Krankenpflege - 1
Der Tag verging schnell. Generell rasten Wochenenden immer im Laufschritt vorbei, doch dieser Sonntag schien besonders kurz. Jane lag die ganze Zeit in ihrem Bett. Sie war kaum ansprechbar und schien halb Tod zu sein. Ich wiederum lass den restlichen Tag in der Küche mein Buch weiter und spielte ab und an Krankenpflegerin. Gerade wollte ich aufstehen um zu Abend zu kochen, da klopfte es an der Tür.
„Herein.", rief ich, beinahe fest überzeugt mich verhört zu haben und blickte, erstaunt als die mintgrüne Tür sich tatsächlich öffnete. Wer wollte mich bitte heute Abend besuchen? Erwartete Jane jemanden?
Vor der Tür stand ein gutaussehender Junge an die zwanzig Jahre. Jedoch trug er auf seinem Kopf eine lächerliche grüne Cappy, auf die eine riesige rote Paprika aufgedruckt war. Seit wann bitte besuchten uns dauerhaft junge gutaussehende Männer, jetzt einmal von der Kleidung abgesehen? In der Hand hielt er vier vollgepackte Tüten. Wie er es mit dieser Last geschafft hatte die Tür zu öffnen, war mir rätselhaft.
„Wie kann ich Ihnen helfen", fragte ich ihn freundlich.
„Ich habe eine Lieferung für Sie.", erklärte er und deutete mit vielsagenden Blick auf die Taschen.
„Ich habe nichts bestellt.", erwiderte ich mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen. Wieso kam mir diese Situation nur so bekannt vor?
„Nein Miss, Sie haben nichts bestellt. Ich sollte Ihnen dies jedoch vorbeibringen, außerdem wurde mir noch ein Paket mitgegeben."
„Ich verstehe. Ich nehme an ich muss nichts bezahlen selbst wenn es sich um einen Lieferfehler handelt?", fragte ich noch breiter grinsend nach.
„Selbstverständlich müssten Sie für die Ware nicht aufkommen, aber ich täusche mich ganz sicher nicht." Der Junge schien tatsächlich angesichts meiner Frage beleidigt zu sein.
„Ich verstehe.", antwortet ich und lächelte ihm entschuldigend zu, dann ging ich zur Tür, nahm ihm einzeln die schweren Taschen ab und stellte sie nacheinander auf den Tisch. Dabei schaffte ich es einen Blick auf den Inhalt der Tüten zu werfen und konnte Salat, Karotten, Kartoffeln und vieles mehr erkennen. Der Inhalt bestand aus Obst und Gemüse. Selbst ein paar Johannisbeeren, die verlockend wie geschliffene Rubine glänzten, konnte ich entdecken.
Dann reichte mir der Junge noch ein kleines Paket und verabschiedete sich elegant mit einer Verbeugung. Wieder wurde mir bewusst, dass wahrscheinlich allein dieser Lieferservice eine gute Stange Geld kosten musste.
Das Paket war verhältnismäßig klein höchstens so groß wie das Buch "Die Buddenbrooks". Diesmal stand mit eleganter tiefschwarzer Schrift, die mir sehr bekannt vorkam, mein Name auf der Außenseite. Ich öffnete es vorsichtig und staunte nicht schlecht als ein Brillenetui zum Vorschein kam, gemeinsam mit einer kurzen Notiz auf dicken weißen Papier, das durchzogen war von silbernen Rosenranken: „Damit du die Welt wieder klar sehen kannst" Stand dort mit derselben Schrift, wie schon auf der Außenseite des Pakets.
Zuerst stellte sich ein dümmliches Grinsen auf meinem Gesicht ein. Er hatte an mich gedacht, hatte sich sogar an die Brille erinnert und wollte mir einen Gefallen tun.
Sofort danach setzte mein schlechtes Gewissen ein. Brillen waren verdammt teuer, teurer als die wundervollen Rosen und das leckere Gemüse zusammen. Trotzdem konnte ich mich nicht daran hindern mich wie ein Kind unter dem hellerleuchteten Weihnachtsbaum zu freuen.
Vorsichtig öffnete ich das Brillenetui. Das Gestell war schwarz und recht schmal. Die Gläser waren eher rechteckig, doch die Ecken waren geschliffen worden, sodass sie eine ellipsenähnliche Form bekommen hatten.
Vorsichtig setzte ich die Brille auf. Zu meinem Erstaunen konnte ich mit ihr alles problemlos erkennen, ohne dass das Gestell irgendwo drückte oder es mir leicht schwindlig wurde. Woher zum Teufel kannte Damian meine genauen Daten? Ich konnte mich nur erinnern, dass ich ein oder zweimal erwähnt hatte, dass ich etwa drei Doktrin hatte, doch woher wusste er von der leichten Hornhaut Verkrümmung? Ob Jane es ihm wohl verraten hatte? Das glaubte ich nicht, doch ich würde sie vorsichtshalber morgen fragen.
