Traum oder Wirklichkeit?°
Harry stand regungslos auf der Aussichtsplattform, die rund um den Astronomieturm führte und ließ seinen Blick über die Ländereien von Hogwarts schweifen.
Die Sonne ging gerade unter und der Junge der lebt spürte die letzten warmen Strahlen in seinem Gesicht. Er schloss die Augen, zog die reine Luft tief durch die Nase in seine Lungen und ließ sie auf dem gleichen Weg wieder langsam entweichen ... genoss einfach den Moment.
Die Zeit, in der er nichts fühlen musste, keine Entscheidungen treffen musste, über nichts nachdenken musste und vor allem, gegen nichts und niemanden kämpfen musste.
Er stand alleine an seinem Lieblingsplatz. An dem Ort, der ihm in seinem ganzen bisherigen Leben das einzige wirkliche zu Hause war, das er kannte und so liebte. Und das trotz allem, was ihm auch hier schon widerfahren war.
Am liebsten würde er einfach hier stehen bleiben. Nichts zu fühlen war seit langem das beste was ihm passierte, denn normalerweise bestanden seine Gefühle aus Schmerz und Trauer.
Da war das hier zu wohltuend, um auch nur einen Versuch zu unternehmen, um es zu beenden. Als er ganz unerwartet leise Schritte hinter sich hörte.
Harry drehte langsam seinen Kopf in die Richtung, aus der er die Schritte vermutete und zog überrascht die Augenbrauen nach oben, als er in ein so strahlend blaues Augenpaar sah, welches ihn sofort an einen Gletscher erinnerte.
Harry blinzelte ein paarmal verwirrt.
Ein paar Armlängen von ihm entfernt stand ein großer, gut gebauter Mann mit kurzen schwarzen Haaren. Sein definierter Körper steckte in einer anthrazitfarbenen Stoffhose und einem eng anliegenden hellgrauen Hemd, welches seinen bemerkenswerten Oberkörper perfekt zur Geltung brachte.
Seine Hände hatte er in den Hosentaschen und betrachtete ihn einfach nur mit diesen bezaubernden Augen.
Harry hatte es regelrecht die Sprache verschlagen. Er brachte nichts weiter zustande, wie den Fremden mit großen Augen schlicht anzustarren.
Bis dieser nach einer gefühlten Ewigkeit schmunzelte und Harry verlegen den Blick abwandte, als er dies bemerkte.
Wann hatte er angefangen sein eigenes Geschlecht auf diese Art anziehend zu finden?!
„Tut mir leid ...“, nuschelte der Junge leise, riss seinen Blick los und sah wieder hinaus auf die Ländereien.
„Für was entschuldigst du dich Harry?“
Der Mann sah den Jüngeren erstaunt an und dieser lugte ebenso überrascht wieder zu dem Fremden, „... sie wissen wie ich heiße? Und ... nun ja ... es ist ausgesprochen unhöflich jemanden derart anzustarren. Aus diesem Grund meine Entschuldigung.“
„Hmmm ...“, der Schwarzhaarige grinste erneut und trat neben den Jüngeren.
„Eine phantastische Aussicht hat man von hier oben ...“, der Mann betrachtete den anderen aus den Augenwinkeln, bevor er seinen Blick ebenfalls wieder nach vorne richtete.
„Das ist wahr. Das hier war einer meiner Lieblingsplätze während der Schulzeit und wenn ich etwas Zeit für mich brauchte, kam ich hier hoch. Wenn ich recht darüber nachdenke, war ich oft hier oben“, nun warf Harry wieder einen direkten Blick auf den Mann, „... bin ich tot? Und wer sind sie überhaupt?
Ich hatte gehofft, etwas alleine zu sein. Obwohl ich gestehen muss, dass ich nicht sagen kann, wie ich hierher gelangt bin.“
„Ich war lange nicht mehr hier oben. Weißt du Harry, ich war wie du mal ein Schüler Hogwarts ... und nein ... du bist nicht tot. Wir befinden uns derzeit in einem deiner Träume. Dein Unterbewusstsein hat dich hierher gebracht, weil du dich hier wohlfühlst.“
Der Auserwählte schluckte und sah wieder Richtung See. Der ältere rundzelte leicht die Stirn und sah Harry schweigend an, „... was ist?“
„Es wäre mir lieber, wenn der nette Fremde mir bestätigt hätte, dass ich tot bin, und für immer hier an diesem Platz stehen bleiben könnte.
