Träume Teil53

Träume können etwas ganz Wunderbares sein. So kann man im Traum seiner Zukunft begegnen oder zumindest der Vorstellung, wie man sich seine Zukunft, sein zukünftiges Leben vorstellt. Sie können auch trösten, wenn man Menschen wieder begegnet, die man bereits verloren hat, die aber nachts wiederkehren, um mit geliebten Menschen zusammen zu sein oder uns daran zu erinnern, wie sehr wir sie einmal geliebt haben. Sie können auch ganz banale Erlebnisse des Tages widerspiegeln, verzerren oder verdeutlichen. Callum kannte nichts davon. Wenn er träumte- und er hoffte noch immer, jeden Abend bevor er einschlief, dass es nicht so sein würde- dann sah er seine Vergangenheit, nicht seine Zukunft. Und es war mehr als nur ein Sehen. Er sah, roch, schmeckte, hörte und spürte die widerlichsten und abartigsten Dinge, für die er nicht einmal Worte kannte, außer der Worte, die man ihm in den jeweiligen Situationen beigebracht hatte. Allesamt Worte, die er nie wieder vergessen könnte, so wenig wie den Ekel, die Scham, den Schmerz, das Entsetzen, die damit einhergingen. Er fuhr schwer atmend und schweißnass in die Höhe, ohne Orientierung, wo er war. Es war dunkel. Da war jemand neben ihm. War das einer von diesen Kerlen?! Nein, dann fiel es ihm wieder ein. Er lag bei seinem blonden Cowboy und sie waren im Bett seines Bruders Rory, den es noch gab, den sie gefunden hatten und der behauptete, ihn zu lieben. Er horchte, ob er Jem geweckt hatte, aber wie es schien, atmete der ganz ruhig und schlief ebenso fest. Callum wollte nicht so egoistisch sein und ihn wecken. Stattdessen legte er sich jetzt dichter zu ihm, von Angesicht zu Angesicht, sodass er seinen Atem spüren konnte. Das war viel besser. Er legte einen Arm über ihn. So könnte er im gleichen Rhythmus atmen und ihn spüren und mit etwas Glück, würde er selbst auch wieder einschlafen. Jem bewegte sich jetzt ein wenig. „Is' was?", murmelte er Cal zu. „Alles gut, schlaf", flüsterte der zurück und gab Jem einen Kuss auf die Stirn. Er versuchte, sich auf seinen Atem zu konzentrieren und zählte mit, vielleicht könnte das helfen, aber stattdessen kam die Erinnerung an diese verfickte Kiste. Die war gerade groß genug für einen dreizehnjährigen, extrem abgemagerten Jungen, dem jeder seiner spitzen Knochen schmerzte, wenn er darin hockte, den Kopf zwischen den Beinen, wodurch das Gefühl des Erstickens noch gesteigert wurde. Warum war er nicht einfach gestorben? Was hatte ihn das aushalten lassen? Ihm kamen die Tränen, ganz leise, aber unaufhaltsam. Weil es tatsächlich eine Zukunft für ihn gab? Auch wenn er das nie geträumt hatte? Das musste es sein...

Am Morgen fuhr er wiederum auf, aber dieses Mal, weil der Platz neben ihm im Bett leer war. Wie? Wo? „Jem?" Er hatte einfach keine Geduld. In dem Moment, als er rief, hörte er, dass Wasser im Bad lief und Jem die Zähne putzte. Alles war in Ordnung. Bestimmt würde er gleich wieder zu ihm kommen. Callum schaute sich so lange vom Bett aus um. Das Zimmer seines Bruders war ordentlich und praktisch. Ein Schrank, ein Sessel, um Zeug darauf zu schmeißen, ein paar Haken an der Wand. Keine Bilder. Das Zimmer hatte ein Fenster und eine Balkontür, die zum Garten hin lagen. Als er das bemerkte, schämte er sich fast für diese alte Gewohnheit. Das hier war das Zimmer von Rory, verdammt! Er seufzte. Dann kam er auf die Idee, etwas ganz anderes über Rory herauszufinden. Er rollte sich im Bett herum, sodass er die Nachttischschublade öffnen konnte. „Na, mal sehen", murmelte Cal und schaute hinein. Ein Buch. "Dracula" von Bram Stoker. Cal kannte nur den Titel und wollte den Klappentext lesen, da fand er unter dem Paperback ein paar Kondome. „Na, sieh mal einer an." Er grinste. Auch wenn Rory noch keine feste Freundin hatte, dann schien zumindest kein Mangel an Bewerberinnen zu herrschen.

„Was machst du denn da, Cupid?" Jem war aus dem Bad gekommen und legte sich neben ihn auf das Bett.

„Was schon? Ich interessiere mich für meinen Bruder."

„Indem du seinen Nachtschrank durchsuchst?"

„Willst du sagen, du hast nicht im Bad nachgeschaut?"

„Oh, du hast mich erwischt. Da liegen drei noch verpackte Zahnbürsten in seiner Kommode."

„Siehst du..."

„Ja, ja. Was machen wir jetzt aus der neu gewonnenen Info?"

„Da deine Schwester schon vergeben ist, nichts."

„Aber wir halten die Augen offen."

„Unbedingt."

„Und was machen wir jetzt?"

„Da wir beide nichts anhaben, könnte mir dazu was einfallen."

„Ach ja? Jeden Augenblick will der Hund 'raus, jede Wette."

„Der Hund und Rory verstehen sich prächtig und noch ist es still im Haus."

„Du hast geschlafen, als könnte das Haus zusammenkrachen, ohne dass du es merkst."

Callum stutzte. „Hab ich das?"

Jetzt stutzte Jem. „Hast du nicht?" Callum zögerte den Bruchteil einer Sekunde, das verriet Jem alles. „Was ist los?"

Jem nahm Callum das Buch ab, legte es zurück und schloss die Schublade. Dann rückte er so neben Callum, dass er ihn direkt ansehen konnte. Er strich ihm mit dem Finger eine Locke aus dem Gesicht, dann legte er die Hand in seinen Nacken und zog ihn für einen zärtlichen Kuss zu sich. „Glaub nicht, dass ich glaube, dass du dein altes Ich so einfach hinter dir lassen kannst", begann er, „das hier triggert dich."

„Was meinst du?"

„Was Rory alles erzählt hat, was du vergessen hattest, was jetzt alles wiederkommt, was du noch nicht erzählt hast, alles."

„Du bist immer so verdammt schlau."

„Wenn ich nicht so schlau wäre oder diesen Cowboy- Arsch hätte, wärst du nicht so verrückt nach mir", lenkte Jem das Thema jetzt auf leichteren Boden. Er hatte richtig gelegen und nahm sich vor, besser aufzupassen. Cal lachte kurz über die Cowboy-Bemerkung auf, dann wurde er ernst.

„Ich habe immer noch diese Alpträume", gab er jetzt zu, „nachts sind sie der Horror und morgens weiß ich dann gar nicht genau, was es gewesen ist."

„Weck mich, wenn es dir hilft."

„Echt?"

„Ja, echt."

„Wie soll das helfen?"

„Keine Ahnung, wir reden, wir haben Sex oder irgendwas. Hauptsache, du träumst dann nicht oder bist abgelenkt."

„Das gefällt mir."

„Reden oder Sex?"

„Beides."

„Mmmmmmhhh, jetzt?"

„Ja klar und geredet haben wir schon."

„Genau mein Gedanke."

...

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