zwölf; caspian
Du warst der festen Überzeugung, dass wir das packen würden. Das alles. Und ich habe dir geglaubt. Immerhin war ich glücklich, wenn ich bei dir war – und nur, wenn ich bei dir war –, also warum sollten wir es nicht schaffen? Warum sollten wir es nicht?
Dann hast du angefangen, von der Schule zu reden. »Hast du dir schon überlegt, wie du das machst? Meldest du dich auf unserer Schule an? Machen wir unser letztes Schuljahr zusammen? Das wäre einfach perfekt.«
Ich habe Panik bekommen. Denn ich wollte ja gar nicht bleiben. Ich wollte nachhause zurückkehren und endlich aufhören, dich anzulügen. Aber natürlich wollte ich dich auch nicht verlassen.
Wir schaffen das Alles zusammen, hast du immer und immer wieder gesagt. Und wenn du mich so angesehen hast und mir ins Ohr geflüstert hast, wie sehr du mich liebst, habe ich es dir so sehr geglaubt.
Irgendwie schaffen wir das. Irgendwie schaffen wir alles.
Also nicke ich nur. »Ja.« Eine einfache Antwort. Und du strahlst sofort. Lächelst. Bist überglücklich.
»Und willst du dann auch immer noch ... uns geheim halten?«
Ich wusste, dass du das wieder fragen würdest. Natürlich kannst du es nicht lassen. Denn du denkst, dass wir nur so alles schaffen können. Indem es alle wissen.
»Was bist du, Caspian?«
Ich starre dich an. »Ich weiß es nicht. Ich brauche Zeit, Lennox.«
Und dein Strahlen verschwindet wieder. »Warum kannst du es nicht endlich verstehen, dass uns diese Geheimnistuerei kaputt macht?«
»Du und deine ewige Fragerei macht uns kaputt.« Schon bereue ich die Worte. Aber es ist zu spät.
Du gehst.
Kommst nach ein paar Stunden – in denen wir beide ohne einander nur leiden – zurück. Küsst mich. Sagst mir, dass du mich liebst. Und dass wir alles schaffen können.
Ich bin schwul, sagst du immer wieder zu mir, und du?
Keine Ahnung.
Und es geht wieder von vorne los. Die ganze Zeit. Wir kommen einfach nicht mehr da raus.
Eines Abends, nach einem heftigen Streit, bin ich allein in meinem Zimmer. Der Rauch meiner Zigarette schwebt zur Decke, mein Kopf liegt weich auf meinem Kissen. Aber du bist nicht hier. Deswegen fühlt es sich trotzdem nicht gut an.
»Caspian, Schatz, wieso bist du zuhause?« Meine Mutter kommt in mein Zimmer und schließt leise die Tür hinter sich. Geht auf mein Bett zu und setzt sich zu mir.
Behutsam nimmt sie die Zigarette aus meiner Hand und drückt sie aus. Streicht mit ihren warmen Händen über meine kalten Wangen und wischt die Tränen fort, die ich nicht mal bemerkt habe.
»Du gehst kaum noch fort, Schatz. Ich mache mir Sorgen um dich. Quentin meinte, dass er dich auch kaum noch zu Gesicht bekommt.«
Ich richte mich halbwegs auf und lehne mich ans Kopfende. »Mir geht es nicht so gut«, flüstere ich.
»Ich weiß.« Meine Mutter streicht mir durch die Haare. »Ich weiß, Schatz.«
Stille.
»Ich denke, es wäre wirklich besser, wenn du zurück nachhause gehst. Ich will, dass es dir wieder gut geht. Mich macht es selbst traurig, dich die ganze Zeit so niedergeschlagen zu sehen. Wenn Juliet anbietet, dass du bei ihr wohnen kannst, dann solltest du das tun.«
Ich schaue sie an. Stimme ihr innerlich zu. Und auch nicht. »Ich kann nicht.« Wieder laufen Tränen über mein Gesicht. »Ich kann ihn nicht verlassen.«
Mir ist klar, dass sie weiß, was zwischen mir und dir ist. Sie ist meine Mutter und lebt nicht hinterm Mond.
Liebevoll nimmt sie mich in die Arme und ich kuschle mich an sie, als wäre ich wieder fünf Jahre alt. Als würde ich darüber weinen, dass ein Spielzeug kaputt gegangen ist. Nicht darüber, dass mein Herz schmerzt. So sehr, wie noch nie. Dass ich nicht mehr weiterweiß.
»Ich weiß, dass es wehtut, Caspian. Ich weiß es. Aber es wird nicht für immer so sein. Es wird besser. Stück für Stück. Aber damit das funktioniert, musst du auch in die richtige Richtung gehen. Und nicht an etwas festhalten, was dir wehtut, auch wenn du denkst, dass du es nicht loslassen kannst. Du kannst und du wirst es tun, denn sonst wird es nur schlimmer. Nicht besser. Auch, wenn ihr das denkt. Ich weiß, wovon ich rede.«
Ich schaue zu ihr auf. In ihren Augen glitzern Tränen. Sie reden von meinem Vater. Ich presse die Lippen zusammen.
Sie streichelt mir über den Kopf. »Du bist so jung, Caspian. Das wird nicht die letzte Person sein, in die du dich verliebst. Ich will, dass dir das bewusst ist. Du bist erst achtzehn, du hast noch so viel vor dir. Ich möchte, dass du nachhause zurückkehrst, dein letztes Schuljahr mit deinen Freunden verbringst und danach selbst entscheidest, was du machen möchtest und wohin du gehst. Unabhängig von einer anderen Person.« Sie küsst mich auf die Stirn. »Und wenn du irgendwann älter bist und weißt, was du willst und wer du bist, wer weiß? Vielleicht lauft ihr euch dann nochmal über den Weg.«
Ich schluchze. Weil ich weiß, dass sie recht hat. Weil ich dich verlassen muss. Ich muss es.
»Ich hab dich lieb«, sage ich.
»Und ich dich erst.« Sie lächelt und drückt mich nochmal an sich.
»Ich glaube, ich kann mich nicht verabschieden. Sonst komme ich nie weg.« Wieder schluchze ich auf.
»Ich kaufe dir ein Zugticket. Du fährst mit dem Nachtzug. Fang an, zu packen.« Meine Mutter steht auf und verlässt das Zimmer.
Und ich bin alleine. Schaue mich um. Denke an dich. Immer und immer wieder lasse ich dich in meinem Kopf dein schönes Lächeln abspielen. Wie du sagst, dass du mich liebst.
Dann setze ich mich auf den Boden, ziehe den Koffer unter dem Bett hervor und fange an, zu packen.
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