Kapitel 2 - Willkommen
Ich leuchte mit meinem Handy umher und schreite langsam vorwärts. Diese Stille hier drin ist echt erdrückend und dieser Staub ist auch nicht ohne, ich habe echt das Gefühl kaum Atmen zu können und muss immer wieder husten.
Neugierig, als ich zwei Regale erleuchte, gehe ich auf sie zu. Ich leuchte durch jedes einzelne quadratische Fach. Bis auf verstaubte alte Klamotten befindet sich dort nichts. Aber interessant ist, dass sich in jedem Fach eine Hose, ein T-Shirt und ein Paar Schuhe befinden. Vielleicht war das hier mal ein alter Lagerraum für Wäsche oder so? Denn so wie es hier aussieht, war hier schon ewig niemand mehr. Nicht mal das Weinregal, welches an der Treppe nach oben grenzt, wurde auch nur annähernd berührt.
,,Was haben wir denn hier?", murmle ich erstaunt am Wein Regal stehend, vor mich hin. ,, Einen Domaine G. Roumier - Bonnes-Mares 'Grand Cru' 1978 Rotwein."
Das nenne ich mal eine Seltenheit, der muss doch unglaublich viel wert sein? Das merke ich mir, den werde ich am Ende definitiv entwenden, aber verdammt, hier sind ja noch viele weitere seltene Weine. Entweder die Familie hat Kohle oder die Weine befinden sich seit Jahrzehnten in ihrem Familienbesitz. Wer weiß, vielleicht haben sie hier noch irgendwo einen großen Weinkeller, wo sie den Wein selber herstellen. Möglich wäre es durchaus.
Nichtsdestotrotz muss ich weiter, ich kann hier ja schlecht beim Wein verweilen, auch wenn mir das irgendwo viel lieber wäre als weiter durchs Haus zu gehen. Mit einem letzten Blick überschaue ich, so gut es geht, mit der Taschenlampe meines Handys, den Raum, bevor ich mich dazu entschließe, die Treppe hochzugehen. Durch das Knarren der Stufen bleibe ich kurz stehen. Das war jetzt aber auch echt laut, das hörte sich an, als würde ein Elefant diese Treppen besteigen. Mit aller Vorsicht schreite ich nun sanft die Treppe hoch und versuche dabei jegliches Knarren zu unterdrücken, was, wenn man mich fragt, irgendwie alles andere als gut funktioniert.
Oben vor der Tür angekommen, lege ich meine Hand auf den Knauf und atme tief durch. Dylan, du schaffst das, dreh einfach den Knauf und gehe hindurch. Hier wird schon niemand sein, ich meine, dieser Keller ist gefühlt seit Ewigkeiten verlassen, das wird schon gut gehen. Nach längerem Zögern atme ich noch einmal tief ein und schreite hindurch. Blitzschnell stellen sich meine Haare am Arm auf. Ich stehe in einem Flur. Links von mir ein offenes Fenster und ein kleiner Tisch mit einer leeren Vase. Rechts von mir erstreckt sich der dunkle Flur mehrere Meter. Es ist still, nur das Rauschen des Kellers nehme ich noch wahr. Ich bin wie angewurzelt, gefürchtet, einen Schritt zu setzen. Mittlerweile dämmert draußen die Dunkelheit. Man sieht garnichts mehr, nichts als die pure und erdrückende Schwärze des kompletten nichts.
Vorsichtig begebe ich mich nun durch den Flur. Leichtes Knarren der Dielen füllt den Raum, während ich mir den Weg mit meinem Handy erleuchte. Schnell durchzieht mich ein Kribbeln beim Erblicken meines Akkustandes. 46 %. Das ist gar nicht gut, vor allem wenn es überall so dunkel in diesem Haus ist. Ich hoffe nur, dass diese Familie bereits am Schlafen ist, denn das wäre, glaube ich, das Beste, vor allem für mich. Da ich ja auch keine Ahnung habe, wie diese Familie drauf sein könnte. Ich meine, die Frau an der Haustür war mir schon nicht geheuer, ich hatte sofort das Gefühl, dass sie mir was verheimlichen würde bezüglich Connor. Oh Connor, wo bist du nur? Ich würde ja hoffen, dass du Hinweise hinterlassen hast, aber dass ich herkomme, war ja auch gar nicht von dir vorgesehen.
Am Ende des Flurs angekommen, bleibe ich zwischen zwei Türen stehen, die jeweils an einer Wand grenzen. Wo gehe ich jetzt lang? Die Linke Tür führt mich höchstwahrscheinlich weiter ins Anwesen, während die anderen mich davon wegführt. Verdammt, ich kann nicht richtig denken, diese Stille durchzieht meinen Verstand, es ist einfach zu still in diesem alten Haus. Mit an den Kopf gepressten Händen versuche ich logisch zu denken, wo es am schlausten wäre lang zu gehen, dabei leuchte ich mit meinem Handy immer wieder zwischen den Türen hin und her.
