Klopfen

Nach einer Weile klopfte es. Leise und vorsichtig.

Liz blickte auf. Mit angezogenen Knie saß sie auf der zugeklappten Toilette und dachte nach. Zumindest hatte sie es versucht. Es fiel ihr schwer ihre Gedanken zu ordnen. Stattdessen hatte sie sich in vollkommen nutzlose Erinnerungen geträumt.

Hin zum Anfang, dem ersten Jahr, in dem noch alles vollkommen klar und unschuldig zwischen ihr und Mara gewesen war. Vor dem ersten Kuss.

Doch es fiel ihr auf, dass selbst damals vieles nicht zusammengepasst hatte. Kein perfektes Puzzle. Ihr fehlten Teile und Liz wusste nicht welche.

Wieder klopfte es. Ebenso ruhig wie zuvor.

„Lässt du mich rein. Liz."

Natürlich Alissa. Mara hätte beim zweiten Mal versucht mit ihrem Klopfen die Tür einzuschlagen.

Das Mädchen war nicht leise und vorsichtig.

Alissa herein zu lassen fiel Liz nicht schwer. Zwar plagte sie ein schlechtes Gewissen und das Bedürfnis sich zu erklären, doch bei ihr schaffte sie es klar zu denken. Ein angenehmes Gefühl.

Kaum hatte Liz die Tür geöffnet, huschte Alissa herein und verschloss die Tür sofort wieder.

„Die Nervensäge muss erstmal draußen bleiben. Sie hat nicht gedacht, dass du die Tür aufmachst."

Ein wenig zu zufrieden grinste Alissa, doch dann verzog sie verärgert das Gesicht und schnippte Liz gegen die Stirn. Überrascht wich Liz zurück und presste die Hand gegen ihre Stirn.

„Du hast mich angelogen."

Eine falsche Anklage. Liz schüttelte heftig den Kopf.

„Nein. Hab ich nicht. Ich habs nur nicht erzählt."

„Ist das besser?"

Geschlagen zog sich Liz auf ihre Toilette zurück. Alissa hatte viel zu oft recht. Sie war so klug.

„Ich dachte nicht, dass sie herkommt. Sie ist...war die Freundin von meinem Bruder. Deshalb bin ich weg von zu Hause. Auch deshalb."

Mit einem lauten Seufzer lehnte sich Alissa an die Badtür. Ein trauriger Blick traf Liz, er brachte ihr schlechtes Gewissen zum Brodeln.

„Ich geh jetzt nach Hause. Ich will euch nicht zusehen."

„Nein!"

Liz sprang auf, stürmte auf Alissa zu und stockte. War es erlaubt sie zu umarmen? Vielleicht war ihre Freundin zu verletzt?

Alissa überwand die Grenze und nahm sie sanft in den Arm.

„Ich räume nicht das Feld. Aber ich störe. Und wills echt nicht anschauen. Du musst das lösen. Nicht ich."

Die starken Armen drückte noch ein wenig fester. Beinah unangenehm fest.

„Aber, überleg mal was du willst. Wenn du mit mir zusammen bist, bist du ruhig, zufrieden, selbstsicher. Lustig. Davon seh ich heute gar nichts. Magst du was die Nervensäge mit dir macht?"

Nein.

Ja.

„Ich weiß es nicht.", flüsterte Liz.

„Dann finds mal heraus."

Alissa schob Liz von sich, doch drückte ihr vorher einen kleinen Kuss auf die Nase.

„Und wir sehen uns übermorgen. Wie geplant. Egal was du herausfindet. Wag es nicht per WhatsApp mit mir Schluss zu machen. Ich bin gern mit dir zusammen. Aber ich will, dass du es auch bist."

„Ich bin gern mit dir zusammen."

Aber Lizs Herz schlug nicht schneller. Die Welt verfärbte sich nicht in Rosa durch Alissas Lächeln. Mit klaren Gedanken, ließ es sich leicht selbstsicher und lustig sein.

Ein Trostpflaster, das Beste der Welt. Und eine gute Freundin. Das alles war Alissa und deshalb wollte Liz bei ihr sein. Deshalb sollte sie bleiben.