Der eine Ort, an welchem ich mich wohlfühle. Sie haben mir immer noch nicht ihren Namen verraten Mister.“
„Tom. Du kannst mich Tom nennen.“
Tom warf dem Jüngeren ein kleines Lächeln zu, bevor er wieder etwas ernster ergänzte, „... möchtest du reden Harry?“
„Ich glaube nicht, dass ich im Moment über meine Probleme reden will. Bitte entschuldige Tom, aber ich genieße diese Zeit hier, in welcher ich mich nicht mit diesen auseinandersetzen muss! Mal abgesehen davon, kann ich mir gerade eh nicht erklären, wie es eine mir völlig fremde Person in meinen Traum schafft.“
Harry warf dem Älteren einen entschuldigenden Blick zu und Tom lachte ein leises, aber ehrliches Lachen, „... ich bin ein ausgezeichneter Zuhörer. Womöglich sollst du die Möglichkeit bekommen, dich ungezwungen mit jemand über alles unterhalten zu können. An einem Ort, an dem du dich wohlfühlst und dir nichts passieren kann.
Aber ich sollte jetzt besser wieder gehen und dich die Ruhe und die traumhafte Aussicht genießen lassen.“
Tom drehte sich um und lief langsam mit geschmeidigen Schritten zurück zur Tür.
Dort angekommen blieb er stehen, wandte sich zu Harry um und sah ihn noch einmal mit diesen saphirblauen Augen an, „... vielleicht möchtest du dich ja das nächste Mal mit mir unterhalten Harry. Ich würde dir gerne helfen. Auch wenn ich dir hier nur ein Zuhörer sein kann.“
Der 16-Jährige runzelte die Stirn und schwieg ein paar Sekunden, „... ‚das nächste Mal‘?“
Tom lachte wieder leise. Während er sich umdrehte, meinte er nur, „... ja. Ich habe das Gefühl, dass wir uns auf jeden Fall nochmal begegnen. Auf Wiedersehen Harry Potter.“
Damit war der fremde Mann durch die Tür verschwunden und ließ einen verwirrten Grünäugigen zurück.
Tom Riddle saß auf einem der Sessel neben dem Gästebett, auf dem der junge Gryffindor seit zwei Tagen lag und in seiner Traumwelt verweilte.
Rabastan hatte ihn sofort gerufen, nachdem er den Jungen hier in das Zimmer gebracht hatte, und natürlich hatte er alles stehen und liegen gelassen und war zurück ins Malfoy Manor gereist.
Sein treuester Freund hatte ihm daraufhin alle Vorkommnisse bis ins kleinste Detail geschildert. Und nun hatte er zum ersten Mal, nachdem sie den Traumlos-Trank abgesetzt hatten den Versuch gewagt, den Jüngeren in seinem Geist aufzusuchen.
Denn nach zwei Tagen war der Schwarzhaarige kein einziges Mal erwacht, und das obwohl weder Tränke noch Zauber ihn daran hinderten.
Tom lehnte sich in dem bequemen Sessel zurück, stützte seine Ellenbogen auf den Lehnen ab und betrachtete seinen möglichen Gefährten nachdenklich und ja, auch etwas besorgt. Bis es leise an der Tür klopfte, „... herein.“
Rabastan betrat das Gästezimmer, schloss wieder leise die Tür hinter sich und lief mit geschmeidigen Schritten zu der kleinen Bar an der Wand, um sich und seinem Lord ein Glas Cognac einzuschenken.
Im Anschluss trat er neben den Sessel und reichte Tom eines der Gläser, der dieses dankend annahm und sofort an die Lippen setzte.
