Die Reise (Science Fiction)
Er hatte sich immer gefragt, wie es wohl wäre, die Alpen zu sehen. Die majestätischen Gipfel, die schneebedeckten Hänge, die klare Luft. Er hatte sich vorgestellt, wie er durch die Landschaft wandern, die Aussicht genießen und die Ruhe spüren würde. Seine Erwartungen waren nicht zu hoch gewesen, seine Vorstellungen sogar recht präzise. Als er auf dem Gipfel stand und die kühle, saubere Bergluft in seine Lungen sog, wurde ihm bewusst, dass ihn dieser Ort in keinster Weise enttäuschte.
Er war allein unterwegs. Er wollte die Schönheit der Natur einfangen, ohne von anderen Menschen gestört zu werden. Er schaute sich um und war überwältigt von der Schönheit, die ihn umgab. Die Berge glitzerten wie Diamanten, der Himmel war blau wie ein See, der Schnee war weiß wie Wolle. Er sog die Magie dieses Anblicks regelrecht in sich auf. Er gab sich genügend Zeit dafür. Er verspürte keinerlei Hektik. Er wollte diesen Moment für immer festhalten und eine möglichst detaillierte Erinnerung für die Ewigkeit erschaffen. Einen Schatz von dem man immer zehren könnte.
Die Sonne schien noch hell, aber er spürte, wie die Temperatur sank. In seiner Faszination für die malerische Landschaft zu seinen Füßen bemerkte er jeodch nicht, wie sich die Wolken am Horizont zusammenzogen. Er bemerkte nicht, wie der Wind stärker wurde. Er bemerkte nicht, wie sich der Himmel verdunkelte. Er bemerkte erst, dass etwas nicht stimmte, als er ein lautes Donnern hörte. Er schaute nach oben und sah, wie ein gewaltiger Schneesturm auf ihn zukam. Er erschrak heftig und setzte sich in Bewegung. Er musste schnell Schutz finden, bevor er vom Sturm erfasst wurde.
Er rannte los, so schnell er konnte. Er wollte nicht, dass dieser wunderschöne Moment schon endete! Er rannte und rannte, aber er fand keinen Ausweg. Der Sturm war zu stark, er konnte kaum etwas sehen. Der Schnee peitschte ihm ins Gesicht, der Wind riss ihm fast die Kleider vom Leib, der Donner dröhnte in seinen Ohren. Er verlor völlig die Orientierung, er wusste nicht mehr, wo er war. Er rannte weiter, ohne wirklich zu wissen, wohin genau. Er stolperte über einen Stein und fiel hin. Er versuchte aufzustehen, aber er spürte, wie ihn etwas packte und wegzog. Er schrie, aber niemand hörte ihn. Er wurde durch die Luft gewirbelt, wie ein Blatt im Wind. Er sah nur noch Schnee, Schnee, Schnee.
Er wusste nicht, wie lange es dauerte, bis er wieder auf dem Boden aufschlug. Er spürte einen stechenden Schmerz in seinem Kopf, seinem Rücken, seinen Beinen. Für einen Moment bestand sein geamter Körper aus einem einzigen Schmerz. Er öffnete die Augen und sah nur noch Dunkelheit. Er hörte nur noch ein Rauschen, ein Knacken, ein Flüstern. Er roch nur noch Schimmel, Staub, Blut. Er war in einer kleinen Zelle gelandet, die nur äußerst spärlich von einer flackernden Leuchte erhellt wurde. Er war zurück in seinem fünf Quadratmeter großen Alptraum.
„Hast du nicht gehört? Du hast Besuch! Jemand von der Agency will dich sehen!" Der Wärter schrie ihn an, seine hässliche Fratze war verzerrt vor Zorn.
„Richten Sie aus, dass ich nicht kooperieren werde. Ich habe keinerlei Interesse."
„Dann sag ihr das doch ins Gesicht."
Der schmierige Wachmann in seiner abgenutzten Uniform machte Platz für eine schlanke Frau, die neben ihm vor den Gittern der Zelle auftauchte. Ihr makelloses Erscheinungsbild passte nicht an diesen Ort. Sie wirkte hier völlig fehl am Platz. Ihre blonden Haare waren zu einem strengen Dutt gebunden. Sie trug einen hellgrauen Blazer, auf dem ein Abzeichen glänzte. Agentin Level 3. Kein gewöhnlicher Gast.