Denn vor der Badtür wartete das Chaos.



Alissa ging, mit einem Abschiedskuss und einem traurigen Lächeln.

„Sperr die Tür nicht mehr ab. Stell dich. Klär das. Du bist doch kein Feigling."

Sie ließ Liz alleine.

Und Liz fühlte sich wie ein Feigling, als sie die Badtür verriegelte.

Zitternd blieb sie stehen, starrte das Holz an, verfolgte Maserung, fand Kerben und Splitter. Das matte Messing der Türklinge, rostete an den Schrauben.

„Lizzie. Ich hab Pizza bestellt."

Sanft und süß klang Maras Stimme. Der Klang brachte Lizs Herz zum Stolpern.

Warum wollte sie Mara nur in den Arm nehmen? Schwach werden. Ihr rasche Küsse von den weichen Lippen stehlen.

Der Drang würde nicht verschwinden. Liz konnte sich nicht ewig im Bad verstecken.

Sie krallte die Hand um den Schlüssel. Drehte ihn mühsam, zweimal knirschte er leise und die Tür war offen.

Jetzt trennte sie nur noch das Drücken der Klinke von der Gefahr. Mara musste sie gehört haben.

In der Küche rückte ein Stuhl über die Fliesen. Niemand hatte vor der Tür gewartet.

Liz verließ ihren sicheren Hort. Mit einem letztem Seufzen und geballten Händen.

Sofort begegnete sie Maras Blick. Das Mädchen hatten einen Küchenstuhl so verschoben, das sie von ihrem Sitzplatz aus die Badtür sehen konnte.

Im Schneidersitz thronte sie darauf und knabberte an einem Stück Pizza.

„Komm. Pizza. Schinken und Artischocken. Magst du doch."

Mara lockte, mit den verführerischsten Versprechungen der Welt. Ihre Nähe und Pizza.

Schritt für Schritt näherte sich Liz. Kein Plan und keine Ahnung was sie mit Mara besprechen sollte. Ihr Kopf war wie leer geblasen. Mit ihrem strahlendem Lächeln hielt Mara ihr das eigene Pizzastück entgegen. Und Liz biss davon ab.

Mit einem festen Griff um ihre Taille zog Mara sie näher.

„Hast du mich nicht vermisst?", fragte die kleine Hexe.

Natürlich. Jede Sekunde, bis sie Alissa getroffen hatte. Und dann immer noch viel zu sehr.

Statt zu Antworten stahl Liz den Rest des Pizzastück und stopfe es sich ganz in den Mund. Mit vollen Backen kaute sie ganz undamenhaft und blieb die Antwort schuldig.

Mara lachte laut.

„Du hast. Sonst würdest du mir Antworten. Ich aber auch. Ganz schön heftig."

Wieder Lügen. Oder vielleicht auch nicht?

Liz erinnerte sich an die fast körperlichen Schmerzen, die sie aushalten hatte müssen, jedes Mal, wenn Mara sich in Fabis Arme warf. Immer wenn sie von dem liebenden Paar in den Hintergrund gedrängt wurde. Zum Zuschauer verdammt, bei einem widerlichem Schauspiel.

Rasch kaute sie und würgte die Pizza herunter.

„Lüg doch nicht. Wann hast du mich je vermisst. Fabi hast du vermisst. Mich nicht."

Am Liebsten wäre Liz nach diesen Worten zurück ins Bad gestürmt. Um sich wieder zu beruhigen und die nächsten Schritte zu planen. Stattdessen trat sie zur Spüle und fühlte sich ein Glas mit kaltem Wasser. Den Rücken zu Mara gewandt hörte sie nur ihr Kleid rascheln und leise Schritte auf den Küchenfliesen, die sich näherten.

„Ich lüge nicht."

Mara schlang von hinten die Arme um sie und presste ihren Körper gegen ihren Rücken.

„Lizzie. Wie sollen wir das klären, wenn du mir nicht glaubst Wenn ich dir sage, dass ich dich immer geliebt habe. Du hast mir das Herz weggenommen, das ich Fabi geben wollte. Ist das nicht unfair?"

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