Das Ende - der zweite Weg
‚Nein', will ich rufen, ‚Bleib bei mir Kate!' Doch kein Ton kommt über meine Lippen. Die Schwärze erdrückt mich, lässt die Bilder von ihrem ängstlichen Gesicht immer wieder in meine Gedanken rufen.
Und dann.
Weiß.
Was?
Ich öffne meine Augen.
Wieder befinde ich mich in den weißen, endlosen Raum. Die drei Spiegel vor mir und am Boden die blasse Gestalt von Kate.
„Kate.", flüstere ich und eine Träne findet ihren Weg nach oben. Sie ist noch bei mir, sie ist noch da. Ein Lächeln legt sich auf meine Lippen. Es war nur ein Weg, für den ich mich entscheiden kann. Es gibt noch zwei weitere. Ich muss sie nicht verlieren.
Schwer atmend stelle ich mich vor dem Spiegel des anderen Ichs. Wie damals sehe ich mich selbst, zumindest glaube ich es. Braune Haare stehen mir in alle Richtungen ab, blaue Augen, die nicht von schwärze umgeben sind, starren mich an und Haut, die nicht von Narben und Bleiche gezeichnet sind spiegelt sich mir wieder. Doch ich habe nur Augen, für das Mädchen, welches hinter mir steht. Kate. Mit ihren Rehbraunen Augen. Und sie lächelt mich an.
Wie wäre mein Leben wohl verlaufen, wäre ich nicht zu einer Creepypasta geworden?
Langsam tut sich mir wieder die Schwärze auf. Heute wird mir die schon so lang gestellte Frage beantwortet.
Heute.
Von dem klingeln eines Weckers werde ich geweckt. Meine Augen schlage ich auf und ich sitze kerzengerade in meinem Bett.
Es war alles nur ein Traum. Denke ich einen Moment, bis ich auf meine Hände blicke und sie nicht vernarbt oder gar weiß sind. Panisch springe ich auf und stelle mich vor einen Spiegel, in dem mir fremden Zimmer.
Braunes Haar, normale Haut, kein eingeritztes Lächeln. Ich zwinkere meinen Spiegelbild zu und bin erstaunt. Es fühlt sich ... merkwürdig an.
Schließlich hatte ich auch nie eine Erinnerung daran.
Langsam betrachte ich meine Umgebung. Nein, das Zimmer kenne ich wirklich nicht. Es ist nicht mein altes, welches langsam in meinen Erinnerungen hervor kommt.
Meine Erinnerungen von meinem alten Leben kehren wieder ...
Einige Umzugskartons befinden sich in dem Raum. Es scheint, als müssen wir umgezogen sein ...
Nervöse verlasse ich den Raum, gehe in die Richtung, aus der ich Stimmen wahrnehme. Es ist die Küche, auf die ich zusteuere.
„Mum.", flüstere ich, als ich eine große, braun gelockte Frau am Herd stehen sehe.
Das ist meine Mutter. Alles fällt mir wieder ein. Es ist nicht die Mutter, an die ich mich in der Creepypasta Welt erinnert habe, sondern meine leibliche. Meine Wahrhaftige.
„Du bist schon wach. Das ist gut. Heute hast du ja deinen ersten Tag an der neuen Schule.", aufmunternd lächelt sie mir zu.
Hast du Kate gesehen? Will ich sie fragen, aber es ist dumm. Woher sollte sie sie kennen? Außerdem ... Wenn ich nie zu Jeff the Killer wurde, dann werde ich niemals Kate treffen. Und Kate wird niemals in Schwierigkeiten wegen mir geraten ...
Wut überfällt mich.
Ich werde sie niemals treffen.
Das ist sicher kein Weg, den ich wählen werde!
Ich warte darauf, dass ich wieder zu den drei Spiegeln gezogen werde, aber es passiert nichts. Was soll ich denn noch hier, wenn ich weiß, dass dieser Weg mir nichts bringen wird?
Ich will den dritten Weg sehen, vielleicht gibt der mir ja eine Möglichkeit, wie ich mit ihr zusammen sein kann.
Aber ... nichts. Es passiert rein gar nichts.
„Du solltest dich jetzt fertig machen, damit du nicht zu spät kommst."
Meine Mutter fährt mich, sowie auch meinen Bruder und meine Schwester zur Schule. Einen Bruder und eine Schwester. Jeden von uns Kindern zwingt sie einen Kuss auf die Wange, bevor wir den Wagen verlassen können. Ich weiß nicht wie ich mich fühlen soll, denn eine Gefühlte Ewigkeit war ich von meiner wirklichen Familie getrennt.
Meine Geschwister betreten schon das Gebäude, sie wollen sich noch im Sekretariat vor dem Unterricht ihre Stundenpläne abholen. Mir ist das recht egal, wann ich den erfahre. Alles was mich Momentan interessiert ist Kate und wie ihr Leben Momentan wohl aussieht. Ohne mich. Ohne Ben, Jack, Jack, Sally, Slender, Red, -
Meinen Gedanken hinterher hängend, schweift mein Blick über den Schulhof. Es ist Sommer, der erste Schultag nach den Ferien. Wie alt bin ich eigentlich? In welche Klasse gehe ich nun?
Dann.
Ein Herzschlag.
Ein Aussetzer.
Aber da pocht es schon wieder.
