Die Ruinen von Gara (Fantasy)
Sie hatten sich viele Tage lang durch den dichten und dunklen Fyla-Wald gekämpft, bis sie endlich den Waldrand erreichten. Lysander und sein Führer Zarix traten aus dem Schatten der Bäume hinaus auf die offenen EBenen von Elios. Lysander musste seine Augen zusammenkeifen, denn er wurde geradezu geblendet vom grellen Sonnenschein, der über ihnen strahlte. Er musste sich erst an seine neue Umgebung gewöhnen, die so anders war als der Wald.
Er blickte über die weiten und grünen Wiesen, die in der Sonne funkelten und sich bis zum Horizont erstreckten. Es war ein herrlicher Anblick, der ihm den Atem raubte! Die Luft war frisch und klar und erfüllt von den Geräuschen der Natur. Er hörte nur das leise Rauschen des Windes, der sanft über die Gräser strich und das Zwitschern der Vögel, die fröhlich in der Luft kreisten. Am einen Rand der Ebene ragten die majestätischen und schneebedeckten Berge des Tresto-Gebirges in die Höhe, die wie eine weiße Mauer den Himmel berührten. Am anderen Rand glitzerte das Meer, das das Licht der Sonne in seinen dunkelblauen Wellen spiegelte.
Er war froh, seinen Augen mal wieder etwas Abwechslung und einen Weitblick bieten zu können, nachdem diese tagelang nur wenige Meter bis zum nächsten Baum oder Busch hatten blicken können. Er hatte sich im Wald eingeengt und bedrückt gefühlt, aber hier auf den Ebenen fühlte er sich frei und leicht.
Hier in der wunderschönen Landschaft der Ebenen von Elios verspürte Lysander eine Ruhe und Harmonie, wie er sie vermutlich noch nie zuvor erlebt hatte. Er fühlte sich mit der Natur verbunden und spürte eine tiefe Dankbarkeit für das Leben.
„Hier ist es wunderschön!", sagte Lysander mit einem Lächeln.
„Das sind die Ebenen von Elios", erklärte Zarix und zeigte mit seiner rechten Vorderpfote in die Weite hinein, „Einst lebte ich hier. Vor vielen hundert Jahren, als ich noch ein junger Girin war. Es war ein ganz anderes Leben, als das, was ich heute führe. Vieles hat sich geändert, doch dieser Ort ist mir noch immer so vertraut wie an dem Tag, als ich ihn verließ."
„Können wir hier etwas verweilen?", fragte Lysander hoffnungsvoll.
„Nein, die Zeit drängt. Eine Rast steht unserer Mission im Weg. Wir müssen weiter. Es ist nicht mehr weit bis Gara. Die Stadt liegt nur noch einen zweistündigen Marsch entfernt. Bald sind wir da", antwortete Zarix bestimmt.
Lysander staunte nicht schlecht, wie flink und agil sich der alte Girin bewegen konnte. Hier im flachen Gelände konnte er besonders schnell voranhoppeln. Lysander hatte große Mühe Schritt zu halten.
Lysander konnte seinen Augen kaum trauen, als sie die ersten Ruinen der einstigen Stadt Gara erreichten. Er hatte fürher Geschichten von den Luren gehört, die vor langer Zeit in dieser Gegend gelebt hatten. Er hatte sich ihre Stadt prächtig und erhaben vorgestellt, doch nun sah er nur noch die Grundmauern ihrer einstigen Bauten.
„Die Luren scheinen eine sehr fortgeschrittene Zivilisation gewesen zu sein!" Lysander staunte als sie die ersten Ruinen erreichten. Nur noch die steinerne Fundamente waren hier übrig geblieben. Einige Meter weiter konnte er jedoch einen alten Wachturm erkennen, der zwar eingestürzt aber immernoch weit in den Himmel reichte.
„Sie müssen ja meisterhafte Baumeister gewesen sein! Sieh dir nur an, wie hoch ihre Häuser gewesen sein müssen!", rief er aus und deutete auf die Überreste von Mauern und Säulen, die aus dem Boden ragten.