„Ich war vorhin schon mal hier, aber da hat mir keiner geantwortet. Wie geht es ihm und warum wacht er nicht auf?“
Der dunkle Lord trank einen etwas größeren Schluck des bernsteinfarbenen Wässerchens, bevor er antwortete, „... er ist in Hogwarts, steht auf der Plattform des höchsten Turmes und genießt den Moment, in dem er einfach frei sein kann, während er sich den Sonnenuntergang ansieht. Keine Schmerzen. Keine Trauer. Kein Leid, welches ihn plagt. Niemand, der ihm befiehlt oder Schaden zufügt. Er wird nicht aufwachen. Er ist noch nicht bereit dazu. Er, seine Seele, braucht diese Art der Erholung, um nicht an all dem zu zerbrechen. Wir sollten ihm unbedingt weiterhin die Tränke gegen die Schmerzen geben, ebenso wie die Nährtränke. Damit sich seine Traumwelt nicht in einen für ihn negativen Ort verwandelt.“
Rabastan nickte und nahm seinerseits einen Schluck, „... er hat dich nicht erkannt?“
Tom sah aus dem Augenwinkel kurz zu seinem Gefolgsmann und atmete einmal tief durch, „ nein. Er wollte meinen Namen wissen und ich habe ihm angeboten, dass er mich Tom nennen kann. Seiner positiven Reaktion nach zu urteilen hat er noch nicht die richtigen Schlüsse gezogen. Vielleicht ist es ihm aber auch einfach egal.“
Rabastan runzelte die Stirn und sah zu seinem Herrn, „... was meinst du damit?“
„Er ist dabei aufzugeben Rabastan. Er hat mich gefragt, ob er tot ist, und war regelrecht enttäuscht, wie ich dies verneint habe.
Er hat im Moment keinen Grund, um sein Leben zu kämpfen. Ich hoffe, ich kann das Ändern und davon überzeugen, dass ihn nichts Negatives erwartet wenn er sich erlaubt aufzuwachen.“
„Ich hoffe, du schaffst es ... um eurer beider Willen ...“
Tom’s Kopf flog ruckartig zur Seite und er betrachtete seinen Freund mit hochgezogenen Augenbrauen, doch dieser sagte nichts weiter dazu und wechselte nach ein paar Sekunden der Stille das Thema, „... gehst du wieder zurück und suchst ihn erneut?“
Der Riddle schmunzelte auf diesen Themenwechsel hin, schüttelte kaum sichtbar den Kopf und stand auf. „Nein. Nicht mehr heute. Er genießt im Moment die Ruhe und Einsamkeit. Ich werde mich einige Zeit in meine Bibliothek zurückziehen bevor ich mich schlafen lege.“
Damit verließ der dunkle Lord das Schlafzimmer.
„Oh. Heute der See ...?“
Tom blieb schmunzelnd neben Harry stehen, der auf einer Bank saß und auf das Wasser vor sich betrachtete.
Der Junge runzelte die Stirn und sah zu der Person neben sich, „... Tom? Was tun sie denn hier?“
„Ich habe doch gesagt, wir sehen uns wieder. Ist es für dich in Ordnung, wenn ich mich setze?“
„In meinem Traum kannst du mir doch nichts anhaben, oder?“, fragte Harry leise.
Jetzt war es Tom, der den Kleineren fragend ansah, „... wie kommst du darauf, dass ich dich verletze?!“
Harry schnaubte, wandte den Blick ab und sah wieder nach vorne.
„Ich bin nicht dämlich ... Tom ... ich hatte außerdem genug Zeit, um mir Gedanken zu machen. Es ist schon ein seltsamer Zufall, dass ausgerechnet Todesser in dem Gebäude erscheinen, in dem ich mich befinde. Und infolgedessen ein Mann namens Tom in meinem Traum auftaucht und sich mit mir unterhält, als wäre es das Normalste auf der Welt. Allerdings frage ich mich, was das hier soll ...“, Harry gestikulierte in Tom’s Richtung, was diesen wieder schmunzeln ließ, „... und warum ich anscheinend noch nicht von dir umgebracht wurde. Ist es dir zu unspektakulär, wenn ich bewusstlos bin?! Mein Körper liegt mit Sicherheit auf einer unbequemen Pritsche, die in einem dreckigen Kellerverlies steht, und du wartest nur darauf, dass ich aufwache, um mich vor deinen Anhängern zu foltern.
