Hüte dich vor der Finsternis - 2

Heute gibt es ein etwas längeres Kapitel, da es für zwei Teile nicht ausgereicht hätte. Ich wünsche euch viel Spaß ;)


Auf einmal lachte Damian. Er streichelte mir über den Kopf und die ernste, fast schon feierliche Stimmung war gebrochen. „Dann ist es ja gut. Komm Kleine ich bringe dich jetzt wieder nach Hause."
„Ich bin nicht klein!", schimpfte ich empört.

Wieder mit diesem raubtierhaften Lächeln auf seinen Lippen, dass meinen Magen mit Schmetterlinge füllte und meine Knie weichkochte, erklärte er: „Im Gegensatz zu meiner Größe bist du winzig, fast ein Zwerg."

„Tja, ich bin stolze 1,65 m. Du bist einfach nur ein Halbriese, wenn du denkst ich sei ein Winzling. Dem kleinen Volk gehöre ich nämlich nicht an."

Er lachte schon wieder. Nahm er mich nicht ernst? „Komm das Taxi ist da."

Ich schaute ihn verwirrt an. „Wann hast du denn eins gerufen?"
Er zwinkerte mir zu. „Die meisten Leute um mich herum wissen, was ich von ihnen verlange und folgen dem ohne zu zögern. Du wirst den Grund dafür bald erfahren."

Okay, das war wirklich gruselig. Wollte er mich etwa zu seiner Dienerin oder etwas in der Art machen? Ernsthaft, dass konnte er vergessen!

Ich stieg vorne neben den Fahrer in das Taxi, dass tatsächlich bereits vorgefahren war und beachtet Damian nicht weiter, doch ich hatte das Gefühl als lache er stumm hinter mir, was mir erneut eine Gänsehaut über den Rücken jagen ließ. Ich kam mir vor wie ein gejagtes Reh.

Damian, besser gesagt der Taxifahrer, brachte mich direkt nach Hause. Damian brachte mich noch bis zur Tür und wartet geduldig bis ich die Schlüssel hervorgekramt hatte und in das Gebäude gegangen war, bevor er wieder in das Auto einstieg. Ich hatte den ganzen Abend nicht einen Cent ausgegeben und doch so viel genießen können, wovon ich sonst nur träumen konnte.

Als ich in unsere Wohnung trat, biss mich ein schlechtes Gefühl. Jane war nirgends zu sehen, stattdessen fand ich auf dem Esstisch eine kleine Notiz vor. „Ich bin unterwegs.", stand dort in Janes geschwungener Handschrift.

Wohin war sie gegangen? Auch wenn ich versuchte mein schlechtes Gefühl zu unterdrücken, machte ich mir bereits jetzt große Sorgen um sie. Sie hatte nicht gesagt, dass sie fortgehen wollte. Eigentlich hätte ich vermutet, dass sie sich heute Abend nach so langer Zeit wieder einmal ihren Bildern zuwenden würde oder dass sie für ihre Ausbildung lerne oder vielleicht auch dass ein Freund bei ihr saß und sie beide lachen würden, doch die Wohnung war bis auf den kleinen Zettel leer.

Besorgt machte ich mich bettfertig, doch ich konnte nicht einschlafen. Also schnappte ich mir ein Buch und lass am Küchentisch weiter Jane Austens „Stolz und Vorurteile".

Irgendwann musste ich wohl dabei eingeschlafen sein, denn ein Geräusch riss mich plötzlich aus dem Land der Träume. Mit gehetzten Blicken, schaute ich mich um und bemerkte, dass die mintgrüne Tür, die in der Dunkelheit grau wirkte, weit offen stand. Verwirrt blickte ich mich im Zimmer um. „Jane?", fragte ich vorsichtig und noch halb verschlafen.

Kein Laut durchbrach die Stille. Keine Antwort war zu hören. „Jane, bist du da?", fragte ich erneut. Wieder nichts außer Schweigen. Ich stand auf und trat auf etwas Weiches. Erschrocken fuhr ich zurück und blickte auf den Boden. Dort lag ein Körper, schlaf und leblos.

