𝖅𝖜𝖎𝖘𝖈𝖍𝖊𝖓𝖟𝖚𝖌
Das Karussell dreht sich. Schwarze und weiße polierte Pferde galoppieren in immer denselben Kreisen. Sie sind gefangen auf ihren Plätzen, gebunden an dieselben Bahnen. Keines davon kann sich von der Gruppe der anderen lösen, einfach ausbrechen und in die Welt hinausreiten.
Auch wenn das Mädchen auf dem Pferderücken sich wünschte, es täte es.
Aber sie dreht sich nur.
Und die Welt um sie mit ihr.
Vater sitzt ein paar Schritte entfernt an einem öffentlichen Schachbrett. Er spielt nicht allein. Eigentlich wartet er auf Zionas nächsten Zug, die sich von dem alten Karussell hat ablenken lassen.
Vielleicht ist es nur Unterhaltung für kleine Kinder, aber sie liebt es trotzdem, obwohl sie schon neun ist. Denn mit ein wenig Fantasie sind die leblosen Pferde echt – und wie anders die Welt von hier aussieht.
Eine Drehung. Noch eine.
Baum. Vater. Laterne. Park.
Immer die gleiche Abfolge von Bildern.
Baum. Vater. Laterne. Park.
Nochmal.
Baum — — Laterne. Park.
Baum. Laterne. Park.
Kein Vater. Der Schachtisch ist verwaist.
Aber –
Ziona hopst von dem Pferd, stolpert beinahe und läuft auf den Platz zu, an dem er eben noch gesessen hat. Keine Spur. Nirgendwo. Sie kämpft gegen die aufsteigende Sorge an.
Wohin könnte er ohne ein Wort gegangen sein? Warum lässt er sie hier zurück?
Dann fällt ihr Blick auf die Anordnung von Schachfiguren; ihren gefallenen König. Wie hat das passieren können? Es war doch nur ein Zug, der in ihrer Abwesenheit gespielt worden ist.
Das ist nicht möglich!
Immer wieder rechnet Ziona die folgenden Züge durch – und kommt enttäuscht zum selben Ergebnis. Sie hat verloren. Ganz klar. So früh im Spiel und Rettung ist undenkbar.
Und wo ist bloß ihr Vater? Für eine Sekunde streift sie der Gedanke, er könne aus Enttäuschung gegangen sein, sie hier zurückgelassen haben. Aber das ist doch nur alberne Angst, oder nicht?
„Du darfst dich nie ablenken lassen, Zionka, das Spiel nicht aus den Augen verlieren, sonst verlierst auch du."
Überrascht wendet sie sich um. Vor ihr steht ihr Vater mit einem kleinen Lächeln im Gesicht und doch ist ihr klar, dass das, was er ihr jetzt sagt, wichtig ist – sehr wichtig – und dass sie es sich gut merken sollte.
„Ja, aber ich wollte doch nur kurz –"
„Ano, das Karussell. Ich weiß." Leopold Herz deutet auf die Pferde. „Sie sind schwarz und weiß und sie galoppieren immer den gleichen Weg entlang."
„Wie Schachfiguren."
Er lächelt. „Genau. Weißt du, Schach ist überall."
Was soll das heißen?, will Ziona fragen, doch sie kommt nicht mehr dazu, denn ihr Vater setzt sich an seinen Platz und stellt die Figuren wieder auf.
„Es ist leicht, das Wesentliche aus den Augen zu verlieren. Lass uns noch einmal spielen und diesmal bleib bei der Sache. Ein abgelenkter Gegner ist gar kein richtiger Gegner."
Das Spiel beginnt von neuem und nun steht Ziona nicht auf, blickt nicht zu den sich drehenden Tieren.
An diesem Nachmittag schenkt ihr ihr Vater eine Spieldose – ein Karussell mit weißen und schwarzen Pferden. Vorsichtig stellt Ziona sie neben ihr Bett und betrachtet sie noch einmal, bevor sie lächelnd die Augen schließt. Schach ist überall. Man muss es nur sehen.
Ich bin kein allzu großer Fan dieses Kapitels. Irgendwie übermittelt es nicht ganz, was es übermitteln soll, aber bevor ich mich ewig daran aufhalte, dachte ich mir, poste ich es einfach trotzdem.
Das folgende Teilkapitel steckt auch schon in den Starlöchern, sollte also bald kommen.
Außerdem spiele ich mit dem Gedanken, das Cover zu ändern, obwohl ich die neue Variante gleichzeitig...hässlich finde. Was meint ihr, das aktuelle oder das hier?
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