unglaubwürdig Teil69


Jem tat, was er versprochen hatte und ließ in dieser Nacht nicht zu, dass die Träume kamen. Er merkte sehr wohl, dass Cal zwar wirklich müde war, aber offenbar gerade heute Nacht die Träume fürchtete. Also kuschelten sie eine kleine Weile und Jem versprach, aufzupassen und Cal zu wecken, wenn er merkte, dass etwas nicht stimmte. Das funktionierte tatsächlich. Cal schlief ein wenig in Jems Armen, dann wurde der Schlaf unruhig und er rüttelte ihn wach. Gegen Morgen schliefen dann beide ein, aber jetzt endlich so übermüdet, dass nicht die Sonne, die durchs Fenster schien und auch nicht das Getrappel von Buster im Flur oder die Haustür, als Rory mit ihm losging, die beiden wecken konnten. Erst der Alarm von Jems Handy brachte dies zustande und zum Glück war Rory längt dabei, Frühstück vorzubereiten. Jem sprang als Erster unter die Dusche, während Cal noch halb benommen liegen blieb. Dann war er an der Reihe und Jem kam gerade rechtzeitig für einen Anruf seines Dads aus dem Bad zurück.

„Hi Dad, ... ja, wir sind schon auf... ja, das haben wir... ja, das hat er... ja... Mach dir keine Umstände, wir kommen mit der Tube...was? Nein... na schön... Wo? ... ja ist gut... ja... Ja, bis nachher... ich dich auch."

Cal kam mit einem Handtuch um die Hüften zu ihm und legte ihm von hinten die Arme um die Brust.

„Ich mag deinen Dad", murmelte er in Jems Nacken und küsste ihn am Haaransatz.

„Ja, ich auch, aber er schickt extra 'n Taxi. Als ob wir nicht allein zum Gericht finden würden."

„Er will wahrscheinlich auf Nummer sicher gehen, dass wir auch pünktlich da sind...", flüsterte Cal in Jems Ohr.

„Ja, eben also zieh dich an, wir gehen frühstücken."

Cal zog gespielt übertrieben eine Grimasse, ließ das Handtuch fallen und ging so, nackt quer durch den Raum zu den zurechtgelegten Anziehsachen.

Jem schüttelte gespielt genervt den Kopf. „Wie kriegst du es hin, Cupid, mich auf jede nur erdenkliche Art in den Wahnsinn zu treiben?"

„Keine Ahnung. Ich denk nicht drüber nach", kam es zurück.

Rory war derjenige, der beim Frühstück gefühlt alle zwei Minuten auf die Uhr schaute. Er behauptete, er habe geschlafen, aber Jem fand, wenn er das hätte, dann könne es nicht lange gewesen sein. Ausgeschlafen sah der Bruder jedenfalls nicht aus. Aber ebenso wie die beiden anderen, hatte er sich für den Anlass etwas förmlicher gekleidet als sonst. Schließlich klingelte es an der Tür, was nur bedeuten konnte, dass das Taxi da war. Cal musste Buster noch einmal drücken und ihm sagen, dass er sich benehmen sollte, bis sie zurück seien, was Jem als richtig gutes Zeichen aufnahm. Rory musste das Gleiche gedacht haben, denn er schaute kurz zu Jem und nickte kaum merklich. Dann waren sie also so weit. Auf zum Prozess!

Alexander wartete an der Straße vor dem Gerichtsgebäude auf die drei jungen Männer. Er sah sie sofort, kaum dass sie aus dem Taxi stiegen. Von den dreien erkannte Jem seinen Dad zuerst.

„Da hinten, mit Perücke und in Robe, da steht Alexander."

Jem winkte seinem Vater zu, der bereits auf dem Weg zu ihnen war und alle drei nacheinander kurz in den Arm nahm, bevor er das Taxi bezahlte.

„Kommt zu den Spesen", erklärte er mit einem Augenzwinkern. „Unter anderen Umständen würde ich sagen, schön, dass ihr da seid, aber so: schön, euch wiederzusehen."

