[4] Das Ende vom Ende


2 Jahre und eine Woche nach unserer Trennung treffen wir uns in einem süßen Café in unserer Heimatstadt. Überpünktlich wie immer sitzt du schon an einem Ecktisch mit einem kleinen sehr echt aussehenden Kaktus als Deko. 

Du winkst und dein Lächeln sieht echt aus. Du siehst gut aus, du hast eine Bluse an, die ich nie an dir gesehen habe und die Hose, von der ich dir oft gesagt habe, dass sie einen guten Hintern macht. Ich öffne die Tür und entschuldige mich für meine fünf Minuten Verspätung. Du winkst ab, du seist weitaus Schlimmeres von mir gewohnt. Wir beide lachen. Seltsam nervös, seltsam vertraut. Ein Insider. Wir haben so viel durchlebt und trotzdem bin ich ein Outsider in deinem Leben. Du hast dein Studium beendet und arbeitest in einem Start-Up, du erzählst lustige Geschichten von deinen arroganten Chefs. Du bist sehr glücklich in deiner Beziehung, du hast ihn ein dreiviertel Jahr nach unserer Trennung kennengelernt. Ihr tanzt zusammen und er sieht gut aus. Ich habe ihn auf Instagram gestalkt.

Du lachst wie früher. Ich habe vergessen, wie du manche Wörter betonst. Du sagst jetzt sehr oft unglaublich, aber du sagst nicht mehr krass. Du benutzt mehr Anglizismen und du hast einen Pony. Er steht dir. Ich frage dich, ob du auch Milch willst, und du runzelst die Stirn. „Ich trinke Kaffee nur mit Zucker.", sagst du mit Nachdruck. Natürlich. Ich wusste es. Früher kannte ich all deine Eigenheiten in- und auswendig. Ich mache den Mund auf. Du liebst Schildkröten, du hasst Blumenmuster, aber du liebst gepunktete Klamotten, du bist gegen Mandeln allergisch und Bienenstiche- also die Kuchen. Du bist 1.64m groß und deine BH Größe ist 80B, du liebst Panna Cotta, aber hasst alles andere Italienische Essen, du kochst ohne Pfeffer. Du machst jeden Abend Yoga und dehnst dich ausgiebig. Du kannst mit deinem Fuß dein Ohr berühren, aber nur mit rechts. Ich will all das sagen, aber ich tue es nicht. „Ja, stimmt", sagte ich, „Sorry." Ein seltsames Lächeln umspielt deine Lippen. „Vergisst du mich?" scheint dein Blick zu sagen und ich kann nicht deuten, ob du es traurig findest oder nicht.

Ich weiß auch nicht, ob ich es traurig finde. Ich muss nicht mehr wissen, ob du Kaffee mit Milch trinkst, also wozu soll ich mich daran erinnern. Aber vielleicht hätte ich es nicht so schnell vergessen sollen. Aus Respekt. Aus Höflichkeit. Aus Liebe.

Ich sehe das Gesicht, das ich geliebt habe, aber mein Herz klopft nicht mehr vor Verliebtheit. Ich sehe dein schönes Lächeln und ich lächle dich an. Ich schaue dich lange an. Ich erkenne dich, aber ich kenne dich nicht mehr. Und es bricht mir das Herz, während es mich für dich freut. Die Person, die ich geliebt habe, ist da unter den Schichten der Zeit, aber die Person, die ich jetzt liebe sitzt in unserer Wohnung und strickt einen Schal für ihre Schwester.

Wir sind nicht mehr die, die wir damals waren, aber ich bin so froh, dass wir es waren.

Es ist schön, dich zu sehen. Zu wissen, dass es dir gut geht, dass ich dir nicht unwiderruflich dein Herz gebrochen habe. Ich frage mich, ob dein neuer Freund besser ist als ich und frage mich, wie ich mich fühlen würde, wenn er es wäre. Wir reden, teilweise tiefgründig, teilweise oberflächlich und nervös. Wir reden und es ist wie früher, aber auch voller Höflichkeit und einigen Missverständnissen.

Es ist nicht mehr so wie früher. Denke ich. Und ich sehe, dass du es auch denkst. Aber wenn du mir Ratschläge wie früher gibst oder deine volle Aufmerksamkeit schenkst, weiß ich wieder, warum ich dich so geliebt habe. Es ist wie der Duft meines verblassten Lieblingsparfums. Die vergilbte Schrift eines Bleistiftsatzes.

Wir verabschieden uns mit einer unbeholfenen Umarmung. Wir beide lachen. „Ich-", fange ich an, ohne zu wissen, wie ich aufhören soll. Du lachst, immer mit mir nie über mich, als ich den Satz nicht vollende. Liebe dich, liebe dich nicht mehr, vermisse dich, bin froh, dass es dir gut geht, bin dankbar, dass ich dich gekannt habe. „Wir sehen uns", sage ich. Du nickst, in deinen Augen schwimmen Tränen, doch du lächelst.

Wir drehen uns nochmal nacheinander um und winken. Dann ist da die Ecke und ich sehe dich nicht mehr.

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