[1] Überlegungen
Es ist nicht so, dass ich unglücklich bin, aber es ist auch nicht so, dass ich glücklich bin.
Es ist nicht so, dass es nicht reicht, aber es ist auch nicht so, dass es reicht.
Es ist nicht so, dass ich dich nicht liebe, aber vielleicht nur ganz vielleicht ist es so, dass ich nicht mehr verliebt bin?
Es ist nicht so, dass ich unsere Jahre zusammen nicht schätze, es ist nur so, dass ich die Jahre, die vor mir liegen vielleicht mehr schätzen will. Und das geht nicht mit dir. Also wahrscheinlich. Vielleicht auch schon.
Es tut mir so Leid. Es tut mir Leid, dass es soweit kommt, es tut mir Leid, dass es überhaupt soweit gekommen ist. Es tut mir Leid, dass es niemals weiter kommen wird. Es tut mir Leid, dass ich damals diesen Schritt getan habe.
Am 12.04.2016, ein Dienstag. Deine langen, braunen Locken sind mir zuerst aufgefallen.
Dann dein Lächeln und dann- wenn ich ehrlich bin auch deine Brüste. Aber ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel. Aber warum sollte ich es leugnen? Ist unsere Liebe weniger wert, wenn ich dich auch sexuell anziehend fand?
Ich finde nicht.
Also, weiter im Text.
Ich hatte dich schon öfter in der Stadt gesehen. Zwischen einem Mädchen aus meinem Englischkurs und einem Mädchen, das in der Straße neben mir wohnte. Kyra und Letitia. Letitia redete viel und Kyra schaute im 5-Minuten Takt aufs Handy. Letitia glättete sich die Haare, und Kyra lockte sie sich.
Und du tatst nichts davon. Du sprachst nicht viel und du schautest nicht aufs Handy, du glättetest deine Haare nicht und sie waren schon von Natur aus gelockt. Du warst einfach da und trotzdem konnte ich nirgendwo anders hinschauen.
Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe.
Aber es tut mir Leid, dass ich es gesagt habe.
Dann wären wir nicht hier und du würdest weinen und ich würde weinen und es würde sich anfühlen wie die allerschlimmste Operation, die dennoch nötig ist, damit wir weiterleben können.
Schade, dass niemand die Zukunft sieht. Schade, dass niemand gesehen hat, dass all die Jahre zusammen uns trotzdem nicht zu unserem gemeinsamen Glück geführt haben.
Besonders tut es mir Leid, dass ich dich wütend gemacht habe und du mir verziehen hast. Ich wünschte ich könnte jede Verletzung wieder zu flicken. Jedes Wort wieder in mein viel zu loses Mundwerk stopfen. Ich wünschte, ich hätte dich nie warten lassen, dich nie angemeckert, nie die eine Schokolade gekauft, gegen die du allergisch warst.
Wozu hast du mir verziehen? Wozu haben wir all unsere Fehler aufgearbeitet, wenn doch jetzt erst das Schlimmste von allem kommt.
Seltsam sinnlos.
Ich weiß noch, dass du geweint hast und ich nicht wusste, was ich sagen soll. Wie konnte ich vergessen, dass du allergisch gegen Mandeln bist? Nach 4 Jahren. Du hast geweint und ich habe mich wie der größte Idiot gefühlt.
Welcher Idiot verliert seine Freundin fast wegen Mandelschokolade.
Sie war nicht mal lecker.
Ein Wunder, dass du mich nach dem Attentat noch wolltest.
Was ist Liebe?
Liebe ist auch das, was wir hatten. Ich sage nicht, dass wir uns nicht lieben, aber ich denke Liebe ist, wenn man nicht überlegt, ob es Liebe ist. Die große Liebe. Ich habe lange nachgedacht. Ich habe so viel nachgedacht, das musst du mir glauben. Du bedeutest mir alles auf der Welt, aber ich weiß, dass jemand, den ich noch nicht kenne, der oder die mir irgendwann über den Weg laufen wird, mir noch mehr bedeuten könnte.