Ich gehe links, ich muss einfach, jede Sekunde zählt, wer weiß ob Connor noch am Leben ist, ich hoffe es zumindest vom ganzen Herzen.
Beim Herunterdrücken der Türklinke kommt mir jedoch ein Gedanke. Ich sollte trotzdem nachschauen, was im anderen Raum ist. Ich eile zur anderen Tür und drücke auch dort die Klinke herunter.
,,Verdammt", gebe ich meckernd von mir und drücke weitere Male die Klinke runter. Scheiße, sie ist verschlossen. Was ist, wenn er da drinnen ist?
Ich kann einfach nicht anders, als schwer zu schlucken. Ich hoffe wirklich, dass ich das nicht bereuen werde. Ich atme tief ein und drehe mich um. Eilig und dennoch vorsichtig, begebe ich mich durch die gegenüberliegende Tür. Ich werde, wenn ich zurück bin und Connor gefunden habe, diesen Raum betreten, vielleicht befindet sich dort ja etwas Wertvolles. Ich meine, wieso sonst sollte der Raum abgeschlossen sein?
Nachdem ich die Tür hinter mir wieder geschlossen habe, erblicke ich einen großen, aber auch düsteren Raum. Links von mir befindet sich direkt ein großes, mit unzähligen Briefen vollgestopftes Regal, welche nur so raus quellen. Neugierig gehe ich flott rüber und sehe mir die Briefe an. Alles nur Rechnungen, weit und breit nur Rechnungen. Wieso sammelt diese Familie die?
Nachdem ich etwas durchgewühlt habe und nichts Ungewöhnliches gefunden habe, sticht mir jedoch etwas anderes ins Auge. Ein Brief, den ich ohne zu zögern in die Hand nehme und zu analysieren beginne. Das kann nicht sein, er ist vor über zwanzig Jahren hier hergeschickt worden. Neugierig öffne ich ihn, da er wohl von einem Gericht kam.
Sehr geehrte Familie Nokturn,
trotz wiederholter Mahnungen und gerichtlicher Schritte ist die ausstehende Schuld in Höhe von mehreren Tausenden Dollar weiterhin nicht beglichen worden. Aufgrund dieser Situation sind wir gezwungen, Maßnahmen zur Eintreibung der Schulden zu ergreifen.
Gemäß dem rechtskräftigen Urteil, das gegen Sie ergangen ist, teilen wir Ihnen hiermit mit, dass wir eine Vermögenspfändung in Erwägung ziehen. Dies könnte die Pfändung von Vermögenswerten wie Immobilien, Fahrzeugen oder Bankkonten beinhalten.
Um weitere rechtliche Konsequenzen zu vermeiden, empfehlen wir dringend, unverzüglich mit uns Kontakt aufzunehmen um eine Lösung zur Begleichung der ausstehenden Schuld zu finden.
Bitte beachten Sie, dass die Vermögenspfändung innerhalb eines bestimmten Zeitraums erfolgen kann, falls keine alternative Vereinbarung getroffen wird.
Mit freundlichen Grüßen, Finanzlösungen Inkasso AG Rechtsabteilung
Ganz baff sehe ich den Brief weiterhin an. Ein Gefühl sagt mir, dass das nicht der letzte Brief war. Ich sehe mich kurz um und stelle fest, dass es nicht ansatzweise danach aussieht, dass hier etwas gepfändet wurde. Mit großen Augen öffne ich weitere Briefe, überall steht Ähnliches und teils noch Schlimmeres drin und das geht anscheinend bereits seit Jahre schon so. Plötzlich wird mir ganz schwummrig. Vorsichtig gehe ich ein paar Schritte rückwärts und lehne mich an die Kommode, die in der Mitte des Raumes steht. Ich reibe mir mit meinen Händen durchs Gesicht und versuche ruhig zu atmen. Irgendwas stimmt hier nicht, die Familie wohnt hier, wie schon immer. Die ganzen Gerichtsvollzieher und Sheriffs, die laut den Briefen vorbeikommen sein sollten und das über die Jahre hinweg, sie hatten nie etwas erreicht, aber was heißt das, was hat diese Familie nur mit diesen Menschen angestellt?