Und wie kam er eigentlich auf die Idee uns Gemüse zu schicken? Das war doch nicht ein normales Geschenk wenn man...
Wenn man was?
Wenn man ein fester Freund war? Das sicherlich nicht...
Wenn man ein Kumpel war? Das wohl auch nicht...
Wenn man um jemanden warb? Ja, der altmodische Ausdruck passte irgendwie. Auf jeden Fall stand ich in seiner Schuld. Ich würde das irgendwie wieder gut machen müssen, doch jetzt musste ich mich zuerst um Jane kümmern. Das Gemüse würde ihr wirklich gut tun.
Ich bereitete ein einfaches Mahl aus gedunsteten Paprika, Pilzen, Kartoffeln und allem möglichen anderen nährreichen Sachen vor. Als ich Jane das Essen brachte, staunte diese nicht schlecht und als ich erzählte was Damian alles geschickt hatte, war sie der festen Überzeugung, dass mir nie jemand Besseres als er begegnet war. Ihrer Meinung nach sollte ich auf jeden Fall versuchen mich mit ihm anzufreunden. Er war angeblich so führsorglich und charmant. Vielleicht hatte sie in diesem Punkt ja wirklich recht...
Ich dachte an das Geschehen im Café zurück. Vielleicht gab es dafür ja eine gute Begründung...
Hatte er nicht die ganze Zeit aus dem Fenster gestarrt? Vielleicht wollte er sich vor jemanden verstecken...
Küssten Action Helden aus Filmen nicht auch öfters Personen, um sich zu tarnen oder etwas in der Art?
Angeblich achteten Menschen dann irgendwie nicht so genau auf die Personen, weil es ihnen unangenehm sei eine solche Handlung zu beobachten...
Oder vielleicht war ja draußen seine Ex gewesen und sie stalkte ihn und er wollte verdeutlichen, dass er jemanden anderen hatte...
Aber selbst dann hätte er mich ausgenutzt...
Obwohl mir die Sache mit solchen abenteuerlichen Begründungen bei weitem weniger schlimm erschien...
Wie schnell doch ein paar Geschenke den Zorn mildern konnten, besonders da ich mich dabei schuldig fühlte, denn ich konnte Damian nicht wirklich etwas bieten.
Ich seufzte tief, doch es verwandelte sich schnell zu einem großen Gähnen und erst jetzt wurde mir bewusst wie müde ich eigentlich war. Mein Körper brauchte immer mindestens acht Stunden Schlaf, sonst war ich am nächsten Tag auf jeden Fall müde und dann konnte es leicht passieren, dass dauerhaft Fehler und Missgeschicke meinen Weg kreuzten. Morgen musste ich wieder zur Arbeit, aus diesem Grund entschied ich mich noch einmal in Janes Zimmer zu linsen und dann selbst ins Bett zu gehen.
Als ich die Tür einen Spalt breitet öffnete erkannte ich, dass Jane sich zusammengerollt hatte und bereits tief und fest schief. Sie vergaß für eine kurze Nacht all die Sorgen und Hoffnungen in ihrer Brust und wandelte durch das Land der Träume, der Mädchen und Legenden.
Am nächsten Morgen stand ich bereits sehr früh auf. Ich richtet ein gutes Frühstück mit den neuen Zutaten her und brachte es an Janes Bett.
„Morgen, wie geht es dir heute?", fragte ich sie vorsichtig, während ich sie sanft weckte.
„Naja.", krächzte sie.
„Ich muss heute unbedingt zur Uni. Ich gehe kurz bei deiner Ausbildungsstelle vorbei und sag, dass du heute krank bist. Ist das in Ordnung?"
Jane nickte schwach. Sie war scheinbar nur halb anwesend. Auch das Frühstück, das ich ihr reichte, konnte nicht ihre Lebensgeister wecken, obwohl sie sonst nie gutes Essen verschmähte. Ich machte mir wirkliche Sorgen um sie. „Bleib heute im Bett.", befahl ich also.
Ich dachte sie würde mir sofort zustimmen, doch sie sagte nichts.
Einen kleinen Seufzer konnte ich angesichts dieser Regung nicht unterdrücken „Dir geht es nicht gut. Versuch deinen Körper wenigstens ein bisschen Ruhe zu gönnen.", redete ich weiter auf sie ein, um sie zur Vernunft zu bringen.
Das einzige was ich als Antwort bekam war ein zaghaftes Nicken.
Erneut seufzte ich und wandte mich dann zur schwarzen Tür um. „Ich muss dann los. Wahrscheinlich muss ich gleich nach der Uni zu meinen Teilzeitjob gehen und komme erst am Abend wieder zurück. Ist das okay für dich?"
„Klar.", erklärte sie mit kratziger Stimme. Dabeischien es mir fast so als ob sie froh war, dass ich so lange weg sein würde.Ich hatte keine Ahnung was sie vorhatte, doch sicherlich war es nichts Gutes.
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