Meine Person hat mich schon ein paar Mal gegrüßt. Nein, es ist niemand konkretes, keine Sorge. Ich könnte es dir nicht antun, dich für jemand bestimmten zu verlassen. Aber die Idee meiner Person, hält mich von einer Zukunft mit dir ab. Das erste Mal habe ich sie gesehen, als ich
Tina zum Bahnhof gebracht habe. Sie sich umgedreht hat und mir einen Funfact über Seeigel zugerufen hat: Seeigel haben keine Augen. Ich habe gelächelt. Später fiel mir auf, dass du mir schon lange nichts mehr random erzählt hast.
Es ist nicht deine Schuld.
Du bist einfach anders. Du bist nicht so spontan und du liest nicht gerne zufällige Wikipediaartikel.
Das zweite Mal
Saß ich im Zug zu dir. Ein älterer Mann stieg ein und er gab mir eine Ghetto-Faust. Ich lachte. Mir hatte schon seit Jahren keiner mehr eine Ghetto-Faust gegeben. Du machst so selten etwas Unerwartetes. Oder kenne ich dich nur einfach schon zu gut?
Ich habe mich verliebt, in die Idee einer Person, die mir zeigt, dass da mehr ist. Dass da mehr möglich ist. Versteh mich nicht falsch, auch du bist in meiner Person, sonst hätte ich mich nie in dich verliebt.
Ich sehe meine Person jeden Tag in dir, wenn du mich fragst, wie mein Tag war. Wenn du mir Sachen aus dem Rewe mitbringst, von denen du weißt, dass ich sie gerne esse. Wenn du mich anlächelst. Wenn ich unglücklich bin, und du die richtigen Worte findest. Wenn du nicht aufgibst, obwohl ich schon lange keine Lust mehr hab, den Streit zu klären. Wenn du mir von den Büchern, die du liest, begeistert erzählst.
Ich sehe sie, in deiner Zuverlässigkeit, deiner Schönheit, deiner Freundlichkeit und deinem Optimismus.
Es ist kein, naja es ist auch ein Ideal nach dem ich strebe. Aber viel mehr ist es das Gefühl. Es ist unbeschreiblich. Es ist wie, wenn zwei Seelen sich berühren.
Wie als
ich auf einer Party war, auf die ich gar nicht hinwollte. Ein zu lauter, zu angeberischer Kommilitone hatte Geburtstag und ich war nur dort, weil ich zugesagt hatte. Und ich hatte nur zugesagt, weil ich zu oft zu hören bekommen hatte, dass die 20er die beste Zeit waren und ich dachte, dass Parties wohl dazugehören. Parties, Trinken, Tanzen, eine Freundin, du, Kiffen, genug Instagramfollower, genug Sexualpartner, aber nicht zu viel.
Naja, der zu laute und angeberische Kommilitone, wurde angemessen laut und gar nicht mehr angeberisch, als er seine Existenz hinterfragte. Er zwängte sich durch ein kleines Loch in meinen Kopf, schaute die Welt durch meine Augen an und hinterließ seine.
Warum hast du es nie getan?
Ich wünschte, du hättest es getan. Ich wünschte, ich hätte mich jemals so mit dir gefühlt. Ich wünschte, ich würde nichts vermissen, aber ich vermisse Dinge, Gefühle, Situationen, die du mir nicht geben kannst.
Es gibt nur ein Leben. Sagen sie. Du solltest es mit jemandem verbringen, den du wirklich liebst. Keine Zweifel.
Ist es nicht genug, dass ich Zweifel habe?
Ist es nicht genug, dass ich mehr möchte?
Warum ist es nicht genug, in der Bequemlichkeit deiner Umarmung zu verharren und alles zu vergessen?
Warum habe ich die Höhle verlassen und wurde vom Licht geblendet? Ich sehe alles anders, seit es heller wird.
