Rauchschwaden

Vom tosenden Feuer zu Eis erstarrt in einer Sekunde.

Verwirrt und zittrig rappelte sich Liz auf die Beine.

Ein unangenehmes Pochen klopfte schmerzhaft an ihrer Wange. Fabi hatte sie tatsächlich niedergeschlagen. Verdient, doch unerwartet.

Fabis weit aufgerissenen Augen, Wut und Trauer zu gleich, die über sein Gesicht tanzten, schmerzten viel mehr als seine Faust.

Unruhig knabberte Mara an den Fingernägeln, wandte den Blick von Einem zum Anderen.

Bleib. Geh nicht fort mit Fabi.

Egal ob sie ihren Bruder noch mehr verletzten, bis er wie ein verwundetes Tier am Boden lag.

Bleib. Mara.

Liz wollte zusammenbrechen unter diesem egoistischen Gedanken. Dass sie ihren kleinen Bruder zum Leid verdammte. Den sie immer an der Hand genommen hatte, damit er nicht verloren ging. Dem sie die großen Schwestertipps zu Schule, Freunden und Liebe gab. Bestimmt nicht immer die Besten, doch gut gemeint. Mit einem Jahr mehr Lebenserfahrung, war sie so erwachsen.

Getauschtes Spielzeug, geteilte Tage und hunderte wertvoller Erfahrungen verbanden sie.

Das Ausräumen von Mamas Süßigkeitenschrank, in einem gemeinsamen, nächtlichen Diebeszug und die Strafe danach. Streit, die Scheidung der Eltern und ein neuer, zum Glück freundlicher Stiefvater. Gemeinsam ertrugen sie alles, manchmal mit meckern oder weinen.

Fabi, ihr mutiger, treuer Bruder, der ihr als erster die Hand reichte, als sie ihrer Familie das unvermeidliche beichtete.

„Du magst Mädchen. Alles Klar. Liz. Passt schon."

Bleib.

Wie sehr dieser Wunsch sie verdammte. Ein hassenswerter Mensch, ohne Dankbarkeit und ohne Loyalität.

Fabi ballte die Fäuste. Die Hoffnung auf einen erneuten Hieb keimte in Liz. Eine gerechte Strafe für sie, die Sünderin.

„Fabi. Hase. Alles gut. Nichts passiert."

Die kleine Verführerin drängelte sich in Lizs Blickfeld. Sie schlang die schlanken Arme um den Nacken ihre Freundes.

„Liz ist nur betrunken."

Mit roher Gewalt drosch Mara die Hand in Lizs Brust. Um ein wertloses Herz zu zerdrücken, mit sanften Fingern.

Mara hatte sie geküsst, doch Liz war betrunken. Liz, die rohe, unkontrollierte Angreiferin.

Alles nur damit Fabi erkennen musste, wie unschuldig seine Freundin war.

Die Stirn gerunzelt schob Fabi sie von sich weg und schüttelte den Kopf, als Mara dagegen hielt. Wie die Heldin in einer Tragödie streckte sie die Arme nach ihm aus.

Tränen glitzerten auf ihren glatten Wangen.

Genug.

Liz marschierte davon. Den Gang entlang zur Haustür, nach draußen.

Nichts konnte sie zwingen, Zuschauer dieser tiefen Liebe zu ihrer schwersten Stunde zu sein. Kein drohendes Wort, kein Brüllen, nicht einmal wenn Mara ihren Namen rief.

Mara liebte Fabi. Mara benutzte Liz.

Die Gleichung erhielt heute ein neues Ergebnis. Liz strich sich aus der Rechnung.

Über ihr erblühte der Himmel im Funkenmeer.

Mit Donnern, Pfeifen und bunten Blitzen begrüßten die Menschen das neue Jahr.

Mit kalten Händen wischte sich Liz die Tränen aus den Augen. Zusammengepresste Lippen und ein verkniffenes Gesicht halfen, damit sie nicht schluchzte.

Jeder schwere Schritt ließ sie weiter fort stolpern. Weg vom alten Jahr, hinein in eine trübe Zukunft.

Die kalte Luft brannte in ihrer Lunge, beinah wohltuend.

Dieser normale Schmerz, weltliche Schmerz, den ihr ihr Körper schenkte, verdrängte die Schwärze eine gebrochene Herzens mit jedem Atemzug. Für einen Wimpernschlag.

Die Tränen stockten in ihrer Kehle.

Beißend stach der Rauch des Schießpulvers in ihrer Nase.

Der dunkle Himmel verdeckt von Rauchschwaden, hüllte sie ein und versteckte sie vor der Welt.

Eine Wunde blutetet, wo nur Liz sie merkte. Kein Pflaster half dagegen. Kein Verband.

Vielleicht half Warten. Und das neue Jahr, mit neuen Vorsätzen.


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