Kapitel 56

Es war ein grauenvolles, schmerzhaftes Schweigen.

Ich vernahm vielerlei Emotionen der Anwesenden.

Die Stille war unangenehm. 

Nur meine Schritte hallten laut durch den Saal während ich mich dem Truchsess näherte.

Ein selbstbewusstes Lächeln lag auf Turgons Lippen als er mit seiner Hand auf mich deutete, Arroganz spiegelte sich in seinen dunklen Augen wider.

"Wie ich Euch bereits sagte, einer meiner entsandten Truppen wird Eure Freundin finden. Und wie Ihr, meine freundlichen Gäste, seht; Dort steht sie. Lebendig und ohne jegliche Makel, die ihrem hübschen Gesicht zu Schaden gekommen wären."

Schon bei dem ersten Klang seiner süffisanten Stimme überkam mich das Verlangen, mich angewidert zu schütteln. Jedoch tat ich es aus Gründen der Höflichkeit nicht. Ich behielt im Hinterkopf, dass wir seine Hilfe noch brauchen würden. Meine... Intoleranz seinem Verhalten gegenüber, würde uns einiges erschweren. Ich wusste, dass ich genau überlegen musste was ich tat.

Ohne, dass es negativ wirkende Konsequenzen geben würde.

Noch immer schwiegen alle Persönlichkeiten, doch wurde die Stille von leisen Schritten hinter mir unterbrochen. Ich musste mich nicht umdrehen um zu wissen wer es war.

"Ich möchte dich nicht kränken, doch ist der Fund der Verschwundenen allein mein Verdienst", mischte Erthor sich mit einem spottenden Ton ein und blieb direkt neben mir stehen.

Ich konnte nicht unterdrücken, dass mir sofort ein kleines Lächeln entwich. Eine ungewohnte Bewegung in meinem Gesicht, die sich trotz all der Betäubung in mir breit machte.

Mein Blick glitt instinktiv zu Herendir als er seinen Bruder sah.

Sein ohnehin schon sowohl erleichterter, als auch glücklicher Gesichtsausdruck entwickelte sich nun zu einer Freude, die ich schon lange nicht mehr bei ihm gesehen hatte. Es war jene Art von Freude gewesen, die er durch den Schmerz des Verlustes seines Bruders vor hunderten von Jahren verloren hatte.

"Erthor", entwich es ihm und endlich brach es das Schweigen. Ohne zu zögern lief er in unsere Richtung und schloss seinen Bruder in die Arme, fassunglslos klopfte er ihm auf den Rücken.

Es war nun eine bessere Stimmung im Saal, auch wenn noch der kritische Blick Turgons auf mir lag.

In der Zeit in der sich Herendir mit seinem Bruder beschäftigte, wandte ich mich nach einem kurzen Blick zum Truchsess zu meinen Gefährten.

Kaum war ich bei ihnen, befand ich mich in einer Umarmung Elrohirs.

Ich lächelte knapp, ein kleiner Funken seiner Freude ging auf mich hinüber. "Endlich haben wir dich wieder", flüsterte er auf Sindarin in mein Ohr, drückte mich erneut an sich und ich wusste, dass er meinen tauben Zustand meinte.

Ich fühlte mich noch immer gefangen von meinen Gefühlen. Kein Tag verging an dem ich mich nicht wie betäubt fühlte. Alles prallte noch an mir herab. Als wäre ich in einer eigenen Welt, in der ich an nichts anderes als an... Legolas denken konnte.

Doch der Gedanke an meiner Familie brachte mich wieder zurück. Das Wissen darüber, dass ich nicht tatenlos weiter machen konnte, wenn doch Mittelerde in Gefahr war.

***

"Ich kann es nicht fassen, dass du wieder hier bist, Erthor", teilte Herendir uns sein Staunen mit, leicht schüttelte er den Kopf und ließ seine Augen zu mir wandern. Seine blauen Augen schienen wie schon lange nicht mehr zu strahlen. Pure Freude und Erleichterung. "Ich kann nicht fassen, dass du ihn gefunden hast, Melwen."

Ich schnaubte auf. Sachte zuckte ich mit den Schultern, nüchtern fixierte ich den silbernen Kelch und schob ihn weiter auf die Tischfläche. "Um ehrlich zu sein, habe ich ihn nicht gefunden. Er hat mich gefunden, auch wenn er sich nicht gerade in dem besten Zustand befand." Ruhig sah ich zu ihm herüber. Er saß mir gegenüber, neben seinem Bruder. "Da waren wir allerdings zwei. Ich half ihm, er half mir. Zusätzlich lernte ich meine Heilgabe zu verbessern."

Die neugierigen und fragenden Augen meines besten Freundes festigten sich auf Erthor, der mit einem Seufzen nickte. "Warst du verletzt?"