In einem Flixbus im Herbst lagst du auf meinem Schoß. Du hattest einen Hollister-Pulli an und deine Haare waren geflochten. Die Sonne schien schräg ins mit unnötiger Werbung beklebte Fenster und hinterließ ein Funkeln in deinen Augen. Und ich habe dich so geliebt in dem Moment.
Was würde ich dafür geben, dich wieder so zu lieben.
Deinen Atem zu hören, in deinen Armen zu liegen.
Unsere Beine verschlungen, unsere Arme verschränkt.
eine Fata Morgana, die meine Kehle verengt.
Will die Seifenblase bewahren, im richtigen Licht,
sieht die Illusion fast aus als wäre sie es nicht.
Türkei 2018. Die Sonne setzt die Luft in Flammen und wir springen in den kühlen Pool. Du legst deine Arme um meinen Hals und flüsterst mir ins Ohr, wie sehr du mich liebst. Du bist glücklich und braungebrannt, wir haben noch fünf Tage vor uns, in denen unsere größte Sorge das passende Restaurant ist. Zwischen Trip-Advisor und Zimmerservice, Strand und süßem Tee, langen warmen Nächten und deiner Hand in meiner, fühle ich mich so glücklich wie schon lange nicht mehr.
War es schon immer so oder gab es eine Zeit, in der du meine große Liebe hättest werden können? Habe ich mir nur nicht genug Mühe gegeben?
Vielleicht hätte ich mit in deinen Tanzkurs gehen sollen und wir hätten gemeinsam Tango, Cha-Cha-Cha und Rumba gelernt. Hätten über unsere Fehltritte gelacht und uns langsam in unseren Rhythmus getanzt.
Vielleicht hätte ich mehr darauf bestehen sollen, gemeinsam Zeit zu verbringen, statt nur Abendessen zu kochen, vielleicht Sex zu haben, einen Film zu schauen, ein Buch zu lesen,
du auf deiner Seite und
ich auf meiner Seite
Gemeinsam getrennt
eingeschlafen.
Kanu fahren? Fallschirmspringen? Wieder nach Türkei? Eine Katze holen?
Aber ich dachte immer es wäre gut genug.
Paul beschwert sich über Lina, denn sie liest seine Chats heimlich. Und du nicht.
Fardi hasst es, dass Chloé ihn immer im Streit unterbricht. Und du tust es nicht.
Lea weiß nie woran sie genau bei Sam ist. Und ich weiß es bei dir.
Deine Nähe ist unersetzlich
Sagen sie alle.
Vergiss tinder, okcupid, bumble und parship.
Du solltest dich glücklich schätzen, so eine unkomplizierte Beziehung zu haben.
Du lebst unseren Traum.
Hat es deswegen so lange gedauert, zu erkennen, dass du nicht mein Traum bist. Du könntest der Traum so vieler Männer sein. Du bist so schön, so liebevoll und interessant.
Ich wünschte, du wärst eindeutig scheiße, dann würde es mir nicht so schwerfallen.
Ich wünschte, ich könnte mich durch deine Augen sehen. Vielleicht willst du mich ja auch nicht mehr.
Vielleicht hasst du meine Unpünktlichkeit, meinen Stolz, meine Haare auf den Fußzehen, mein Schnarchen, wenn ich getrunken habe und mein Rechtschreibwahnsinn.
Vielleicht bin ich aber auch dein Ein und Alles, deine Zukunft, der Vater von Selina, Alex und Frida und Opa von Melina, Sabrina, Angelina und allen anderen -inas, die niemals existieren werden.
Ich trage unsere unbestrittene Zukunft zu Grabe. Die Leute haben unrecht, dass nur die Vergangenheit schmerzen kann. Auch unsere verlorene Zukunft stimmt mich traurig, auch die Urlaube, Kinder und Erfahrungen, die wir nicht machen, brechen mein Herz. Und deins. Sicherlich auch deins.
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