„Jane!" Sofort beugte ich mich zu ihr hinunter und drehte sie auf den Rücken. Ihre Brust hob und senkte sich schwach. Ich schnupperte, doch es war keine Spur von Alkohol an ihr zu riechen. Wieso war sie dann in Ohnmacht gefallen?!

„Jane!" Ich rüttelte ihren Körper, doch sie wachte nicht auf. Was sollte ich tun? Den Krankenwagen rufen? War es wirklich so schlimm? Verzweifelt raufte ich mir die Haare. Was tat man wenn seine beste Freundin bewusstlos auf den Boden lag? Mir fiel der Erste-Hilfe-Kurs aus meiner Schulzeit wieder ein und ich versuchte mich verzweifelt zu erinnern, wie die stabile Seitenlage funktionierte.

Auf einmal durchbrach ein Schnarchen die Stille. Verdattert blickte ich auf den Boden. Jane bewegte sich und drehte sich auf die Seite und schnarchte so laut auf, als sei sie eine Motorsäge. Mir fiel die Kinnklappe herunter. Jane schnarchte normalerweise nie! Und warum um alles in der Welt war sie sofort eingeschlafen als sie durch die Tür gestolpert war? Ich hatte keinerlei Alkoholgeruch oder etwas dergleichen wahrgenommen. Hatte man ihr etwa irgendwelche Schlafdrogen oder etwas in der Art untergejubelt!? Oh meine arme Jane!

Aber aus welchen Grund sie auch immer jetzt auf dem Boden lag, hier konnte sie nicht schlafen. Ich packte sie unter den Armen und schleifte sie in ihr Zimmer, um sie zu tragen fehlte mir leider die Kraft. Das hochwuchten von Jane, sodass sie in ihrem Bett lag, war noch schlimmer. Wahrscheinlich würde sie am nächsten Morgen einige blaue Flecken und ich einen unglaublichen Muskelkater haben, doch was mich beunruhigte war, dass sie kein einziges Mal aufwachte, obwohl ich sie doch ständig ausversehen gegen ihr Bett stieß. Das war wirklich nicht mehr normal! Ich musste unbedingt morgen mit ihr sprechen.

Als ich mir sicher war, dass Jane gut aufgehoben in ihrem Bett lag und die Wohnungstür fest verschlossen war, ging ich endlich todmüde selbst Schlafen. Draußen zeigten sich am dunkelgrauen Himmel bereits die ersten schwachen Strahlen der roten Morgensonne. Das würde eine sehr kurze Nacht werden.

Ich wachte ruckartig auf und wusste sofort, dass ich verschlafen hatte. Das Gefühl glich einer eiskalten Dusche, doch es ließ sich nun mal nicht mehr ändern. Mit einem Blick auf mein uraltes Smartphone stellte ich erstaunt fest wie stark ich wirklich verschlafen hatte. Es war bereits 11.55 Uhr und ich hätte um sieben aufstehen sollen um zu lernen.

Auf einmal hörte ich ein Klappern aus der Küche kommen. Sofort stürzte ich aus dem Zimmer heraus um die Ursache für diesen seltsamen Lärm zu finden. Jane stand verdutzt im Gemeinschaftsraum. Ihr waren mehrere Becher und ein bisschen Plastikgeschirr aus dem Küchenschrank gefallen, doch sie schien das Geschehene nicht wirklich zu realisieren, sondern starrte Löcher in die Luft und wirkte wie ein verschlafener Zombie. Ihre Haut war leichenblass, die Lippen hatten kaum noch ein Hauch von Rot in sich und waren spröde und aufgeplatzt. Fast alle Fingernägel waren abgebrochen und die schwarzen Ringe unter ihren rotgeränderten Augen schienen sich bis zur Nasenspitze ziehen zu wollen. In diesem Moment entdeckte sie mich und jammerte: „Kate!"