„Kate.", flüstere ich. Meine Augen verharren auf das zierliche blonde Mädchen mit den langen Haaren. Ich sehe sie im Profil, sehe sie lachen, ihren Blick dann aber schmerzend verziehen. Sie redet und erst da erblicke ich die Person, mit der sie redet.
Jason.
Er scheint wütend zu sein, er tritt näher auf sie zu und sie weicht einen Schritt zurück.
Aus Reflex trete ich näher heran, aber bevor ich eingreifen kann, verschwindet er auch schon. Nachdenklich und traurig blickt sie ihm hinterher.
„Ist alles okay bei dir?", spreche ich sie an.
Mit ihren großen, Rehbraunen Augen schaut sie überrascht auf. „Ja.", sie lächelt, „Ich fürchte nur, mit ihm nicht." Mit ihrem Kopf zuckt sie in die Richtung von Jason.
„Okay." Meine Handflächen jucken, ich weiß nicht, was ich sagen soll.
„Bist du neu hier?", übernimmt sie für mich einen Gesprächsanfang.
„Ja. Merkt man mir es so sehr an?" Ein verzeifeltes Lachen kommt über meine Lippen.
Sie lächelt. „Nein. Ich hätte dich sicherlich dann nur schon bemerkt gehabt. Ich welche Klasse gehst du?" Neugierig legt sie ihren Kopf schief. Den Konflikt mit Jason scheint sie ganz vergessen zu haben.
„Abschlussklasse.", kommt mir wie Selbstverständlich über die Lippen. Ich weiß es, ohne es wirklich zu wissen. Verrückt.
„Ein Jahrgang also über mir.", sie streckt mir ihre Hand entgegen. „Kate."
„Jeffrey."
Sie lacht. „Dein Nachnahme ist zufällig nicht Woods?"
„Nein. Meiner lautet Thomsen." Auch ich lache. „Bist du etwa ein Creepypasta Fan?" Meine Augenbrauen ziehe ich nach oben.
„Ja." Ihre Wangen röten sich ein wenig. „Ein kleines ... ach was ... schon ziemlich Doll. Du auch?"
„Natürlich. Besonders von Jeff the Killer." Ich will unbedingt sehen, wie sie reagiert.
„Ah ... inzwischen bin ich mehr Ben Drowned Fan." Nachdenklich verzieht sie ihr Gesicht.
„Nicht dein Ernst." Wenn sie wüsste, wie oft sie ihn nach einen seiner Anmachsprüche schon eine reinhauen wollte ...
„Er ist doch ganz niedlich."
„Ja ... niedlich." Wenn dass das neue Wort für Perversling ist, okay. „Was war eigentlich mit dem Typen los?"
Ihr Blick senkt sich ein wenig. „Ich habe mit ihm Schluss gemacht. Schon vor den Sommerferien, aber da er dann verreist ist, konnten wir nicht wirklich darüber reden. Deswegen bin ich jetzt schon, trotz meiner Freistunde hier an der Schule."
Schluss gemacht?
Die Schulglocke ertönt.
„Oh.", kommt es von ihr. „Ich habe dich ganz aufgehalten. Ich werde dich jetzt -" Sie macht sich bereit zum Gehen.
„Halt warte!", stoppe ich sie. „Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich dir in deiner Freistunde Gesellschaft leiste?", zaghaft lächle ich.
Freudig nickt sie mir zu.
Bevor ich in die Finsternis der Spiegel gezogen werde, kann ich mich noch etwas mit Kate unterhalten. Es ist schön, so ganz ohne Streit und den zwei Welten, die zwischen uns stehen. Ich erfahre von ihr die Geschichte mit Jason, wie sie Halloween letztes Jahres, also das Jahr, welches wir eigentlich gemeinsam verbracht hatten, zusammen gekommen sind, aber schon mehrmals Gespräche miteinander hatten, das wirkliche Gefühle nicht im Spiel sind. Dass sie sich schließlich deswegen von ihm trennte, hat sein Ego einfach nicht verkraftet. Außerdem diskutierten wir weiter über Creepypastas und sie gestand mir, dass sie einige Männliche Creepypastas als Frauen gezeichnet hatte. So zeigte sie mir Ben im Rosa Tütü, Eyeless Jack im Prinzessinnen Kleid und Slender im Bikini. Als sie ihre Jacke im Cafe auszog, indem wir uns reinsetzten, fiel mir ein Muttermal an ihrer Schulter auf, welches ich noch nicht kannte.
Es war ein J.
Genau an der Stelle, an der wir ihr am ihrem Geburtstag das Brandmal versetzt haben.
Es brachte mich zum Schmunzeln. Auch noch, als der Moment so abrupt beendet wurde und ich wieder vor den drei Spiegeln stehe.
Der 1 Weg den ich wählen kann, bedeutet, dass ich Kate und meine Freunde immer um mich haben kann, nur das Kate und ich gemeinsam nicht besonders glücklich sind ... Sie ist von ihrer Familie getrennt und ich ... weiß nicht, ob es zwischen uns wieder etwas wird. Schließlich wurde mir nur ein Moment gezeigt.
Der 2 Weg sieht so aus, als könnten Kate und ich gemeinsam glücklich sein. Aber es war auch nur ein Moment den ich erlebt habe und ... meine ganzen Freunde sind nicht mehr bei mir ...
Aber es bleibt ja noch der 3 Weg.
Vorletztes Kapitel o.o
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