„Du hast recht, sie waren große Baumeister", bestätigte Zarix, „Sie waren aber auch gute Schmiede, die die Kunst des Gusses so perfektioniert hatten, dass sie die besten Schwerter fertigen konnten, die man in dieser Welt je gesehen hatte. Sie hatten auch eine eigene Schrift und ein ausgeklügeltes Rechtssystem. Sie waren eine blühende und mächtige Zivilisation."
„Wie konnte so ein fortschrittliches Volk nur verschwinden?", fragte Lysander verwundert, „Was hat sie ausgelöscht?"
„Die Luren traf das Schicksal, das das Ende jeder Zivilisation sein wird - Krieg!", antwortete Zarix ernst.
„Wer konnte es denn mit den Luren aufnehmen? Wer war mächtig genug um sie zu vernichten?"
„Das vermochten nur sie selbst. Die Luren waren nicht nur friedliebend, sondern auch ehrgeizig und stolz. Sie stritten sich oft untereinander um Macht und Ressourcen. Es gab einen Bürgerkrieg, der ein Jahrhundert andauerte. Als eine Seite schließlich die Oberhand erlangte und die Niederlage für die andere Seite unausweichlich schien, entfesselten die unterlegenen einen Feuergongoll, der die Stadt verwüstete. Sie dachten wohl, wenn sie ohnehin sterben müssten, dann sollten sie auch ihre Feinde mit in den Untergang ziehen. Also ließen sie diesen garstigen Dämon auf ihr Volk los, der einen Feuersturm erzeugte, der alles verbrannte, was ihm in den Weg kam. Ich schätze, du findest die Luren nun nicht mehr so fortschrittlich."
Lysander schluckte schwer. Er konnte sich nicht vorstellen, wie grausam und verzweifelt dieser Krieg gewesen sein musste. „Also gab es in dem Krieg keinen Sieger und nun sind alle Luren tot?", fragte er.
„Ausgestorben. Für immer aus der Welt getilgt. Alles was von ihnen blieb, sind die Ruinen der Stadt Gara. Bis der Wind irgendwann auch diese Ruinen abgetragen haben wird. Dann werden es nur noch Erinnerungen sein. Doch auch alle, die diese Erinnerungen in sich tragen werden einmal sterben und dann wird niemand mehr wissen, dass die Luren einst existierten." Zarix blickte mit einem wehmütigen Blick über die verfallene Stadt.
Auf ihrem Weg in Richtung des früheren Stadtzentrums liefen sie an zahlreichen Schuttbergen und Ruinen vorbei, die von der einstigen Pracht und Größe der Stadt zeugten. Immer tiefer drangen sie ein und Lysander wünschte sich, er könnte sich vorstellen, wie dieser Ort zu seinen Hochzeiten ausgesehen haben musste. Angestrengt versuchte er sich auszumalen, wie hunderte von Luren hier über die Pflastersteine gingen und eifrig ihren Geschäften nachgingen, doch er wusste, dass seine kühnsten Vorstellungen der Realität niemals gerecht werden würden.
Sie erreichten die alte Kathedrale im Zentrum der einstigen Stadt, die einst der prächtigste Tempel der Luren gewesen war. Er war aus massiven Steinblöcken errichtet worden und hatte eine riesige Kuppel, die nun jedoch eingestürzt war. Das prächtige Kirchenschiff war noch gut erhalten. Eine Galerie, die von zahlreichen Bögen getragen wurde, war noch zu erahnen. Die opulent fazierten Steinfliesen am Boden waren mit Staub und Schutt bedeckt.