"Ja", nickte Erthor erneut. "Ich traf einige Stunden zuvor auf unerwünschte Gäste. Sie haben mich erwischt, aber ich habe sie vertrieben. Ohne die Verletzung wüsste ich aber nicht, zu was Melwen fähig ist. Also kann man es sehen wie man will."

"Man nenne es ein Segen", antwortete ich trocken und stand von meinem Sitzplatz auf. Ich freute mich ehrlich, dass sie sich wieder hatten. Nur... Fehlte mir etwas. "Ihr habt einiges nachzuholen."

Ich wartete nicht auf eine Antwort, sondern setzte meinen Weg direkt zu Estelon fort. Der Mann stand abseits der Anderen an einem Fenster und blickte hinaus.

"Melwen", begrüßte er mich als ich neben ihm stehen blieb.

Er war für mich zur Zeit die angenehmste Gesellschaft. Der Elb schien beinahe keine Emotionen zu haben und schien es sich auch nicht zur obersten Priorität gemacht zu haben, mich aufzumuntern.

"Estelon", erwiderte ich mit einem Nicken und blickte ihn kurz an. Wie eh und je waren seine Emotionen nicht zu lesen.

"Gut, dass du wieder du bist. Es verlangt viel von einem ab", sprach er ohne jeglicher Betonung. Ich wusste allerdings, dass er aus Erfahrung sprach. "Ohne dich kommen wir hier nicht weiter. Turgon ist nicht von uns begeistert."

Ich nickte leicht. "Er wird nicht wirklich noch begeisterter werden, nehme ich an. Nach unserem letzten Aufeinandertreffen sollte ich den Truchsess abgeschreckt haben."

Estelon schnaubte auf, seinen Kopf schüttelte er. "Durchaus", stimmte er mir zu und lehnte seine rechte Schulter an die Wand neben sich. Er verschränkte seine Arme vor der Brust und sah zu mir. "Was es uns um einiges erschwert. Doch können wir von Glück reden, dass ich einen anderen Einfall bekommen habe."

Ich hob meinen Kopf hellhörig an. Es gab eine andere Möglichkeit, als dass ich dem Truchsess schöne Augen machen musste? Das kam wie gerufen. "Erzähl mir mehr, Estelon."

Der Elb grinste schief. Ob es Amüsement oder Gleichgültigkeit war, konnte ich nicht sagen. "Während deiner... Abwesenheit, habe ich mich nützlich gemacht und Informationen gesammelt. Es scheint, als wäre unser lieber Turgon doch nicht so unschuldig, wie er vorgibt."

Wäre es nicht Estelon mit dem ich sprechen würde, würden seine anfänglichen Worte mich verletzen. Doch da ich wusste, dass er sehr monoton und gewissenlos war, nahm ich es ihm nicht übel. Oder diese Leere in mir trug Schuld daran.

Meine Aufmerksamkeit galt voll und ganz dem Elben vor mir. Trugen seine Gedanken den Schlüssel zu unserem Vorhaben mit sich?

"Es scheint mir ebenfalls so, als wäre der Truchsess nicht rechtmäßig in seinem Amt", sprach Estelon weiter. "Er scheint eine Menge von Sünden mit sich zu tragen. Wie fange ich nur bei einer solchen Person an? Reden wir zuerst über seine Missetaten gegenüber einigen Damen an diesem Hofe?"

Ich legte meinen Kopf schief. Was meinte er?

"Er scheint einige... Söhne und Töchter zu haben, um die er sich weder kümmert noch sie anerkennt. Solch eine beträchtliche Anzahl an Bastarden als Truchsess zu haben, wie sieht das bloß aus?", erzählte der Elb mit einem belustigten Schnauben am Ende.

Umso mehr er sprach, desto mehr Gedanken formten sich in mir. Anhand seiner Informationen würden wir fähig dazu sein, ihn auf unsere Seite zu ziehen. Ob es aus freiem Willen geschehen würde, war eine andere Sache.

"Außerdem wurde ich Zeuge von merkwürdigen Geschäften, die der Truchsess betreibt. Geschäfte, die niemand gerne sieht", setzte Estelon fort. "Er lässt den Keil zwischen ehrlichen und unehrlichen Verkäufen verschwinden. Sagen wir... Er ist ein Hochstapler, einer der üblen Sorte. Die Geschäftsmänner- und Frauen bemerken in den letzten Monaten einige Veränderungen, die ihnen gar nicht gefallen. Sie sind frustriert."

Bei seinen Worten schlich sich nun doch ein zaghaftes Lächeln auf meinen Lippen. "Willst du mir damit sagen, Estelon, dass wir endlich haben was wir brauchen?"

Der Elb vor mir schmunzelte. "Ich möchte dir damit sagen, Melwen, dass wir diesen Mann los sind." 

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