Silvester
Silvester.
Liz versteckte sich. Im ersten Stock, letzte Tür, ganz hinten am Gang. Das Elternschlafzimmer.
Dort war betreten verboten. Für alle Gäste der Silvesterparty.
Damit hielt sich Liz im sichersten Raum im ganzen Haus auf. Ihre Eltern hatten sicher nichts dagegen, wenn sie die ganze Nacht hier blieb. Besonders da sie im Urlaub waren. Ski fahren, mit Freunden. Vielleicht hätte sie mitfahren sollen.
Aus dem Erdgeschoss drang Lärm herauf. Lachen, Gläser klirrten und vereinzelt explodierten erste Böller.
Sie hätte sich in ihrem eigenen Zimmer verkriechen können. Um am Fernseher Netflix zu gucken, bei abgeschlossener Tür.
Aber dort wurde sie vielleicht vermutet.
Die Chipstüte raschelte, als sie sich eine weitere Hand der salzigen Köstlichkeit in den Mund stopfte. Das schwarze Strickkleid sammelte die Krümel, doch Liz machte sich nicht die Mühe sie herunter zu wischen.
Der Abend war vorbei. Er endete für sie am Boden, zwischen Wand und Bett.
Bunte Lichter erhellten kurz den Himmel vor dem Fenster. Mitternacht? Neues Jahr?
Sicher noch nicht. Sie versteckte sich noch keine ganze Stunde.
Leider musste sie noch warten. Es war Zeit, dass sich das vermaledeite letzte Jahr verzog. Das neue konnte nur besser werden.
Die alten Fehler, all die schwachen Momente, blieben in der Vergangenheit zurück.
Leise öffnete sich die Tür und ein heller Lichtstrahl fiel ins Zimmer. Im Licht, ein schlanker Schatten.
„Lizzie?"
Ein Schauer lief über ihren Rücken. Die helle Stimme betörte sie, zog sie an. Beinahe sprang sie auf. Ihre Lippen zitterten um zu Antworten. Doch sie verharrte. Angestrengt, sich nicht zu verraten.
„Ich seh dich. Lizzie. Dein Zopf guckt vor. Ich zieh gleich dran."
Liz seufzte laut.
„Was willst du? Mara.„
Das Licht erlosch, als Mara die Tür schloss.
Bettzeug raschelte und die Matratze knarzte.
Warmer Atem streichelte Lizs Nacken, er brachte ihre Haut zum Kribbeln. Spielerisch packte Maja ihren Zopf und zog sanft daran. Sie kicherte.
Langsam lehnte Liz den Kopf nach hinten aufs Bett. Das Gesicht ihres Gegenübers verschwand im Halbdunkel, doch sie spürte Mara am ganzen Körper.
Fest spannten sich Finger um ihr Kinn. Liz streckte die Hand nach oben, vergrub sie in lockigem Haar. In ihren Gedanken blinzelten sie vernebelte, blaue Augen an, die ihr immer den Verstand raubten.
Maras weiche Lippen berührten ihren Mund. Atem vermischte sich. Ihr Herz vergaß einen Schlag.
Altes Jahr. Alte Fehler. Schwache Momente.
„Sucht Fabi nicht nach dir?", flüsterte Liz.
Das Mädchen erstarrte. Steif riss Mara sich aus ihren Händen los. Der Boden bebte, als sie vom Bett sprang.
„Spielverderber.", motzte sie.
„Komm runter. Begrüß das neue Jahr mit uns. Es ist langweilig wenn du dich verkriechst und bockst."
Mara ließ die Tür offen stehen, als sie aus dem Zimmer stürmte.
Sie bockte? Niemand bockte. Liz wollte nur vernünftig sein.
Draußen ertönte ein Pfeifen. Der Himmel verfärbte sich in grün und silber. Es knisterte, als Glitzer zu Erde regnete. Der beißende Gestank von Schießpulver, weckte Erinnerungen an ruhigere Silvesternächte.
Wenn sie sich nostalgisch an das alte Jahr zurück erinnert und es manchmal am liebsten festgehalten hätte.
Mit einem lauten Keuchen rappelte sie sich vom Boden auf. Sie fühlte sich nicht wie 20. Nicht in dieser Nacht, in der sie so viele Schuldgefühle quälten.
Zeit der düsteren Wahrheit ins Gesicht zu blicken.
Um Mitternacht, wenn sich Gläser trafen, sich Freunde umarmten und lauter Jubel auf das neue Jahr erscholl, mit Knallen und bunten Lichtern.
Um Mitternacht, wenn sie ihrem jüngeren Bruder Fabi dabei zusah, wie er seine Freundin Mara in den Arm nahm und küsste.
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