Jem nickte. Der Anblick von Alexander war einerseits beruhigend, denn er vertraute ihm im Grunde voll und ganz, aber der Anblick der Anwaltsperücke machte ihn nun doch etwas nervös. Cal und Rory schien es nicht anders zu gehen. Cal kaute etwas unsicher auf seiner Unterlippe und Rory trat von einem Fuß auf den anderen.

„Also dann, folgt mir einfach hinein und dann zeige ich dir und Rory eure Plätze, Cal kommt zu mir."

Jem nickte wieder.

Cal versuchte sich nicht irre zu machen. Was er ohne Jem, Rory oder Alexander getan hätte, wollte er sich gar nicht vorstellen. Jeder von den Dreien gab ihm den Halt und die Zuversicht, ohne die er es nicht mal die Flure entlang bis zum Gerichtssaal geschafft hätte, ohne nach dem nächsten Fluchtweg über die nächste Feuertreppe zu suchen. Das wäre immerhin eine Möglichkeit, wenn alle Stricke reißen sollten. Abhauen. Irgendwohin. Jem würde ihm folgen, ganz bestimmt sogar. Natürlich nicht durch ein Fenster und über eine Treppe, aber ganz bestimmt nach Irland oder auf den Kontinent. Er würde nachkommen. Cal versuchte sich auf etwas Schönes zu konzentrieren. Im Fahrstuhl griff Jem nach seiner Hand. Das war schön. Und er konnte den Schlüssel spüren, der an silberner Kette um seinen Hals hing und unter dem T-Shirt warm an seiner Brust lag. Wenn das alles nur erst vorbei wäre...

„So, da wären wir", bemerkte Alexander, als sie den Gerichtssaal betraten. Es war kein besonders großer Saal, aber er war mit Holz vertäfelt und eine große Union-Jack Flagge, sowie ein Portrait der Queen in jüngeren Jahren, hingen an den Wänden. Für den Richter gab es einen erhöhten Platz, direkt davor einen Tisch mit der Protokollantin. Rechts daneben der Zeugenstand. Callum und Alexander nahmen auf der linken Seite Platz, gleich vor der Jury, die in Zweierreihen links außen saß. Rechts neben ihnen war noch frei für seinen Anwalt und J. Rory und Jem bekamen Plätze in der ersten Reihe auf einer Bank. Hinter ihnen gab es noch ein paar Reihen Bänke, wo tatsächlich auch Leute saßen. Cal glaubte, dass er niemanden von denen kannte. Aber vielleicht hoffte er das auch nur, denn das Letzte, was er brauchen würde, wäre wohl, wenn irgendwelche seiner Ex- Freier als Zeugen für Johnson auftreten würden. Bei nochmaligem Überlegen, fände Callum irgendwen vom Jugendamt noch schlimmer. Alexander bemerkte, dass Cal blass und blasser wurde und drückte einmal kurz seine Hand.

„Wir haben das hier im Griff, klar soweit?"

Callum nickte zögerlich. Er hoffte das wirklich sehr. Kurz darauf ging die Tür auf und sein Anwalt und J kamen herein, aber nicht allein. Neben J, quasi an seiner Hand ging eine Frau, ungefähr im gleichen Alter und hinter den beiden kamen drei Jugendliche, ein Zwillingspaar Mädchen und ein etwas größerer vielleicht 17-Jähriger. Callum krampfte bei dem Anblick zusammen. Rory, irgendwo hinter ihm ließ ein leises „Fuck" hören, leider laut genug, sodass es andere auch hören konnten. Jem starrte nur entgeistert und zog die Luft tief ein. Wieder drückte Alexander kurz Callums Hand und flüsterte ihm etwas zu, was nur er hören konnte:

„Das ist nur ein billiger Versuch, den Richter und die Jury mit seiner Familie zu beeindrucken. Mach dir nichts draus. Der ist nicht glaubwürdiger, nur weil er Frau und Kinder anschleppt. Und du bist nicht unglaubwürdiger, weil du mit Jem hier bist. Klar soweit?"

Cal sagte gar nichts. Er hasste es einfach nur hier zu sein und diesen Typen wiederzusehen. Und dann auch noch so. Ihm wurde schlecht.

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