„Mein Name ist Agent Sybill Mietra. Sie könnten mir eine besonders große Hilfe sein, Mister Blake. Ich bin extra aus dem Kapitol hierher geflogen, um Sie persönlich zu sprechen. Es wäre eine Schande, wenn meine beschwerliche Reise hierher vergeblich gewesen sein sollte! Ich bin sicher, dass ich Ihre Haftbedingungen deutlich verbessern könnte, wenn Sie bereit wären, mit mir zu kooperieren." Die Frau sprach mit einer kühlen, autoritären Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Sie musterte die dreckige Zelle mit Verachtung. Dieser verächtliche Blick in ihrem hübschen Gesicht war es, der Blake faszinierte. Sie musste aus einer Welt stammen, die in einem krassen Kontrast zu diesem Ort hier stehen musste. Sicher hatte ihre feine Nase noch nie etwas vergleichbares, wie diesen widerlichen Geruch, der hier herrschte, ertragen müssen. Auch die Risse in den Wänden, die Spinnweben in den Ecken, der Schimmel in den Fugen, der rostige Eimer, der als Toilette diente, die schäbige Decke, die als Bettzeug diente und die leere Schüssel mit den Essensresten mussten ein ungewohnter Anblick für sie sein. Blake konnte ihre Abscheu aus ihrer begrenzten Sichtweise aus durchaus verstehen.
„Wenn Sie zu mir kommen, dann nur weil meine Fähigkeiten für Sie von Wert sind", folgerte Blake als er sich von seiner schmalen Pritsche mit der von Ratten angeknabberten versifften Matratze erhob. Er war ein großer, hagerer Mann mit langen, grauen Haaren und einem eingefallenen Gesicht, das von einem wilden Bart teilweise verdeckt wurde. Seine Kleidung war zerissen und schmutzig, seine Haut war blass und vernarbt, seine Augen waren leer und stumpf. Er hatte schon lange aufgehört, sich um sein Aussehen zu kümmern. Er hatte schon vor Ewigkeiten damit aufgehört sich um irgendetwas zu kümmern. „Sie wissen also wer ich bin. Mit Sicherheit hat die Agency Akten über meine Person angelegt, die Sie wissbegierig verschlungen haben. Dann wissen Sie auch, dass mir mein Aufenthaltsort völlig egal ist. Für Sie mag diese dreckige, dunkle Zelle ein Graus sein, aber für mich hat dies keinerlei Relevanz! Ein winziges Verlies oder ein majestätischer Palast – das macht für mich keinen Unterschied! Ich kann jederzeit die wunderbarsten Orte besuchen, die ausgefeiltesten Architekturen bestaunen, oder die exotischten Tiere beobachten! Nach Belieben vermag ich es die Welt zu erkunden, ferne Länder und Kontinente zu besuchen, Berge und Ozeane zu überqueren, Sterne und Planeten zu berühren. Die Freiheit, die ich empfinde, werden Sie nie verstehen."
„Das mag sein. Aber ich brauche Sie und Ihre einzigartigen Fähigkeiten für die Ergreifung eines Kriminellen, der die öffentliche Sicherheit gefährdet. Wir haben keinen Anhaltspunkt, wo sich dieser aktuell aufhalten könnte. Sollte die Festnahme allerdings durch Ihre Mithilfe gelingen, wäre uns das einiges Wert. Ich bin in der Lage, selbst die sonderbarsten Forderungen zu erfüllen. Sagen Sie mir nur, was Sie begehren und ich werde sehen, was ich tun kann, um Ihnen das zu ermöglichen." Sybill Mietra sprach mit einer eindringlichen, überzeugenden Stimme, die keinen Zweifel ließ.
„Einen Wunsch hätte ich tatsächlich", sprach Blake mit einer leisen, geheimnisvollen Stimme.
Agent Mietra beugte sich näher zu den Gitterstäbe hin. „Ich bin ganz Ohr."
Hier noch ein paar KI-erstellte Illustrationen:
Blakes Ausflug in die Alpen
Blake in seiner Zelle
Agent Sybill Mietra
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