„Was ist denn los?" Besorgt von der quengelnden Stimme und ihrem Aussehen eilte ich zu Jane.

„Mir geht es furchtbar. Ich bin so müde!" Ich brauchte keinen weiteren Blick auf sie zu werfen um zu wissen, dass sie nicht nur müde war. Ich war vielleicht müde und ich sah wahrscheinlich auch schlimm aus, aber ich glich einem Zombie nicht aufs Haar. Da musste schon etwas Schlimmeres kommen als ein bisschen Schlafmangel, damit Jane so aussah.

„Leg dich wieder hin. Ich glaube du wirst krank. Heute ist Sonntag, da musst du nicht zur Ausbildung." Jane nickte und schlürfte wieder zurück in ihr Zimmer.

Ich hob die Sachen auf, die auf den Boden gefallen waren und räumte sie rasch wieder in den Küchenschrank ein. Einen blauen Plastikbecher ließ ich draußen und füllte ihn mit eiskalten Leitungswasser voll. Dann ging ich durch die schwarze Tür in Janes Zimmer. Sie lag auf ihrem Bett und stöhnte kläglich.

„Hey. Ich bring dir einen Becher Wasser.", sagte ich sanft.

„Danke.", krächzte sie.

„Das wolltest du doch in der Küche, oder?"

Sie nickte bloß und stürzte den Inhalt des Bechers in wenigen Schlucken hinunter.

„Du hast aber einen Durst.", entfuhr es mir erstaunt bei diesem Anblick.

Sie nickte kläglich wie ein halb verdursteter Hundewelpe, der um einen Schluck Wasser bettelte. Sofort ging ich wieder in die Küche und füllte den Becher und einen weiteren auf. Jane trank beide leer, doch nach dem dritten schien sie sich ein bisschen besser zu fühlen.

„Was ist gestern Abend passiert?", fragte ich sie besorgt.

„Was meinst du?", erwiderte sie betont unschuldig und wich meinem Blick aus.

„Du bist sofort zusammengeklappt, als du die Wohnung betreten hattest. Das ist nicht normal Jane! Wo warst du?"

Sie schluckte und ihr Blick wurde verzweifelt, doch sie brachte keinen Ton hervor.

„Jane! Du musst es mir sagen, damit ich dir helfen kann!", meine Stimme klang flehentlich und vollkommen verzweifelt.

„Kate! Ich bin alt genug um meine eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln.", wies mich meine Freundin wütend zurecht.

„Ich weiß, dass du alt genug bist, aber ich bin deine beste Freundin! Ich muss dir doch helfen."

„Ich brauch deine Hilfe nicht! Ich bin doch keine Fünfjährige mehr."

Langsam war ich nicht nur besorgt, sondern auch verärgert. „Jane! Klar bist du keine Fünfjährige, aber sag mir doch was passiert ist! Ich habe dich ins Bett schleifen müssen!"

„Ach daher kommen die ganzen blauen Flecken! Wolltest du mich etwa halb totschlagen als du mich ins Bett gehoben hast!?" Jane klang so trotzig wie ein Kindergartenkind, doch in ihren Augen lag etwas Verletzliches und Trauriges.

„Ich wollte dir doch nur helfen! Du weißt genau, dass ich eine Niete im Sport bin!" Mir kamen beinahe die Tränen hoch. Ich machte mir solche Sorgen um Jane. Sie war seit wir uns kannten immer für mich da gewesen und sie jetzt so zu sehen, zerriss mir das Herz.

Jane spürte meinen Schmerz und fuhr leise fort: „Ich weiß. Tut mir leid. Aber du kannst mir wirklich nicht helfen. Ich muss das alleine erledigen. Ich möchte dich da nicht mit hinein ziehen." Ihre Worte klangen endgültig.

„Jane! Bitte lass es mich wenigstens versuchen.", meine Stimme klang nun halb gebrochen.

