hängende Geschirr. Verdammt, das haben die jetzt bestimmt gehört. Panisch schließe ich schnell den Schrank wieder, schnappe mir ein kleines Küchenmesser und verstecke mich unter dem metallischen, quer durch die Küche gestreckten, Zubereitungstisch.
Schritte ertönen. Sie nähern sich. Panik breitet sich in mir aus. Was soll ich jetzt nur tun? Die wissen, dass ich hier in der Küche bin, Mist. Warte, ich habe eine Idee, ich muss hier einfach versteckt bleiben und nicht einen Ton von mir geben, ich darf nicht mal hochblicken. Automatisch halte ich mir taktischer Weise die Hand vor dem Mund. Mein Herz ist am Rasen, während ich vor Schock immer noch am ganzen Körper zittere. Was ich da gerade gesehen habe ist wirklich krank, da hing einfach ein gekühlter Menschlicher Oberkörper.
Die essen Menschen, wie krank ist das denn bitte? Und den Rest des Körpers benutzen sie für ihre Kunst oder wie? Verdammt, mir wird wieder echt schlecht.
Plötzlich ertönt eine weibliche und männliche Stimme. Ein leichtes Stöhnen entfährt mir, dabei durchfährt ein Kribbeln meinen Körper. Direkt erkenne ich, dass es die Stimmen von Selena und Lucian Nokturn sind. Ich sehe um mich und erblicke ihre beiden Füße. Scheiße, sie sind hier.
,,Jetzt such schon du nutzloser Vollidiot, er muss hier irgendwo sein", spricht die Frau giftig.
,,Ist das etwa meine Schuld, dass er hier herumlungert, du abstoßende Prostituierte?"
,,Wie hast du mich gerade genannt?", antwortet die Frau mit erhöhter Stimme und bleibt stehen. Der Mann bleibt ebenfalls stehen und dreht sich zur ihr.
,,Du hast schon verstanden, du abstoßende Prostituierte, du bist ja noch blöder als Gideon."
,,Lass Gideon aus dem Spiel", betont sie jedes Wort. Dabei kann ich hören, wie sie ihre Zähne fletscht. Kurz darauf höre ich es laut klatschen, als Lucian zu lachen beginnt.
,,Wir teilen uns jetzt auf, du gehst da lang und ich hier", schlägt sie vor. ,,Und finde ihn gefälligst", fügt sie noch aggressiv hinzu. Die beiden gehen auseinander und laufen in verschiedene Richtungen. Ich habe noch nie so stark mein Herz pochen gehört, das war alles mehr als nur knapp, aber warte mal, wer ist eigentlich dieser Gideon? Ist das vielleicht der Sohn der Familie? Scheinbar scheint er nicht sehr intelligent zu sein nach der Aussage vom Vater zu urteilen, das wird ja immer besser.
Als ich die Türen zu knallen höre, komme ich aus meinem Versteck hervor. Etwas erleichtert wische ich mir den Schweiß von der Stirn und atme tief durch. Endlich kann ich wieder atmen. Okay, ich muss weiter, ich darf keine Zeit verlieren. Ohne darüber nachzudenken, begebe ich mich zur nächsten Tür. Oh Mann, das kann gleich richtig nach hinten losgehen, denn hinter dieser Tür kann sich entweder Lucian oder Selena befinden. Ich würde am liebsten sagen, auf wen ich nicht hoffe, aber ich hoffe ehrlich gesagt darauf beiden nicht zu begegnen. Okay, Puhh, du kannst das. Langsam greife ich den Türgriff und öffne die Tür einen Spalt. Ich linse hindurch und erhasche eine Bibliothek. Etwas erleichtert öffne ich die ganze Tür und betrete den Raum. Ich hatte wirklich echt Angst, dass sich der Mann oder die Frau in diesem Raum befinden würde.
Im Raum angekommen, fällt mir schnell auf, dass er sehr überschaubar ist. Neben unzähligen Bücherregalen, befindet sich hier ein kleiner Ledersessel, ein Schreibtisch voller Papiere und einer kleinen Lampe. Dann lege ich mal los. Etwas eilig beginne ich alles zu durchsuchen, vor allem den Schreibtisch.
Bis auf irgendwelche weiteren Rechnungen, ein paar Urkunden und ein paar Formulare befindet sich hier nichts. Aber warte mal, was ist das? Hier in der Schublade steckt irgendwas fest. Vorsichtig versuche ich es herauszuziehen, jedoch scheint es zu klemmen. Aber dann, mit einem starken Ruck, löse ich es. Oh mein Gott, das war nicht irgendeine Lasche oder so, nein, ich habe gerade ein Geheimfach geöffnet.
Ohne lange zu überlegen, greife ich hinein und ziehe etwas heraus. Es ist eine braune Ledermappe. Schnell lege ich sie auf den Tisch und öffne sie. Was ich jedoch erblicke, raubt mir den Atem. Meine eben neugierige Begeisterung hat sich in Luft aufgelöst. Mit großen Augen blicke ich auf die Zettel vor mir, welche ich Stück für Stück auseinander lege. Mit jedem weiteren Zettel nimmt mein Puls immer mehr an Tempo auf, bis zum letzten Zettel, denn da setzt er aus.
Das sind alles vermissten Anzeigen. Sie reichen über zwanzig Jahre zurück. Und selbst die von Connor ist dabei. Das sind dutzende, wenn nicht sogar Hunderte. Verdammte Scheiße, hier sind selbst Anzeigen von vermissten Polizisten. In dem Moment, als ich die Anzeigen durchblätter, verstummt alles. Ich höre nur noch meinen eigenen Puls, welcher in einem rasanten Tempo pulsiert. Mir wird gerade erst richtig bewusst, worin ich hier reingeraten bin. Es ist einfach nicht nur das, dass diese Familie aus Mördern besteht und Menschen entführt, nein, es ist mehr. Das sind kranke Kannibalen und wer weiß was noch, ich meine den Umgang, den sie miteinander pflegen und wie sie drauf sind.
Klar weiß ich, dass das hier ein Himmelfahrtskommando ist und ich das alles für Connor tue, aber mir wird gerade immer mehr bewusst, dass ich hier wahrscheinlich nie wieder rauskommen werde, egal was ich tue. Ich kenne ja nicht mal die ganze Familie, wer weiß, wie die anderen drauf sind und dann soll ich auch noch mit Connor entkommen? Nachdem, was ich gesehen habe, bin ich mir sicher, dass dies unmöglich sein wird. Ach man, was tue ich jetzt nur? Rauskommen würde ich sowieso nicht mehr. Aber nachdem, was bereits geschehen ist, kann ich nicht einfach gehen.
,,Scheiß drauf", murmle ich und balle meine Hände zu Fäusten. Ich werde ihn finden, ganz egal was passieren mag und entweder wir entkommen oder eben nicht, ich liebe ihn und will es ihm noch sagen, und das am besten bevor unser leben heute Nacht endet. Ich meine falls es endet natürlich.
Plötzlich, im Moment der Stille, in der ich fest entschlossen bin, höre ich etwas laut knallen. Wie aus Reflex, mache ich die Schublade zu, stürme los und verlasse die Bibliothek durch die nächste Tür welche sich rechts neben der befindet von der ich kam.
Was auch passieren mag, ich werde dich finden, das werde ich und ich werde alles tun, was in meiner Macht steht um mit dir diesem Irrenhaus zu entfliehen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top