„Einst lebte mein Volk in den fruchtbaren Auen dieser Gegend. Als die Luren über das Meer kamen, begrüßten wir sie freundlich und ließen sie sich hier ansiedeln. Es war genügend Platz für uns alle da. Die Meere waren voller Fische, die saftigen Weiden nährten das Vieh", begann der alte Girin, "Doch die Luren wurden immer mehr und mehr. Aber nicht nur ihre Bevölkerung wuchs mit der Zeit, sondern auch ihre Gier. Sie verdrängten uns und wir mussten fortan in den Wäldern leben. Sie verachteten die alten Götter des Waldes, denn sie hatten ihre eigenen Götter aus der Ferne mitgebracht. Sie fällten alle unserer Götterhaine und bauten ihre Tempel aus Stein. An dieser Stelle stand einst der heilige Baum. Es war ein großer Jammer als die Luren ihn in Brand setzten, was noch heute in unseren Liedern besungen wird. Doch wie du siehst, zerfällt der Tempel mit der Zeit und die alten Götter des Waldes nehmen sich diesen Ort wieder zurück."
Zarix zeigte mit seiner Pfote auf den Bereich, an dem einmal der Hauptaltar gestanden haben musste. Inzwischen waren dort die massiven Steinfliesen von einem jungen Baum gesprengt worden, der sich in Richtung des durch das Dach fallenden Lichts erstreckte.
Die beiden gingen durch die verfallene Kathedrale in Richtung des jungen Baumes. Sie mussten über Trümmer, Schutt und verrostete Waffen steigen, die von den ehemaligen Bewohnern der Stadt zurückgelassen worden waren. Die Luft war staubig und roch nach Moder und Verwesung.
„Wie du siehst, bahnt sich das Leben sich seinen Weg durch die Ruinen von Gara. Dies wird einmal ein neuer Götterhain sein und ein Gott wird darin leben", erklärte Zarix miteinem wehmütigen Lächeln.
Als er den Baum berührte, begann dieser an seinen hunderten von Knospen zu leuchten. Es war, als würde der Baum ihn erkennen und begrüßen. Lysander spürte eine warme und sanfte Energie, die von dem Baum ausging.
Dieser schöne Augenblick nahm ein plötzliches Ende, als ein fürchterlich schriller Schrei durch die Ruine hallte, der in Mark und Bein ging. Der Klang des Schreis war voller Hass, Wut und Schmerz.
Erschrocken drehten sich Lysander und Zarix um und sie erkannten eine Gestalt, die am Eingang der einstigen Kathedrale stand. Die Gestalt war dürr und in einen schwarzen Umhang gehüllt. Lange schwarze Haare und ein bleiches Gesicht, das mit Narben, Verbrennungen und Tattoowierungen gezeichnet war, waren unter der Kaputze zu sehen. Die dunkle Kreatur hatte einen Kriegshammer bei sich, den es bedrohlich über seine Schulter gelegt hatte. Der Hammer war mit getrockneten Blut und Dornen besetzt. Er war eine Waffe der Zerstörung und trug das rote Mal von Teydefink. Es war ein Merkmal, dass die Waffe vom dunklen Herrscher des Chaos gesegnet worden war.
„Was ist das für ein Wesen?", fragte Lysander und blickte entsetzt zu Zarix hinüber.
„Ein Scherge Teydefinks! Einer von vielen, die der dunkle Herrscher korrumpiert und zu seinen Dienern gemacht hat. Er muss uns gefolgt sein", sagte der alte Girin mit zitternder Stimme.
Lysander griff sein Schwert. „Wir dürfen nicht zulassen, dass er unsere Reise an seinen Meister verrät!"
„Das will er auch gar nicht. Er will unsere Reise hier enden lassen", erwiderte Zarix mit einem Blick auf den furchteinflößenden Kriegshammer des Schergen.
Lysander zog sein Schwert aus der Scheide. Er wusste, dass ein Kampf unvermeidbar war. Er musste sich dem Feind stellen. Er war bereit, für sein Leben und das von Zarix zu kämpfen.
Hier noch ein paar KI-erstellte Illustrationen zur Geschichte:
Zarix der alte Girin
Lysander
Feuergongoll
Kathedrale der Luren
Scherge Teydefinks
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