„Nein. Du kannst mir diesmal nicht helfen." Sie war nun vollkommen ruhig geworden.

In ihren Augen lag eine harte Entschlossenheit, gegen die ich kaum ankommen würde, doch ich startete einen letzten verzweifelten Versuch: „Geht es um Alex?"

Schweigen.

Es ging um ihn! Ich wusste es. Ich wollte schon erneut ansetzen, da bat Jane: „Misch dich bitte nicht ein. Bitte, wenn dir irgendwas an unserer Freundschaft bedeutet, dann misch dich einmal nicht ein." Sie klang verzweifelt, flehte mich fast an.

Mir stiegen Tränen in die Augen und eine unglaubliche Wut kochte in mir hoch. Wieso!? Wieso, verdammt nochmal durfte ich ihr nicht helfen!? Sie war die einzige Person auf dieser gottverlassenen Erde, die mir wirklich nahe stand! Wir waren gemeinsam durch dick und dünn gegangen und hatten all das hier gemeinsam aufgebaut, durch all die Schwierigkeiten und nun...

„Argh!", rief ich auf, schnappte mir die leeren Becher und rannte aus dem Zimmer. Ich fühlte mich verraten. Schlimmer noch ich fühlte mich als ob ich Jane verriet. Wütend biss ich mir auf die Lippe und stampfte mit dem Fuß auf wie ein trotziges Kind. Die Becher schmiss ich in die Spüle. Ein dumpfes Klappern erfüllte den Raum, als sie hart dort landeten. Ich setzte mich auf einen der roten Stühle und vergrub mein Gesicht in den Händen. Was sollte ich nun tun? Was in Gottes Namen sollte ich tun? Janes verzweifeltes Flehen hallte in meinen Kopf wieder.

„Verdammt!", schrie ich vollkommen verzweifelt aus. Wieso, verdammt nochmal, wieso! Ich würde doch alles für sie tun, dass wusste sie doch. Wieso verlangte sie also das einzige, was ich nicht tun würde?! Wie konnte sie verlangen, dass ich daneben stand, während sie allein erneut den Berghang zur Hölle hinunterstieg? Wieso!?

Ich biss mir auf die Lippen. Sie war meine beste Freundin! Ich musste ihr vertrauen wie sie es auch für mich getan hätte. Ich würde ihr eine gewisse Zeit geben um alleine ihre Welt wieder zu ordnen, doch wenn es zu weit gehen würde, würde ich einschreiten, auch wenn unsere Freundschaft auf dem Spiel stand. Janes Leben war wichtiger als unsere Freundschaft, doch vielleicht brauchte sie wirklich eine Auszeit, eine kurze Zeit für sich wie ich es damals auch gebraucht hatte. Ich nickte. Ich würde ihr eine wenig Zeit geben. Nicht zu lang, vielleicht zwei, nein eine Woche und dann würde ich weiter sehen.

Aus den Chroniken der Tagwandler - Ein Bericht eines späteren Ratsmitgliedes:

Einer meiner Freunde empfindet wie ich. Auch er will die Menschen schützen. Wahrscheinlich liegt dies an der Person in die er sich verliebt hat. Gestern hat er mir in einem Brief mitgeteilt, dass er in einem Anflug von Blutgier von seiner Partnerin getrunken hat. Sie ist nicht daran gestorben, auch der Biss scheint keinerlei Nebenwirkungen zu haben, obwohl man dies noch genauer beobachten sollte. Die einzige sich zeigende Nebenwirkung ist eine einsetzende Schwächung des Menschen. Dies liegt jedoch nur an dem Blutmangel wie bei einer normalen Verletzung auch und ist in diesem Fall bei einer ausgewogenen Ernährung nicht gefährlich, da keine offenen Wunden wie bei einer Schwertverletzung vorliegen. Vielleicht ist diese noch ungewöhnliche Art von Ernährung eine Lösung für unsere Art nicht mehr als stetige Mörder zu existieren.


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