Ich habe keine Lust, von einer Hölle in die nächste zu gelangen!“
Der Riddle seufzte leise und setzte sich langsam auf das andere Ende der Bank.
„Meine Anhänger haben dich in der Tat gefunden und in Sicherheit gebracht.
Ich habe durch unsere Verbindung gespürt, dass etwas nicht in Ordnung ist und sie auf die Suche nach dir geschickt. Du befindest dich derzeit im Malfoy Manor.
Lucius Frau Narcissa und Severus Snape haben sich mit verschiedenen Tränken und Salben um dich gekümmert.
Außerdem bekommst du seitdem regelmäßig Nährtränke, damit wir deine Unterernährung in den Griff bekommen. Auf Dauer ersetzen diese jedoch nicht die normalen Mahlzeiten. Du liegst nicht auf einer Pritsche in einem meiner Verliese, sondern in einem bequemen großen Gästebett.
Ich sitze gerade in einem Sessel, der neben diesem Bett steht, in der Gestalt, die du hier siehst. Mein normales Aussehen, so wie ich wirklich bin. Die Gestalt Lord Voldemort, die du kennst, ist meine, sozusagen zweite Gestalt. Eine perfekte Illusion, die ich meinen Anhängern und der Außenwelt zeige.
Nur wenige Menschen kennen das Aussehen von Tom Riddle. Ich habe nicht vor dich zu töten oder anderweitig zu verletzen Harry, ich bin nicht mehr dein Feind. Genau genommen war ich das nie. Aber darüber sollten wir uns unterhalten, wenn du mir die Möglichkeit gibst, dir zu zeigen, dass ich die Wahrheit sage und du dir erlaubst aufzuwachen. Denn du hast dich selber, um dich zu schützen, in so eine Art Koma begeben.
Nur du kannst entscheiden, ob du aufwachen möchtest, oder nicht.
Du weißt hoffentlich, wie du hier wieder raus kommst?“
Harry schielte unschlüssig zu dem dunklen Lord neben sich, „... die Tür, da mitten auf der Wiese, ist, glaube ich, mein persönlicher Ausgang. Aber warum sollte ich das Risiko eingehen? Woher soll ich wissen, dass das alles keine Lügen waren?“
„Das kannst du nicht wissen. Aber wenn wir gleichzeitig gehen und erwachen, wirst du sehen, das alles stimmt, was ich gesagt habe. Außerdem gibt es einen guten Grund, weshalb ich dich nicht mehr verletzen werde. Aber auch darüber sollten wir uns außerhalb deiner Träume unterhalten. Ich möchte dir nichts Böses Harry. Ich will dich kennenlernen.
Ich möchte wissen, wer dich so misshandelt hat, und ich werde dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passiert.
Diese Muggel, die in dieser Halle waren, haben alle ihre gerechte Strafe bekommen.
Ich hoffe, das stört dich nicht?“
Harry schüttelte langsam den Kopf, „nein ... das stört mich nicht. Ich muss gestehen, ich bin etwas verwirrt. Wir sind Feinde! Warum solltest du das alles wollen?“
„Du hattest doch gar keine Wahl Harry, oder?! Es wurde entschieden, dass wir Feinde sind und du gegen mich kämpfen musst.
Man hat dir eingetrichtert, dass du mich töten musst, um die Welt zu retten.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass du es selbst so wolltest. Ich möchte dir die Möglichkeit geben, selber zu entscheiden, ob du weiterhin mein Feind sein willst oder mich näher kennenlernen möchtest.
Und ... nun ja ... nicht alles ist so, wie man es dir immer erzählt hat. Aber wir haben noch genug Zeit uns über das Ganze in Ruhe zu unterhalten. Wenn du uns die Möglichkeit dazu gibst.“
Harry schluckte einen Kloß hinunter, der sich in seinem Hals gebildet hatte, und man konnte den Kampf, den er mit sich selber führte, deutlich sehen.
Nach ein paar Augenblicken atmete er geräuschvoll aus und nickte kaum sichtbar, „... okay. Was habe ich denn schon zu verlieren?!“, und stand auf.
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