Vor Schreck kommen mir die Tränen, dabei rutsche ich an der Kommode zum Boden herunter und halte mir die Hand vor dem Mund. Die Angst um Connor ist gerade in mir massiv gestiegen. Er ist seit einem Monat hier, wer weiß, was ihm hier bereits alles widerfahren ist. Diese Familie muss einfach aus kranken Mördern bestehen, anders kann ich mir das nicht erklären. Ich kann wohl froh sein, dass sie mir an der Haustür nichts angetan haben. Scheiße, was soll ich nur tun, ich habe doch keine Chance, wer weiß, was diese Familie tut, wenn sie herausfindet, dass ich mich hier in ihrem Haus befinde.
Ein lauter Atem entweicht meinem Mund, während ich ruckartig aufstehe. Was war das? Ich könnte schwören, etwas gehört zu haben, als wäre irgendwo etwas heruntergefallen. Meine Brust pocht, während ich mich hektisch nach der Ursache des Geräuschs umsehe, doch nichts. Erneut reibe ich mir durchs Gesicht. Ich muss ruhig bleiben, ich darf es mir nicht leisten die Nerven zu verlieren. Connor zählt auf mich, das weiß ich, auch wenn er nicht weiß dass ich hier bin.
Hysterisch schüttele ich meine Arme aus und atme mehrmals tief ein. Ich hebe mein Handy und erleuchte den Raum. Bis auf einen Teppich, einen Kamin und einem großen Gemälde ist hier nichts mehr. Langsam gehe ich voran. Wenn ich das hier überstehe, suche ich mir einen Psychiater. Ja genau, das werde ich tun. Man diese inneren Monologe tun manchmal echt gut, muss ich sagen. Aber warte mal, dieses Gemälde.
Nachdenklich bleibe ich davor stehen und erleuchte es. Beim längeren Betrachten fällt mir eine Person besonders auf. Das ist doch die Frau von vorhin an der Haustür. Aber warte mal, jetzt verstehe ich, das ist die komplette Familie Nokturn auf dem Bild, sie sind zu siebt, wow, diese Familie ist verdammt groß. Aber was überreicht dieser ältere Mann dem anderen Mann der Familie? Es sieht aus wie ein Schlüssel. Warte mal, das scheint wohl der Tag gewesen zu sein, als die Familie dieses Haus gekauft hat oder zumindest der Bau des Hauses abgeschlossen wurde und das war... äh, ah da steht es ja, 1998. Die Kinder auf dem Bild sind auch noch sehr jung. Ich glaube die Frau eben an der Tür muss dann wohl die Mutter sein und daneben, der Mann, der die Schlüssel entgegennimmt, müsste der Vater sein. Und die eine ältere Frau wird definitiv die Schwester der Mutter sein, denn sie sehen sich verdammt ähnlich.
,,Hmm, sonst scheint hier nichts mehr zu sein", stelle ich flüsternd fest als ich mich umdrehe. Dabei durchleuchte ich ein letztes mal den Raum. Okay, dann mal weiter. Ich atme tief ein und durchschreite die Tür links neben dem Kamin und dem Gemälde. Beim wieder schließen der Tür bemerke ich, wie viel lebhafter dieser Bereich des Hauses ist. Es ist zwar wieder nur ein Flur, aber dieser ist wenigstens von Kerzen an den Wänden beleuchtet. Ich beginne mich umzusehen, dabei schalte ich instinktiv meine Taschenlampe aus. Schließlich muss ich Akku sparen und 39 % sind auch nicht mehr viel. Es macht aber auch keinen Sinn, in einem Raum umher zu leuchten, wo ich alles sehen kann.
Links von mir, ist wie auch im letzten Flur, wieder ein Fenster. Dagegen befindet sich rechts von mir an der Wand ein kleiner Tisch mit einem Bild einer jungen Frau drauf. Ich frage mich, wer sie wohl ist, sie sieht zumindest aus wie zwölf und war auf dem Gemälde im Raum hinter mir nicht abgebildet. Noch vorsichtiger als ohnehin schon beginne ich durch den Flur zu schleichen. Wenn ich jetzt ein zu lautes Geräusch mache, dann würden die das bestimmt mitbekommen, denn jetzt bin ich im belebten Teil des Hauses. Jeder Schritt lässt dennoch die Dielen unter meinen Füßen laut knarren, während ich das Haus sanft heulen höre.
Bei den zwei Türen am Ende des Flurs angekommen, rast mein Herz, als würde es einen Marathon laufen.
Links von mir und auch geradeaus, befindet sich eine Tür. Aber verdammt, wo gehe ich jetzt nur lang? Links wäre zumindest sicherer als geradeaus, denn ich glaube, geradeaus würde ich in die Mitte des Hauses gelangen und daher sehr wahrscheinlich in die Eingangshalle.
,,Fuck, warum muss das nur so schwer sein?", flüstere ich aufgewühlt vor mich hin und fahre mir durchs Gesicht.
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